1. Ein vom VW-Abgasskandal betroffener Neuwagen ist i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB mangelhaft, weil er nicht die für einen Neuwagen übliche und deshalb von einem durchschnittlichen Käufer zu erwartende Beschaffenheit aufweist. Ein Durchschnittskäufer darf nämlich erwarten, dass die Prozesse, die für eine Reduzierung des Stickoxidausstoßes sorgen, nicht nur während eines Emissionstests, sondern auch im regulären Fahrbetriebs aktiv sind.
  2. Dem Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Neuwagens ist es i. S. des § 440 Satz 1 Fall 3 BGB unzumutbar, dem Verkäufer eine Frist zur Nachbesserung zu setzen, wenn er die Gelegenheit zur Nachbesserung zeitlich nicht begrenzen kann, weil nicht absehbar ist, innerhalb welchen Zeitraums die – einer behördlichen Genehmigung bedürfende – Nachbesserung erfolgen kann.
  3. Dem Verkäufer eine Frist zur Nachbesserung zu setzen, ist dem Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs auch dann i. S. des § 440 Satz 1 Fall 3 BGB unzumutbar, wenn die mit einem Zuwarten verbundenen Risiken (z. B. das Risiko, dass das Fahrzeug mangelbedingt an Wert verliert) so hoch sind, dass sie dem Käufer nicht aufgebürdet werden können.
  4. Bei der Beurteilung, ob der Mangel, der einem vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeug anhaftet, i. S. des § 323 V 2 BGB geringfügig ist, kann dann nicht primär auf das Verhältnis der Mängelbeseitigungskosten zum Kaufpreis abgestellt werden, wenn eine technische Überarbeitung mangels Freigabe durch das Kraftfahrt-Bundesamt (noch) nicht möglich ist. In diesem Fall kommt es vielmehr entscheidend darauf an, in welchem Ausmaß die Funktionsfähigkeit des Fahrzeugs beeinträchtigt ist. Besteht zumindest mittelbar die konkrete Gefahr, dass das Fahrzeug aufgrund des Mangels seine Zulassungsfähigkeit und damit seine Hauptfunktion als Fortbewegungsmittel gänzlich verliert, ist seine Funktionsfähigkeit erheblich beeinträchtigt und steht deshalb § 323 V 2 BGB einem Rücktritt des Käufers nicht entgegen.

LG Arnsberg, Urteil vom 24.03.2017 – 2 O 254/16

Sachverhalt: Die Klägerin erwarb von der Beklagten, einer VW-Vertragshändlerin, im Januar 2015 einen Neuwagen zum Preis von 23.063,01 €.

Dieses Fahrzeug mit einem 1,6-Liter-Dieselmotor ist vom VW-Abgasskandal betroffen, weil darin eine Software zum Einsatz kommt, die erkennt, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand einem Emissionstest unterzogen wird. In diesem Fall ist die Abgasrückführungsrate höher und deshalb der Stickoxidausstoß geringer als im realen Fahrbetrieb. Nachdem die Verwendung der Software im September 2015 öffentlich bekannt geworden war, verpflichtete das Kraftfahrt-Bundesamt die Volkswagen AG im Oktober 2015 dazu, die „unzulässige Abschalteinrichtung“ zu entfernen und nachzuweisen, dass die betroffenen Fahrzeuge anschließend alle technischen Anforderungen der relevanten Einzelrechtsakte der (Rahmen-)Richtlinie 2007/46/EG erfüllten und die von ihr – der Volkswagen AG – geplanten Änderungen geeignet ist, die Vorschriftsmäßigkeit der betroffenen Fahrzeuge herzustellen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 08.12.2015 forderte die Klägerin die Beklagte auf, ihr bis zum 15.01.2016 einen mangelfreien Neuwagen zu liefern. Hilfsweise begehrte sie die Nachbesserung des ihr gelieferten Fahrzeugs. Die Beklagte erwiderte darauf mit Schreiben vom 21.12.2015, dass eine Ersatzlieferung nicht möglich sei; vielmehr sehe ein bereits bestehender Maßnahmenplan der Volkswagen AG eine technische Überarbeitung (auch) des Fahrzeugs der Klägerin vor. Die Klägerin erklärte daraufhin mit Schreiben vom 22.01.2016 den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte die Beklagte auf, ihr den gezahlten Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung bis zum 08.02.2015 Zug um Zug gegen Abholung des streitgegenständlichen Fahrzeugs zurückzuzahlen. Den Rücktritt wies die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 26.01.2016 zurück.

