1. Ist in ei­nem Kauf­ver­trag über ei­nen Ge­braucht­wa­gen der Ki­lo­me­ter­stand des Fahr­zeugs an­ge­ge­ben, liegt dann ei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung i. S. von § 434 I 1 BGB a.F. vor, wenn es sich bei der An­ga­be nicht um ei­ne blo­ße Wis­sens­er­klä­rung oder – bes­ser – Wis­sens­mit­tei­lung han­delt. Das Fahr­zeug ist des­halb man­gel­haft, wenn sei­ne tat­säch­li­che Lauf­leis­tung nicht ein­mal an­nä­hernd der ver­ein­bar­ten Lauf­leis­tung ent­spricht.
  2. Ein Ge­braucht­wa­gen, bei dem die vom Ki­lo­me­ter­zäh­ler an­ge­zeig­te Lauf­leis­tung er­heb­lich un­ter der tat­säch­li­chen Lauf­leis­tung des Fahr­zeugs liegt, weist nur dann ei­nen Man­gel i. S. von § 434 I 2 Nr. 2 BGB a.F. auf, wenn der Käu­fer un­ter den kon­kre­ten Um­stän­den des Ein­zel­falls be­rech­tig­ter­wei­se er­war­ten durf­te, dass der an­ge­zeig­te Ki­lo­me­ter­stand die Ge­samt­lauf­leis­tung aus­weist.
  3. Auch ein Ge­braucht­wa­gen­händ­ler ist beim Kauf ei­nes Fahr­zeugs grund­sätz­lich nicht ge­hal­ten, die Scha­dens­his­to­rie des Fahr­zeugs bei­zu­zie­hen, um die An­ga­ben des Ver­käu­fers zur Be­schaf­fen­heit des Fahr­zeugs zu über­prü­fen. Viel­mehr gilt, dass der Käu­fer den Be­schaf­fen­heits­an­ga­ben ei­nes red­li­chen Ver­käu­fers re­gel­mä­ßig ver­trau­en darf. Die Scha­dens­his­to­rie muss auch ein ge­werb­li­cher Käu­fer des­halb al­len­falls bei­zie­hen, wenn die kon­kre­ten – in der Per­son des Ver­käu­fers lie­gen­de oder sonst be­kann­te – Um­stän­de da­zu An­lass ge­ben.

LG Karls­ru­he, Ur­teil vom 12.05.2023 – 6 O 120/22

Sach­ver­halt: Die Klä­ge­rin, die ein über­re­gio­nal tä­ti­ges Au­to­haus be­treibt und Mer­ce­des-Benz-Part­ne­rin ist, be­gehrt nach ih­rem Rück­tritt von ei­nem Kfz-Kauf­ver­trag des­sen Rück­ab­wick­lung und Scha­dens­er­satz.

Sie er­warb von der Be­klag­ten auf der Grund­la­ge ei­nes Kauf­ver­trags vom 06.03.2021 ei­nen am 01.07.2008 erst­zu­ge­las­se­nen Ge­braucht­wa­gen Mer­ce­des-Benz GL 450 4MA­TIC zum Preis von 17.000 €.Bei die­sem Fahr­zeug han­delt es sich um ei­nen aus den Ver­ei­nig­ten Staa­ten von Ame­ri­ka (USA) im­por­tier­ten Pkw. Dem Kauf­ver­trag liegt als er­wei­tern­de Be­schrei­bung die­ses Fahr­zeugs ei­ne Ge­braucht­wa­gen­be­wer­tung (Fahr­zeug-Zu­stands­be­richt) vom 18.02.2021 zu­grun­de. Zur Er­stel­lung die­ses Be­richts hat­te die Be­klag­te das Fahr­zeug dem TÜV-Mit­ar­bei­ter T vor­ge­führt, der es im Auf­trag der Klä­ge­rin be­wer­tet hat­te. Für den Be­richt hat­te die Be­klag­te un­ter an­de­rem an­ge­ge­ben, dass der Ki­lo­me­ter­zäh­ler das Fahr­zeugs we­der aus­ge­tauscht wor­den noch durch ei­ne Re­pa­ra­tur ver­än­dert wor­den sei und die tat­säch­li­che Lauf­leis­tung des Pkw 93.711 km be­tra­ge.

Die Klä­ge­rin ver­äu­ßer­te den Mer­ce­des-Benz GL 450 4MA­TIC am 05.05.2021 für 16.500 € an die G-GmbH. Die­se ver­äu­ßer­te das Fahr­zeug an K, der fest­stell­te, dass der Pkw be­reits am 15.12.2011 ei­ne Lauf­leis­tung von 99.139 Mei­len (= 159.548 km) auf­ge­wie­sen hat­te. Die ak­tu­el­le Ge­samt­lauf­leis­tung des Fahr­zeu­ges ist nicht be­kannt. Sie wird von der Klä­ge­rin auf über 300.000 km ge­schätzt. Der zwi­schen der G-GmbH und K ge­schlos­se­ne Kauf­ver­trag wur­de nach ei­nem Rück­tritt des K eben­so rück­ab­ge­wi­ckelt wie der zwi­schen der Klä­ge­rin und der G-GmbH ge­schlos­se­ne Kauf­ver­trag nach ei­nem Rück­tritt der G-GmbH.

Die Klä­ge­rin for­der­te die Be­klag­te am 02.05.2022 – er­folg­los – auf, das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug bis zum 06.05.2022 Zug um Zug ge­gen Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses zu­rück­zu­neh­men. Mit Schrei­ben vom 17.05.2022 er­klär­te die Klä­ge­rin den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag und for­der­te die Be­klag­te – eben­falls er­folg­los – auf, das Fahr­zeug bis zum 27.05.2022 ab­zu­ho­len und ihr in­ner­halb die­ser Frist den Kauf­preis so­wie Rechts­an­walts­kos­ten in Hö­he von 1.021 € zu er­stat­ten.

