1. Der Tatrich­ter darf bei ei­nem auf Er­satz­lie­fe­rung ge­rich­te­ten Nach­er­fül­lungs­be­geh­ren nicht of­fen­las­sen, ob das bei Ver­trags­schluss maß­geb­li­che Fahr­zeug­mo­dell noch her­ge­stellt wird und da­mit ein dem Kauf­ge­gen­stand voll­stän­dig ent­spre­chen­des (man­gel­frei­es) Neu­fahr­zeug noch ver­füg­bar ist oder nicht. Denn im erst­ge­nann­ten Fall ist bei der die bei­der­sei­ti­gen In­ter­es­sen der Ver­trags­par­tei­en in den Blick neh­men­den Aus­le­gung ih­rer Wil­lens­er­klä­run­gen da­von aus­zu­ge­hen, dass die den Ver­käu­fer tref­fen­de Be­schaf­fungs­pflicht je­den­falls so­lan­ge nicht ein Nach­fol­ge­mo­dell er­fasst, wie ein dem ur­sprüng­lich ge­lie­fer­ten Fahr­zeug und der Ver­ein­ba­rung im Kauf­ver­trag voll­stän­dig ent­spre­chen­des (man­gel­frei­es) Neu­fahr­zeug von dem Ver­käu­fer noch nach­ge­lie­fert wer­den kann (Fort­füh­rung von Se­nat, Urt. v. 21.07.2021 – VI­II ZR 254/20, BGHZ 230, 296; Urt. v. 08.12.2021 – VI­II ZR 190/19, WM 2022, 330).
  2. Für die Rück­wir­kung der Ver­jäh­rungs­hem­mung ge­mäß § 204 I Nr. 4 Halb­satz 2 BGB kommt es auch in der seit dem 26.02.2016 gel­ten­den Fas­sung (le­dig­lich) auf die Ver­an­las­sung der Be­kannt­ga­be des An­trags an den An­trags­geg­ner durch die Gü­te- be­zie­hungs­wei­se Streit­bei­le­gungs­stel­le an, nicht hin­ge­gen auf die tat­säch­lich an die­sen er­folg­te Be­kannt­ga­be.

BGH, Ur­teil vom 04.05.2022 – VI­II ZR 50/20

Sach­ver­halt: Der Klä­ger er­warb von dem Be­klag­ten, ei­nem nicht mar­ken­ge­bun­de­nen Fahr­zeug­händ­ler, mit Kauf­ver­trag vom 13.05.2015 für 22.990 € ein EU-Im­port-Neu­fahr­zeug (ŠKO­DA Su­perb Com­bi 2.0 TDI Ac­tive). Der Pkw wur­de dem Klä­ger am 21.05.2015 über­ge­ben.

Das Fahr­zeug ist mit ei­nem Die­sel­mo­tor der Bau­rei­he EA189 (Ab­gas­norm Eu­ro 5) aus­ge­stat­tet, der ei­ne be­son­de­re Vor­rich­tung zur Steue­rung der Ab­gas­rück­füh­rung auf­weist. Sie er­kennt soft­ware­ge­steu­ert, wenn das Fahr­zeug auf ei­nem Rol­len­prüf­stand ei­nem Emis­si­ons­test un­ter­zo­gen wird. In die­sem Fall wird ein „Mo­dus 1“ ak­ti­viert, bei dem die Ab­gas­rück­füh­rungs­ra­te hö­her und da­mit ver­bun­den die Stick­oxid(NOX)-Emis­sio­nen ge­rin­ger sind als in dem Mo­dus, in dem das Fahr­zeug nor­mal im Stra­ßen­ver­kehr be­trie­ben wird („Mo­dus 0“).

Nach­dem das Kraft­fahrt-Bun­des­amt die Soft­ware als un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung be­an­stan­det hat­te, ent­wi­ckel­te die Fahr­zeug­her­stel­le­rin für den Mo­tor ein Soft­ware­up­date, das hin­sicht­lich des Stick­oxid­aus­sto­ßes ei­nen vor­schrifts­ge­mä­ßen Zu­stand her­stel­len soll­te. Ob der Klä­ger die­ses Soft­ware­up­date in­stal­lie­ren ließ, ist nicht be­kannt.

Mit an­walt­li­chem Schrei­ben vom 19.05.2017 reich­te der Klä­ger bei ei­ner staat­lich an­er­kann­ten Gü­te­stel­le ei­nen An­trag auf Ein­lei­tung ei­nes Gü­te­ver­fah­rens ge­gen den Be­klag­ten ein, mit dem er von die­sem un­ter an­de­rem die Lie­fe­rung ei­nes man­gel­frei­en ty­penglei­chen Er­satz­fahr­zeugs, Zug um Zug ge­gen Rück­über­eig­nung des er­wor­be­nen Fahr­zeugs, ver­lang­te. Zwi­schen den Par­tei­en ist strei­tig, ob der Be­klag­te den an ihn mit Schrei­ben der Gü­te­stel­le vom 23.05.2017 wei­ter­ge­lei­te­ten An­trag er­hal­ten hat. Am 21.08.2017 stell­te die Gü­te­stel­le dem Klä­ger ei­ne Be­schei­ni­gung über das Schei­tern des Gü­te­ver­fah­rens aus.

Mit der im Ja­nu­ar 2018 er­ho­be­nen Kla­ge hat der Klä­ger erst­in­stanz­lich zu­letzt die Er­satz­lie­fe­rung ei­nes gleich­ar­ti­gen und gleich­wer­ti­gen Fahr­zeugs mit iden­ti­scher tech­ni­scher Aus­stat­tung aus der ak­tu­el­len Se­ri­en­pro­duk­ti­on des Her­stel­lers, Zug um Zug ge­gen Rück­über­eig­nung des man­gel­haf­ten Fahr­zeugs, ver­langt. Au­ßer­dem hat er be­an­tragt, den An­nah­me­ver­zug des Be­klag­ten hin­sicht­lich der Rück­nah­me des man­gel­haf­ten Fahr­zeugs fest­zu­stel­len und den Be­klag­ten zu ver­ur­tei­len, ihn – den Klä­ger – von vor­ge­richt­lich ent­stan­de­nen Rechts­an­walts­kos­ten frei­zu­stel­len.

Das Land­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Auf die da­ge­gen ge­rich­te­te Be­ru­fung des Klä­gers hat das Ober­lan­des­ge­richt das Ur­teil ab­ge­än­dert und den Be­klag­ten im We­sent­li­chen an­trags­ge­mäß ver­ur­teilt. Den auf Er­satz­lie­fe­rung lau­ten­den Aus­spruch hat es ent­spre­chend dem An­trag des Klä­gers da­hin ge­hend for­mu­liert, dass der Be­klag­te ver­ur­teilt wird, dem Klä­ger ein „neu­es EU-Im­port­fahr­zeug ŠKO­DA Su­perb Com­bi“ mit „zu­min­dest“ nach­fol­gend auf­ge­führ­ten tech­ni­schen Merk­ma­len, un­ter an­de­rem dem Merk­mal „schad­stoff­arm nach Ab­gas­norm Eu­ro 5“, nach­zu­lie­fern.

Auf die da­ge­gen ge­rich­te­te Re­vi­si­on des Be­klag­ten, der die Wie­der­her­stel­lung des land­ge­richt­li­chen Ur­teils be­gehr­te, wur­de das Ur­teil des Be­ru­fungs­ge­richts in­so­weit auf­ge­ho­ben, als dar­in zum Nach­teil des Be­klag­ten er­kannt wor­den ist. Im Um­fang der Auf­he­bung wur­de die Sa­che an das Be­ru­fungs­ge­richt zu­rück­ver­wie­sen.

Aus den Grün­den: [10]   I. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat zur Be­grün­dung sei­ner Ent­schei­dung, so­weit für das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren von In­ter­es­se, im We­sent­li­chen aus­ge­führt:

[11]   Der Klä­ger ha­be ei­nen An­spruch auf Nach­lie­fe­rung ei­nes neu­en man­gel­frei­en EU-Im­port­fahr­zeugs mit dem im Ur­teils­te­nor auf­ge­führ­ten Aus­stat­tungs­pro­fil ge­mäß § 434 I 2 Nr. 2, § 437 Nr. 1, § 439 I Fall 2 BGB. Das ihm ver­kauf­te Fahr­zeug sei bei Ge­fahr­über­gang man­gel­haft ge­we­sen. Es wei­se ei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung auf; we­gen der des­halb la­tent dro­hen­den Be­triebs­un­ter­sa­gung durch die zu­stän­di­ge Zu­las­sungs­be­hör­de eig­ne es sich nicht für die ge­wöhn­li­che Ver­wen­dung.

