Zur Ver­let­zung des An­spruchs der Par­tei auf recht­li­ches Ge­hör ge­mäß Art. 103 I GG im Zu­sam­men­hang mit Vor­trag über die Ent­behr­lich­keit der Frist­set­zung zur Nach­er­fül­lung (hier: gänz­lich un­be­rück­sich­tigt ge­blie­be­ner Vor­trag des Käu­fers zu ei­ner wei­te­ren im Fahr­zeug ver­bau­ten un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung in Ge­stalt ei­nes „Ther­mo­fens­ters“ und zu ei­nem un­ab­hän­gig von ei­ner Nach­bes­se­rung dem Fahr­zeug an­haf­ten­den mer­kan­ti­len Min­der­wert we­gen Be­trof­fen­heit vom so­ge­nann­ten Ab­gas­skan­dal).

BGH, Be­schluss vom 05.10.2022 – VI­II ZR 88/21

Sach­ver­halt: Der Klä­ger er­warb von der be­klag­ten Kraft­fahr­zeug­händ­le­rin am 22.12.2017 für 68.000 € brut­to ei­nen ge­brauch­ten Au­di A6 3.0 TDI. Zwi­schen den Par­tei­en ist strei­tig, ob die­ses Fahr­zeug mit ei­nem Mo­tor des Typs EA897 oder des Typs EA896 Gen2 aus­ge­stat­tet ist.

Nach den Fest­stel­lun­gen, die das Be­ru­fungs­ge­richt un­ter Be­zug­nah­me auf ei­ne Ver­laut­ba­rung des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes ge­trof­fen hat, be­an­stan­de­te das Kraft­fahrt-Bun­des­amt im Ja­nu­ar 2018 bei Fahr­zeu­gen des vom Klä­ger er­wor­be­nen Typs, dass die­se mit ei­ner un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung aus­ge­stat­tet sei­en, auf­grund de­rer die schad­stoff­min­dern­de „schnel­le Mo­tor­auf­wärm­funk­ti­on“ na­he­zu le­dig­lich im Prüf­zy­klus an­sprin­ge, wäh­rend im rea­len Fahr­be­trieb ei­ne da­durch be­wirk­te Min­de­rung des Stick­oxid­aus­sto­ßes un­ter­blei­be. Das Kraft­fahrt-Bun­des­amt gab der Fahr­zeug­her­stel­le­rin auf, bis An­fang Fe­bru­ar 2018 ein Soft­ware­up­date vor­zu­stel­len, des­sen In­stal­la­ti­on hin­sicht­lich des Stick­oxid­aus­sto­ßes ei­nen vor­schrifts­ge­mä­ßen Zu­stand her­stellt.

Mit An­walts­schrei­ben vom 22.08.2018 er­klär­te der Klä­ger den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag mit der Be­grün­dung, das Fahr­zeug sei von dem so­ge­nann­ten Ab­gas­skan­dal be­trof­fen.

Die Fahr­zeug­her­stel­le­rin ent­wi­ckel­te ein Soft­ware­up­date, das vom Kraft­fahrt-Bun­des­amt im No­vem­ber 2018 frei­ge­ge­ben wur­de. Der Klä­ger ließ die­ses Up­date nicht auf­spie­len, weil er ne­ga­ti­ve Fol­gen für das Fahr­zeug be­fürch­te­te.

Die auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses nebst Zin­sen, Zug um Zug ge­gen Rück­ge­währ des Fahr­zeugs, auf Fest­stel­lung des An­nah­me­ver­zugs der Be­klag­ten und auf Er­stat­tung au­ßer­ge­richt­lich ent­stan­de­ner Rechts­an­walts­kos­ten nebst Zin­sen ge­rich­te­te Kla­ge hat in den Vor­in­stan­zen kei­nen Er­folg ge­habt. Das Ober­lan­des­ge­richt hat die Re­vi­si­on nicht zu­ge­las­sen. Die da­ge­gen ge­rich­te­te Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de des Klä­gers, mit der er sein Kla­ge­be­geh­ren in vol­lem Um­fang wei­ter­ver­folg­te, hat­te Er­folg.

