1. Ei­ne Arg­lis­t­haf­tung des Ver­käu­fers we­gen ei­ner Täu­schung durch Ver­schwei­gen ei­nes of­fen­ba­rungs­pflich­ti­gen Man­gels setzt vor­aus, dass Ver­käu­fer den Man­gel kann­te oder zu­min­dest für mög­lich hielt und bil­li­gend in Kauf nahm, dass Käu­fer den Man­gel nicht kann­te kann­te und bei Of­fen­ba­rung des Man­gels den Kauf­ver­trag nicht oder nicht mit dem ver­ein­bar­ten In­halt ge­schlos­sen hät­te. Das Tat­be­stands­merk­mal der Arg­list er­fasst da­mit nicht nur ein von be­trü­ge­ri­scher Ab­sicht ge­tra­ge­nes Ver­hal­ten des Ver­käu­fers, son­dern auch sol­che Ver­hal­tens­wei­sen, die auf be­ding­ten Vor­satz im Sin­ne ei­nes „Für­mög­lich­hal­tens“ und „In­kauf­neh­mens“ re­du­ziert sind und mit de­nen kein mo­ra­li­sches Un­wert­ur­teil ver­bun­den sein muss.
  2. Ei­nen Ge­braucht­wa­gen­händ­ler trifft kei­ne ge­ne­rel­le, an­las­s­un­ab­hän­gi­ge Ob­lie­gen­heit, ein Fahr­zeug vor dem Ver­kauf um­fas­send zu un­ter­su­chen. Zu ei­ner Über­prü­fung des Fahr­zeugs kann er viel­mehr nur auf­grund be­son­de­rer Um­stän­de, die für ihn ei­nen kon­kre­ten Ver­dacht auf Män­gel be­grün­den, ge­hal­ten sein, et­wa dann, wenn er die Vor­schä­di­gung ei­nes zu ver­äu­ßern­den Fahr­zeugs kennt. Ab­ge­se­hen von die­sen Fäl­len ist der Händ­ler grund­sätz­lich nur zu ei­ner fach­män­ni­schen äu­ße­ren Be­sich­ti­gung („Sicht­prü­fung“) ver­pflich­tet (im An­schluss an BGH, Urt. v. 15.04.2015 – VI­II ZR 80/14, ju­ris Rn. 14 m. w. Nachw.; st. Rspr.).
  3. Es ist völ­lig le­bens­fremd an­zu­neh­men, dass ein ge­werb­li­cher Ge­braucht­wa­gen­händ­ler den Ki­lo­me­ter­stand ei­nes Fahr­zeugs so ma­ni­pu­liert, dass er ei­ne um 500 km ge­rin­ge­re Lauf­leis­tung als die tat­säch­li­che Lauf­leis­tung an­zeigt. Denn ei­ne der­art ge­ring­fü­gi­ge Ab­wei­chung wirkt sich nicht auf den Ver­kaufs­preis aus.

LG It­ze­hoe, Ur­teil vom 17.04.2024 – 10 O 68/22

Sach­ver­halt: Der Klä­ger kauf­te von der Be­klag­ten am 16.04.2019 ei­nen ge­brauch­ten Pkw SE­AT Le­on zum Preis von 24.070 € Eu­ro.

Im schrift­li­chen Kauf­ver­trag ist die Lauf­leis­tung die­ses Fahr­zeugs mit 12.850 km an­ge­ge­ben. Un­ter der Über­schrift „Un­fall­schä­den“ heißt es im Kauf­ver­trag: „Stoß­fän­ger hin­ten er­neu­ert, 1.200,–“. Die All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen der Be­klag­ten, die Be­stand­teil des Kauf­ver­trags wur­den, se­hen un­ter „VI. Haf­tung für Sach­män­gel“ un­ter an­de­rem Fol­gen­des vor:

„1. An­sprü­che des Käu­fers we­gen Sach­män­geln ver­jäh­ren in ei­nem Jahr ab Ab­lie­fe­rung des Kauf­ge­gen­stan­des an den Kun­den.