[12]   Der von dem Klä­ger ge­wähl­te An­spruch auf Neu­lie­fe­rung ei­ner gleich­ar­ti­gen und gleich­wer­ti­gen Kauf­sa­che sei un­ter Be­rück­sich­ti­gung der Aus­füh­run­gen des BGH im Be­schluss vom 08.01.2019 – VI­II ZR 225/17 nicht ge­mäß § 275 I BGB da­durch er­lo­schen, dass das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug mög­li­cher­wei­se nicht mehr her­ge­stellt wer­de und der Klä­ger die Lie­fe­rung des ak­tu­el­len Se­ri­en­mo­dells be­geh­re. Denn für die Fra­ge, ob der An­spruch des Käu­fers auf Er­satz­lie­fe­rung ei­nes man­gel­frei­en Neu­fahr­zeugs auch ein Fahr­zeug der ak­tu­el­len Se­ri­en­pro­duk­ti­on er­fas­se, so­fern das bei Ver­trags­schluss maß­geb­li­che Mo­dell nicht mehr pro­du­ziert wer­de und we­der vom Ver­käu­fer noch von ei­nem Drit­ten be­schafft wer­den kön­ne, kom­me es dar­auf an, ob die Ver­trags­par­tei­en die kon­kre­te Leis­tung nach dem Ver­trags­zweck und ih­rem er­kenn­ba­ren Wil­len als aus­tausch­bar an­ge­se­hen hät­ten. Ob ei­ne Be­schaf­fungs­pflicht be­züg­lich ei­nes Nach­fol­ge­mo­dells be­ste­he, sei durch in­ter­es­sen­ge­rech­te Aus­le­gung des Kauf­ver­trags (§§ 133, 157 BGB) zu be­stim­men. Dass das et­wa nun­mehr al­lein zur Ver­fü­gung ste­hen­de Nach­fol­ge­mo­dell tech­nisch in ver­schie­de­ner Hin­sicht Än­de­run­gen auf­wei­se, ste­he ei­nem An­spruch auf Er­satz­lie­fe­rung nicht ent­ge­gen.

[13]   Der An­spruch des Klä­gers sei auch nicht ver­jährt. Der Lauf der zwei­jäh­ri­gen Ver­jäh­rungs­frist, der mit der Über­ga­be des Fahr­zeugs am 21.05.2015 be­gon­nen ha­be, sei durch den Ein­gang des Gü­te­an­trags bei der Streit­bei­le­gungs­stel­le am 19.05.2017 ge­mäß § 204 I Nr. 4 lit. a BGB ge­hemmt wor­den. Für die Rück­wir­kung der Ver­jäh­rungs­hem­mung auf die­sen Zeit­punkt kom­me es auf die „dem­nächst er­fol­gen­de Ver­an­las­sung der Be­kannt­ga­be des Gü­te­an­trags“ an den An­trags­geg­ner an. Von ei­ner sol­chen kön­ne vor­lie­gend aus­ge­gan­gen wer­den, da die Wei­ter­lei­tung durch die Gü­te­stel­le un­ter Ver­wen­dung der rich­ti­gen An­schrift des Be­klag­ten mit Schrei­ben vom 23.05.2017 er­folgt sei. Die Hem­mung ha­be im Hin­blick auf die am 21.08.2017 aus­ge­stell­te Be­schei­ni­gung über das Schei­tern des Gü­te­ver­fah­rens ge­mäß § 204 II BGB frü­hes­tens am 21.02.2018 ge­en­det, so­dass die am 16.01.2018 ein­ge­gan­ge­ne Kla­ge recht­zei­tig er­ho­ben wor­den sei.

[14]   II. Die­se Be­ur­tei­lung hält recht­li­cher Nach­prü­fung in ei­nem we­sent­li­chen Punkt nicht stand. Nach den bis­he­ri­gen Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts lässt sich un­ter den im Streit­fall ge­ge­be­nen Um­stän­den nicht ab­schlie­ßend be­ur­tei­len, ob dem Klä­ger der gel­tend ge­mach­te An­spruch ge­mäß § 437 Nr. 1, § 439 I Fall 2 BGB auf Nach­er­fül­lung durch Lie­fe­rung ei­nes man­gel­frei­en Neu­fahr­zeugs zu­steht. Da­mit fehlt zu­gleich die Grund­la­ge für die da­von ab­hän­gi­ge Be­ur­tei­lung, ob die wei­te­ren, auf Fest­stel­lung des Ver­zugs des Be­klag­ten mit der Rück­nah­me des Fahr­zeugs und auf Frei­stel­lung von vor­ge­richt­li­chen Rechts­an­walts­kos­ten des Klä­gers (vgl. hier­zu Se­nat, Urt. v. 24.10.2018 – VI­II ZR 66/17, BGHZ 220, 134 Rn. 86 ff.; Urt. v. 29.09.2021 – VI­II ZR 111/20, BGHZ 231, 149 = NJW 2022, 463 Rn. 76 ff.) ge­rich­te­ten Kla­ge­an­trä­ge be­grün­det sind.

[15]   1. Die Re­vi­si­on ist zu­läs­sig; ins­be­son­de­re ist sie in vol­lem Um­fang statt­haft (§ 543 I Nr. 1 ZPO). An­ders als die Re­vi­si­ons­er­wi­de­rung meint, hat das Be­ru­fungs­ge­richt die Re­vi­si­on nicht nur be­schränkt zu­ge­las­sen.

[16]   Der Te­nor des Be­ru­fungs­ur­teils ent­hält kei­ne Be­schrän­kung der Zu­las­sung. So­weit das Be­ru­fungs­ge­richt in den Grün­den sei­ner Ent­schei­dung aus­ge­führt hat, die Fra­gen, ob ein werk­sei­tig mit ei­ner Prüf­stan­der­ken­nungs­soft­ware und dem Die­sel­mo­tor der Bau­rei­he EA189 aus­ge­stat­te­tes Fahr­zeug man­gel­haft und die Neu­lie­fe­rung im Fall des Er­werbs ei­nes EU-Im­port­fahr­zeugs un­mög­lich sei, hät­ten grund­sätz­li­che Be­deu­tung, kann dem nicht mit der ge­bo­te­nen Klar­heit und Ein­deu­tig­keit ent­nom­men wer­den, dass die Re­vi­si­on nur be­schränkt zu­ge­las­sen wer­den soll­te.

[17]   Soll­te das Be­ru­fungs­ge­richt da­mit ei­ne Re­vi­si­ons­be­schrän­kung be­ab­sich­tigt ha­ben, wä­re die­se je­den­falls un­wirk­sam. Bei den von ihm auf­ge­wor­fe­nen Fra­gen han­delt es sich le­dig­lich um Rechts­fra­gen, die ein blo­ßes Ele­ment des vom Klä­ger gel­tend ge­mach­ten An­spruchs auf Er­satz­lie­fe­rung bil­den. Hin­ge­gen be­zie­hen sie sich nicht auf ei­nen ein­deu­tig tat­säch­lich und recht­lich selbst­stän­di­gen und ab­trenn­ba­ren Teil des Ge­samt­streitstoffs, der Ge­gen­stand ei­nes Teil­ur­teils oder ei­nes ein­ge­schränkt ein­ge­leg­ten Rechts­mit­tels sein kann (vgl. Se­nat, Urt. v. 24.10.2018 – VI­II ZR 66/17, NJW 2019, 292 Rn. 22 f., in­so­weit in BGHZ 220, 134 nicht ab­ge­druckt; Urt. v. 15.09.2021 – VI­II ZR 76/20, WM 2021, 2046 Rn. 19 f.).

[18]   2. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat rechts­feh­ler­frei an­ge­nom­men, dass das vom Klä­ger er­wor­be­ne Fahr­zeug be­reits zum Zeit­punkt der Über­ga­be ei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung i. S. von Art. 5 II 1 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 20.06.2007 über die Typ­ge­neh­mi­gung von Kraft­fahr­zeu­gen hin­sicht­lich der Emis­sio­nen von leich­ten Per­so­nen­kraft­wa­gen und Nutz­fahr­zeu­gen (Eu­ro 5 und Eu­ro 6) und über den Zu­gang zu Re­pa­ra­tur- und War­tungs­in­for­ma­tio­nen für Fahr­zeu­ge (ABl. 2007 L 171, 1) auf­wies und ihm da­mit we­gen der la­ten­ten Ge­fahr ei­ner Be­triebs­un­ter­sa­gung (§ 5 I FZV) ein Sach­man­gel nach § 434 I 2 Nr. 2 BGB in der bis zum 31.12.2021 gel­ten­den Fas­sung (Art. 229 § 58 EGBGB) an­haf­te­te (vgl. hier­zu nur Se­nat, Urt. v. 21.07.2021 – VI­II ZR 254/20, BGHZ 230, 296 Rn. 23 ff.; Urt. v. 29.09.2021 – VI­II ZR 111/20, BGHZ 231, 149 = WM 2021, 2156 Rn. 20; Urt. v. 26.01.2022 – VI­II ZR 140/20, ju­ris Rn. 17).

