Die Nutzungsentschädigung, die der Käufer dem Verkäufer bei der Rückabwicklung eines Kfz-Kaufvertrags schuldet, ist bei einem Wohnmobil nicht anhand der Laufleistung, sondern anhand der voraussichtlichen und tatsächlichen Nutzungsdauer zu bemessen.

OLG Dresden, Urteil vom 17.11.2023 – 3 U 983/23

Sachverhalt: Die Klägerin erwarb im September 2019 für 66.500 € ein fabrikneues Wohnmobil „Sunlight I 68“. Dessen Basisfahrzeug ist ein Fiat Ducato III (Typ 250), der mit einem von der Beklagten hergestellten Euro-6-Dieselmotor ausgestattet ist.

Die Klägerin meint, die Beklagte habe sie durch die Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen arglistig geschädigt, und behauptet, sowohl die Abgasrückführung (AGR) als auch der NOX-Speicherkatalysator (NSK) würden zeitgesteuert deaktiviert. Die Beklagte habe einen Timer in die Motorsteuerung implementiert, der mit jedem Motorstart zu laufen beginne und bei Erreichen eines kalibrierten Werts das Emissionskontrollsystem beeinflusse. Außerdem erfolge eine vollwirksame Abgasrückführung lediglich in dem – genormten – Temperaturbereich, der seinerzeit für das Typgenehmigungsverfahren relevant gewesen sei (20 °C – 30 °C).

Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Sie behauptet, die Abgasrückführung in dem streitgegenständlichen Basisfahrzeug werde nicht zeitabhängig moduliert. Die temperaturbezogene Modulation der Abgasrückführungsrate in dem streitgegenständlichen Basisfahrzeug richte sich nicht nach der Außentemperatur, sondern nach der Temperatur der Ansaugluft. Der auf Werte der Außen- oder Umgebungstemperatur bezogene Vortrag der Klägerin treffe daher nicht zu.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichteten Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: II. … Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

1. Vertragliche Ansprüche kommen mangels vertraglicher Beziehungen der Parteien von vornherein nicht in Betracht.

2. Die Klägerin hat auch keinen deliktischen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung des geltend gemachten „kleinen“ Schadensersatzes beziehungsweise Differenzschadens, weder aus § 826 BGB noch aus § 823 II BGB in Verbindung mit einem Schutzgesetz. Auf die Frage der Verjährung kommt es nicht an.

Voraussetzung eines deliktischen Anspruchs ist zunächst, dass die Klägerin das streitgegenständliche Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung erworben hat.

Eine „unzulässige Abschalteinrichtung“ im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 715/20071Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.06.2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge, ABl. 2007 L 171, 1. liegt vor, wenn ein Konstruktionsteil vorhanden ist, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird (Art. 3 Nr. 10 VO [EG] Nr. 715/2007), und dies nicht gerechtfertigt ist durch die in Art. 5 II lit. a bis lit. c genannten Gründe in Form der Notwendigkeit, den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten, in Form des Anlassens des Motors oder in Form der Bedingungen, die in den Verfahren zur Prüfung der Verdunstungsemissionen und der durchschnittlichen Auspuffemissionen im Wesentlichen enthalten sind, das heißt durch die Prüfverfahren zur Emissionsmessung im Wesentlichen vorgegebene Bedingungen (vgl. BGH, Beschl. v. 08.01.2019 – VIII ZR 225/17, juris Rn. 15).

Der Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist – dies gilt auch hinsichtlich des Vorliegens solcher Abschalteinrichtungen – schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen (BGH, Urt. v. 11.03.2021 – VII ZR 196/18, juris Rn. 43). Für die Rechtsfolge nicht näher erforderliche Einzelheiten müssen nicht dargelegt werden. Das Gericht muss jedoch in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen (BGH, Urt. v. 16.09.2021 – VII ZR 190/20, juris Rn. 21). Darüber hinaus ergibt sich der erforderliche Grad an Substanziierung für die darlegungsbelastete Partei im Sinne eines Wechselspiels auch anhand eines substanziierten Bestreitens der Gegenseite (vgl. BGH, Urt. v. 03.06.2014 – VI ZR 394/13, juris Rn. 20). Hat eine Partei keine unmittelbare Kenntnis von den ihrer Behauptung zugrunde liegenden Vorgängen, darf sie auch von ihr nur vermutete Tatsachen als Behauptungen in den Rechtsstreit einführen, wenn sie mangels entsprechender Erkenntnisquellen oder Sachkunde keine sichere Kenntnis von den Einzeltatsachen hat (BGH, Urt. v. 13.07.2021 – VI ZR 128/20, juris Rn. 21). Unbeachtlich ist der auf Vermutungen gestützte Sachvortrag einer Partei jedoch dann, wenn die unter Beweis gestellten Tatsachen so ungenau bezeichnet sind, dass ihre Erheblichkeit nicht beurteilt werden kann, oder wenn sie zwar in das Gewand einer bestimmt aufgestellten Behauptung gekleidet, aber aufs Geratewohl, gleichsam „ins Blaue hinein“ aufgestellt oder aus der Luft gegriffen sind und sich deshalb als Rechtsmissbrauch darstellen (BGH, Urt. v. 16.09.2021 – VII ZR 190/20, juris Rn. 23). Gibt es – wie vorliegend – keinen amtlichen Rückruf, müssen anderweitig greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung vorgetragen werden, soweit die Beklagtenseite behauptete Tatsachen bestreitet.