Die Klage hatte überwiegend Erfolg.

Aus den Gründen: I. … 1. Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten ein Zahlungsanspruch in [Höhe von (23.063,01 € − 2.527,70 € =) 20.535,31 € nebst Zinsen] aus §§ 346 I, 437 Nr. 2 Fall 2, 323 I, II Nr. 2, 440 Satz 1 Fall 3, 348, 320 BGB zu.

a) Nach § 346 I BGB sind im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben, wenn dem Erklärenden ein vertragliches oder gesetzliches Rücktrittsrecht zusteht. Diese Voraussetzungen liegen vor.

aa) Mit Schreiben vom 21.12.2015 hat die Klägerin der Beklagten gegenüber den Rücktritt erklärt.

bb) Das Rücktrittsrecht folgt aus §§ 437 Nr. 2 Fall 1, 433 I, 434 I 2 Nr. 2, 323 I, II Nr. 2, 326 V, 440 Satz 1 Fall 3 BGB.

(1) Das Fahrzeug war im Zeitpunkt der Übergabe mangelhaft i. S. des § 434 I BGB, da es jedenfalls nicht die Beschaffenheit auswies, die bei Sachen gleicher Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache gemäß § 434 I 2 Nr. 2 BGB erwarten kann.

Welche Beschaffenheit des Kaufgegenstandes ein Käufer anhand der Art der Sache i. S. von § 434 I 2 Nr. 2 BGB erwarten kann, bestimmt sich nach dem Empfängerhorizont eines Durchschnittskäufers und damit nach der objektiv berechtigten Käufererwartung.

Das Fahrzeug entspricht diesen objektiv berechtigten Erwartungen nicht. Die eingebaute Software erkennt, wann sich das Fahrzeug im Testzyklus befindet und aktiviert während dieser Testphase einen Abgasrückführungsprozess, der zu einem geringeren Stickoxidausstoß führt. Das streitgegenständliche Fahrzeug täuscht mithin im Prüfstand einen niedrigeren Stickoxidausstoß vor, als er im Fahrbetrieb entsteht. Ein Durchschnittskäufer darf erwarten, dass die in der Testphase laufenden stickoxidverringernden Prozesse auch im realen Fahrbetrieb aktiv bleiben und nicht durch den Einsatz einer Software deaktiviert bzw. nur im Testzyklus aktiviert werden. Andernfalls wäre die staatliche Regulierung zulässiger Stickoxidausstoßgrenzen – wenn auch nur unter Laborbedingungen – Makulatur (vgl. u. a. OLG Hamm, Beschl. v. 21.06.2016 – 28 W 14/16; OLG Celle, Beschl. v. 30.06.2016 – 7 W 26/16; LG Aachen, Urt. v. 06.12.2016 – 10 O 146/16; LG Münster, Urt. v. 14.03.2016 – 011 O 341/15; LG Oldenburg, Urt. v. 01. 09.2016 – 16 O 790/16; LG München II, Urt. v. 15.11. 2016 – 12 O 1482/16; LG Dortmund, Urt. v. 31.10.2016 – 7 O 349/15; LG Hagen, Urt. v. 18.10.2016 – 3 O 66/16; LG Paderborn, Urt. v. 17.05.2016 – 2 O 381/15).