[19]   Die hier­ge­gen ge­rich­te­te Rü­ge der Re­vi­si­on, das Be­ru­fungs­ge­richt ha­be sich mit dem Vor­brin­gen des Be­klag­ten zum Nicht­vor­lie­gen ei­nes Sach­man­gels bei Ge­fahr­über­gang nicht aus­ein­an­der­ge­setzt und den Pro­zess­stoff nicht an­satz­wei­se aus­ge­schöpft, bleibt vor die­sem Hin­ter­grund oh­ne Er­folg. Ins­be­son­de­re kommt es, an­ders als die Re­vi­si­on meint, we­der für das Vor­lie­gen ei­nes Sach­man­gels noch für das Be­ste­hen ei­nes hier­auf ge­stütz­ten Nach­er­fül­lungs­an­spruchs dar­auf an, ob der Be­klag­te im Zeit­punkt des Ver­kaufs von der Be­trof­fen­heit des Fahr­zeugs von dem so­ge­nann­ten Die­selskan­dal wuss­te oder ob er in ei­ner ver­trag­li­chen Be­zie­hung zum Fahr­zeug­her­stel­ler stand.

[20]   Da die den Klä­ger an der ge­wöhn­li­chen Ver­wen­dung hin­dern­de Be­schaf­fen­heit des Fahr­zeugs be­reits in der durch die un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung her­vor­ge­ru­fe­nen Mög­lich­keit liegt, dass die zu­stän­di­ge Zu­las­sungs­be­hör­de ei­ne Be­triebs­un­ter­sa­gung nach § 5 I FZV aus­spricht (vgl. nur Se­nat, Urt. v. 08.12.2021 – VI­II ZR 190/19, WM 2022, 330 Rn. 38 m. w. Nachw., zur Ver­öf­fent­li­chung in BGHZ be­stimmt), ist zu­dem der wei­te­re Vor­trag des Be­klag­ten, das Fahr­zeug funk­tio­nie­re „of­fen­sicht­lich völ­lig rich­tig“ und sei auch zu­ge­las­sen, recht­lich un­er­heb­lich.

[21]   3. Rechts­feh­ler­frei hat das Be­ru­fungs­ge­richt dem Um­stand, dass nicht ge­klärt wer­den konn­te, ob der Klä­ger nach sei­nem (ers­ten) Er­satz­lie­fe­rungs­ver­lan­gen zwi­schen­zeit­lich das vom Fahr­zeug­her­stel­ler an­ge­bo­te­ne Soft­ware­up­date hat auf­spie­len las­sen, für den gel­tend ge­mach­ten Nach­er­fül­lungs­an­spruch des Klä­gers kei­ne strei­tent­schei­den­de Be­deu­tung bei­ge­mes­sen. Zwar setzt der An­spruch auf Nach­er­fül­lung vor­aus, dass der Sach­man­gel auch noch im Zeit­punkt des Zu­gangs des Nach­er­fül­lungs­ver­lan­gens vor­liegt (st. Rspr.; vgl. nur Se­nat, Urt. v. 08.12.2021 – VI­II ZR 190/19, WM 2022, 330 Rn. 37 m. w. Nachw., zur Ver­öf­fent­li­chung in BGHZ be­stimmt).

[22]   a) An­ders als die Re­vi­si­on meint, wä­re die­ser An­spruch je­doch auch dann nicht aus­ge­schlos­sen, wenn das Soft­ware­up­date zwi­schen­zeit­lich auf­ge­spielt wor­den wä­re. § 439 I BGB schützt nicht al­lein das In­ter­es­se dar­an, ei­ne man­gel­freie Sa­che zu er­hal­ten, son­dern den Vor­ga­ben der Richt­li­nie 1999/44/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 25.05.1999 zu be­stimm­ten As­pek­ten des Ver­brauchs­gü­ter­kaufs und der Ga­ran­ti­en für Ver­brauchs­gü­ter (ABl. 1999 L 171, 12 – Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­nie) ent­spre­chend auch das Wahl­recht des Käu­fers zwi­schen Nach­bes­se­rung und Er­satz­lie­fe­rung, das der Klä­ger wirk­sam zu­guns­ten der Er­satz­lie­fe­rung aus­ge­übt hat. Ein spä­te­res Auf­spie­len des Up­dates än­der­te an dem Fort­be­stand des An­spruchs auf Er­satz­lie­fe­rung des­halb grund­sätz­lich nichts (vgl. Se­nat, Urt. v. 21.07.2021 – VI­II ZR 357/20, ju­ris Rn. 35 m. w. Nachw.).

[23]   Der Klä­ger wä­re auch un­ter dem Ge­sichts­punkt treu­wid­ri­gen Ver­hal­tens (§ 242 BGB) nicht dar­an ge­hin­dert, an der durch das wirk­sam aus­ge­üb­te Ver­lan­gen nach Lie­fe­rung ei­ner man­gel­frei­en Sa­che er­lang­ten Rechts­po­si­ti­on fest­zu­hal­ten (vgl. Se­nat, Urt. v. 24.10.2018 – VI­II ZR 66/17, BGHZ 220, 134 Rn. 54). Er hat grund­sätz­li­che Be­den­ken ge­gen das Soft­ware­up­date und des­sen Eig­nung zur Män­gel­be­sei­ti­gung er­ho­ben, so­dass je­den­falls sein Ein­ver­ständ­nis mit ei­ner et­wa er­folg­ten Män­gel­be­sei­ti­gung nicht an­ge­nom­men wer­den kann.

[23]   b) Es scha­de­te dem Ver­lan­gen des Klä­gers nach ei­ner Er­satz­lie­fe­rung aber auch nicht, hät­te er das Auf­spie­len des vom Fahr­zeug­her­stel­ler an­ge­bo­te­nen Soft­ware­up­dates ab­ge­lehnt. Als Käu­fer darf er ent­schei­den, auf wel­che Wei­se er das Ver­trags­ziel der Lie­fe­rung ei­ner man­gel­frei­en Sa­che er­rei­chen möch­te. Er ist da­bei in sei­ner Wahl frei und kann das Wahl­recht grund­sätz­lich nach sei­nem In­ter­es­se aus­üben, oh­ne das des Ver­käu­fers in den Vor­der­grund stel­len zu müs­sen (vgl. Se­nat, Urt. v. 24.10.2018 – VI­II ZR 66/17, BGHZ 220, 134 Rn. 51 m. w. Nachw.).

[24]   4. Ei­nem An­spruch des Klä­gers auf Nach­er­fül­lung ge­mäß § 437 Nr. 1, § 439 I Fall 2 BGB steht, an­ders als die Re­vi­si­on meint, auch die vom Be­klag­ten er­ho­be­ne Ein­re­de der Ver­jäh­rung ge­mäß § 214 I BGB nicht ent­ge­gen.

[25]   Die Kla­ge ist am 16.01.2018 bei Ge­richt ein­ge­gan­gen und am 29.01.2018 zu­ge­stellt wor­den. Die zwei­jäh­ri­ge Ver­jäh­rungs­frist, die mit der Über­ga­be des Fahr­zeugs an den Klä­ger am 21.05.2015 be­gon­nen hat (§ 438 I Nr. 3, II BGB), war zu die­sem Zeit­punkt noch nicht ab­ge­lau­fen. Denn die Ver­jäh­rung war, wie das Be­ru­fungs­ge­richt im Er­geb­nis rechts­feh­ler­frei an­ge­nom­men hat, auf­grund des Gü­te­an­trags des Klä­gers vom 19.05.2017 ge­mäß der Vor­schrift des § 204 I Nr. 4 Halb­satz 2, II 1 BGB ge­hemmt. Die­se Hem­mungs­wir­kung dau­er­te zum Zeit­punkt der Kla­ge­er­he­bung noch an.