Aus den Grün­den: [6]    II. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat zur Be­grün­dung sei­ner Ent­schei­dung, so­weit für das Ver­fah­ren der Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de von In­ter­es­se, im We­sent­li­chen aus­ge­führt:

[7]    Der Klä­ger kön­ne sich ge­gen­über der Be­klag­ten nicht er­folg­reich auf Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­che ge­mäß § 437 Nr. 2, §§ 440, 323, 326 BGB be­ru­fen. Zwar dürf­te ein Sach­man­gel i. S. des § 434 I BGB un­ab­hän­gig da­von, wel­cher der bei­den zwi­schen den Par­tei­en im Streit ste­hen­den Mo­to­ren­ty­pen in dem Fahr­zeug ver­baut sei dar­in lie­gen, dass im Mo­tor des Fahr­zeugs bei Über­ga­be un­strei­tig ei­ne Ab­schalt­au­to­ma­tik in­stal­liert ge­we­sen sei, die ei­nen Rück­ruf sei­tens des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes und die Not­wen­dig­keit ei­ner Um­rüs­tung des Fahr­zeugs zur Fol­ge ge­habt ha­be. Für den gel­tend ge­mach­ten An­spruch auf Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags feh­le es aber je­den­falls an ei­ner Frist­set­zung zur Nach­er­fül­lung, die hin­sicht­lich der vom Klä­ger be­haup­te­ten Män­gel des Fahr­zeugs nicht aus­nahms­wei­se ent­behr­lich ge­we­sen sei.

[8]    So sei dem Klä­ger die Nach­er­fül­lung un­ter an­de­rem nicht we­gen des von ihm gel­tend ge­mach­ten mer­kan­ti­len Min­der­werts ei­nes vom so­ge­nann­ten Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Kraft­fahr­zeugs in Be­zug auf den Ver­dacht von Up­date-Fol­ge­män­geln un­zu­mut­bar i. S. von § 323 II Nr. 3, § 440 Satz 1 Fall 3 BGB. Die blo­ße da­hin ge­hen­de Be­haup­tung des Klä­gers sei nicht aus­rei­chend. Es be­dür­fe kon­kre­ter An­halts­punk­te, die dar­auf hin­deu­te­ten, dass ge­ra­de Die­sel­fahr­zeu­ge, bei de­nen ei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung durch ein Soft­ware­up­date ent­fernt wor­den sei, aus die­sem Grund ei­nen ge­rin­ge­ren Wie­der­ver­kaufs­wert hät­ten. Zu­min­dest sei nach­voll­zieh­bar dar­zu­le­gen, dass sich der Preis des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug­typs un­güns­ti­ger ent­wi­ckelt ha­be als der Ge­samt­markt für Die­sel-Pkw.

[9]    III. Die zu­läs­si­ge Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de hat in der Sa­che Er­folg (§ 544 IX ZPO), weil die Si­che­rung ei­ner ein­heit­li­chen Recht­spre­chung ei­ne Ent­schei­dung des Re­vi­si­ons­ge­richts er­for­dert (§ 543 II 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO). Das Be­ru­fungs­ge­richt hat den An­spruch des Klä­gers auf Ge­wäh­rung recht­li­chen Ge­hörs (Art. 103 I GG) in ent­schei­dungs­er­heb­li­cher Wei­se ver­letzt. Es hat des­sen für die Be­ur­tei­lung des Streit­falls be­deut­sa­mes be­weis­be­wehr­tes Vor­brin­gen zu ei­ner im Fahr­zeug ver­bau­ten wei­te­ren, von ihm als „Ther­mo­fens­ter“ be­zeich­ne­ten un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung ge­hör­s­wid­rig über­gan­gen und den Vor­trag zu ei­nem dem Fahr­zeug an­haf­ten­den mer­kan­ti­len Min­der­wert zu Un­recht als nicht hin­rei­chend sub­stan­zi­iert an­ge­se­hen. In der Fol­ge hat es ver­säumt, den vom Klä­ger hier­für je­weils an­ge­bo­te­nen Sach­ver­stän­di­gen­be­weis zu er­he­ben.