a) Vor diesem Hintergrund ist vorliegend davon auszugehen, dass die Klägerseite für ihre unter Sachverständigenbeweis gestellte Behauptung, das streitgegenständliche Fahrzeug enthalte die Software eines sogenannten Timers, der für eine Deaktivierung der Abgasrückführung nach 22 Minuten sorge, hinreichend greifbare Anhaltspunkte vorgetragen hat. Zwar hat die Beklagte bestritten, dass die Abgasrückführung zeitabhängig moduliert werde. Dieses einfache Bestreiten genügt allerdings nicht, um den klägerischen Vortrag als „ins Blaue“ hinein gestellt zu bewerten, denn die Klägerin hatte bereits erstinstanzlich sowohl Schreiben des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 07.04.2022 und 20.12.2022 vorgelegt, wonach sich in einem Wohnmobil auf Basis des Fiat Ducato mit selbem Hubraum (2,3 l), selber Leistung (110 kW) und gleicher Emissionsklasse (Euro 6) aufgrund der emissionsbezogenen Untersuchungsergebnisse der Verdacht auf das Vorhandensein von unzulässigen Abschalteinrichtungen ergeben habe, weil die Abgasrückführungsrate nach einer gewissen Motorlaufzeit verringert/​deaktiviert werde, und weiter ein Schreiben des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 13.06.2022 eingereicht, wonach das untersuchte Fahrzeug Fiat Ducato 2.3 (110 kW, Diesel Euro 6 LNT) die Baumusterbezeichnung „F1AGL411C“ aufgewiesen habe, wie es auch beim streitgegenständlichen Fahrzeug der Fall ist. Es hätte der Beklagten oblegen, substanziiert vorzutragen, weshalb die Untersuchungsergebnisse des Kraftfahrt-Bundesamtes auf hiesiges Fahrzeug nicht zutreffen. Die Beklagte ist indes hierauf nicht eingegangen.

Im Ergebnis allerdings kann vorliegend jedenfalls unterstellt werden, dass sich ein entsprechender Timer im streitgegenständlichen Fahrzeug befindet. Ausgehend hiervon handelt es sich auch um eine Abschalteinrichtung, für die Zulässigkeitsgründe nicht vorgetragen beziehungsweise sonst ersichtlich sind. Ein pauschaler Verweis auf einen Motorschutz ist nicht nachvollziehbar.

b) Auch das unstreitig verbaute Thermofenster ist eine unzulässige Abschalteinrichtung.