[26]   a) Für die Prü­fung ei­ner Ver­jäh­rungs­hem­mung im Hin­blick auf den vom Klä­ger am 19.05.2017 bei ei­ner staat­lich an­er­kann­ten Gü­te­stel­le an­ge­brach­ten Gü­te­an­trag hat das Be­ru­fungs­ge­richt im Aus­gangs­punkt zu­tref­fend die Vor­schrift des § 204 I Nr. 4 BGB her­an­ge­zo­gen. Die Aus­füh­run­gen zur Rück­wir­kung der Ver­jäh­rungs­hem­mung auf den Zeit­punkt des An­trags­ein­gangs bei der Gü­te­stel­le las­sen al­ler­dings, wie die Re­vi­si­on mit Recht gel­tend macht, dar­auf schlie­ßen, dass das Be­ru­fungs­ge­richt hier­für nicht die im Streit­fall maß­geb­li­che, ab dem 26.02.2016 gel­ten­de Fas­sung des Hem­mungs­tat­be­stands in § 204 I Nr. 4 BGB an­ge­wen­det hat. Dies wirkt sich im Er­geb­nis je­doch nicht aus.

[27]   aa) Seit der Schuld­rechts­mo­der­ni­sie­rung tritt die Hem­mungs­wir­kung ei­nes Gü­te- be­zie­hungs­wei­se ei­nes Streit­bei­le­gungs­an­trags ge­mäß § 204 I Nr. 4 Halb­satz 1 BGB grund­sätz­lich in dem Zeit­punkt ein, zu dem die Gü­te- be­zie­hungs­wei­se Streit­bei­le­gungs­stel­le die Be­kannt­ga­be des An­trags an den An­trags­geg­ner ver­an­lasst hat.

[28]   An­ders als noch im Ge­set­zes­ent­wurf vor­ge­se­hen (vgl. hier­zu BT-Drs. 14/6040, S. 114), kommt es nach der ge­setz­li­chen Re­ge­lung für den Ein­tritt der Ver­jäh­rungs­hem­mung ge­mäß dem ers­ten Halb­satz nicht auf die (tat­säch­lich er­folg­te) Be­kannt­ga­be des An­trags an den An­trags­geg­ner an, son­dern al­lein auf das ak­ten­mä­ßig nach­prüf­ba­re Vor­ge­hen der Gü­te- be­zie­hungs­wei­se Streit­bei­le­gungs­stel­le (vgl. BT-Drs. 14/7052, S. 181). Ei­ne ver­an­lass­te, letzt­lich aber man­gels Zu­gangs er­folg­los ge­blie­be­ne Be­kannt­ga­be ist für die Hem­mung der Ver­jäh­rung nach § 204 I Nr. 4 Halb­satz 1 BGB aus­rei­chend, so­fern nur die Ver­an­las­sung der Be­kannt­ga­be fest­steht (vgl. BeckOGK/​Mel­ler-Han­nich, Stand: 01.03.2022, § 204 BGB Rn. 190; Er­man/​Schmidt-Räntsch, BGB, 16. Aufl., § 204 Rn. 17; Be­ckOK-BGB/​Hen­rich, Stand: 01.02.2022, § 204 Rn. 31).

[29]   bb) In Er­gän­zung hier­zu ord­net § 204 I Nr. 4 Halb­satz 2 BGB un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen ei­ne Rück­wir­kung der Hem­mungs­wir­kung auf den Zeit­punkt des An­trags­ein­gangs bei der Gü­te- be­zie­hungs­wei­se Streit­bei­le­gungs­stel­le an.

[30]   In der bis zum 25.02.2016 gel­ten­den und wohl vom Be­ru­fungs­ge­richt her­an­ge­zo­ge­nen Fas­sung knüpf­te die­se Rück­wir­kung eben­falls an die Ver­an­las­sung der Be­kannt­ga­be des An­trags durch die Gü­te­stel­le an; die­se muss­te hier­für „dem­nächst“ er­fol­gen (vgl. hier­zu BGH, Urt. v. 17.01.2017 – VI ZR 239/15, BGHZ 213, 281 Rn. 18). Hin­ge­gen sieht die seit dem 26.02.2016 gel­ten­de und da­mit im Streit­fall maß­ge­ben­de Fas­sung des zwei­ten Halb­sat­zes (vgl. Art. 6 Nr. 1a, Art. 24 I des Ge­set­zes zur Um­set­zung der Richt­li­nie über al­ter­na­ti­ve Streit­bei­le­gung in Ver­brau­cher­an­ge­le­gen­hei­ten und zur Durch­füh­rung der Ver­ord­nung über On­line-Streit­bei­le­gung in Ver­brau­cher­an­ge­le­gen­hei­ten vom 19.02.2016, BGBl. 2016 I, 254) ei­ne Rück­wir­kung vor, „wenn der An­trag dem­nächst be­kannt ge­ge­ben wird“.

[31]   b) Die Fra­ge, ob we­gen des ge­än­der­ten Wort­lauts im zwei­ten Halb­satz von § 204 I Nr. 4 BGB ei­ne Rück­wir­kung der Ver­jäh­rungs­hem­mung auf den Zeit­punkt des An­trags­ein­gangs nur dann ein­tritt, wenn der Gü­te­an­trag dem An­trags­geg­ner auch zu­ge­gan­gen und ihm hier­durch tat­säch­lich be­kannt­ge­ge­ben wor­den ist (in die­sem Sin­ne Stei­ke/​Bo­row­ski, VuR 2017, 218, 221; dies., in: Bo­row­ski/​Rö­the­mey­er/​Stei­ke, Ver­brau­cher­streit­bei­le­gungs­ge­setz, 2. Aufl., § 204 BGB Rn. 8 und 11; BeckOGK/​Mel­ler-Han­nich, a. a. O., § 204 BGB Rn. 192.1; ju­risPK-BGB/​Lak­kis, Stand: 01.05.2020, § 204 Rn. 92; wei­ter­hin le­dig­lich auf die Ver­an­las­sung der Be­kannt­ga­be ab­stel­lend Be­ckOK-BGB/​Hen­rich, a. a. O., § 204 Rn. 32; Er­man/​Schmidt-Räntsch, a. a. O., § 204 Rn. 17; Münch­Komm-BGB/​Gro­the, 9. Aufl., § 204 Rn. 40), hat der BGH – so­weit er­sicht­lich – bis­lang nicht ent­schie­den.

[32]   c) Der Se­nat be­ant­wor­tet die vor­lie­gend ent­schei­dungs­er­heb­li­che Fra­ge da­hin ge­hend, dass es für die Rück­wir­kung der Ver­jäh­rungs­hem­mung auch nach der seit dem 26.02.2016 gel­ten­den Fas­sung von § 204 I Nr. 4 Halb­satz 2 BGB (le­dig­lich) auf die Ver­an­las­sung der Be­kannt­ga­be des Gü­te- be­zie­hungs­wei­se Streit­bei­le­gungs­an­trags, nicht auf die Be­kannt­ga­be selbst an­kommt.

[33]   Dem­entspre­chend er­weist sich die An­nah­me des Be­ru­fungs­ge­richts im Er­geb­nis als zu­tref­fend, die Hem­mungs­wir­kung des Gü­te­an­trags sei be­reits mit des­sen Ein­gang bei der Gü­te­stel­le am 19.05.2017 ein­ge­tre­ten.

[34]   aa) Der Wort­laut von § 204 I Nr. 4 BGB ist nicht ein­deu­tig. Ei­ner­seits deu­ten die Be­grif­fe „Ver­an­las­sung der Be­kannt­ga­be“ im ers­ten Halb­satz und „be­kannt ge­ge­ben“ im zwei­ten Halb­satz auf in­halt­li­che Un­ter­schie­de hin. An­de­rer­seits bil­det der ers­te Halb­satz nach dem Auf­bau den Grund­tat­be­stand der in Num­mer 4 ge­trof­fe­nen Re­ge­lung, der durch den zwei­ten Halb­satz wie die Wor­te „schon“ und „dem­nächst“ na­he­le­gen le­dig­lich durch zeit­li­che Merk­ma­le mo­di­fi­ziert sein könn­te.

[35]   bb) Aus der Ge­setz­ge­bungs­ge­schich­te er­gibt sich je­doch, dass der Ge­setz­ge­ber bei der Ein­füh­rung des § 204 I Nr. 4 BGB im Rah­men der Schuld­rechts­mo­der­ni­sie­rung von dem Er­for­der­nis ei­nes tat­säch­li­chen Zu­gangs des Gü­te­an­trags beim An­trags­geg­ner so­wohl für den Ein­tritt der Ver­jäh­rungs­hem­mung als auch für de­ren Rück­wir­kung auf den Zeit­punkt des An­trags­ein­gangs ab­ge­se­hen hat und hier­von auch spä­ter nicht ab­rü­cken woll­te.