[10]   1. Das Ge­bot recht­li­chen Ge­hörs (Art. 103 I GG) ver­pflich­tet das ent­schei­den­de Ge­richt, die Aus­füh­run­gen der Pro­zess­be­tei­lig­ten zur Kennt­nis zu neh­men und in Er­wä­gung zu zie­hen (st. Rspr.; s. et­wa BVerfG [1. Kam­mer des Zwei­ten Se­nats], Beschl. v. 25.09.2020 – 2 BvR 854/20, NVwZ-RR 2021, 131 Rn. 26; Se­nat, Beschl. v. 21.06.2022 – VI­II ZR 285/21, ju­ris Rn. 12; Beschl. v. 30.08.2022 – VI­II ZR 429/21, ju­ris Rn. 10; je­weils m. w. Nachw.). Als grund­rechts­glei­ches Recht soll es si­cher­stel­len, dass die Ent­schei­dung frei von Ver­fah­rens­feh­lern er­geht, wel­che ih­ren Grund in der un­ter­las­se­nen Kennt­nis-nah­me und der Nicht­be­rück­sich­ti­gung des Sach­vor­trags der Par­tei­en ha­ben. In die­sem Sin­ne ge­bie­tet Art. 103 I GG in Ver­bin­dung mit den Grund­sät­zen der Zi­vil­pro­zess­ord­nung auch die Be­rück­sich­ti­gung er­heb­li­cher Be­weis­an­trä­ge. Die Nicht­be­rück­sich­ti­gung ei­nes er­heb­li­chen Be­weis­an­ge­bots ver­stößt ge­gen Art. 103 I GG, wenn sie im Pro­zess­recht kei­ne Stüt­ze mehr fin­det (st. Rspr.; hier­zu et­wa BVerfG [1. Kam­mer des Zwei­ten Se­nats], Beschl. v. 25.03.2020 – 2 BvR 113/20, ju­ris Rn. 45; Se­nat, Beschl. v. 26.04.2022 – VI­II ZR 19/21, ju­ris Rn. 12; Beschl. v. 30.08.2022 – VI­II ZR 429/21, ju­ris Rn. 10; je­weils m. w. Nachw.).

[11]   Dies gilt auch dann, wenn die Nicht­be­rück­sich­ti­gung des be­tref­fen­den Sach­vor­trags so­wie ei­nes da­mit zu­sam­men­hän­gen­den Be­weis­an­ge­bots dar­auf be­ruht, dass das Ge­richt ver­fah­rens­feh­ler­haft über­spann­te An­for­de­run­gen an den Vor­trag ei­ner Par­tei ge­stellt hat. Ei­ne sol­che nur schein­bar das Par­tei­vor­brin­gen wür­di­gen­de Ver­fah­rens­wei­se stellt sich als Wei­ge­rung des Tatrich­ters dar, in der nach Art. 103 I GG ge­bo­te­nen Wei­se den Par­tei­vor­trag zur Kennt­nis zu neh­men und sich mit ihm in­halt­lich aus­ein­an­der­zu­set­zen (vgl. BGH, Urt. v. 22.06.2009 – II ZR 143/08, NJW 2009, 2598 Rn. 2; Se­nat, Beschl. v. 22.06.2021 – VI­II ZR 134/20, NJW-RR 2021, 1093 Rn. 16; Beschl. v. 29.09.2021 – VI­II ZR 226/19, ju­ris Rn. 12; Beschl. v. 26.04.2022 – VI­II ZR 19/21, ju­ris Rn. 13).

[12]   2. Ge­mes­sen hier­an ist dem Be­ru­fungs­ge­richt ei­ne Ge­hörs­ver­let­zung nach Art. 103 I GG an­zu­las­ten.

[13]   a) Die Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de rügt mit Recht, dass das Be­ru­fungs­ge­richt den be­weis­be­wehr­ten Vor­trag des Klä­gers zu ei­ner wei­te­ren im Fahr­zeug ver­bau­ten un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung in Ge­stalt ei­nes „Ther­mo­fens­ters“ gänz­lich un­be­rück­sich­tigt ge­las­sen und hier­durch das recht­li­che Ge­hör des Klä­gers in ent­schei­dungs­er­heb­li­cher Wei­se ver­letzt hat (§ 544 Abs. IX ZPO).