2. Die in Zif­fer 1 ge­re­gel­te, auf 1 Jahr ver­kürz­te Ver­jäh­rungs­frist gilt nicht für Scha­dens­er­satz­an­sprü­che aus Sach­man­gel­haf­tung, die auf ei­ner grob fahr­läs­si­gen oder vor­sätz­li­chen Ver­let­zung von Pflich­ten des Ver­käu­fers oder sei­nes Er­fül­lungs­ge­hil­fen be­ru­hen, so­wie bei der Ver­let­zung von Le­ben, Kör­per oder Ge­sund­heit.

[…]

4. Un­ab­hän­gig von ei­nem Ver­schul­den des Ver­käu­fers bleibt ei­ne et­wai­ge Haf­tung des Ver­käu­fers bei arg­lis­ti­gem Ver­schwei­gen ei­nes Man­gels, aus der Über­nah­me ei­ner Ga­ran­tie oder ei­nes Be­schaf­fungs­ri­si­kos und nach dem Pro­dukt­haf­tungs­ge­setz un­be­rührt.“

Das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug, das die Be­klag­te ih­rer­seits von V er­wor­ben hat­te, wur­de dem Klä­ger am 03.05.2019 über­ge­ben.

Nach­dem der Klä­ger ge­gen­über der Be­klag­ten Schä­den an dem Pkw re­kla­miert hat­te, bot die Be­klag­te ihm schließ­lich an, das Fahr­zeug für 16.500 € zu­rück­zu­kau­fen. Dies lehn­te der Klä­ger ab.

Mit Schrei­ben vom 11.02.2022 er­klär­te der – an­walt­lich ver­tre­te­ne – Klä­ger ge­gen­über der Be­klag­ten die An­fech­tung des Kauf­ver­trags we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung und for­der­te die Be­klag­te (er­folg­los) zur Rück­ab­wick­lung des Ver­trags auf.

Der Klä­ger be­haup­tet, er ha­be nach der Über­ga­be des fest­ge­stellt, dass das Fahr­zeug un­rund läuft und lau­te Ab­roll­ge­räu­sche auf­tre­ten. Dies ha­be er ge­gen­über der Be­klag­ten be­an­stan­det. Die Be­klag­te ha­be ge­äu­ßert, dass die Sym­pto­me ver­mut­lich auf die mon­tier­ten Som­mer­rä­der zu­rück­zu­füh­ren sei­en. Die Sym­pto­me sei­en je­doch auch bei mon­tier­ten Win­ter­rä­dern auf­ge­tre­ten. Dar­auf ha­be er – der Klä­ger – die Be­klag­te auch hin­ge­wie­sen.

Als er den Pkw ha­be wei­ter­ver­kau­fen wol­len, sei bei ei­ner flüch­ti­gen Un­ter­su­chung des Fahr­zeugs in we­ni­ger als ei­ner Mi­nu­te fest­ge­stellt wor­den, dass der SE­AT Le­on am Heck drei ver­schie­de­ne Lack­schich­ten­di­cken auf­weist. Dies deu­te auf ei­nen mas­si­ven Un­fall­scha­den hin. Sei­ne Nach­for­schun­gen hät­ten er­ge­ben, dass das Fahr­zeug nicht le­dig­lich ei­nen leich­ten Scha­den er­lit­ten ha­be und durch ei­nen Aus­tausch des hin­te­ren Stoß­fän­gers mit ei­nem Kos­ten­auf­wand von 1.200 € in­stand ge­setzt wor­den sei. Viel­mehr ha­be der SE­AT Le­on im No­vem­ber 2018 ei­nen mas­si­ven Heck­scha­den er­lit­ten und sei am 12.11.2018 mit ei­nem Kos­ten­auf­wand von min­des­tens 12.000 € re­pa­riert wor­den. Die­se Fahr­zeug­his­to­rie sei der Be­klag­ten be­kannt ge­we­sen.

Zu­dem sei die Lauf­leis­tung des Pkw im Kauf­ver­trag vom 16.04.2019 falsch an­ge­ge­ben wor­den. In ei­nem Gut­ach­ten vom 12.11.2018 sei ein Ki­lo­me­ter­stand von 12.889 ver­merkt, so­dass die Lauf­leis­tung am 16.04.2019 den­klo­gisch nicht nur 12.850 km ha­be be­tra­gen kön­nen.