Mit ih­rer Kla­ge hat die Klä­ge­rin zu­letzt be­an­tragt, die Be­klag­te zur Zah­lung von 17.000 € nebst Zin­sen, Zug um Zug ge­gen Über­ga­be und Über­eig­nung des Mer­ce­des-Benz GL 450 4MA­TIC zu zah­len. Au­ßer­dem hat sie die Fest­stel­lun­gen be­gehrt, dass die Be­klag­te mit der An­nah­me des Pkw in Ver­zug ist und an sie – die Klä­ge­rin – ab dem 28.05.2022 bis zur Ab­ho­lung des Fahr­zeugs je Ka­len­der­tag 7,50 € zu­züg­lich Um­satz­steu­er zah­len muss. Schließ­lich hat die Klä­ge­rin er­rei­chen wol­len, dass die Be­klag­te sie von vor­ge­richt­lich an­ge­fal­le­nen Rechts­an­walts­kos­ten in Hö­he von 2.042 € frei­zu­stel­len hat. Zur Be­grün­dung hat die Klä­ge­rin gel­tend ge­macht, der Mer­ce­des-Benz GL 450 4MA­TIC sei hin­sicht­lich sei­ner Lauf­leis­tung man­gel­haft, wes­halb sie – die Klä­ge­rin – die Rück­ab­wick­lung des mit der Be­klag­ten ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trags und Scha­dens­er­satz ver­lan­gen kön­ne. Die Be­klag­te ha­be bei Ab­schluss des Kauf­ver­trags ge­wusst, dass die tat­säch­li­che Lauf­leis­tung des Pkw hö­her sei als die vom Ki­lo­me­ter­zäh­ler an­ge­zeig­te Lauf­leis­tung, und sie – die Klä­ge­rin – dies­be­züg­lich arg­lis­tig ge­täuscht.

Die Be­klag­te ist dem mit der Be­haup­tung ent­ge­gen­ge­tre­ten, die Klä­ge­rin ha­te den die Klä­ge­rin ha­be den Mer­ce­des-Benz GL 450 4MA­TIC am 18.02.2021 ein­ge­hend un­ter­sucht und da­her ge­wusst, dass die an­ge­zeig­te nicht der tat­säch­li­chen Lauf­leis­tung ent­spre­che. Das er­ge­be sich auch aus der von der Klä­ge­rin selbst an­ge­for­der­ten und aus­ge­druck­ten Scha­dens­his­to­rie des Pkw.

Die Kla­ge hat­te Er­folg.

Aus den Grün­den: I. Die Fest­stel­lungs­an­trä­ge … sind zu­läs­sig. …

1. So­weit die Klä­ge­rin [die Fest­stel­lung] be­an­tragt, dass sich die Be­klag­te mit der Rück­nah­me des Fahr­zeugs seit dem 28.05.2022 in An­nah­me­ver­zug be­fin­de (§ 293 BGB), be­steht das Fest­stel­lungs­in­ter­es­se ei­ner­seits dar­in, dass sie bei Be­grün­det­heit des An­trags ih­ren Zah­lungs­an­spruch oh­ne die Her­aus­ga­be des Fahr­zeugs im We­ge der Zwangs­voll­stre­ckung ver­fol­gen kann (§§ 322 V, 274 II BGB, §§ 726 II, 756 I, 765 Nr. 1 ZPO; vgl. BGH, Urt. v. 10.03.2010 – VI­II ZR 182/08, NJW 2010, 2503 Rn. 24), so­wie an­de­rer­seits dar­in, dass da­mit die Vor­aus­set­zung für den Auf­wen­dungs­er­satz (§ 304 BGB) … ge­schaf­fen wird.

2. Die Klä­ge­rin kann … ih­re Kla­ge in ei­ne Leis­tungs­kla­ge und ei­ne Fest­stel­lungs­kla­ge auf­spal­ten, wenn ein Teil des Scha­dens schon ent­stan­den, die Ent­ste­hung wei­te­ren Scha­dens aber noch zu er­war­ten ist.

Pro­zess­vor­aus­set­zung für die Fest­stel­lungs­kla­ge ist ne­ben den all­ge­mei­nen Sa­chur­teils­vor­aus­set­zun­gen ein­schließ­lich des all­ge­mei­nen Rechts­schutz­be­dürf­nis­ses das schutz­wür­di­ge In­ter­es­se der Klä­ge­rin an als­bal­di­ger Fest­stel­lung. Ein Si­che­rungs­in­ter­es­se i. S. von § 256 I ZPO be­steht grund­sätz­lich nur, wenn dem sub­jek­ti­ven Recht der Klä­ge­rin ei­ne ge­gen­wär­ti­ge Ge­fahr der Un­si­cher­heit da­durch droht, dass die Be­klag­te es ernst­lich be­strei­tet, und wenn das er­streb­te Ur­teil in­fol­ge sei­ner Rechts­kraft ge­eig­net ist, die­se Ge­fahr zu be­sei­ti­gen (vgl. BGH, Urt. v. 13.01.2010 – VI­II ZR 351/08, NJW 2010, 1877 Rn. 12; Urt. v. 07.02.1986 – V ZR 201/84, NJW 1986, 2507). Ein Fest­stel­lungs­in­ter­es­se ist grund­sätz­lich schon dann zu be­ja­hen, wenn zum Zeit­punkt der Kla­ge­er­he­bung der an­spruchs­be­grün­den­de Sach­ver­halt be­zie­hungs­wei­se die Scha­dens­ent­wick­lung noch nicht ab­ge­schlos­sen und mit (wei­te­ren) Schä­den zu rech­nen ist (vgl. BGH, Urt. v. 25.02.2010 – VII ZR 187/08, NJW-RR 2010, 750 Rn. 12). Als Pro­zess­vor­aus­set­zung muss das Fest­stel­lungs­in­ter­es­se grund­sätz­lich bis zum Schluss der münd­li­chen Ver­hand­lung vor­lie­gen, sonst wird die Kla­ge ex nunc un­zu­läs­sig (vgl. BGH, Urt. v. 08.07.1955 – I ZR 201/53, BGHZ 18, 98, 106). Die Klä­ge­rin ist aber nicht ge­zwun­gen zu ei­ner be­zif­fer­ten Leis­tungs­kla­ge über­zu­ge­hen, wenn die­se nach­träg­lich mög­lich wird (vgl. BGH, Urt. v. 04.11.1998 – VI­II ZR 248/97, NJW 1999, 639, 640).