[14]   aa) Der Klä­ger hat – wie die Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de zu­tref­fend auf­zeigt – un­ter Be­weis­an­tritt vor­ge­tra­gen, dass die (zur Re­du­zie­rung des Stick­oxid­aus­sto­ßes er­fol­gen­de) Ab­gas­rück­füh­rung bei küh­le­ren Tem­pe­ra­tu­ren zu­rück­ge­fah­ren wer­de, wo­bei ei­ne si­gni­fi­kan­te Re­duk­ti­on je­den­falls bei ei­ner Tem­pe­ra­tur von 5 °C und we­ni­ger er­fol­ge. Die­sen von ihm als „Ther­mo­fens­ter“ be­zeich­ne­ten Me­cha­nis­mus hat der Klä­ger wei­ter da­hin ge­hend er­läu­tert, dass das Fahr­zeug (le­dig­lich) in­ner­halb ei­nes be­stimm­ten Tem­pe­ra­tur­fens­ters – und ins­be­son­de­re auch im Tem­pe­ra­tur­be­reich, der bei der Ab­gas­mes­sung auf dem Prüf­stand maß­ge­bend sei – we­ni­ger Stick­oxi­de aus­sto­ße. Zu­dem wer­de die für die Ab­gas­rei­ni­gung er­for­der­li­che Ad­Blue-Zu­fuhr bei Tem­pe­ra­tu­ren un­ter 10 °C re­du­ziert, ob­wohl nach den ge­setz­li­chen Be­stim­mun­gen bis zu Tem­pe­ra­tu­ren von ?15 °C Än­de­run­gen nicht vor­ge­nom­men wer­den dürf­ten.

[15]   Im Hin­blick auf die Nach­bes­se­rung durch ein Soft­ware­up­date hat der Klä-ger in­so­weit un­ter Be­weis­an­tritt aus­ge­führt, dass die Ab­ga­be­men­ge von Ad­Blue nicht in ge­set­zes­kon­for­mer Wei­se er­höht wer­den kön­ne, da die im Fahr­zeug ver­bau­ten Dü­sen zur Ein­sprit­zung aus­rei­chen­der Ad­Blue-Men­gen in das Ab­gas­sys­tem nicht ge­eig­net sei­en. Der ge­setz­li­che Grenz­wert las­se sich vor­lie­gend auch mit ei­nem Up­date und ma­xi­ma­len Ad­Blue-Men­gen nicht er­rei­chen; die „il­le­ga­len Ab­schalt­ein­rich­tun­gen“ blie­ben ak­tiv.

[16]   bb) Mit die­sem (im Be­ru­fungs­ver­fah­ren zen­tra­len) Vor­brin­gen, mit dem der Klä­ger (auch) die Ent­behr­lich­keit ei­ner Frist­set­zung vor dem von ihm er­klär­ten Rück­tritt vom Kauf­ver­trag dar­le­gen will, hat sich das Be­ru­fungs­ge­richt in dem an­ge­foch­te­nen Ur­teil nicht be­fasst. Das Schwei­gen des Be­ru­fungs­ge­richts in die­sem Punkt lässt des­halb (nur) den Schluss zu, dass die­ser Vor­trag ent­ge­gen dem Ge­bot aus Art. 103 I GG nicht oder zu­min­dest nicht hin­rei­chend be­ach­tet wur­de (vgl. BVerfG [1. Kam­mer des Zwei­ten Se­nats], Beschl. v. 27.02.2018 – 2 BvR 2821/14, NJW-RR 2018, 694 Rn. 18 m. w. Nachw.; Se­nat, Beschl. v. 14.12.2021 – VI­II ZR 386/20, ju­ris Rn. 18). Die an­ge­foch­te­ne Ent­schei­dung er­wähnt zwar an ver­schie­de­nen Stel­len ei­ne „un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung“, be­zieht sich hier­bei aber of­fen­sicht­lich le­dig­lich auf die in der Pres­se­mit­tei­lung des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes er­wähn­te so­ge­nann­te schnel­le Mo­tor­auf­wärm­funk­ti­on. Ei­ne Aus­ein­an­der­set­zung mit der Be­haup­tung des Klä­gers zu ei­nem „Ther­mo­fens­ter“, wie von die­sem be­schrie­ben, lässt sie hin­ge­gen gänz­lich ver­mis­sen.

[17]   cc) Die dar­in lie­gen­de Ge­hörs­ver­let­zung ist ent­schei­dungs­er­heb­lich. Denn es kann nicht aus­ge­schlos­sen wer­den, dass das Be­ru­fungs­ge­richt die Fra­ge der Ent­behr­lich­keit ei­ner Frist­set­zung zur Nach­er­fül­lung we­gen Un­zu­mut­bar­keit je­den­falls der Nach­bes­se­rung in Ge­stalt des von der Fahr­zeug­her­stel­le­rin an­ge­bo­te­nen Soft­ware­up­dates i. S. von § 323 II Nr. 3, § 440 Satz 1 Fall 3 BGB un­ter Be­rück­sich­ti­gung des über­gan­ge­nen Vor­trags an­ders be­ur­teilt hät­te.