Im Einklang mit dem EuGH (Urt. v. 14.07.2022 – C-134/20, ECLI:EU:C:2022:570 = juris – GSMB Invest) geht der Senat davon aus, dass ein Thermofenster dann eine Abschalteinrichtung i. S. des Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 darstellt, wenn es – wie im dort zugrunde gelegten Ausgangsverfahren – die Einhaltung der Emissionsgrenzwerte nur bei Außentemperaturen zwischen 15 °C und 33 °C gewährleistet, schon weil Umgebungstemperaturen von weniger als 15 °C im Unionsgebiet üblich sind. Ab welchen Temperaturen die Üblichkeit entfällt, war zwar nicht Gegenstand dieser Entscheidung, jedoch darf allgemein davon ausgegangen werden, dass es sich bei einem sehr weit bedateten Thermofenster, bei dem die Abgasrückführung nur bei Extremtemperaturen oder zumindest nur bei jahreszeitlich oder regional sehr außergewöhnlichen Temperaturen zurückgefahren oder deaktiviert wird, schon tatbestandlich nicht um eine Abschalteinrichtung i. S. des Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007/EG handelt, weil Fahrten in solchen Temperaturbereichen nicht mehr einem normalen Fahrbetrieb unterfallen (vgl. OLG Dresden, Urt. v. 05.03.2021 – 9a U 410/20, juris Rn. 34; OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 10.11.2022 – 16 U 53/21, juris Rn. 70). Bei einer engen Bedatung hingegen, bei der die Abgasrückführung bereits in Temperaturbereichen verringert oder deaktiviert wird, welche schon im mitteleuropäischen Raum üblicherweise und auch über längere Zeiträume auftreten, stellt das Thermofenster eine Abschalteinrichtung dar, weil es sich um normale Betriebsbedingungen handelt (vgl. VG Schleswig, Urt. v. 20.02.2023 – 3 A 113/18, juris Rn. 273 ff.). Diese wäre nach der Rechtsprechung des EuGH, selbst wenn sie notwendig i. S. des Art. 5 II lit. a der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ist, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten, unzulässig, wenn sie so bedatet ist, dass sie unter normalen Betriebsbedingungen den überwiegenden Teil des Jahres funktionieren müsste.

Maßgeblich ist damit die konkrete Bedatung des Thermofensters. Diese ist zwischen den Parteien streitig.

Die Klägerseite hat zur Untermauerung ihrer behaupteten Bedatung (20 °C–30 °C) auf den VW-Untersuchungsbericht verwiesen, wo es im Zusammenhang mit einem Fiat Ducato, ausgerüstet mit dem Aggregat 180 Multijet 3.0 D und der Motorkennung F1CE3481E, heißt: „Dies wird durch die Stellungnahme des Herstellers FCA belegt, nach der die AGR-Rate bei Temperaturen unter 20 °C bis hin zu 5 °C reduziert werde, um …“.

Soweit die Beklagte sich erstinstanzlich lediglich darauf zurückgezogen hatte, dass sich das vorliegende Thermofenster nach der Ansaugtemperatur richte und nicht nach der Außentemperatur, ist dies nicht geeignet, die klägerseitige Behauptung als unsubstanziiert zu bewerten. Will ein Fahrzeug- beziehungsweise Motorhersteller eine behauptete Bedatung substanziiert bestreiten, obliegt es ihm, näher zum konkreten Thermofenster vorzutragen, hier mithin Ansaug- und Außentemperatur ins Verhältnis zu setzen. In der Berufungsinstanz hat die Beklagte ihren Vortrag für den unteren Temperaturbereich dahin gehend präzisiert, dass die Abgasrückführungsrate erst moduliert werde, wenn die Ansauglufttemperatur einen einstelligen Temperaturbereich erreicht, was mit Blick auf die Außenlufttemperatur bedeute, dass die Modulierung durchschnittlich frühestens im mittleren einstelligen Temperaturbereich beginnt. Unstreitig wird die Abgasrückführung mithin ab circa 5 °C reduziert. Bereits hieraus ergibt sich eine Abschalteinrichtung, ohne dass es noch auf die Reaktion im oberen Temperaturbereich ankommt, denn auch Temperaturen im niedrigen einstelligen Temperaturbereich sind noch normale Fahrbedingungen. Wenngleich in der Rechtsprechung noch nicht abschließend entschieden ist, ab welchen konkreten Temperaturbereichen ein normaler Fahrzeugbetrieb nicht mehr vorliegt, ist jedenfalls auf dieser Ebene entgegen der Auffassung der Beklagten nicht auf Durchschnittstemperaturen abzustellen, denn es kommt für den „normalen Fahrzeugbetrieb“ auf den gewöhnlichen, tatsächlichen Fahrzeugbetrieb zu bestimmten Temperaturen an und nicht auf fiktive Fahrten zu EU-Durchschnittstemperaturen.