[36]   (1) Im Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­ren zur Mo­der­ni­sie­rung des Schuld­rechts hat sich der Ge­setz­ge­ber ein­ge­hend mit den für den Ein­tritt (Halb­satz 1) und die Rück­wir­kung (Halb­satz 2) der Ver­jäh­rungs­hem­mung ge­mäß § 204 I Nr. 4 BGB maß­geb­li­chen Vor­aus­set­zun­gen be­fasst.

[37]   Der Ge­setz­ent­wurf sah für bei­de Fäl­le noch ei­ne An­knüp­fung an „die Be­kannt­ga­be“ des Gü­te­an­trags vor und wich aus­weis­lich der Be­grün­dung be­wusst von der Vor­gän­ger­re­ge­lung des § 209 II Nr. 1a BGB a.F. ab, wel­che schon die Ein­rei­chung („An­brin­gung“) des Gü­te­an­trags in ih­ren ver­jäh­rungs­recht­li­chen Wir­kun­gen der Kla­ge­er­he­bung gleich­stell­te. Er hielt es für maß­geb­lich, dass wie bei der Kla­ge mit der Zu­stel­lung der Kla­ge­schrift ge­mäß § 253 I ZPO grund­sätz­lich nur sol­che Rechts­ver­fol­gungs­maß­nah­men ver­jäh­rungs­recht­li­che Wir­kun­gen ent­fal­ten soll­ten, die dem Schuld­ner be­kannt wür­den. An die „Zu­stel­lung als förm­li­che Art der Be­kannt­ga­be“ ha­be in­des bei dem Gü­te­an­trag nicht an­ge­knüpft wer­den kön­nen, da ei­ne sol­che nicht vor­ge­schrie­ben sei (vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 114).

[38]   Ab­wei­chend hier­von emp­fahl der Rechts­aus­schuss, so­wohl für den Ein­tritt als auch für die Rück­wir­kung der Ver­jäh­rungs­hem­mung auf die „Ver­an­las­sung der Be­kannt­ga­be“ des Gü­te­an­trags ab­zu­stel­len. Er sah in der An­knüp­fung des Ent­wurfs an die Be­kannt­ga­be ei­ne Ge­fahr für die Pra­xis­taug­lich­keit der Hem­mungs­re­ge­lung. Ei­ne Be­kannt­ga­be des Gü­te­an­trags durch förm­li­che Zu­stel­lung sei nicht vor­ge­schrie­ben, wes­halb sie form­los, et­wa durch ein­fa­chen Brief, mög­lich sei. Dann sei aber zu be­sor­gen, dass der Schuld­ner den Er­halt des Briefs be­strei­te, was in der Pra­xis kaum zu wi­der­le­gen sei und die Hem­mungs­re­ge­lung un­taug­lich wer­den lie­ße. Der Rechts­aus­schuss sah es da­her als sach­ge­recht an, für den Ein­tritt der Hem­mung eben­so wie für de­ren Rück­wir­kung auf die (dem­nächst er­fol­gen­de) Ver­an­las­sung der Be­kannt­ga­be ab­zu­stel­len (vgl. BT-Drs. 14/7052, S. 181). Die­ser Emp­feh­lung ist der Ge­setz­ge­ber der Schuld­rechts­mo­der­ni­sie­rung ge­folgt.

[39]   (2) An­halts­punk­te da­für, dass der Ge­setz­ge­ber mit der Neu­fas­sung des § 204 I Nr. 4 BGB durch das Ge­setz vom 19.02.2016 von die­ser Ge­wich­tung der In­ter­es­sen von Gläu­bi­ger und Schuld­ner im Hin­blick auf die Funk­ti­ons­fä­hig­keit der Hem­mungs­re­ge­lung hät­te ab­rü­cken wol­len, las­sen sich den Ge­setz­ge­bungs­ma­te­ria­li­en nicht ent­neh­men.

[40]   Die Neu­fas­sung soll­te le­dig­lich den An­wen­dungs­be­reich der Vor­schrift er­wei­tern. Sie wur­de dem­entspre­chend auf „al­le ein­ge­rich­te­ten oder an­er­kann­ten Ver­brau­cher­schlich­tungs­stel­len er­streckt“ (vgl. BT-Drs. 18/5089, S. 80). Mit den Vor­aus­set­zun­gen für den Ein­tritt und die Rück­wir­kung der Ver­jäh­rungs­hem­mung be­fasst sich die Ent­wurfs­be­grün­dung da­ge­gen nicht. So­weit dort ei­ne Be­kannt­ga­be des Gü­te­an­trags an den An­trags­geg­ner er­wähnt wird, er­folgt dies le­dig­lich als Bei­spiel für das von § 204 I Nr. 4 Halb­satz 1 lit. b BGB ver­lang­te Ein­ver­neh­men des An­trags­geg­ners hin­sicht­lich der Durch­füh­rung ei­nes Streit­bei­le­gungs­ver­fah­rens.

[41]   cc) Auch Sinn und Zweck der Re­ge­lung spre­chen, eben­so wie sys­te­ma­ti­sche Ge­sichts­punk­te, da­für, dass die Rück­wir­kung der ver­jäh­rungs­hem­men­den Wir­kung des Gü­te­an­trags – wie in der vor­he­ri­gen Fas­sung des zwei­ten Halb­sat­zes des § 204 I Nr. 4 BGB – le­dig­lich von der im ers­ten Halb­satz die­ser Vor­schrift ge­nann­ten „Ver­an­las­sung der Be­kannt­ga­be“ ab­hän­gig ist, nicht hin­ge­gen von ei­nem tat­säch­li­chen Zu­gang des An­trags beim An­trags­geg­ner.

[42]   (1) Die in § 204 I BGB auf­ge­führ­ten Hem­mungs­tat­be­stän­de be­zwe­cken ins­be­son­de­re den Schutz des Gläu­bi­gers da­vor, dass sein An­spruch ver­jährt, nach­dem er ein förm­li­ches Ver­fah­ren mit dem Ziel der Durch­set­zung des An­spruchs ein­ge­lei­tet hat (vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 112 und 113 [zu Nr. 1]). Die­sen Norm­zweck hat der Ge­setz­ge­ber für § 204 I Nr. 4 BGB im Zu­sam­men­hang mit der Än­de­rung der Vor­schrift durch das Ge­setz zur Um­set­zung der Richt­li­nie über al­ter­na­ti­ve Streit­bei­le­gung in Ver­brau­cher­an­ge­le­gen­hei­ten und zur Durch­füh­rung der Ver­ord­nung über On­line-Streit­bei­le­gung in Ver­brau­cher­an­ge­le­gen­hei­ten vom 19.02.2016 noch­mals aus­drück­lich be­tont. Die Neu­fas­sung soll­te in Um­set­zung der mit­glied­staat­li­chen Ver­pflich­tung aus Art. 12 I der Richt­li­nie 2013/11/EU vom 21.05.2013 (ABl. 2013 L 165, 63) si­cher­stel­len, dass (auch) die­je­ni­gen Par­tei­en, die an dem Ver­fah­ren vor ei­ner Ver­brau­cher­schlich­tungs­stel­le teil­neh­men, nicht durch den Ab­lauf von Ver­jäh­rungs­fris­ten wäh­rend des Ver­fah­rens an der ge­richt­li­chen Durch­set­zung ih­res An­spruchs ge­hin­dert wer­den (vgl. BT-Drs. 18/5089, S. 80).