[18]   Er­kenn­bar hat der Klä­ger hier­mit ei­ne – ne­ben der von dem Rück­ruf des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes be­trof­fe­nen, auf den Prüf­stand be­zo­ge­nen Ab­schalt­ein­rich­tung – (auch) beim re­gu­lä­ren Fahr­be­trieb tem­pe­ra­tur­ab­hän­gig ein­set­zen­de Steue­rung der Ab­gas­rück­füh­rung be­zie­hungs­wei­se der Ad­Blue-Zu­fuhr be­haup­tet, die nach sei­ner Dar­stel­lung da­zu füh­ren soll, dass das Fahr­zeug die vor­ge­schrie­be­nen Ab­gas­wer­te nicht ein­hal­te, und die er des­halb als wei­te­re un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung an­sieht. Trä­fe die­se und die wei­te­re un­ter Be­weis ge­stell­te Be­haup­tung zu, dass das in Re­de ste­hen­de Soft­ware­up­date in­so­weit kei­ne Ab­hil­fe schaf­fen kön­ne, was durch Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten zu klä­ren ist, wä­re es dem Klä­ger nicht zu­zu­mu­ten, sich auf ei­ne sol­che un­zu­rei­chen­de Nach­bes­se­rung ein­zu­las­sen und der Be­klag­ten zu die­ser Form der Nach­bes­se­rung ei­ne Frist zu set­zen (vgl. auch Se­nat, Urt. v. 26.01.2022 – VI­II ZR 140/20, VersR 2022, 703 Rn. 29, 36). Denn ei­ne Nach­bes­se­rung i. S. von § 439 I Fall 1 BGB setzt vor­aus, dass der vor­han­de­ne Man­gel hier­durch voll­stän­dig, nach­hal­tig und fach­ge­recht be­sei­tigt wird (Se­nat, Urt. v. 26.01.2022 – VI­II ZR 140/20, VersR 2022, 703 Rn. 30 m. w. Nachw.). Bei Fort­be­ste­hen wei­te­rer un­zu­läs­si­ger Ab­schalt­ein­rich­tun­gen blie­be das Fahr­zeug hin­ge­gen auch dann man­gel­be­haf­tet i. S. von § 434 I 2 Nr. 2 BGB in der bis zum 31.12.2021 maß­geb­li­chen Fas­sung (Art. 229 § 58 EGBGB), wenn es über ei­ne gül­ti­ge EG-Typ­ge­neh­mi­gung ver­fügt und da­her im Stra­ßen­ver­kehr ver­wen­det wer­den kann (vgl. hier­zu und zur Be­wer­tung ei­nes sog. Ther­mo­fens­ters EuGH, Urt. v. 14.07.2022 – C-145/20, ECLI:EU:C:2022:572 = RIW 2022, 604 Rn. 54 ff., 59 ff. – Por­sche In­ter Au­to und Volks­wa­gen; Urt. v. 14.07.2022 – C-128/20, ECLI:EU:C:2022:570 = NJW 2022, 2605 Rn. 27 ff., 70 – GSMB In­vest; s. auch Se­nat, Urt. v. 08.12.2021 – VI­II ZR 190/19, BGHZ 232, 94 Rn. 69 ff.).

[19]   b) Das Be­ru­fungs­ge­richt hat fer­ner hin­sicht­lich des klä­ge­ri­schen Vor­trags zu ei­nem dem Fahr­zeug in­fol­ge der Be­trof­fen­heit vom so­ge­nann­ten Ab­gas­skan­dal an­haf­ten­den mer­kan­ti­len Min­der­wert die Sub­stan­zi­ie­rungs­an­for­de­run­gen über­spannt und, in­dem es des­halb den hier­für vom Klä­ger an­ge­bo­te­nen Be­weis durch Ein­ho­lung ei­nes Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­tens nicht er­ho­ben hat, den An­spruch des Klä­gers auf recht­li­ches Ge­hör in ent­schei­dungs­er­heb­li­cher Wei­se ver­letzt (§ 544 IX ZPO).