Die Abschalteinrichtung in Gestalt des vorliegenden Thermofensters ist auch unzulässig. Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf die in Art. 5 II lit. a der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 geregelte Ausnahme von der grundsätzlichen Unzulässigkeit von Abschalteinrichtungen berufen. Da sie eine Ausnahme vom Verbot der Verwendung von Abschalteinrichtungen enthält, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, ist diese Bestimmung eng auszulegen (EuGH, Urt. v. 14.07.2022 – C-134/20, ECLI:EU:C:2022:570 = juris Rn. 63 – GSMB Invest). Gründe in Form der Notwendigkeit, den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und – kumulativ – den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten, liegen nicht vor. Der EuGH hat hierzu klargestellt, dass für die Ausnahme nur unmittelbare Beschädigungsrisiken in Betracht kommen, die zu einer konkreten Gefahr während des Betriebs des Fahrzeugs führen (EuGH, Urt. v. 14.07.2022 – C-134/20, ECLI:EU:C:2022:570 = juris Rn. 65 ff. – GSMB Invest). Der Schutz des Abgasrückführungssystems selbst vor Belagbildung (Verlackung und Versottung) und einer möglichen Fehlfunktion fällt nicht hierunter (VG Schleswig, Urt. v. 20.02.2023 – 3 A 113/18, juris Rn. 335 ff.), denn eine solche Einrichtung ist nicht notwendig, um den Motor vor unmittelbaren Risiken in Form von Beschädigung oder Unfall zu schützen, die zu einer konkreten Gefahr während des Betriebs des Fahrzeugs führen. In Ansehung der den Herstellern von Dieselfahrzeugen zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten ist davon auszugehen, dass auch bereits im Zeitpunkt des Typgenehmigungsverfahrens das hiesige Thermofenster nicht notwendig war, um den sicheren Betrieb eines Fahrzeuges zu gewährleisten.

c) Im Hinblick auf § 826 BGB kann dahinstehen, ob der klägerseits behauptete Timer und/​oder das Thermofenster mit der klägerseits behaupteten Bedatung von 20 °C bis 30 °C geeignet sind, eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung zu indizieren. Dies scheidet zwar nicht schon deshalb aus, weil die Funktionen im Prüfstand und im Realbetrieb gleichermaßen funktionieren, eine Umschaltlogik mithin nicht vorhanden ist. Es ist bereits höchstrichterlich entschieden, dass das Kriterium der Prüfstandsbezogenheit grundsätzlich geeignet ist, um zwischen nur unzulässigen Abschalteinrichtungen und solchen, deren Implementierung die Kriterien einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung erfüllen können, zu unterscheiden (BGH, Beschl. v. 23.02.2022 – VII ZR 602/21, juris Rn. 15). Damit ist indes nicht gemeint, dass ausschließlich eine Prüfstandserkennung mit Umschaltlogik unter die Prüfstandsbezogenheit fällt (a. A. OLG Celle, Beschl. v. 16.06.2022 – 16 U 131/22, juris Rn. 50). Dass eine exakt auf die Bedingungen auf dem Prüfstand zugeschnittene Abschalteinrichtung unter Umständen ebenfalls ein Indiz für die arglistige Applikation einer entsprechenden Steuerungssoftware und damit grundsätzlich geeignet sein kann, das Verhalten der Beklagten im Verhältnis zur Klägerseite als objektiv sittenwidrig zu qualifizieren, hat der BGH zunächst ausdrücklich offengelassen (vgl. BGH, Urt. v. 16.09.2021 – VII ZR 190/20, juris Rn. 20) und später bestätigt (vgl. BGH, Beschl. v. 20.04.2022 – VII ZR 720/21, juris Rn. 25). Allerdings ist jedenfalls ein Schaden der Klägerin nicht vorhanden, weil er vollständig aufgezehrt ist (vgl. dazu unter e). Die Möglichkeit eines solchen vollständigen Aufzehrens des Schadens in Form des sogenannten kleinen Schadensersatzes und Differenzschadens hat der BGH auch für den Fall einer deliktischen Haftung aus § 826 BGB ausdrücklich vorgesehen (BGH, Urt. v. 24.01.2022 – VIa ZR 100/21, juris Rn. 24; OLG Dresden, Urt. v. 17.10.2023 – 14 U 1964/22, BeckRS 2023, 29423 Rn. 13).

d) Ein Anspruch aus § 823 II BGB i. V. mit § 263 StGB besteht nicht, schon weil der Tatbestand des insoweit als Schutzgesetz fungierenden § 263 I StGB deshalb nicht erfüllt ist, weil es an der sogenannten Stoffgleichheit fehlt (BGH, Urt. v. 30.07.2020 – VI ZR 5/20, juris Rn. 19).

e) Es besteht schließlich kein Anspruch gegen die Beklagte auf Schadensersatz aus § 823 II BGB i. V. mit §§ 6 I, 27 I EG-FGV.

Gemäß § 823 II BGB trifft eine Verpflichtung zum Schadensersatz denjenigen, welcher gegen ein Gesetz verstößt, das den Schutz eines anderen bezweckt.