Der Klä­ger meint, die Be­klag­te ha­be ihm den (be­haup­te­ten) Un­fall­scha­den arg­lis­tig ver­schwie­gen. Es sei da­von aus­zu­ge­hen, dass die Be­klag­te als ge­werb­li­che Händ­le­rin, die im In­ter­net mit be­son­de­rer Sach­kun­de und Kom­pe­tenz wer­be, ein Fahr­zeug beim An­kauf auf Un­fall­schä­den un­ter­su­che. Bei die­ser Un­ter­su­chung, die auch hier er­folgt sei, ha­be die Be­klag­te den (be­haup­te­ten) Un­fall­scha­den oh­ne fest­ge­stellt.

Der Klä­ger hat zu­letzt be­an­tragt, die Be­klag­te zur Zah­lung von 23.010,70 € nebst Zin­sen, Zug um Zug ge­gen Rück­ge­währ des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs, zu ver­ur­tei­len und den An­nah­me­ver­zug der der Be­klag­ten fest­zu­stel­len.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen, und die Ein­re­de der Ver­jäh­rung er­ho­ben. Sie hat gel­tend ge­macht, dass sie in dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Kauf­ver­trag al­les an­ge­ge­ben ha­be, was ihr be­kannt ge­we­sen sei. An­halts­punk­te für (wei­te­re) Un­fall­schä­den des Fahr­zeugs ha­be sie trotz ei­ner äu­ße­ren Sicht­prü­fung nicht ge­habt. Da­ge­gen, dass der von dem Klä­ger be­haup­te­te Un­fall­scha­den be­reits bei Ver­trags­schluss vor­han­den ge­we­sen sei, spre­che ins­be­son­de­re, dass der Klä­ger in den knapp drei Jah­ren zwi­schen Mai 2019 und März 2022 kei­ne Schä­den be­merkt ha­be. Im Üb­ri­gen ha­be die vom Klä­ger be­haup­te­te Re­pa­ra­tur kei­nes­wegs ei­nen Kos­ten­auf­wand von (min­des­tens) 12.000 € er­for­dert, son­dern le­dig­lich ei­nen Kos­ten­auf­wand von 3.500 €.

Beim Ver­kauf des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs an den Klä­ger ha­be der Ki­lo­me­ter­zäh­ler 12.850 km an­ge­zeigt. Sie – die Be­klag­te – wis­se nicht, wie­so in ei­nem nicht von ihr am 12.11.2018 er­stell­ten Gut­ach­ten ein Ki­lo­me­ter­stand von 12.899 an­ge­ge­ben sei. In­so­weit dürf­te es sich um ei­nen Irr­tum ge­han­delt ha­ben. Un­ab­hän­gig da­von, dass nichts für die von dem Klä­ger be­haup­te­te Ma­ni­pu­la­ti­on des Ki­lo­me­ter­zäh­lers spre­che, sei es le­bens­fremd an­zu­neh­men, dass sie – die Be­klag­te – den Ki­lo­me­ter­zäh­ler um 500 km „zu­rück­ge­dreht“ ha­be. Ei­ne der­ar­ti­ge Ma­ni­pu­la­ti­on hät­te kei­ne Aus­wir­kun­gen auf den Ver­kaufs­auf­preis des Pkw ge­habt.

Die Kla­ge hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: Die Kla­ge ist zu­läs­sig aber un­be­grün­det.

I. Die Kla­ge ist zu­läs­sig.

1. Das LG It­ze­hoe ist ört­lich und sach­lich zu­stän­dig ge­mäß §§ 12, 17 I ZPO, §§ 71 I, 23 Nr. 1 GVG.

2. Das für den An­trag zu 2 er­for­der­li­che Fest­stel­lungs­in­ter­es­se i. S. des § 256 I ZPO folgt aus §§ 756 I, 765 Nr. 1 ZPO.

3. Die ob­jek­ti­ve Kla­ge­häu­fung ist zu­läs­sig (§ 260 ZPO).

4. In der Um­stel­lung des Kla­ge­an­trags liegt kei­ne Kla­ge­än­de­rung; es han­del­te sich um die Kor­rek­tur ei­nes Re­chen­feh­lers i. S. des § 264 Nr. 1 ZPO.