Nach die­ser Maß­ga­be war die Ent­wick­lung des wei­te­ren Scha­dens der Klä­ge­rin durch das ein­ge­for­der­te und von der Be­klag­ten nicht an­er­kann­te Stand­geld so­wie das nicht ab­ge­hol­te Fahr­zeug bis zum Schluss der münd­li­chen Ver­hand­lung am 26.04.2023 noch nicht ab­ge­schlos­sen.

3. Die Klä­ge­rin hat nach dem Hin­weis des Ge­richts vom 22.03.2023 mit Schrift­satz vom 05.04.2023 den Fest­stel­lungs­an­trag zur Er­stat­tung wei­te­rer ma­te­ri­el­ler Schä­den nicht mehr ge­stellt und in­so­weit ih­re Kla­ge quan­ti­ta­tiv be­schränkt. Pro­zes­su­al han­delt es sich da­bei um ei­ne (teil­wei­se) Kla­ge­rück­nah­me, die das er­ken­nen­de Ge­richt für wirk­sam hält, ob­wohl sie nicht aus­drück­lich er­klärt wur­de.

Eben­so wie ma­te­ri­ell-recht­li­che Er­klä­run­gen sind pro­zes­sua­le Er­klä­run­gen ent­spre­chend dem er­kenn­bar Ge­woll­ten aus­zu­le­gen (§ 133 BGB). Die Klä­ge­rin hat ihr Be­geh­ren dem Hin­weis des Ge­richts an­ge­passt und sich [die­sen] in­so­weit zu ei­gen ge­macht. Dar­in liegt das Ein­ge­ständ­nis, dass der ur­sprüng­li­che An­trag von An­fang an über­setzt war. Ei­ne Tei­ler­le­di­gung kam da­her nicht in Be­tracht. Eben­so ver­bie­tet sich die An­nah­me, die Klä­ge­rin ha­be teil­wei­se nicht ver­han­delt, was in­so­weit bei ent­spre­chen­dem An­trag der Be­klag­ten zu ei­nem Teil-Ver­säum­nis­ur­teil hät­te füh­ren müs­sen. Dem Ge­samt­zu­sam­men­hang der An­trags­re­du­zie­rung ist viel­mehr zu ent­neh­men, dass die Klä­ge­rin ihr ur­sprüng­li­ches Be­geh­ren nicht mehr wei­ter­ver­folgt. Da­bei han­delt es sich auch oh­ne aus­drück­li­che Er­klä­rung um ei­ne Kla­ge­rück­nah­me (vgl. RG, Urt. v. 25.03.1924 – III 349/23, RGZ 108, 135, 137; BAG, Urt. v. 14.07.1961 – 1 AZR 291/60, NJW 1961, 2371 [Ls.]; OLG Düs­sel­dorf, Urt. v. 20.07.2011 – U (Kart) 11/11, NJW 2012, 85 = ju­ris Rn. 23; OLG Ko­blenz, Urt. v. 11.07.2002 – 5 U 291/01, ju­ris Rn. 9).

Da zu­vor mit dem ur­sprüng­li­chen An­trag münd­lich ver­han­delt wor­den war, konn­te die (teil­wei­se) Kla­ge­rück­nah­me nur mit Ein­wil­li­gung der Be­klag­ten wirk­sam wer­den (§ 269 I ZPO). Die Be­klag­te hat sich nach dem klä­ge­ri­schen Schrift­satz vom 05.04.2023 nicht mehr er­klärt. In­des kann sich die er­for­der­li­che Ein­wil­li­gung auch aus sons­ti­gen Um­stän­den er­ge­ben, wenn si­cher fest­steht, dass die Be­klag­te mit der Rück­nah­me ein­ver­stan­den ist (vgl. Zöl­ler/​Gre­ger ZPO, § 269 Rn. 15 m. w. Nachw.).

So liegt es hier. Die Be­klag­te hat die An­trags­än­de­rung un­kom­men­tiert ge­las­sen und auch kei­nen An­trag auf Er­lass ei­nes Teil-Ver­säum­nis­ur­teils (§ 333 ZPO) ge­stellt. Bei­des ver­deut­licht hin­rei­chend, dass sie die Teil-Kla­ge­rück­nah­me hin­nimmt, ins­be­son­de­re kein fort­be­ste­hen­des In­ter­es­se an Aus­füh­run­gen hin­sicht­lich des ur­sprüng­li­chen An­trags hat. An­ge­sichts des ge­richt­li­chen Hin­wei­ses er­scheint es na­he­zu aus­ge­schlos­sen, dass die Klä­ge­rin nach der Kla­ge­rück­nah­me künf­ti­ge Scha­dens­er­satz­for­de­run­gen als Fest­stel­lungs­an­trag er­neut gel­tend macht. Bei die­ser Sach­la­ge kann das Pro­zess­ver­hal­ten der Be­klag­ten als Ein­wil­li­gung in die Kla­ge­rück­nah­me ge­deu­tet wer­den (vgl. BAG, Urt. v. 14.07.1961 – 1 AZR 291/60, NJW 1961, 2371 [Ls.]).

Durch die teil­wei­se Rück­nah­me der Kla­ge ist die Ent­schei­dung des Land­ge­richts in die­sem Um­fang ge­gen­stands­los ge­wor­den.

II. Die Be­klag­te ist we­gen des be­rech­tig­ten Rück­tritts ver­pflich­tet, an die Klä­ge­rin den Kauf­preis von 17.000 € zu zah­len, Zug um Zug ge­gen Her­aus­ga­be des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs (§ 433 I 2 BGB, § 434 I 1 BGB a.F., § 437 Nr. 2 Fall 1, §§ 440, 348 BGB; da­zu sub 1) und ihr auch ein Stand­geld für das Fahr­zeug in Hö­he von 7,50 € zu­züg­lich Um­satz­steu­er je Ka­len­der­tag ab dem 28.05.2022 bis zu sei­ner Ab­ho­lung zu zah­len (§ 304 BGB; da­zu sub 2).