[43]   Die­ser durch § 204 I Nr. 4 Halb­satz 1 BGB be­zweck­te Schutz des Gläu­bi­gers wird durch die Re­ge­lung des zwei­ten Halb­sat­zes zur Rück­wir­kung der Ver­jäh­rungs­hem­mung er­wei­tert. Die dort ent­hal­te­ne Be­stim­mung ist Fol­ge der vom Ge­setz­ge­ber vor­ge­nom­me­nen An­glei­chung der ver­jäh­rungs­recht­li­chen Wir­kun­gen ei­nes Gü­te­an­trags an die ei­ner Kla­ge, wie sich aus den oben ge­nann­ten Er­wä­gun­gen in der Ent­wurfs­be­grün­dung zur Schuld­rechts­mo­der­ni­sie­rung und dem dor­ti­gen aus­drück­li­chen Ver­weis auf § 270 III ZPO a.F. als Vor­gän­ger­re­ge­lung zu § 167 ZPO er­gibt (vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 114). Wie bei der Zu­stel­lung der Kla­ge ge­mäß § 167 ZPO soll der Gläu­bi­ger auch bei ei­nem Gü­te­an­trag nach § 204 I Nr. 4 Halb­satz 2 BGB vor ver­jäh­rungs­recht­li­chen Nach­tei­len be­wahrt wer­den, die sich durch von ihm nicht be­ein­fluss­ba­re Ver­zö­ge­run­gen in­ner­halb des Ge­schäfts­be­triebs der Gü­te­stel­le er­ge­ben (vgl. BGH, Urt. v. 22.09.2009 – XI ZR 230/08, BGHZ 182, 284 Rn. 15; Urt. v. 17.01.2017 – VI ZR 239/15, BGHZ 213, 281 Rn. 18 [je­weils zu § 204 I Nr. 4 BGB a.F.]). Da bei der An­ru­fung ei­ner Gü­te- oder Streit­bei­le­gungs­stel­le ei­ne förm­li­che Zu­stel­lung nicht zwin­gend vor­ge­ge­ben ist, son­dern die Aus­ge­stal­tung die­ser Ver­fah­ren – et­wa nach § 15a V EG­Z­PO – dem Lan­des­recht über­las­sen bleibt, kommt es – an­ders als im Fall ei­ner Kla­ge – le­dig­lich auf die Ver­an­las­sung ei­ner form­lo­sen Be­kannt­ga­be an (vgl. BGH, Urt. v. 22.09.2009 – XI ZR 230/08, BGHZ 182, 284 Rn. 14).

[44]   (2) Die­sem Schutz­zweck des § 204 I Nr. 4 BGB zu­guns­ten des Gläu­bi­gers lie­fe es zu­wi­der, wür­de der Ein­tritt ei­ner Rück­wir­kung der Ver­jäh­rungs­hem­mung von der Be­kannt­ga­be des Gü­te­an­trags an den An­trags­geg­ner ab­hän­gig ge­macht. Ihr Ein­grei­fen hin­ge im Fall des Be­strei­tens von dem sei­tens des An­trag­stel­lers – an­ders als bei der Zu­stel­lung ei­ner Kla­ge – prak­tisch nicht zu füh­ren­den Nach­weis ei­nes tat­säch­lich er­folg­ten Zu­gangs des Gü­te­an­trags beim An­trags­geg­ner ab. Ein sol­ches Er­geb­nis hat der Ge­setz­ge­ber der Schuld­rechts­re­form aus­drück­lich ab­ge­lehnt.

[45]   Zu­dem er­schie­ne ei­ne Re­ge­lung sinn­wid­rig, die, ob­wohl sie den An­trag­stel­ler vor Nach­tei­len durch Ver­zö­ge­run­gen in­ner­halb des Ge­schäfts­be­triebs der Gü­te­stel­le schüt­zen soll, ih­re Rechts­fol­ge von ei­nem Zu­gang des An­trags ab­hän­gig mach­te, an dem es aus vom An­trag­stel­ler gleich­falls nicht zu ver­tre­ten­den und auch nicht aus der Sphä­re der Gü­te­stel­le stam­men­den Grün­den feh­len kann. Das gilt ins­be­son­de­re, wenn die Vor­schrift im Üb­ri­gen auf ei­nen Zu­gang ge­ra­de nicht ab­stellt. Viel­mehr spricht der Ver­gleich mit der Re­ge­lungs­tech­nik für Ein­tritt und Rück­wir­kung bei der Ver­jäh­rungs­hem­mung durch ei­ne Kla­ge (§ 204 I Nr. 1 BGB i. V. mit §§ 253 I, 167 ZPO), an der sich der Ge­setz­ge­ber bei § 204 I Nr. 4 BGB maß­geb­lich ori­en­tiert hat (vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 114), da­für, dass sich das Er­for­der­nis „dem­nächst“ als Vor­aus­set­zung der Rück­wir­kung in bei­den Vor­schrif­ten auf das nach dem je­wei­li­gen Tat­be­stand für den Ein­tritt der Ver­jäh­rungs­hem­mung maß­geb­li­che Tat­be­stands­merk­mal be­zieht. Bei der Kla­ge ist das ge­mäß § 204 I Nr. 1 BGB die Zu­stel­lung, beim Gü­te­an­trag ge­mäß § 204 I Nr. 4 Halb­satz 1 BGB die Ver­an­las­sung der Be­kannt­ga­be. Die miss­ver­ständ­li­che For­mu­lie­rung in § 204 I Nr. 4 Halb­satz 2 BGB in der ab dem 26.02.2016 gel­ten­den Fas­sung ist da­mit als Re­dak­ti­ons­ver­se­hen zu wer­ten.

[46]   d) Aus­ge­hend hier­von hat der Gü­te­an­trag des Klä­gers be­reits mit dem Ein­gang bei der Gü­te­stel­le am 19.05.2017 die Ver­jäh­rung ge­hemmt, weil die Gü­te­stel­le nach den rechts­feh­ler­frei­en und mit der Re­vi­si­on nicht an­ge­grif­fe­nen Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts die Be­kannt­ga­be an den Be­klag­ten am 23.05.2017 und da­mit „dem­nächst“ ver­an­lasst hat (§ 204 I Nr. 4 Halb­satz 2 BGB).

[47]   Wie das Be­ru­fungs­ge­richt im Wei­te­ren rechts­feh­ler­frei an­ge­nom­men hat, hat die sechs­mo­na­ti­ge Nach­lauf­frist des § 204 II 1 BGB nicht vor dem Zeit­punkt be­gon­nen, zu dem die Gü­te­stel­le die Be­schei­ni­gung über das Schei­tern des Gü­te­ver­fah­rens aus­ge­stellt hat. Denn für den Be­ginn die­ser Frist kommt es auf die Be­kannt­ga­be der Ver­fah­rens­ein­stel­lung an den An­trag­stel­ler an (vgl. hier­zu BGH, Urt. v. 28.10.2015 – IV ZR 405/14, NJW 2016, 236 Rn. 26 ff.; Urt. v. 25.05.2016 – IV ZR 211/15, VersR 2016, 907 Rn. 19; Urt. v. 17.01.2017 – VI ZR 239/15, BGHZ 213, 281 Rn. 20). Die Aus­stel­lung der Be­schei­ni­gung er­folg­te nach den nicht an­ge­grif­fe­nen Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts am 21.08.2017, so­dass die sechs­mo­na­ti­ge Nach­lauf­frist frü­hes­tens am 21.02.2018 ab­ge­lau­fen ge­we­sen wä­re. Die be­reits am 16.01.2018 bei Ge­richt ein­ge­gan­ge­ne und am 29.01.2018 zu­ge­stell­te Kla­ge ist da­mit recht­zei­tig vor Ab­lauf der Ver­jäh­rungs­frist er­folgt und hat die Ver­jäh­rung er­neut ge­hemmt (§ 204 I Nr. 1 BGB).

[48]   5. Von Rechts­feh­lern be­ein­flusst sind je­doch die Er­wä­gun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts zum Um­fang der ver­trag­li­chen Be­schaf­fungs­pflicht des Be­klag­ten im Rah­men der von dem Klä­ger ge­wähl­ten Art der Nach­er­fül­lung durch Lie­fe­rung ei­ner man­gel­frei­en Sa­che ge­mäß § 437 Nr. 1, § 439 I Fall 2 BGB.

[49]   a) Das Be­ru­fungs­ge­richt hat es im Er­geb­nis of­fen­ge­las­sen, ob das vom Klä­ger er­wor­be­ne Fahr­zeug in der­sel­ben Aus­stat­tung und Mo­to­ri­sie­rung noch her­ge­stellt wird. Es hat letzt­lich auch die Lie­fe­rung ei­nes tech­nisch in ver­schie­de­ner Hin­sicht Än­de­run­gen auf­wei­sen­den Nach­fol­ge­mo­dells als nach­er­fül­lungs­taug­lich an­ge­se­hen und dem­entspre­chend in der Ur­teils­for­mel die nach dem Kauf­ver­trag maß­geb­li­chen Aus­stat­tungs­merk­ma­le als Min­dest­an­for­de­run­gen fest­ge­legt. Da­her um­fasst die vom Be­ru­fungs­ge­richt aus­ge­spro­che­ne Ver­ur­tei­lung des Be­klag­ten zur Nach­lie­fe­rung ein voll­stän­dig dem er­wor­be­nen Fahr­zeug ent­spre­chen­des (man­gel­frei­es) Neu­fahr­zeug aus der ur­sprüng­li­chen Bau­rei­he eben­so wie ein zu­min­dest die vor­ge­nann­te Aus­stat­tung auf­wei­sen­des Neu­fahr­zeug aus der ak­tu­el­len Se­ri­en­pro­duk­ti­on des Fahr­zeug­her­stel­lers.