II. Die Kla­ge ist je­doch un­be­grün­det. Der Klä­ger hat ge­gen die Be­klag­te kei­nen An­spruch auf Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags – we­der aus Rück­tritt (da­zu un­ter 1) noch auf­grund ei­ner An­fech­tung (da­zu un­ter 2).

1. Der Klä­ger hat kei­nen An­spruch ge­gen die Be­klag­te auf Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags ge­mäß § 433 I 2 BGB, § 434 BGB a.F., § 437 Nr. 2 Fall 1, §§ 323 I, 326 V BGB.

a) Et­wai­ge Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­che sind ver­jährt.

Bei Ver­trags­schluss ha­ben die Par­tei­en die All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen der Be­klag­ten in den Ver­trag ein­be­zo­gen. Da­nach sind et­wai­ge An­sprü­che ein Jahr nach Über­ga­be der Kauf­sa­che, mit­hin am 04.05.2020 ver­jährt. Die Klau­sel hält auf­grund der Re­ge­lun­gen in Zif­fer IV 2 der All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen auch den An­for­de­run­gen des § 309 Nr. 7 lit. a und lit. b BGB stand, so­dass sie wirk­sam ist (vgl. BGH, Ur­t. v. 29.05.2013 – VI­II ZR 174/12, NJW 2013, 2584 Rn. 13 ff.).

Der Klä­ger hat trotz Hin­wei­ses des Ge­richts nicht dar­ge­legt, dass Ver­hand­lun­gen vor die­sem Zeit­punkt ge­führt wur­den. Die dar­ge­leg­ten Ver­hand­lun­gen ha­ben erst am 11.02.2022 be­gon­nen (vgl. An­la­ge K3) be­gon­nen. Zu die­sem Zeit­punkt wä­ren die An­sprü­che auch nach der all­ge­mei­nen Ge­währ­leis­tung ge­mäß § 438 I Nr. 3, II BGB am 04.05.2021 ver­jährt ge­we­sen. Dass er schon da­vor mit der Be­klag­ten in Ver­hand­lung war, hat der Klä­ger trotz Hin­wei­ses in der münd­li­chen Ver­hand­lung auf die Ver­jäh­rung nicht dar­ge­legt.

b) Ei­ne re­gel­mä­ßi­ge Ver­jäh­rung von drei Jah­ren ge­mäß § 438 III BGB i. V. mit §§ 195, 199 I BGB kommt hier nicht zur An­wen­dung.

Nach § 438 III BGB ver­jäh­ren die An­sprü­che ab­wei­chend von § 438 I Nr. 2 und Nr. 3 und II BGB in der re­gel­mä­ßi­gen Ver­jäh­rungs­frist,wenn der Ver­käu­fer den Man­gel arg­lis­tig i. S. des § 123 I Fall 1 BGB ver­schwie­gen hat.

Dar­über, ob der be­haup­te­te Scha­den bei Kauf­ver­trags­schluss vor­ge­le­gen hat, muss­te kein Be­weis er­ho­ben wer­den. Dar­auf kommt es im Er­geb­nis nicht an; denn selbst wenn der Scha­den vor­ge­le­gen hät­te, ist nicht zu er­ken­nen, dass die Be­klag­te den Klä­ger arg­lis­tig ge­täuscht hat.

Ein arg­lis­ti­ges Ver­hal­ten der Be­klag­ten konn­te der Klä­ger nicht zur Über­zeu­gung des Ge­richts be­wei­sen.