Ein Verstoß gegen Art. 18 I, Art. 26 I und Art. 46 der Rahmenrichtlinie 2007/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 05.09.2007 i. V. mit Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, die nach der Rechtsprechung des EuGH dahin auszulegen sind, dass sie neben allgemeinen Rechtsgütern die Einzelinteressen des individuellen Käufers eines Kraftfahrzeugs gegenüber dessen Hersteller schützen, wenn dieses Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung i. S. von Art. 5 II dieser Verordnung ausgestattet ist (EuGH, Urt. v. 21.03.2023 – C-100/21, ECLI:EU:C:2023:229 Rn. 68 ff. – Mercedes-Benz Group), liegt bei Einbau einer solchen vor. Das unionsrechtlich geschützte Interesse, durch den Abschluss eines Fahrzeugkaufvertrags im Vertrauen auf die Übereinstimmung des Fahrzeugs mit allen maßgebenden Rechtsakten nicht wegen eines Verstoßes des Fahrzeugherstellers gegen das europäische Abgasrecht eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, ist von § 823 II BGB i. V. mit §§ 6 I, 27 I EG-FVG nach der gebotenen unionsrechtlichen Lesart geschützt und kann einen Differenzschaden rechtfertigen (BGH, Urt. v. 26.06.2023 – VIa ZR 335/21,BGHZ 237, 245 Rn. 28 ff.).

Dieser ist jedoch vorliegend vollständig aufgezehrt. Bei der Bemessung des kleinen Schadensersatzes oder Differenzschadens sind die vom Geschädigten gezogenen Nutzungen und der Restwert des Fahrzeugs schadensmindernd anzurechnen, allerdings erst dann und nur insofern, wenn beziehungsweise als sie den tatsächlichen Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrags übersteigen (BGH, Urt. v. 24.01.2022 – VIa ZR 100/21, juris Rn. 16 ff.).

Entgegen der klägerischen Auffassung bemisst sich der Nutzungsersatz bei Wohnmobilen nach überwiegender und vom Senat bereits in der Vergangenheit geteilter Auffassung regelmäßig nach der voraussichtlichen Lebenszeit (Gesamtnutzungsdauer) und nicht nach der Laufleistung, da anders als bei einem Pkw zur bestimmungsgemäßen Nutzung nicht nur das Fahren gehört, sondern auch das Wohnen auf Rädern. Deshalb wäre ein Nutzungsersatz allein auf Kilometerbasis – voraussichtliche Gesamtfahrleistung – nicht sachgerecht (OLG Celle, Beschl. v. 16.10.2023 – 7 U 346/22, juris Rn. 97 ff.; OLG Stuttgart, Urt. v. 12.05.2016 – 1 U 133/13, BeckRS 2016, 16420 Rn. 102 ff.; OLG München, Urt. v. 24.10.2012 – 3 U 297/11, juris Rn. 60; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.10.1994 – 22 U 48/94, OLGR 1995, 83 = juris Rn. 4; Urt. v. 28.04.2008 – I-1 U 273/07, juris Rn. 32 f.; LG Stuttgart, Urt. v. 11.08.2022 – 30 O 18/22, juris Rn. 52; LG Lübeck, Urt. v. 08.07.2022 – 9 O 105/21, n. v.; LG Karlsruhe, Urt. v. 26.10.2023 – 22 O 5/21, juris Rn. 54; a. A. [Berechnung unter Zugrundelegung der Gesamtlaufleistung] u. a. OLG Naumburg, Urt. v. 26.09.2023 – 8 U 37/23, BeckRS 2023, 27640 Rn. 24; LG München II, Urt. v. 15.12.2022 – 13 O 3213/21, BeckRS 2022, 42159 Rn. 30 ff.).