1. Der Klä­ge­rin steht aus ei­ner Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung zur Über­ein­stim­mung von Ta­cho­me­ter­stand und tat­säch­li­cher Mo­tor­lauf­leis­tung, die sich als feh­ler­haft her­aus­ge­stellt hat, ein Recht zum Rück­tritt vom Kauf­ver­trag zu, das zur Rück­ab­wick­lung der wech­sel­sei­tig er­brach­ten Leis­tun­gen führt.

a) Die Lauf­leis­tung von 93.711 km wur­de von den Par­tei­en als Be­schaf­fen­heit des Fahr­zeugs ver­ein­bart (§ 434 I 1 BGB a.F.).

aa) Ist der Ki­lo­me­ter­stand im Kauf­ver­trag selbst an­ge­ge­ben, so han­delt es sich um ei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung (§ 434 I 1 BGB a.F.; vgl. OLG Mün­chen, Urt. v. 13.03.2013 – 7 U 3602/11, ju­ris Rn. 5). Dem Kauf­ver­trag liegt ei­ne Ge­braucht­wa­gen­be­wer­tung (Fahr­zeug-Zu­stands­be­richt) vom 18.02.2021 als er­wei­tern­de Kraft­fahr­zeug­be­schrei­bung zu­grun­de. Die Be­klag­te gab zu die­sem Be­richt un­ter an­de­rem an, dass das Fahr­zeug kei­nen re­pa­ra­tur­ver­än­der­ten oder aus­ge­tausch­ten Ki­lo­me­ter­zäh­ler hat und die tat­säch­li­che Lauf­leis­tung des Fahr­zeugs 93.711 km be­trägt.

bb) Die von der Be­klag­ten be­haup­te­te feh­len­de Kennt­nis der ex­ak­ten Lauf­leis­tung bei dem Im­port­fahr­zeug ist vor­lie­gend für die Ver­ein­ba­rung ei­ner Be­schaf­fen­heit nicht be­acht­lich.

Die Be­klag­te hat zur Lauf­leis­tung nach dem ein­deu­ti­gen Wort­laut des Kauf­ver­trags kei­ne blo­ße Wis­sens­er­klä­rung oder Wis­sens­mit­tei­lung ab­ge­ge­ben (vgl. zur dann feh­len­den Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung BGH, Urt. v. 12.03.2008 – VI­II ZR 253/05, NJW 2008, 1517 Rn. 12 ff.; Urt. v. 29.06.2016 – VI­II ZR 191/15, ju­ris Rn. 28 ff.). Die von der Be­klag­ten in dem Zu­stands­be­richt an­ge­ge­be­ne Lauf­leis­tung ent­hält kei­nen Ver­weis auf an­de­re Per­so­nen oder sons­ti­ge Ein­schrän­kun­gen. Der Ge­schäfts­füh­rer der Be­klag­ten hat mit sei­ner Un­ter­schrift so­gar die „Voll­stän­dig­keit und Rich­tig­keit“ sei­ner An­ga­ben be­stä­tigt. Ei­ne sol­che Be­schrän­kung wä­re je­doch – wie nach­fol­gend – aus Sicht bei­der Par­tei­en ge­bo­ten ge­we­sen.

cc) Die Be­klag­te hat das Fahr­zeug, wel­ches in den USA her­ge­stellt und dort auch ur­sprüng­lich zu­ge­las­sen wor­den war, über ei­ne US-Rest­wert­bör­se (In­suran­ce Auc­tions, LLC – L) er­wor­ben. In der von der Be­klag­ten vor­ge­leg­ten Ab­rech­nung sind als Kauf­da­tum („purcha­se date“) der 20.05.2014 („05/20/14“) und als Weg­mes­ser/​-zäh­ler („odo­me­ter“) „51836“ an­ge­ge­ben. Zu die­sem Ta­chostand hat die Be­klag­te ein Licht­bild vor­ge­legt, wel­ches ei­ne Di­gi­tal­an­zei­ge mit 51.836 mi­les be­legt. In der Kauf­be­schrei­bung („buy­ers gui­de“) wird ei­ne Ga­ran­tie („war­ran­ty“) ver­neint. Zum Zäh­ler­stand wur­de als „Ent­hül­lung“ („odo­me­ter dis­clo­sure state­ment“) mit Warn­hin­weis („warning/cau­ti­on“) als Be­stä­ti­gung („sta­te“) kei­ne Lauf­leis­tung ein­ge­tra­gen und auch nicht an­ge­ge­ben be­zie­hungs­wei­se an­ge­kreuzt, dass ei­ne be­stimm­te Lauf­leis­tung (1.) die ak­tu­el­le Lauf­leis­tung an­gibt („Re­flects ac­tu­al mi­le­age.“), (2.) Aus­druck ei­ner me­cha­ni­schen Be­schrän­kung ist („Is in ex­cess of its me­cha­ni­cal li­mits.“) oder (3) nicht die ak­tu­el­le Lauf­leis­tung dar­stellt, wo­bei – in Fett­druck – aus­drück­lich auf ei­ne Ki­lo­me­ter­ab­wei­chung hin­ge­wie­sen wird („Is not the ac­tu­al mi­le­age. Warning – Odo­me­ter dis­cre­pan­cy.“). Ei­ne sol­che Be­stä­ti­gung weist ei­ner­seits auf die Be­deu­tung der An­ga­ben zur Lauf­leis­tung hin und an­de­rer­seits dar­auf, wel­che Mög­lich­kei­ten (Nr. 1 und Nr. 2) be­zie­hungs­wei­se Ri­si­ken (Nr. 3.) im Zu­sam­men­hang mit der Lauf­leis­tung ei­nes bei ei­ner US-Rest­wert­bör­se er­wor­be­nen Ge­braucht­wa­gens be­ste­hen.