Ge­mäß § 286 I 1 ZPO hat das Ge­richt un­ter Be­rück­sich­ti­gung des ge­sam­ten In­halts der Ver­hand­lun­gen und des Er­geb­nis­ses ei­ner et­wai­gen Be­weis­auf­nah­me nach frei­er Über­zeu­gung zu ent­schei­den, ob ei­ne tat­säch­li­che Be­haup­tung für wahr oder für nicht wahr zu er­ach­ten sei. Die­se Über­zeu­gung von der Wahr­heit er­for­dert kei­ne ab­so­lu­te oder un­um­stöß­li­che Ge­wiss­heit, da ei­ne sol­che nicht zu er­rei­chen ist (BGH, Urt. v. 17.02.1970 – III ZR 139/67, BGHZ 53, 245, 255 f. = NJW 1970, 946, 948 – „Ana­st­a­sia”). Das Ge­richt darf al­so nicht dar­auf ab­stel­len, ob je­der Zwei­fel und je­de Mög­lich­keit des Ge­gen­teils aus­ge­schlos­sen ist. Es ge­nügt viel­mehr ein für das prak­ti­sche Le­ben brauch­ba­rer Grad von Ge­wiss­heit, der den Zwei­feln Schwei­gen ge­bie­tet, oh­ne sie völ­lig aus­zu­schlie­ßen (BGH, Urt. v. 14.12.1993 – VI ZR 221/92, NJW-RR 1994, 567, 568, mit Ver­weis auf BGH, Urt. v. 17.02.1970 – III ZR 139/67, BGHZ 53, 245, 256 = NJW 1970, 946, 948 – „Ana­st­a­sia”; BGH, Urt. v. 18.04.1977 – VI­II ZR 286/75, VersR 1977, 721 = ju­ris Rn. 6). Kann sich das Ge­richt nach ord­nungs­ge­mä­ßer Wür­di­gung sämt­li­cher Er­geb­nis­se der Be­weis­auf­nah­me und der münd­li­chen Ver­hand­lung von der zu be­wei­sen­den Tat­sa­che nicht in dem er­for­der­li­chen Maß über­zeu­gen (non li­quet), hat es bei sei­ner Ent­schei­dung vom Nicht­vor­lie­gen der be­trof­fe­nen Tat­sa­che zu Un­guns­ten der be­weis­be­las­te­ten Par­tei aus­zu­ge­hen (HK-ZPO/Sa­en­ger, 10. Aufl. [2023], § 286 Rn. 34).

Maß­geb­li­cher Zeit­punkt für das Vor­lie­gen von Arg­list ist der Ver­trags­schluss.

Ei­ne Arg­lis­t­haf­tung we­gen der Täu­schung durch Ver­schwei­gen of­fen­ba­rungs­pflich­ti­ger Män­gel setzt vor­aus, dass dem Ver­käu­fer Feh­ler be­kannt wa­ren oder er sie zu­min­dest für mög­lich hielt und bil­li­gend in Kauf nahm, dass dem Käu­fer die­se Feh­ler nicht be­kannt wa­ren oder er bei de­ren Of­fen­ba­rung den Ver­trag nicht oder nicht mit dem ver­ein­bar­ten In­halt ge­schlos­sen hät­te. Das Tat­be­stands­merk­mal der Arg­list er­fasst da­mit nicht nur ein Ver­hal­ten des Ver­äu­ße­rers, das von be­trü­ge­ri­scher Ab­sicht ge­tra­gen ist, son­dern auch sol­che Ver­hal­tens­wei­sen, die auf be­ding­ten Vor­satz im Sin­ne ei­nes „Für­mög­lich­hal­tens“ und „In­kauf­neh­mens“ re­du­ziert sind und mit de­nen kein mo­ra­li­sches Un­wert­ur­teil ver­bun­den sein muss (vgl. BGH, Urt. v. 22.11.1991 – V ZR 215/90, NJW-RR 1992, 333, 334; Urt. v. 14.06.1996 – V ZR 105/95 NJW-RR 1996, 1332; Urt. v. 12.04.2002 – V ZR 302/00, ju­ris Rn. 9; OLG Ko­blenz, Beschl. v. 09.11.2006 – 10 U 952/06, BeckRS 2010, 7892; Beschl. v. 19.01.2009 – 2 U 422/08, BeckRS 2009, 87833; Beschl. v. 20.02.2009 – 2 U 848/08, BeckRS 2009, 87836; Beschl. v. 04.10.2012 – 2 U 1020/11, ju­ris Rn. 21). Ei­ne Auf­klä­rungs­pflicht der Be­klag­ten kommt da­nach nur in Be­tracht, so­weit die Be­klag­te Kennt­nis von ei­nem – nicht re­pa­rier­ten – Un­fall­scha­den hat­te oder ei­nen sol­chen für mög­lich hielt.