(2) Die Klägerin hat der Beklagten eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt. Ob die gesetzte Frist angemessen war, braucht nicht entschieden zu werden da eine solche jedenfalls entbehrlich war.

Die Nachlieferung wurde seitens der Beklagten mit Schreiben vom 21.12.2015 abgelehnt. Damit hat die Beklagte zum Ausdruck gebracht, dass für sie eine Nachlieferung ernsthaft und endgültig nicht in Betracht komme. Die Klägerin musste sich auch nicht auf eine Nachbesserung verweisen lassen, weil ihr eine solche nicht zumutbar war gemäß § 440 Satz 1 Fall 3 BGB.

Aus der gemäß § 440 Satz 1 Fall 3 BGB allein maßgeblichen Käuferperspektive („wenn die dem Käufer zustehende Art der Nacherfüllung … ihm unzumutbar ist“), war es für die klagende Partei zum Rücktrittszeitpunkt unzumutbar, sich auf eine Nachbesserung mit ungewisser Dauer einzulassen (vgl. etwa LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 72/16; LG Bückeburg, Urt. v. 11.01.2017 – 2 O 39/16; LG Dortmund, Urt. v. 29.09.2016 – 25 O 49/16; letztlich auch LG Braunschweig, Urt. v. 12.10.2016 – 4 O 202/16).

Im Einzelnen:

(a) Eine Nachbesserung hat grundsätzlich innerhalb einer „angemessenen Frist“ zu erfolgen. Diese zeitliche Grenze ist auf die hier maßgebliche Problematik aber nicht zugeschnitten. Die Angemessenheit einer Frist ist nach objektiven Kriterien zu beurteilen (BGH, Urt. v. 21.06.1985 – V ZR 134/84). Maßgeblich ist, dass dem Verkäufer eine zeitliche Grenze gesetzt wird, die aufgrund der jeweiligen Umstände des Einzelfalls bestimmbar ist und ihm vor Augen führt, dass er die Nachbesserung nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt bewirken darf (vgl. BGH, Urt. v. 13.07.2016 – VIII ZR 49/15 Rn. 25). Abweichend davon war hier zum Rücktrittszeitpunkt auch nicht für das Gericht bestimmbar, wie viel Zeit die Nachbesserung in Anspruch nehmen wird. Die Nachbesserung ist an ein behördliches Genehmigungsverfahren gebunden. Die Dauer und auch der Ausgang dieses Verfahrens standen nicht fest. So heißt es auch in dem Schreiben der Beklagten vom 23.02.2016 lediglich unverbindlich und vage:

„Der aktuelle Zeitplan sieht vor, dass die ersten Fahrzeuge ab Januar 2016 auf den erforderlichen technischen Stand gebracht werden. […] Bis zur konkreten Durchführung der Maßnahmen möchten wir […] um Geduld und […] Verständnis dafür bitten, dass wir alle notwendigen Schritte mit dem gebotenen Tempo, aber auch mit der Sorgfalt angehen, die Ihre Mandantschaft jetzt von uns erwarten darf.“

Ein Fristenlauf ist unter diesen Voraussetzungen Makulatur: Weder kann die Nachbesserung zeitlich beschleunigt werden, noch kann der Käufer absehen, wie lange er sich gedulden muss. Dies kann nicht zulasten des Käufers gehen.

(b) Ein Nachbesserungsrecht, das ex ante zeitlich nicht begrenzt werden kann, ist systemfremd und widerspricht europarechtlichen Wertungsvorgaben.

Ausweislich des Erwägungsgrundes 52 der Verbraucherrechterichtlinie (Richtlinie 2011/83/EU) hat der Unternehmer vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen die Ware so bald wie möglich und in jedem Fall spätestens binnen 30 Tagen nach Abschluss des Vertrages zu liefern. Diese Vorgabe setzt § 476 III 2 BGB um. Durch die Höchstfrist soll Rechtssicherheit geschaffen werden (vgl. die Regierungsbegründung, BT-Drs. 17/12637, S. 69: „Wie der Erwägungsgrund 51 der Richtlinie zeigt, soll Art. 18 I dem Verbraucher Rechtssicherheit über den Zeitpunkt der Lieferung der Sache nach einem Kauf verschaffen“). Diese Wertungsvorgabe wird unterlaufen, wenn für den Unternehmer im Rahmen der Nachbesserung keine zeitlichen Grenzen gelten. Dies berücksichtigt letztlich auch § 308 Nr. 2 BGB.