[50]   b) Dies hält ei­ner recht­li­chen Prü­fung nicht in je­der Hin­sicht stand.

[51]   aa) Ge­mäß § 437 Nr. 1, § 439 I BGB kann der Käu­fer, wenn die Sa­che man­gel­haft ist, als Nach­er­fül­lung nach sei­ner Wahl die Be­sei­ti­gung des Man­gels (Fall 1) oder die Lie­fe­rung ei­ner man­gel­frei­en Sa­che (Fall 2) ver­lan­gen. Der An­spruch auf Er­satz­lie­fe­rung (§ 439 I Fall 2 BGB) rich­tet sich dar­auf, dass an­stel­le der ur­sprüng­lich ge­lie­fer­ten man­gel­haf­ten Kauf­sa­che nun­mehr ei­ne man­gel­freie, im Üb­ri­gen aber gleich­ar­ti­ge und funk­tio­nell so­wie ver­trags­mä­ßig gleich­wer­ti­ge Sa­che zu lie­fern ist (Se­nat, Urt. v. 24.10.2018 – VI­II ZR 66/17, BGHZ 220, 134 Rn. 41; Beschl. v. 08.01.2019 – VI­II ZR 225/17, NJW 2019, 1133 Rn. 33; je­weils m. w. Nachw.). Wel­che Er­satz­sa­che in die­sem Sin­ne als aus­tausch­bar, al­so als mit dem Kauf­ge­gen­stand gleich­wer­tig und gleich­ar­tig zu be­wer­ten ist, be­stimmt sich maß­geb­lich nach dem durch in­ter­es­sen­ge­rech­te Aus­le­gung zu er­mit­teln­den Wil­len der Par­tei­en (§§ 133, 157 BGB) bei Ver­trags­schluss (Se­nat, Urt. v. 21.07.2021 – VI­II ZR 254/20, BGHZ 230, 296 Rn. 42 m. w. Nachw.). Hier­von ist das Be­ru­fungs­ge­richt noch zu­tref­fend aus­ge­gan­gen.

[52]   Im Aus­gangs­punkt rechts­feh­ler­frei ist auch die wei­te­re An­nah­me des Be­ru­fungs­ge­richts, dass ein nach Ver­trags­schluss be­zie­hungs­wei­se Über­ga­be er­folg­ter Mo­dell­wech­sel al­lein ei­nen An­spruch des Käu­fers ge­gen den Ver­käu­fer auf Lie­fe­rung ei­nes man­gel­frei­en, fa­brik­neu­en und ty­penglei­chen Er­satz­fahr­zeugs aus der ak­tu­el­len Se­ri­en­pro­duk­ti­on des Her­stel­lers nicht ge­ne­rell ge­mäß § 275 I BGB aus­schließt (Se­nat, Urt. v. 21.07.2021 – VI­II ZR 254/20, BGHZ 230, 296 Rn. 39; Urt. v. 08.12.2021 – VI­II ZR 190/19, WM 2022, 330 Rn. 40, zur Ver­öf­fent­li­chung in BGHZ be­stimmt). Denn In­halt und Reich­wei­te der vom Ver­käu­fer für den Fall der Man­gel­haf­tig­keit der Kauf­sa­che über­nom­me­nen Be­schaf­fungs­pflicht kön­nen je nach Par­tei­wil­len durch­aus Ab­wei­chun­gen ge­gen­über dem ur­sprüng­li­chen Er­fül­lungs­an­spruch auf­wei­sen und sich auch auf ein zwi­schen­zeit­lich auf den Markt ge­tre­te­nes und das Vor­gän­ger­mo­dell er­set­zen­des Nach­fol­ge­mo­dell des Kauf­ge­gen­stands er­stre­cken (vgl. Se­nat, Urt. v. 21.07.2021 – VI­II ZR 254/20, BGHZ 230, 296 Rn. 40, 44, 53, 59; s. be­reits Beschl. v. 08.01.2019 – VI­II ZR 225/17, NJW 2019, 1133 Rn. 35).

[53]   In­des­sen er­streckt sich die Be­schaf­fungs­pflicht des Ver­käu­fers nur dann auf ein neu­wer­ti­ges Nach­fol­ge­mo­dell, wenn das bei Ver­trags­ab­schluss maß­geb­li­che Mo­dell nicht mehr her­ge­stellt wird und da­mit ein dem Kauf­ge­gen­stand voll­stän­dig ent­spre­chen­des (man­gel­frei­es) Neu­fahr­zeug we­der von dem Ver­käu­fer noch von ei­nem Drit­ten be­schafft wer­den kann (vgl. Se­nat, Beschl. v. 08.01.2019 – VI­II ZR 225/17, NJW 2019, 1133 Rn. 29 und 36; Se­nat, Urt. v. 21.07.2021 – VI­II ZR 254/20, BGHZ 230, 296 Rn. 42 und 58). Bei der die bei­der­sei­ti­gen In­ter­es­sen der Ver­trags­par­tei­en in den Blick neh­men­den Aus­le­gung ih­rer Wil­lens­er­klä­run­gen ist da­von aus­zu­ge­hen, dass die den Ver­käu­fer tref­fen­de Be­schaf­fungs­pflicht je­den­falls so­lan­ge nicht ein Nach­fol­ge­mo­dell er­fasst, wie ein dem ur­sprüng­lich ge­lie­fer­ten Fahr­zeug und der Ver­ein­ba­rung im Kauf­ver­trag voll­stän­dig ent­spre­chen­des (man­gel­frei­es) Neu­fahr­zeug von dem Ver­käu­fer noch nach­ge­lie­fert wer­den kann.

[54]   Zu­dem um­fasst die Be­schaf­fungs­pflicht des Ver­käu­fers im man­gel­be­ding­ten Nach­er­fül­lungs­fall – wie der Se­nat zwi­schen­zeit­lich ent­schie­den hat – das Nach­fol­ge­mo­dell zeit­lich nicht un­ein­ge­schränkt, son­dern nur dann, wenn ein Nach­lie­fe­rungs­an­spruch in­ner­halb ei­nes als sach­ge­recht und an­ge­mes­sen zu be­wer­ten­den Zeit­raums von zwei Jah­ren ab Ver­trags­ab­schluss gel­tend ge­macht wird (vgl. Se­nat, Urt. v. 21.07.2021 – VI­II ZR 254/20, BGHZ 230, 296 Rn. 54, 65 ff., 71; Urt. v. 08.12.2021 – VI­II ZR 190/19, WM 2022, 330 Rn. 46, zur Ver­öf­fent­li­chung in BGHZ be­stimmt).

[55]   bb) Un­ter Zu­grun­de­le­gung die­ses Maß­stabs, den der Se­nat al­ler­dings erst nach Er­lass des Be­ru­fungs­ur­teils fort­ent­wi­ckelt hat, fehlt es an hin­rei­chen­den tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts zu den Um­stän­den, die im Streit­fall für die Prü­fung des Um­fangs der ver­trag­li­chen Be­schaf­fungs­pflicht des Be­klag­ten im Rah­men der von dem Klä­ger ge­wähl­ten Art der Nach­er­fül­lung durch Lie­fe­rung ei­ner man­gel­frei­en Sa­che maß­geb­lich sind.

[56]   (1) Das Be­ru­fungs­ge­richt durf­te den Be­klag­ten nicht zur Nach­er­fül­lung in Ge­stalt (auch) der Lie­fe­rung ei­nes Neu­fahr­zeugs aus der ak­tu­el­len Se­ri­en­pro­duk­ti­on ver­ur­tei­len, oh­ne Fest­stel­lun­gen da­hin ge­hend zu tref­fen, dass das er­wor­be­ne Fahr­zeug­mo­dell in­fol­ge ei­nes Mo­dell­wech­sels nicht mehr be­schafft wer­den kann. Denn die­se vom Be­ru­fungs­ge­richt nicht ge­klär­te Fra­ge ist ent­schei­dungs­er­heb­lich.