aa) Es ist schon kei­ne Täu­schung dar­über er­folgt, dass das Au­to un­fall­frei sei. Die Be­klag­te hat im Kauf­ver­trag an­ge­ge­ben, dass ein re­pa­rier­ter Un­fall­scha­den „lt. Vor­be­sit­zer“ vor­liegt und der Stoß­fän­ger er­neu­ert wor­den ist. Der Klä­ger hät­te sich auf­grund die­ser An­ga­ben selbst über den Um­fang des Scha­dens kun­dig ma­chen kön­nen. Er hat of­fen­bar noch nicht ein­mal die Be­klag­te da­zu wei­ter be­fragt. Es ist da­her mehr als zwei­fel­haft, ob über­haupt ei­ne Auf­klä­rungs­pflicht über den Um­fang des Scha­dens be­stand.

bb) Dar­auf kommt es im Er­geb­nis aber nicht an. An­ders als der Klä­ger meint, liegt auch kei­ne arg­lis­ti­ge Täu­schung durch die Be­klag­te hin­sicht­lich des Um­fangs des Scha­dens vor.

Nach stän­di­ger Recht­spre­chung des BGH trifft den Ge­braucht­wa­gen­händ­ler kei­ne ge­ne­rel­le, an­las­s­un­ab­hän­gi­ge Ob­lie­gen­heit, das Fahr­zeug vor dem Ver­kauf um­fas­send zu un­ter­su­chen (BGH, Urt. v. 15.04.2015 – VI­II ZR 80/14, ju­ris Rn. 14; Urt. v. 19.06.2013 – VI­II ZR 183/12, NJW 2014, 211 Rn. 24; Urt. v. 07.06.2006 – VI­II ZR 209/05, BGHZ 168, 64 Rn. 15; Urt. v. 03.11.1982 – VI­II ZR 282/81, NJW 1983, 217 un­ter II 2 b; Urt. v. 21.01.1981 – VI­II ZR 10/80, WM 1981, 323 un­ter II 3 b aa; Urt. v. 11.06.1979 – VI­II ZR 224/78, BGHZ 74, 383, 388 f.; Urt. v. 16.03.1977 – VI­II ZR 283/75, NJW 1977, 1055 un­ter III 1 a m. w. Nachw.). Viel­mehr kann er zu ei­ner Über­prü­fung des Fahr­zeugs nur auf­grund be­son­de­rer Um­stän­de, die für ihn ei­nen kon­kre­ten Ver­dacht auf Män­gel be­grün­den, ge­hal­ten sein (BGH, Urt. v. 15.04.2015 – VI­II ZR 80/14, ju­ris Rn. 14; Urt. v. 21.01.1981 – VI­II ZR 10/80, WM 1981, 323 un­ter II 3 b aa; Urt. v. 21.01.1975 – VI­II ZR 101/73, BGHZ 63, 382, 386 f.; Urt. v. 11.06.1979 – VI­II ZR 224/78, BGHZ 74, 383, 388 f.), et­wa dann, wenn er die Vor­schä­di­gung ei­nes zu ver­äu­ßern­den Fahr­zeugs kennt (BGH, Urt. v. 15.04.2015 – VI­II ZR 80/14, ju­ris Rn. 14; Urt. v. 14.04.2010 – VI­II ZR 145/09, NJW 2010, 2426 Rn. 29 m. w. Nachw.). Ab­ge­se­hen von die­sen Fäl­len ist der Händ­ler grund­sätz­lich nur zu ei­ner fach­män­ni­schen äu­ße­ren Be­sich­ti­gung („Sicht­prü­fung“) ver­pflich­tet (BGH, Urt. v. 15.04.2015 – VI­II ZR 80/14, ju­ris Rn. 14; Urt. v. 15.04.2015 – VI­II ZR 80/14, ju­ris Rn. 14; Urt. v. 19.06.2013 – VI­II ZR 183/12, NJW 2014, 211 Rn. 24 m. w. Nachw.).

Dass bei ei­ner Sicht­prü­fung der Scha­den er­kenn­bar ge­we­sen wä­re, hat der Klä­ger trotz Hin­wei­ses des Ge­richts nicht vor­ge­tra­gen.