[20]   aa) Ein Sach­vor­trag zur Be­grün­dung ei­nes An­spruchs ist be­reits dann schlüs­sig und er­heb­lich, wenn die Par­tei Tat­sa­chen vor­trägt, die in Ver­bin­dung mit ei­nem Rechts­satz ge­eig­net und er­for­der­lich sind, das gel­tend ge­mach­te Recht als in der Per­son der Par­tei ent­stan­den er­schei­nen zu las­sen. Die An­ga­be nä­he­rer Ein­zel­hei­ten ist nicht er­for­der­lich, so­weit die­se für die Rechts­fol­gen nicht von Be­deu­tung sind (st. Rspr.; vgl. nur Se­nat, Urt. v. 29.01.2020 – VI­II ZR 80/18, BGHZ 224, 302 Rn. 55; Beschl. v. 26.04.2022 – VI­II ZR 19/21, ju­ris Rn. 27; je­weils m. w. Nachw.). Das gilt ins­be­son­de­re dann, wenn die Par­tei kei­ne un­mit­tel­ba­re Kennt­nis von den Vor­gän­gen hat (Se­nat, Beschl. v. 28.01.2020 – VI­II ZR 57/19, NJW 2020, 1740 Rn. 7; Beschl. v. 22.06.2021 – VI­II ZR 134/20, NJW-RR 2021, 1093 Rn. 33 m. w. Nachw.). Sind die­se An­for­de­run­gen er­füllt, ist es Sa­che des Tatrich­ters, in die Be­weis­auf­nah­me ein­zu­tre­ten und da­bei ge­ge­be­nen­falls die be­nann­ten Zeu­gen oder die zu ver­neh­men­de Par­tei nach wei­te­ren Ein­zel­hei­ten zu be­fra­gen oder ei­nem Sach­ver­stän­di­gen die be­wei­ser-heb­li­chen Streit­fra­gen zu un­ter­brei­ten (st. Rspr.; vgl. Se­nat, Urt. v. 29.01.2020 – VI­II ZR 80/18, BGHZ 224, 302 Rn. 55; Beschl. v. 29.09.2021 – VI­II ZR 226/19, ju­ris Rn. 15; Beschl. v. 26.04.2022 – VI­II ZR 19/21, ju­ris Rn. 28 m. w. Nachw.).

[21]   bb) Ge­mes­sen hier­an hat der Klä­ger, wie die Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de zu Recht gel­tend macht, aus­rei­chend sub­stan­zi­iert dar­ge­legt, dass nach sei­ner Auf­fas­sung dem Fahr­zeug ent­ge­gen den Aus­füh­run­gen des Be­ru­fungs­ge­richts auch un­ab­hän­gig von der Durch­füh­rung des Soft­ware­up­dates ein mer­kan­ti­ler Min­der­wert an­haf­te. Bei sei­ner ge­gen­tei­li­gen Auf­fas­sung hat das Be­ru­fungs­ge­richt die An­for­de­run­gen an ei­nen sub­stan­zi­ier­ten und schlüs­si­gen Sach­vor­trag über­spannt.

[22]   (1) Der Klä­ger hat vor­ge­tra­gen und un­ter Sach­ver­stän­di­gen­be­weis ge­stellt, dass das Fahr­zeug auf­grund der Be­trof­fen­heit vom so­ge­nann­ten Ab­gas­skan­dal und des da­mit ver­bun­de­nen Ma­kels so­wie we­gen des Ver­dachts wei­te­rer, aus dem Soft­ware­up­date fol­gen­der Män­gel auf dem frei­en Markt ei­nen er­heb­li­chen Wert­ver­lust er­fah­re, der sich – vor und nach ei­nem Soft­ware­up­date – mit 30 % be­wer­ten las­se. Das Ver­trau­en in die Volks­wa­gen AG und de­ren Toch­ter­un­ter­neh­men sei nach dem so­ge­nann­ten Ab­gas­skan­dal ge­sun­ken. Dem­entspre­chend sei die Nach­fra­ge nach Die­sel­fahr­zeu­gen die­ser Her­stel­ler zu­rück­ge­gan­gen, wäh­rend auf der Ver­kaufs­sei­te ein Über­an­ge­bot herr­sche, weil vie­le Ei­gen­tü­mer ei­nes sol­chen Fahr­zeugs die­ses „ab­sto­ßen“ woll­ten. Das aus ei­nem Über­an­ge­bot ei­ner­seits und ei­ner zu­rück­ge­hen­den Nach­fra­ge an­de­rer­seits re­sul­tie­ren­de „Preis­dum­ping“ sei be­kannt. Sein Fahr­zeug sei (des­halb) na­he­zu un­ver­käuf­lich.