So­weit die Be­klag­te sich auf die Ta­cho­an­zei­ge im Jahr 2014 und das von ihr vor­ge­leg­te Licht­bild be­ruft, gäl­te für die­sen Er­werb un­ter der Re­gie des deut­schen Rechts, dass ein Ki­lo­me­ter­zäh­ler ei­nes als Ge­braucht­wa­gen ver­kauf­ten Fahr­zeugs, der ei­nen ge­gen­über der wirk­li­chen Fahr­leis­tung deut­lich re­du­zier­ten Stand zeigt, ei­nen Sach­man­gel ge­mäß § 434 I 2 Nr. 2 BGB a.F. nur dann be­grün­det, wenn der Käu­fer – hier die Be­klag­te im Jahr 2014 – un­ter den kon­kre­ten Um­stän­den be­rech­tig­ter­wei­se von der Rich­tig­keit des an­ge­zeig­ten Ki­lo­me­ter­stands im Sin­ne der Ge­samt­fahr­leis­tung aus­ge­hen durf­te (vgl. BGH, Urt. v. 25.06.1975 – VI­II ZR 244/73, NJW 1975, 1693 f. = ju­ris Rn. 11 ff.; Urt. v. 29.11.2007 – VI­II ZR 92/06, BGHZ 170, 86 Rn. 14; OLG Köln, Urt. v. 13.03.2007 – 22 U 170/06, ju­ris Rn. 4 ff.; OLG Ros­tock, Urt. v. 11.07.2007 – 6 U 2/07, NJW 2007, 3290; OLG Düs­sel­dorf, Beschl. v. 15.11.2012 – 3 W 228/12, ju­ris Rn. 15). In­dem im oben dar­ge­stell­ten Um­fang bei dem Er­werb der Be­klag­ten im Jahr 2014 ei­ner­seits kei­ne Ki­lo­me­ter­an­ga­be ein­ge­tra­gen und auch trotz der Be­deu­tung der Lauf­leis­tung für die Be­wer­tung ei­nes Ge­braucht­wa­gens kei­ne der auf­ge­zeig­ten Mög­lich­kei­ten und Ri­si­ken an­ge­kreuzt wur­de, lie­gen kei­ner­lei Um­stän­de vor, wo­nach die Be­klag­te da­mals be­rech­tig­ter­wei­se von der Rich­tig­keit des an­ge­zeig­ten Ki­lo­me­ter­stands im Sin­ne der Ge­samt­fahr­leis­tung aus­ge­hen durf­te.

Die­se Um­stän­de hat die Be­klag­te erst im Pro­zess vor­ge­tra­gen. Wä­ren die­se In­for­ma­tio­nen der Klä­ge­rin im Rah­men der ge­mein­sa­men Er­stel­lung des Zu­stands­be­richts am 18.02.2021 so be­reits mit­ge­teilt und die­se Un­ter­la­gen auch vor­ge­legt wor­den, so hät­te das Ge­richt vor­lie­gend nicht von ei­ner Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung aus­ge­hen kön­nen, denn die Klä­ge­rin hät­te das Fahr­zeug in Kennt­nis die­ser Ri­si­ken er­wor­ben. Wei­ter­hin ist das Ge­richt da­von über­zeugt, dass im Rah­men der Be­wer­tung der TÜV-Prü­fer die Lauf­leis­tung dann aber auch nä­her un­ter­sucht hät­te. Auf die nach­fol­gen­de Wür­di­gung der Aus­sa­ge des Zeu­gen T (un­ten ee) wird ver­wie­sen.

Dass die Be­klag­te die­se ihr be­kann­ten In­for­ma­tio­nen nicht der Klä­ge­rin bei der Ver­äu­ße­rung vom 06.03.2021 mit­ge­teilt hat, geht mit ihr heim.

dd) Eben­so steht der Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung nicht ent­ge­gen, dass für die Klä­ge­rin die grund­sätz­li­che Mög­lich­keit be­stand, die hier maß­geb­li­che Fahr­zeu­gin­for­ma­ti­on/​Scha­dens­his­to­rie im DAT-Sys­tem vor Ab­schluss des Kauf­ver­trags selbst bei­zu­zie­hen und da­mit die An­ga­ben der Be­klag­ten zu über­prü­fen. Ei­ne all­ge­mei­ne Pflicht zur Bei­zie­hung sol­cher Un­ter­la­gen be­steht auch für ei­ne Ge­braucht­wa­gen­händ­le­rin nicht. Grund­sätz­lich gilt, dass den An­ga­ben ei­ner red­li­chen Ver­käu­fe­rin erst ein­mal ver­traut wer­den kann. Maß­geb­lich sind des­halb die Um­stän­de des Ein­zel­falls, das heißt, ob in der Per­son der Ver­käu­fe­rin lie­gen­de oder sonst be­kann­te Um­stän­de zum Ge­braucht­wa­gen An­lass ge­ben, sich so auf­drän­gen­den Be­den­ken nach­zu­ge­hen.

ee) Sol­che be­son­de­ren Um­stän­de er­ge­ben sich vor­lie­gend nicht aus der ge­mein­sa­men Er­stel­lung des Zu­stands­be­richts vom 18.02.2021; ins­be­son­de­re ist nicht er­wie­sen, dass die Klä­ge­rin durch ih­ren Ge­schäfts­füh­rer, den zu­stän­di­ge Ab­tei­lungs­lei­ter oder den mit dem An­kauf be­auf­trag­te Mit­ar­bei­ter der Klä­ge­rin, den Zeu­gen M, bei Ab­schluss des Kauf­ver­trags Kennt­nis von der Scha­dens­his­to­rie und der dar­in an­ge­ge­be­nen Lauf­leis­tung hat­te oder hät­te ha­ben müs­sen.

Die Be­weis­auf­nah­me vom 11.01.2023 hat ei­nen sol­chen Nach­weis nicht er­bracht. Der Ver­tre­ter der Klä­ge­rin, L, hat als Lei­ter des Teams Ver­käu­fer bzw. Käu­fer an­schau­lich das Ver­fah­ren beim An­kauf ei­nes Ge­braucht­wa­gens ge­schil­dert. Zum Zeit­punkt des streit­ge­gen­ständ­li­chen Er­werbs hat­te der Prü­fer vom TÜV, der Zeu­ge T, nur über den Haus­ser­vice-Tech­nik Zu­griff auf ein in­ter­nes DAT-Sys­tem.