[57]   (2) So­fern das im Kauf­ver­trag be­schrie­be­ne Mo­dell nicht mehr zu be­schaf­fen ist, kann die ge­bo­te­ne bei­der­seits in­ter­es­sen­ge­rech­te Aus­le­gung der auf den Ab­schluss des Kauf­ver­trags ge­rich­te­ten Er­klä­run­gen der Ver­trags­par­tei­en er­ge­ben, dass die Par­tei­en die Er­satz­lie­fe­rung ei­nes Nach­fol­ge­mo­dells, al­so ei­nes Neu­fahr­zeugs aus der ak­tu­el­len Se­ri­en­pro­duk­ti­on des Fahr­zeug­her­stel­lers, als aus­tausch­bar mit dem ur­sprüng­lich ge­lie­fer­ten Kauf­ge­gen­stand an­ge­se­hen ha­ben.

[58]   (a) Wie der Se­nat be­reits ent­schie­den hat, kann dem nicht ent­ge­gen­ge­hal­ten wer­den, die Par­tei­en ei­nes Neu­wa­gen­ge­schäfts hät­ten sich hin­sicht­lich der we­sent­li­chen Fahr­zeug­ei­gen­schaf­ten auf ein kon­kre­ti­sier­tes Fahr­zeug ge­ei­nigt, hier­für ei­nen be­stimm­ten Kauf­preis ver­ein­bart und des­halb kein hier­von ab­wei­chen­des Fahr­zeug für er­fül­lungs­taug­lich ge­hal­ten. Denn die­se Ar­gu­men­ta­ti­on nimmt die bei­der­sei­ti­ge In­ter­es­sen­la­ge (ins­be­son­de­re den Vor­rang der Nach­er­fül­lung, an dem bei­de Sei­ten ein be­rech­tig­tes In­ter­es­se ha­ben) nicht hin­rei­chend in den Blick und über­sieht zu­dem, dass die Fra­ge, ob und mit wel­cher Reich­wei­te den Ver­käu­fer ei­ne Be­schaf­fungs­pflicht be­züg­lich ei­nes Nach­fol­ge­mo­dells trifft, letzt­lich von den kon­kre­ten Um­stän­den des Ein­zel­falls ab­hängt. Da­von ab­ge­se­hen lässt sich dies nicht da­mit ver­ein­ba­ren, dass der Ge­setz­ge­ber bei der Nach­er­fül­lung die Un­ter­schei­dung zwi­schen Stück­kauf und Gat­tungs­kauf aus­drück­lich als ver­zicht­bar an­ge­se­hen und da­mit zu ver­ste­hen ge­ge­ben hat, dass die zu lie­fern­de Er­satz­sa­che nicht not­wen­di­ger­wei­se mit der im Kauf­ver­trag kon­kret fest­ge­leg­ten Sa­che iden­tisch sein muss (Se­nat, Urt. v. 21.07.2021 – VI­II ZR 357/20, ju­ris Rn. 59).

[59]   Auch aus dem von der Re­vi­si­on her­vor­ge­ho­be­nen Um­stand, dass der Be­klag­te nicht Ver­trags­händ­ler des Fahr­zeug­her­stel­lers und da­mit nicht in des­sen Ver­triebs­struk­tur ein­ge­bun­den ist, folgt für sich ge­nom­men nicht, dass der Be­klag­te dem Klä­ger ein ent­spre­chen­des Neu­fahr­zeug nicht nach­lie­fern könn­te. Die ge­schul­de­te Leis­tung ist dem Schuld­ner nur dann un­mög­lich, wenn er sie auch durch Be­schaf­fung oder Wie­der­be­schaf­fung nicht er­brin­gen kann (vgl. Se­nat, Urt. v. 24.10.2018 – VI­II ZR 66/17, BGHZ 220, 134 Rn. 40; BT-Drs. 14/6040, S. 129).

[60]   (b) Der Um­stand, dass der Klä­ger ein re­impor­tier­tes Fahr­zeug er­wor­ben hat, steht ei­ner auf die Lie­fe­rung ei­nes Fahr­zeugs aus der ak­tu­el­len Se­ri­en­pro­duk­ti­on ge­rich­te­ten Be­schaf­fungs­pflicht des Be­klag­ten eben­falls grund­sätz­lich nicht ent­ge­gen. Denn das Be­ru­fungs­ge­richt hat kei­ne Fest­stel­lun­gen da­zu ge­trof­fen, ob der Klä­ger aus preis­li­chen Er­wä­gun­gen be­wusst die­ses Fahr­zeug an­stel­le ei­nes be­reits an­ge­kün­dig­ten Nach­fol­ge­mo­dells er­wor­ben hat. Das Be­ru­fungs­ur­teil lässt auch Fest­stel­lun­gen da­zu ver­mis­sen, dass es sich bei dem er­wor­be­nen Fahr­zeug al­lein auf­grund des Re­imports nicht um ein Neu­fahr­zeug han­del­te (vgl. Se­nat, Urt. v. 08.12.2021 – VI­II ZR 190/19, WM 2022, 330 Rn. 41, 43, zur Ver­öf­fent­li­chung in BGHZ be­stimmt). Wie die Re­vi­si­on gel­tend macht, hat der Be­klag­te je­doch in den Tat­sa­chen­in­stan­zen vor­ge­tra­gen, der Klä­ger ha­be sich we­gen des güns­ti­gen Prei­ses für die­sen EU-Re­import ent­schie­den. Trä­fe dies zu, könn­te ei­ne Be­schaf­fungs­pflicht des Be­klag­ten ent­fal­len (vgl. wie­der­um Se­nat, Urt. v. 08.12.2021 – VI­II ZR 190/19, WM 2022, 330 Rn. 43, zur Ver­öf­fent­li­chung in BGHZ be­stimmt).

[61]   (c) Zu­dem kommt es nach der vor­ge­nann­ten Se­nats­recht­spre­chung maß­geb­lich dar­auf an, zu wel­chem Zeit­punkt der Klä­ger die Nach­er­fül­lung durch Er­satz­lie­fe­rung ge­gen­über dem Be­klag­ten erst­mals gel­tend ge­macht hat. Dies­be­züg­li­che tat­säch­li­che Fest­stel­lun­gen hat das Be­ru­fungs­ge­richt von sei­nem Rechts­stand­punkt aus al­ler­dings fol­ge­rich­tig eben­falls nicht ge­trof­fen.

[62]   Hät­te der Klä­ger ein Nach­lie­fe­rungs­be­geh­ren erst­mals mit dem Gü­te­an­trag vom 19.05.2017 ge­gen­über dem Be­klag­ten gel­tend ge­macht, wä­re die vor­ge­nann­te zeit­li­che Gren­ze über­schrit­ten. Da be­reits im Zeit­punkt der Ein­rei­chung des An­trags bei der Gü­te­stel­le mehr als zwei Jah­re seit dem am 13.05.2015 er­folg­ten Ab­schluss des Kauf­ver­trags ver­stri­chen wa­ren, kä­me es nicht dar­auf an, ob dem Be­klag­ten was die­ser be­strit­ten hat die­ser An­trag über­haupt zu­ge­gan­gen ist.

[63]   Wä­re ein Nach­lie­fe­rungs­be­geh­ren be­reits vor dem 14.05.2017 er­folgt, be­zö­ge sich die Be­schaf­fungs­pflicht des Be­klag­ten hin­ge­gen al­lein auf das zu die­sem Zeit­punkt her­ge­stell­te Nach­fol­ge­mo­dell (vgl. Se­nat, Urt. v. 21.07.2021 – VI­II ZR 254/20, BGHZ 230, 296 Rn. 55). Bei ei­nem er­heb­li­chen Mehr­wert des Er­satz­fahr­zeugs be­stün­de zu­dem An­lass zur Prü­fung, ob die Par­tei­en bei Ver­trags­schluss die Er­satz­lie­fe­rung ei­nes Nach­fol­ge­mo­dells über­ein­stim­mend nur ge­gen ei­ne an­ge­mes­se­ne Zu­zah­lung als aus­tausch­bar an­ge­se­hen ha­ben (vgl. Se­nat, Urt. v. 08.12.2021 – VI­II ZR 190/19, WM 2022, 330 Rn. 47 ff., zur Ver­öf­fent­li­chung in BGHZ be­stimmt).

[64]   III. Nach al­le­dem kann das an­ge­foch­te­ne Ur­teil des Be­ru­fungs­ge­richts kei­nen Be­stand ha­ben. Es ist auf­zu­he­ben (§ 562 I ZPO). Die nicht zur End­ent­schei­dung rei­fe Sa­che ist an das Be­ru­fungs­ge­richt zur er­neu­ten Ver­hand­lung und Ent­schei­dung, auch über die Kos­ten des Re­vi­si­ons­ver­fah­rens, zu­rück­zu­ver­wei­sen (§ 563 I 1 ZPO).

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