[23]   (2) Die­ses Vor­brin­gen er­weist sich (je­den­falls der­zeit) als aus­rei­chend sub­stan­zi­iert, um ei­nen al­lein auf­grund des Ma­kels „vom Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nes Fahr­zeug“ be­ste­hen­den mer­kan­ti­len Min­der­wert dar­zu­le­gen. Wie der Se­nat be­reits mehr­fach ent­schie­den hat, lässt sich bis­lang nicht all­ge­mein­gül­tig und ab­schlie­ßend be­ant­wor­ten, ob die Ei­gen­schaft ei­nes vom so­ge­nann­ten Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Fahr­zeugs in dem Cha­rak­ter ei­nes Fahr­zeugs als Un­fall­fahr­zeug ver­gleich­ba­rer Wei­se ei­nen (un­be­heb­ba­ren) Sach­man­gel dar­stellt, weil sie eben­falls ei­nen mer­kan­ti­len Min­der­wert zur Fol­ge hat (vgl. Se­nat, Beschl. v. 29.09.2021 – VI­II ZR 226/19, ju­ris Rn. 25; Beschl. v. 08.12.2021 – VI­II ZR 280/20, NJW 2022, 935 Rn. 26; Beschl. v. 14.12.2021 – VI­II ZR 386/20, ju­ris Rn. 29; Beschl. v. 26.04.2022 – VI­II ZR 19/21, ju­ris Rn. 33). Der Se­nat hat des­halb (je­den­falls der­zeit) wei­te­re, über den oben ge­nann­ten Vor­trag hin­aus­ge­hen­de Dar­le­gun­gen et­wa – wie vom Be­ru­fungs­ge­richt ver­fah­rens­feh­ler­haft an­ge­nom­men – da­hin ge­hend, dass sich der Preis des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug­typs un­güns­ti­ger ent­wi­ckelt ha­be als der Ge­samt­markt für Die­sel-Pkw, nicht für er­for­der­lich ge­hal­ten, um in ei­ne be­an­trag­te Be­weis­auf­nah­me ein­zu­tre­ten.

[24]   cc) Die dem Be­ru­fungs­ge­richt un­ter­lau­fe­ne Ge­hörs­ver­let­zung ist auch ent­schei­dungs­er­heb­lich (§ 544 IX ZPO). Es kann nicht aus­ge­schlos­sen wer­den, dass das Be­ru­fungs­ge­richt, hät­te es das oben wie­der­ge­ge­be­ne Vor­brin­gen des Klä­gers in ge­bo­te­ner Wei­se zur Kennt­nis ge­nom­men und zum mer­kan­ti­len Min­der­wert des Fahr­zeugs den an­ge­bo­te­nen Sach­ver­stän­di­gen­be­weis er­ho­ben, zu der Über­zeu­gung ge­langt wä­re, ei­ner Frist­set­zung hät­te es mit Blick auf die vom Klä­ger im Rück­tritts­schrei­ben – was vor­lie­gend aus­reicht (vgl. Se­nat, Urt. v. 29.09.2021 – VI­II ZR 111/20, BGHZ 231, 149 Rn. 40; Urt. v. 26.01.2022 – VI­II ZR 140/20, VersR 2022, 703 Rn. 21) – als maß­geb­li­che Nach­er­fül­lungs­va­ri­an­te ge­wähl­te Nach­bes­se­rung durch das Soft­ware­up­date ge­mäß § 323 II Nr. 3, § 440 Satz 1 Fall 3 BGB aus­nahms­wei­se nicht be­durft.

[25]   3. Die wei­te­ren von der Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de er­ho­be­nen Rü­gen hat der Se­nat ge­prüft, je­doch nicht für durch­grei­fend er­ach­tet. Von ei­ner Be­grün­dung wird in­so­weit ab­ge­se­hen (§ 544 VI 2 ZPO).

[26]   IV. Nach al­le­dem ist das Ur­teil des Be­ru­fungs­ge­richts auf­zu­he­ben und der Rechts­streit zur neu­en Ent­schei­dung und Ver­hand­lung un­ter Be­ach­tung der Rechts­auf­fas­sung des Se­nats an das Be­ru­fungs­ge­richt zu­rück­zu­ver­wei­sen (§ 544 IX ZPO).