Ein zeitlich nicht bestimmbarer Fristenlauf würde im Übrigen auch gegen anerkannte Auslegungsvorgaben zur Konkretisierung der Angemessenheit einer Frist verstoßen. Eine

„Nachfrist […] braucht nicht so lang zu sein, dass der Schuldner Gelegenheit hat, innerhalb der Frist seine Leistung vorzubereiten. Vielmehr ist vorauszusetzen, dass die Leistung weitgehend fertiggestellt ist und dass der Schuldner lediglich Gelegenheit erhalten soll, seine im Wesentlichen abgeschlossene Leistung vollends zu erbringen“ (BGH, Urt. v. 10.02.1982 – VIII ZR 27/81; vgl. auch OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.11.2011 – 9 U 83/11).

Daraus folgt aber auch, dass die Nachbesserungsfrist „regelmäßig wesentlich kürzer […] als die vereinbarte Herstellungsfrist“ sein kann (BGH, Urt. v. 18.01.1973 – VII ZR 183/70; vgl. auch MünchKomm-BGB/Ernst, 7. Aufl. [2016], § 323 Rn. 74).

Im Gegensatz dazu würde eine Nachbesserung hier genutzt werden, um das betroffene Fahrzeug neu zu entwickeln. Dies zeigt sich schon daran, dass die Nachbesserung einer behördlichen Genehmigung bedarf. Eine Betriebsgenehmigung ist vor dem Verkauf eines Fahrzeugs einzuholen.

(c) Auch aus sonstigen Wertungsgesichtspunkten kann der Klägerin eine Nachbesserung mit ungewisser Dauer nicht zugemutet werden. Die Nachbesserung muss „ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher erfolgen“ (Art. 3 III der Richtlinie 1999/44/EG – Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie). Das ist hier nicht der Fall. Die mit einem Zuwarten verbundenen Risiken sind zu hoch, als dass sie dem Käufer aufgebürdet werden könnten:

(aa) Zum Rücktrittszeitpunkt war letztlich offen, ob eine – für den weiteren Betrieb des Fahrzeugs vorausgesetzte – Nachbesserung überhaupt möglich sein wird. Die Einzelgenehmigung des Kraftfahrt-Bundesamtes lag nicht vor. Zweifel an einem Nachbesserungserfolg sind jedenfalls unter Berücksichtigung der öffentlichen Diskussion nachvollziehbar.

Zweifel an einem Nachbesserungserfolg sind insbesondere auch vor dem Hintergrund verständlich, dass die von der Volkswagen AG dem Kraftfahrt-Bundesamt vorgeschlagenen technischen Maßnahmen innerhalb kurzer Zeit für eine Vielzahl von betroffenen Fahrzeugen entwickelt worden sind und mit kurzer Werkstattzeit umsetzbar sein sollen. Dann aber stellt sich die Zweifel begünstigende Frage, warum die technischen Lösungen nicht von vornherein implementiert worden sind.

Erschwerend kommt hinzu, dass nach dem gesetzlichen Grundsatz eine Nachbesserung erst nach dem erfolglosen zweiten Versuch als fehlgeschlagen gilt (§ 440 Satz 2 BGB). Der Käufer müsste also befürchten, dass sich weitere behördliche Verfahren mit ungewisser Dauer anschließen können.