Der an­kau­fen­de Mit­ar­bei­ter der Klä­ge­rin, der Zeu­ge M, be­nö­tig­te den DAT-Aus­zug nicht, da sich dar­aus nicht er­gibt, ob es sich um ein so­ge­nann­tes scheck­heft­ge­prüf­tes Fahr­zeug han­delt. Den DAT-Be­richt hat der Zeu­ge L nicht be­kom­men.

Der Ge­schäfts­füh­rer der Be­klag­ten stell­te eben­so an­schau­lich den Er­werb des Fahr­zeugs, die Um­stel­lung des Ta­chos von Mei­len auf Ki­lo­me­ter und die Er­stel­lung des Zu­stands­be­richts am 18.02.2021 dar. Über die ge­fah­re­nen Mei­len und den DAT-Aus­zug wur­de nicht ge­spro­chen.

Der Zeu­ge M er­läu­ter­te das grund­sätz­li­che Ver­fah­ren beim An- und Ver­kauf, hat­te an den kon­kre­ten Vor­gang im Fe­bru­ar/​März 2021 je­doch kei­ne sub­stan­zi­el­len Er­in­ne­run­gen. Für ihn ist zur Be­wer­tung des An­kauf­prei­ses zu­erst der Zu­stands­be­richt des TÜV maß­geb­lich. Den hier maß­geb­li­chen DAT-Aus­zug hat er erst­mals im Zu­sam­men­hang mit den Rück­ab­wick­lun­gen ge­se­hen.

Der Zeu­ge T schil­der­te das Ver­fah­ren der von ihm ge­fer­tig­ten Zu­stands­be­rich­te und Gut­ach­ten. An den kon­kre­ten Vor­fall hat­te er kei­ne Er­in­ne­run­gen; sei­ne Aus­füh­run­gen be­zo­gen sich auf die ihm vor­lie­gen­den Un­ter­la­gen. Sei­ne Zu­stands­prü­fung um­fass­te op­ti­sche Schä­den wie Krat­zer, Rost und der­glei­chen; es wur­de ei­ne Pro­be­fahrt ge­macht und auch die Elek­trik über­prüft. Ein Ser­vice­heft wur­de ihm nicht vor­ge­legt. Bei sei­nem Zu­stands­be­richt vom 18.02.2021 lag ihm die Scha­dens­his­to­rie nicht vor, son­dern erst spä­ter bei der Her­ein­nah­me des Fahr­zeugs oder beim spä­te­ren Wei­ter­ver­kauf zu dem von ihm ge­fer­tig­ten „Händ­ler­gut­ach­ten“. Ei­ne kom­plet­te Neu­be­wer­tung er­folg­te dann je­doch nicht mehr. In der Scha­dens­his­to­rie wa­ren bis zum En­de der Auf­zeich­nun­gen im Jahr 2011 Um­stän­de auf­ge­zeich­net, die für sei­ne Be­wer­tung nicht wei­ter von Be­deu­tung wa­ren. In­ter­es­sant wä­ren für ihn Un­fäl­le, ein Tausch­mo­tor oder ein Tausch­ta­cho ge­we­sen, die im vor­lie­gen­den DAT-Aus­zug ge­ra­de nicht auf­ge­führt sind. Des­halb wa­ren für den Zeu­gen T die dor­ti­gen Da­ten al­le für die Be­wer­tung er­le­digt und wur­den von ihm des­halb auch nicht wei­ter an­ge­schaut.

Die­se nach­voll­zieh­ba­ren und über­zeu­gen­den Aus­füh­run­gen der Par­tei­en und Zeu­gen zum Er­werb des Mer­ce­des-Benz GL 450 4MA­TIC durch die Klä­ge­rin zei­gen we­der bei dem Zeu­gen M noch bei dem zu­stän­di­gen Ab­tei­lungs­lei­ter L Um­stän­de auf, wo­nach die DAT-Scha­dens­his­to­rie zum Kauf her­an­ge­zo­gen wur­de be­zie­hungs­wei­se hät­te her­an­ge­zo­gen wer­den müs­sen.

Ei­ne Täu­schung der Be­klag­ten durch die Klä­ge­rin beim An­kauf am 06.03.2021 ist da­mit eben­so nicht er­wie­sen. Auf die von der Klä­ge­rin sub­st­an­z­arm be­haup­te­te Täu­schung durch die Be­klag­te kommt es nicht mehr an.

b) Die ver­ein­bar­te Lauf­leis­tung von 93.711 km wich zum Zeit­punkt der Fahr­zeug­über­ga­be am 09.03.2021 so er­heb­lich von der tat­säch­li­chen Lauf­leis­tung ab, dass das Ge­richt von ei­nem Man­gel des Fahr­zeugs über­zeugt ist (§ 286 I 1 ZPO).

Die Be­klag­te be­strei­tet erst­mals mit Schrift­satz vom 21.10.2022 mit Nicht­wis­sen, dass die tat­säch­li­che Lauf­leis­tung über der auf dem Ta­cho aus­ge­wie­se­ne Lauf­leis­tung lie­ge. Die vor­ge­leg­te DAT-Scha­dens­his­to­rie wird je­doch nicht sub­stan­zi­iert an­ge­grif­fen. Auch wenn die­se Scha­dens­his­to­rie kei­ne Pri­vat­ur­kun­de (§ 416 ZPO) dar­stellt, so hat das Ge­richt kei­nen Zwei­fel dar­an (§ 286 I 1 ZPO), dass das Fahr­zeug be­reits am 15.12.2011 ei­ne Lauf­leis­tung von 99.139 Mei­len auf­wies, was ei­ner Ge­samt­lauf­leis­tung von 159.548 km ent­spricht. Die vor­ge­leg­te Scha­dens­his­to­rie be­trifft das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug mit der Fahr­zeug-Iden­ti­fi­zie­rungs­num­mer (FIN) …, wie sie auch in der von der Be­klag­ten selbst vor­ge­leg­ten Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung vom 10.12.2020 auf­ge­führt ist. Das Fahr­zeug hat­te dem­nach in den vier Jah­ren seit der Erst­zu­las­sung 159.548 km zu­rück­ge­legt und lag be­reits drei Jah­re vor dem Kauf der Be­klag­ten im Jahr 2014 mit fast 66.000 km über der fast sie­ben Jah­re spä­ter von der Be­klag­ten am 18.02.2021 an­ge­ge­be­nen Lauf­leis­tung.

c) Der Man­gel ei­ner weit über­höh­ten Lauf­leis­tung kann nicht mehr be­sei­tigt wer­den, wes­halb ei­ne Auf­for­de­rung zur Man­gel­be­sei­ti­gung ent­behr­lich war (§ 440 Satz 1, § 323 V 2 BGB).

d) Der Rück­tritt war aus den oben aus­ge­führ­ten Grün­den auch nicht nach § 323 VI Fall 1 BGB aus­ge­schlos­sen.