[27]   Für den wei­te­ren Ver­fah­rens­gang weist der Se­nat auf fol­gen­de Ge­sichts­punk­te hin:

[28]   1. Da der Klä­ger ein Recht zum Rück­tritt vom Kauf­ver­trag auf die Be­haup­tung meh­re­rer Sach­män­gel des Fahr­zeugs stützt, wird – be­vor die Vor­aus­set­zun­gen des Rück­tritts­rechts we­gen Feh­lens ei­ner Frist­set­zung zur Nach­er­fül­lung (§ 437 Nr. 2, §§ 439 I, 323 I BGB) ver­neint wer­den kön­nen – im Hin­blick auf je­den die­ser Sach­män­gel zu prü­fen sein, ob ein Nach­er­fül­lungs­ver­lan­gen aus­nahms­wei­se ge­mäß § 323 II, § 440, § 326 V BGB ent­behr­lich war (vgl. zum Er­for­der­nis ei­ner auf den je­wei­li­gen Man­gel be­zo­ge­nen Frist­set­zung zur Nach­er­fül­lung: Se­nat, Urt. v. 20.01.2016 – VI­II ZR 77/15, NJW 2016, 2493 Rn. 14 m. w. Nachw.; s. auch Se­nat, Urt. v. 26.08.2020 – VI­II ZR 351/19, BGHZ 227, 15 Rn. 44).

[29]   2. Die Schlüs­sig­keit des be­zo­gen auf die Ent­behr­lich­keit ei­ner Frist­set­zung zur Nach­er­fül­lung we­gen Un­zu­mut­bar­keit ei­ner Nach­bes­se­rung ge­mäß § 323 II Nr. 3, § 440 Satz 1 Fall 3 BGB er­folg­ten Vor­trags des Klä­gers zu mög­li­chen Fol­ge­män­geln in­fol­ge des von der Fahr­zeug­her­stel­le­rin an­ge­bo­te­nen Soft­ware­up­dates kann vor­lie­gend nicht mit der Be­grün­dung ver­neint wer­den, es ste­he nicht fest, auf wel­che Art und Wei­se die Be­klag­te ei­ne Nach­er­fül­lung im Zeit­punkt der Rück­tritts­er­klä­rung er­bracht hät­te. Der Klä­ger hat – was vor­lie­gend aus­reicht (vgl. Se­nat, Urt. v. 29.09.2021 – VI­II ZR 111/20, BGHZ 231, 149 Rn. 40; Urt. v. 26.01.2022 – VI­II ZR 140/20, VersR 2022, 703 Rn. 21) – im Rück­tritts­schrei­ben vom 22.08.2018 sein Wahl­recht im Sin­ne ei­ner Nach­bes­se­rung aus­ge­übt.

[30]   So­fern das Soft­ware­up­date zu den vom Klä­ger be­haup­te­ten Fol­ge­schä­den am Fahr­zeug führ­te, wä­re die­se zur Nach­bes­se­rung an­ge­bo­te­ne Maß­nah­me nicht auf die voll­stän­di­ge Be­sei­ti­gung des Man­gels ge­rich­tet (vgl. Se­nat, Beschl. v. 26.04.2022 – VI­II ZR 19/21, ju­ris Rn. 21 m. w. Nachw.) und wä­re es dem Klä­ger un­zu­mut­bar, der Be­klag­ten zu die­ser Form der Nach­bes­se­rung ei­ne Frist (§ 323 I BGB) zu set­zen (vgl. nur Se­nat, Urt. v. 26.01.2022 – VI­II ZR 140/20, VersR 2022, 703 Rn. 29 f. m. w. Nachw.). Ob­gleich in­so­weit der blo­ße Ver­dacht ei­ner un­zu­rei­chen­den Man­gel­be­sei­ti­gung nicht ge­nügt, um das In­ter­es­se des Ver­käu­fers an ei­ner Nach­bes­se­rung zu­rück­tre­ten zu las­sen, ist ein ent­spre­chen­der Vor­trag des Käu­fers zu mög­li­chen, durch das Soft­ware­up­date her­vor­ge­ru­fe­nen Fol­ge­män­geln des­halb aber recht­lich nicht von vorn­her­ein un­er­heb­lich. Viel­mehr be­darf es tatrich­ter­li­cher Fest­stel­lun­gen zu Um­fang und Ge­wicht sol­cher Fol­gen (vgl. Se­nat, Urt. v. 29.09.2021 – VI­II ZR 111/20, BGHZ 231, 149 Rn. 38). Hin­sicht­lich der an die Sub­stan­zi­ie­rung des dies­be­züg­li­chen Vor­trags zu stel­len­den An­for­de­run­gen wird das Be­ru­fungs­ge­richt das Se­nats­ur­teil vom 26.01.2022 – VI­II ZR 140/20, VersR 2022, 703 Rn. 42 ff. m. w. Nachw. – zu be­ach­ten ha­ben.

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