Die Klägerseite wendet zwar richtigerweise ein, dass die Intensität der Nutzung eines Wohnmobils sich nicht, vergleichbar verallgemeinerungsfähig, wie es bei dem laufleistungsbasierten Gebrauchsvorteil bei einem Pkw der Fall ist, exakt anhand des bloßen Zeitablaufs bestimmen lässt, weil sie individuellen Gegebenheiten unterliegt und einige Besitzer öfter beziehungsweise länger Urlaub mit ihrem Wohnmobil machen als andere. Dies rechtfertigt es aber nicht, trotz des offenkundigen Nutzungsunterschieds – die reine Fortbewegung bei einem Pkw einerseits und die mit Wohnen kombinierte Fortbewegung bei einem Wohnmobil andererseits – auch bei Wohnmobilen auf die Laufleistung abzustellen. Entgegen der Auffassung der Klägerseite liegen keine vergleichbaren Sachverhalte vor und hält es der Senat auch weder für möglich noch geboten, die Gesamtnutzungszeit mit einer konkreten Nutzung beziehungsweise Nutzungszeit ins Verhältnis zu setzen. Gewisse Pauschalisierungen sind im Rahmen einer Schätzung gemäß § 287 ZPO häufig unumgänglich. Nach § 287 I 1 ZPO hat der Tatrichter die Höhe des Schadens unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung zu schätzen, wobei das Gesetz durch Einräumung der Befugnis der Schadensschätzung in Kauf nimmt, dass das Ergebnis der Schätzung die Wirklichkeit nicht vollständig abbildet, solange sie nur möglichst nahe an diese heranführt (BGH, Urt. v. 26.06.2023 – VIa ZR 335/21,BGHZ 237, 245 Rn. 72).

Auch wenn man entgegen der Auffassung der Beklagten die voraussichtliche Lebensdauer beziehungsweise erwartete Gesamtnutzungszeit eines Wohnmobils zugunsten der Klägerin, wie es der Senat regelmäßig handhabt, mit fünfzehn Jahren statt mit zehn Jahren ansetzt, ergibt sich kein Schaden. Die Nutzungsentschädigung beträgt, ausgehend von einer klägerseitigen Nutzung von 49 Monaten und einer Gesamtnutzungszeit von 180 Monaten, \(\left(\frac{\text{66.500 €}\times\text{49 Monate}}{\text{180 Monate}}\right)=\) 18.103 €.

Ab einem Restwert von 48.397 € wäre damit ein Schaden vollständig aufgezehrt, weil gemeinsam mit der Nutzungsentschädigung der Kaufpreis erreicht würde. Der Restwert des Fahrzeugs bestimmt sich allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen zufolge nach dem Preis, den der Geschädigte bei Inzahlunggabe seines Fahrzeugs bei einem angesehenen Gebrauchtwagenhändler erzielen kann (OLG Saarbrücken, Urt. v. 29.09.2023 – 3 U 20/22, juris Rn. 20 m. w. Nachw.). Den vorliegenden Restwert schätzt der Senat zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auf jedenfalls über 49.000 €.

Die Höhe des Restwerts ist zwischen den Parteien streitig. Der Betrag von mindestens 49.000 € ist nicht weit entfernt von dem klägerseits – nicht unterlegt – behaupteten Restwert von 47.000 € und berücksichtigt das beklagtenseits dargelegte Verkaufsangebot eines vergleichbaren Fahrzeugs auf der Online-Verkaufsplattform „mobile.de“ (Fahrzeug „Sunlight I 68“; 110 kW; 2,3 l; Euro 6; Erstzulassung: 04/2019; Kilometerstand: 51.150; Kaufpreis: 68.990 €).

Für die Bestimmung des Fahrzeugrestwerts zur Bemessung des Differenzschadens kann gemäß § 287 ZPO auf Verkaufsportale wie „mobile.de“ oder „AutoScout24“ zurückgegriffen werden (OLG Celle, Beschl. v. 16.10.2023 – 7 U 346/22, juris Rn. 92). Das hiesige Modell hat mit der klägerseits angegebenen Laufleistung von 39.264 km zum 03.11.2023 eine etwas geringere Laufleistung und ist erst nach dem Vergleichsfahrzeug erstmals zugelassen worden. Es gibt keine Anhaltspunkte, weshalb sein Wert massiv hinter dem Verkaufsangebot auf „mobile.de“ zurückstehen sollte. Dieses Verkaufsangebot ist plausibel, denn es ist gerichtsbekannt, dass wegen Lieferengpässen bei zahlreichen Wohnmobilherstellern die Preise für Gebrauchtfahrzeuge hoch sind. Selbst bei Berücksichtigung eines sehr erheblichen Abschlags von 29 % im Hinblick darauf, dass weitere Vergleichsangebote nicht vorliegen und eine verhandlungsbedingte Reduzierung des geforderten Kaufpreises möglich erscheint, läge der Restwert noch so hoch, dass er gemeinsam mit der Nutzungsentschädigung den seinerzeitigen Kaufpreis übersteigt.

3. Mangels Hauptanspruch kommt ein Anspruch auf Zinsen und Ersatz vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten nicht in Betracht.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 I ZPO. …

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