Wäh­rend beim Scha­dens­er­satz­an­spruch statt der Leis­tung (§ 281 BGB) die Mit­ver­ant­wort­lich­keit des Ge­schä­dig­ten ge­mäß § 254 BGB über ei­ne Kür­zung des An­spruchs an­ge­mes­sen be­rück­sich­tigt wer­den kann, ist ei­ne sol­che fle­xi­ble Lö­sung beim Rück­tritt nicht mög­lich. Hier gibt es nur die Mög­lich­keit, das Rück­tritts­recht ins­ge­samt aus­zu­schlie­ßen und den Gläu­bi­ger an dem Ver­trag und an sei­ner Ver­pflich­tung zur Er­brin­gung der Ge­gen­leis­tung fest­zu­hal­ten. Die­se Fol­ge sieht § 323 VI BGB dann vor, wenn der Gläu­bi­ger al­lein oder weit über­wie­gend für den Um­stand ver­ant­wort­lich ist, der ihn zum Rück­tritt be­rech­ti­gen wür­de. Die Ver­ant­wort­lich­keit des Gläu­bi­gers muss so sehr über­wie­gen, dass § 254 BGB im Fall ei­nes Scha­dens­er­satz­ver­lan­gens den An­spruch des Gläu­bi­gers aus­schlie­ßen wür­de. Da­für ist ei­ne Ver­ant­wor­tungs­quo­te des Gläu­bi­gers von 90 %, min­des­tens aber von 80 % er­for­der­lich (vgl. OLG Karls­ru­he, Urt. v. 28.05.2019 – 8 U 185/16, ju­ris Rn. 87 f. [Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de zu­rück­ge­wie­sen durch BGH, Beschl. v. 15.01.2020 – VII ZR 140/19]; OLG Naum­burg, Urt. v. 24.06.2010 – 2 U 77/09, NJW-RR 2011, 64 = ju­ris Rn. 25; LG Karls­ru­he, Urt. v. 02.12.2022 – 6 O 65/18, NJOZ 2023, 462 Rn. 41; Grü­ne­berg/Grü­ne­berg, BGB, 82. Aufl. [2023], § 323 Rn. 28 ff.). Ein sol­ches Maß an Mit­ver­ant­wor­tung des Klä­gers für die rück­tritts­re­le­van­ten Um­stän­de lässt sich – wie oben un­ter 1 b aus­ge­führt – im Streit­fall nicht fest­stel­len.

e) Aus den oben un­ter 1 a bb bis ee dar­ge­leg­ten Grün­den steht der Rück­ab­wick­lung auch nicht der Grund­satz von Treu und Glau­ben (§ 242 BGB) ent­ge­gen.

f) Da die sich aus dem Rück­tritt er­ge­ben­den Ver­pflich­tun­gen der Par­tei­en nach §§ 346 I, 348 BGB nur Zug um Zug zu er­fül­len sind, muss die Klä­ge­rin den Mer­ce­des-Benz GL 450 4MA­TIC an die Be­klag­te zu­rück­ge­ben.

g) Zu­guns­ten der Be­klag­ten sind auf die Zah­lung an die Klä­ge­rin kei­ne von ihr tat­säch­lich ge­zo­ge­ne Ge­brauchs­vor­tei­le an­zu­rech­nen.

Die Hö­he der Nut­zungs­ent­schä­di­gung ist durch Schät­zung (§ 287 ZPO) der wäh­rend der tat­säch­li­chen Nut­zungs­dau­er an­zu­neh­men­den li­nea­ren Wert­min­de­rung zu er­mit­teln (vgl. BGH, Urt. v. 06.10.2005 – VII ZR 325/03, BGHZ 164, 235). Es ent­schei­det al­so der Um­fang der Nut­zung durch den Rück­ge­währ­schuld­ner im Ver­hält­nis zur vor­aus­sicht­li­chen Ge­samt­nut­zung. Die Klä­ge­rin hat vor­lie­gend vor­ge­tra­gen, dass sie die ak­tu­el­le Ge­samt­lauf­leis­tung bei Kla­ge­er­he­bung am 07.06.2022 auf über 300.000 km schätzt und der Pkw seit dem Kauf nur cir­ca 173 km ge­fah­ren ist. Das Ge­richt folgt an­hand der Lauf­leis­tungs­ent­wick­lung, wie sie sich be­reits vier Jah­re nach der Erst­zu­las­sung dar­stellt, die­ser Ein­schät­zung der Klä­ge­rin und legt des­halb bei der Be­rech­nung ei­ner Nut­zungs­ent­schä­di­gung für das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug ei­ne Lauf­leis­tung von cir­ca 280.000 bis 300.000 km zu­grun­de (§ 287 ZPO). Des­halb hat die tat­säch­li­che Nut­zungs­zeit zu kei­nem Vor­teil bei der Klä­ge­rin ge­führt.

Vor die­sem Hin­ter­grund lief auch die ur­sprüng­lich be­an­trag­te dop­pel­te Zug-um-Zug-Ver­ur­tei­lung („Zug um Zug ge­gen Über­eig­nung und Her­aus­ga­be des Mer­ce­des-Benz GL 450 4MA­TIC und Zug um Zug ge­gen Zah­lung ei­ner von der Be­klag­ten noch dar­zu­le­gen­den Nut­zungs­ent­schä­di­gung für die Nut­zung des Fahr­zeugs“) leer, da vor­lie­gend oh­ne ent­spre­chen­de teil­wei­se Klag­ab­wei­sung des Zah­lungs­be­trags die­ser Aus­spruch im Te­nor nicht er­folgt und bei der Kos­ten­ent­schei­dung zu­las­ten der Klä­ge­rin ein Nut­zungs­vor­teil eben­so nicht be­rück­sich­tigt wird (vgl. zu die­sem Zweck ei­ner dop­pel­ten Zug-um-Zug-Ver­ur­tei­lung auch den Hin­weis des Ge­richts vom 22.03.2023 mit Ver­weis auf KG, Urt. v. 13.04.2021 – 21 U 45/19, NJW 2021, 2662 Rn. 42 f.).