Die Be­haup­tung, die Be­klag­te ha­be die Fahr­zeug­his­to­rie ein­ge­holt, er­folg­te „ins Blaue hin­ein“. An­halts­punk­te da­für sind nicht er­sicht­lich. Die Be­haup­tung, dass da­von aus­zu­ge­hen sei, weil es sich bei der Be­klag­ten um ei­nen Fach­be­trieb han­de­le, die mit ih­rer Kom­pe­tenz im In­ter­net wer­be, ist für sich ge­nom­men zur Be­ur­tei­lung des Ein­zel­falls nicht aus­rei­chend und ent­bin­det den Klä­ger auch nicht von sub­stan­zi­ier­tem Vor­trag.

Die Tat­sa­che, dass der Zeu­ge V aus­ge­sagt hat, er ha­be das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug zu­nächst in un­re­pa­rier­tem Zu­stand bei der Be­klag­ten vor­ge­stellt, um es in Zah­lung zu ge­ben, führt in dem hier zu ent­schei­den­den Sach­ver­halt nicht da­zu, der Be­klag­ten ei­ne über ei­ne Sicht­prü­fung hin­aus­ge­hen­de Un­ter­su­chungs­ob­lie­gen­heit auf­zu­er­le­gen. Der Zeu­ge hat näm­lich auch aus­ge­sagt, dass er auf die Mit­tei­lung der Be­klag­ten, er sol­le das Fahr­zeug zu­nächst re­pa­rie­ren las­sen, be­vor es in Zah­lung ge­be, die­ses bei F ha­be re­pa­rie­ren las­sen. Fer­ner hat er aus­ge­sagt, dass er kei­ne Aus­sa­ge da­zu tref­fen kön­ne, in wel­chem Um­fang das Fahr­zeug re­pa­riert wor­den sei, weil es über die Ver­si­che­rung ab­ge­rech­net wor­den sei und ihn des­halb nicht wei­ter in­ter­es­siert ha­be. Es gibt kei­ne Ver­an­las­sung, dem Zeu­gen hin­sicht­lich des Re­pa­ra­tur­ge­sche­hens bei F nicht zu glau­ben. Er hat das Fahr­zeug als Ver­si­che­rungs­fall tat­säch­lich re­pa­rie­ren las­sen und nicht le­dig­lich fik­tiv ge­gen­über der Ver­si­che­rung ab­ge­rech­net und das Fahr­zeug in Ei­gen­re­gie güns­ti­ger re­pa­riert. Bei F han­delt es sich auch um ei­nen Fach­händ­ler.

Die Be­klag­te durf­te mit­hin von ei­ner sach- und fach­ge­rech­ten Re­pa­ra­tur des Ver­si­che­rungs­scha­dens aus­ge­hen. Es sind kei­ne An­halts­punk­te da­für er­sicht­lich, war­um dies nicht er­folgt sein soll. Hin­sicht­lich des Scha­dens hat der Zeu­ge aus­ge­sagt, dass bei dem Un­fall die Stoß­stan­ge of­fen­bar ein­ge­drückt wor­den und dann wie­der in ih­re Ur­sprungs­form zu­rück­ge­gan­gen sei. So sei das Num­mern­schild ver­beult und der Lack ge­platzt ge­we­sen, je­doch nicht mas­siv ab­ge­platzt, son­dern eher ge­staucht und ge­ris­sen, wie es beim Auf­schie­ben eben pas­sie­re. Der Aus­tausch des Stoß­fän­gers er­scheint da­mit auch den­klo­gisch als ge­eig­ne­ter Re­pa­ra­tur­schritt. Bei ei­nem Ver­si­che­rungs­fall darf auch da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass al­les re­pa­riert wird, was er­for­der­lich ist.