Die Klä­ge­rin hat nach die­sem Hin­weis im nach­fol­gend an­ge­ord­ne­ten schrift­li­chen Ver­fah­ren die­se zwei­te Zug-um-Zug-Ver­ur­tei­lung kon­se­quen­ter­wei­se nicht mehr in ih­ren Klag­an­trag zu 1 vom 05.04.2023 auf­ge­nom­men. Die Be­klag­te hat nach dem ge­richt­li­chen Hin­weis und den neu for­mu­lier­ten An­trä­gen der Klä­ge­rin in­so­weit auch kei­ne Ein­wän­de er­ho­ben.

2. Die Fest­stel­lungs­an­trä­ge sind auch be­grün­det.

a) Die Be­klag­te be­fin­det sich nach dem be­rech­tig­ten Rück­tritt der Klä­ge­rin und ih­rer Auf­for­de­rung, das Fahr­zeug bin­nen Frist ge­gen Zah­lung des Kauf­prei­ses zu­rück­zu­neh­men, seit dem 28.05.2022 im An­nah­me­ver­zug (§§ 293, 295 Satz 1 Fall 2 BGB).

b) Die Be­klag­te ist wei­ter­hin ver­pflich­tet, an die Klä­ge­rin ein Stand­geld für das Fahr­zeug in Hö­he von 7,50 € zu­züg­lich Um­satz­steu­er je Ka­len­der­tag ab dem 28.05.2022 bis zu sei­ner Ab­ho­lung zu zah­len (§§ 293, 304 BGB). Das Ge­richt schätzt die Hö­he des Stand­gelds in An­leh­nung an den Vor­trag der Klä­ge­rin auf 7,50 € zu­züg­lich Um­satz­steu­er je Ka­len­der­tag (§ 287 ZPO; vgl. OLG Düs­sel­dorf, Urt. v. 07.04.2008 – 1 U 212/07, ju­ris Rn. 15). Dass die­ser Be­trag an­ge­mes­sen ist, be­strei­tet die Be­klag­te nicht.

III. 1. Der Zins­an­spruch recht­fer­tigt sich aus Ver­zug (§ 286 I 1, § 288 I, II BGB).

2. Die Be­klag­te ist ver­pflich­tet, die Klä­ge­rin von vor­ge­richt­li­chen Rechts­an­walts­kos­ten in Hö­he von ins­ge­samt 2.042,00 € frei­zu­stel­len (§ 433 I 2 BGB, § 434 I 1 BGB a.F., § 437 Nr. 3, §§ 280 I, III, 281, 249 BGB).

Bei der Be­ur­tei­lung der Fra­ge, ob und in wel­chem Um­fang der dem Ge­schä­dig­ten zu­ste­hen­de Scha­dens­er­satz­an­spruch die Er­stat­tung von Rechts­an­walts­kos­ten um­fasst, ist zwi­schen dem In­nen­ver­hält­nis des Ge­schä­dig­ten zu dem für ihn tä­ti­gen Rechts­an­walt und dem Au­ßen­ver­hält­nis des Ge­schä­dig­ten zum Schä­di­ger zu un­ter­schei­den. Vor­aus­set­zung für ei­nen Er­stat­tungs­an­spruch im gel­tend ge­mach­ten Um­fang ist grund­sätz­lich, dass der Ge­schä­dig­te im In­nen­ver­hält­nis zur Zah­lung der in Rech­nung ge­stell­ten Kos­ten ver­pflich­tet ist und die kon­kre­te an­walt­li­che Tä­tig­keit im Au­ßen­ver­hält­nis aus der maß­ge­ben­den Sicht des Ge­schä­dig­ten mit Rück­sicht auf sei­ne spe­zi­el­le Si­tua­ti­on zur Wahr­neh­mung sei­ner Rech­te er­for­der­lich und zweck­mä­ßig war (vgl. BGH, Urt. v. 22.03.2011 – VI ZR 63/10, NJW 2011, 2509 Rn. 9 m. w. Nachw.).

Das ist vor­lie­gend der Fall. Die Klä­ge­rin hat das Fahr­zeug an die G-GmbH wei­ter­ver­äu­ßert. We­gen des Man­gels ei­ner deut­lich er­höh­te Ge­samt­fahr­leis­tung muss­te die Klä­ge­rin das Fahr­zeug wie­der zu­rück­neh­men. Im Zu­sam­men­hang mit der Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­tra­ges mit der G-GmbH sind au­ßer­ge­richt­li­che An­walts­kos­ten (Rechts­ver­tei­di­gungs­kos­ten) an­ge­fal­len. Die Be­klag­te ver­hält< sich in­so­weit nicht zum Vor­trag der Klä­ge­rin zu den ent­stan­de­nen An­walts­kos­ten.

Nach Nr. 2300 VV RVG be­zif­fern sich die­se bei ei­nem Ge­gen­stands­wert von 17.000 € be­zie­hungs­wei­se 16.500 € und ei­ner 1,3-fa­chen Ge­bühr auf 1.021 € ein­schließ­lich Kos­ten­pau­scha­le ge­mäß Nr. 7200 VV RVG von 20 €. Die Klä­ge­rin ist vor­steu­er­ab­zugs­be­rech­tigt.

Die durch die Gel­tend­ma­chung der Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­tra­ges mit der Be­klag­ten ent­stan­de­nen au­ßer­ge­richt­li­chen Rechts­ver­fol­gungs­kos­ten in glei­cher Hö­he hat die Be­klag­te eben­falls zu tra­gen. Es han­delt sich um zwei An­ge­le­gen­hei­ten im ge­büh­ren­recht­li­chen Sin­ne (§ 15 RVG). …

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