Auch die Tat­sa­che, dass der Zeu­ge V der Be­klag­ten mit­ge­teilt hat, dass das Fahr­zeug zu­vor schon ei­nen Auf­fahr­un­fall er­lit­ten ha­be, bei dem ei­ne al­te Frau ganz leicht auf sein Fahr­zeug „an­ge­ruckt“ sei, was zu und Krat­zern un­ter dem Num­mern­schild ge­führt ha­be, än­dert die­se Be­wer­tung nicht. Der Zeu­ge V hat auch die­sen Scha­den bei F re­pa­rie­ren las­sen. Bei F sei ihm auch ge­sagt wor­den, dass ei­ne Wert­min­de­rung auf­grund des ge­rin­gen Scha­dens nicht er­folgt sei. Von dem Scha­den und der Re­pa­ra­tur bei F ha­be er der Be­klag­ten auch er­zählt. Auch bei die­sem Scha­den sei die Zah­lung durch die Ver­si­che­rung be­zie­hungs­wei­se die Un­fall­geg­ne­rin er­folgt, wes­we­gen er sich über den Re­pa­ra­tur­weg kei­ne Ge­dan­ken ge­macht ha­be.

Der Zeu­ge M war nicht mehr zu hö­ren. Zwar könn­ten die von der Be­klag­ten mit Schrift­satz vom 11.3.2024 vor­ge­tra­ge­nen zeit­li­chen Zu­sam­men­hän­ge ver­mu­ten las­sen, dass die Er­in­ne­rung des Zeu­gen auf­grund der ver­stri­che­nen Zeit nicht mehr ganz ak­ku­rat war. Un­ab­hän­gig da­von, dass der Zeu­ge in sich schlüs­sig und wi­der­spruchs­frei un­ter un­um­wun­de­ner Mit­tei­lung von Er­in­ne­rungs­lü­cken aus­ge­sagt hat und auch kei­ne Grün­de er­sicht­lich sind, war­um er wahr­heits­wid­rig aus­sa­gen soll­te, kommt es dar­auf nicht an. Selbst wenn man die Aus­sa­gen des Zeu­gen als wahr un­ter­stellt, ist ein Arg­list­vor­wurf ge­gen die Be­klag­te aus den so­eben dar­ge­leg­ten Grün­den nicht ge­ge­ben.

cc) Der hier zu ent­schei­den­de Fall un­ter­schei­det sich auch von dem von der Klä­ger­sei­te an­ge­führ­ten Sach­ver­halt, über den der BGH mit Ur­teil vom 15.04.2015 ent­schie­den hat (BGH, Urt. v. 15.04.2015 – VI­II ZR 80/14, ju­ris). Dort war das Fahr­zeug nicht zu­vor von ei­nem an­de­ren (Fach-)Be­trieb re­pa­riert wor­den.

dd) Dass das Fahr­zeug von der Be­klag­ten im Rah­men der Preis­schät­zung un­ter­sucht wor­den ist, konn­te der Zeu­ge nicht be­stä­ti­gen, da er bei die­sem Vor­gang nicht da­bei war. Sei­ne Aus­sa­ge war in­so­weit un­er­gie­big.

ee) So­weit der Klä­ger auf den ab­wei­chen­den Ki­lo­me­ter­stands­an­zei­ger zum Vor­gut­ach­ten hin­weist, trägt er schon nicht vor, die Be­klag­te ha­be den Ta­chostand ver­än­dert. Selbst wenn man in sei­nen Vor­trag die­se Be­haup­tung hin­ein­le­sen woll­te, ist das Ge­richt da­von nicht über­zeugt. Nach un­be­strit­te­nem Vor­trag hät­te ei­ne Ab­wei­chung von 500 km nicht zu ei­nem ver­än­der­ten Kauf­preis ge­führt. Ei­nen Grund hät­te es für die Be­klag­te mit­hin nicht ge­ge­ben. Die Un­ter­stel­lung ei­nes sol­chen Vor­ge­hens er­scheint völ­lig le­bens­fremd. Für deut­lich wahr­schein­li­cher er­ach­tet das Ge­richt ein Schreib­ver­se­hen. Be­weis hat der Klä­ger nicht an­ge­bo­ten.

2. Der Klä­ger hat auch kei­nen An­spruch auf Rück­ab­wick­lung nach den §§ 812 ff. BGB i. V. mit § 123 I Fall 1 BGB. Ei­ne arg­lis­ti­ge Täu­schung liegt nicht vor. Zur Ver­mei­dung von Wie­der­ho­lun­gen wird auf die obi­gen Aus­füh­run­gen ver­wie­sen.

III. Man­gels Haupt­for­de­rung sind auch die Ne­ben­for­de­run­gen un­be­grün­det. …

 

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