(bb) Unter Berücksichtigung der öffentlichen Diskussion war auch unklar, ob sich der Marktwert der betroffenen Fahrzeuge nachteilig entwickelt. Gerade der Wert eines Kraftwagens kann von subjektiven Vorstellungen beeinflusst sein (vgl. BGH, Urt. v. 04.03.1976 – VI ZR 14/75:

„Mittelbar aber können auch ästhetische Urteile und selbst irrationale Vorurteile schadensrechtlich erheblich werden, wenn sie sich wegen ihrer allgemeinen Verbreitung zwangsläufig auf den Verkehrswert der Sache, auf die sie sich beziehen, auswirken. Das ist aber bei der allgemeinen besonderen Wertschätzung eines fabrikneuen unfallfreien Kraftwagens der Fall; …“

Auch im Zusammenhang mit der „130-%-Rechtsprechung“, wonach in Abweichung von dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 249 II 1 BGB Ersatz des Reparaturaufwands bis zu 30 % über dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs verlangt werden kann (vgl. etwa BGH, Urt. v. 02.06.2015 – VI ZR 387/14), ist anerkannt, dass der Vertrautheit mit einem Fahrzeug (vgl. BGH, Urt. v. 15.10.1991 – VI ZR 314/90) und dem Wissen um den Zustand des Fahrzeugs, insbesondere auch das Wissen darum, „ob und welche Mängel dabei aufgetreten und auf welche Weise sie behoben worden sind“, „ein wirtschaftlicher Wert zukommt“ (BGH, Urt. v. 15.02.2005 – VI ZR 70/04). Dies begründet die naheliegende Möglichkeit, dass jedenfalls vor der Freigabeerklärung des Kraftfahrt-Bundesamtes ein Wertverlust zu besorgen ist. Zuvor ist gerade nicht bekannt, ob und wie der Mangel behoben werden kann. Dabei handelt es sich auch nicht um eine Bagatelle – die Zulassung ist an die Mangelbeseitigung gebunden. Ist aber jedenfalls während der Nachbesserungszeit ein Wertverlust möglich, ist die klagende Partei in ihrer Dispositionsmöglichkeit erheblich eingeschränkt: Will sie keinen mangelbedingten Verlust erleiden, muss sie mit einem Verkauf des Fahrzeugs warten. Dies gilt erst recht mit Blick auf den europäischen Markt. Ein Kraftwagen ist ein zentrales Verkehrsgut. Einschränkungen in der Fungibilität mit unbestimmter Dauer sind nicht hinnehmbar.

(cc) Die naheliegende Möglichkeit eines mangelbedingten Wertverlustes jedenfalls während der Nachbesserungszeit führt im Übrigen auch dazu, dass die klagende Partei das Risiko seiner unfallbedingten Verwirklichung trägt: Erleidet das Fahrzeug etwa einen technischen Totalschaden und kann der Geschädigte nur Ersatz des Widerbeschaffungswertes verlangen, ist der (mangelbedingt gegebenenfalls geminderte) Wert zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses maßgeblich.

(dd) Es besteht aber auch der Verdacht, dass das Fahrzeug innerhalb von Deutschland nicht rechtlich gesichert betrieben werden kann bzw. kein Haftpflichtversicherungsschutz besteht. Entsprechende rechtliche Erwägungen sind jedenfalls nicht unvertretbar. So heißt es etwa in dem Urteil des LG München II vom 15.11. 2016 – 12 O 1482/16:

„Zu berücksichtigen ist auch, dass die Betriebserlaubnis für den Pkw kraft Gesetzes gemäß § 19 II 2 Nr. 3 StVZO erloschen ist. Dass die Behörden an diesen Umstand momentan für Hunderttausende Kraftfahrzeugführer keine Folgen knüpfen, ist für sich genommen für § 19 II 2 Nr. 3 StVZO unerheblich, da die Rechtsfolge kraft Gesetzes eintritt – unabhängig von behördlichen Maßnahmen.“

Dieses rechtliche Risiko kann nicht dem Käufer aufgebürdet werden, zumal ausländische Behörden von der hiesigen Verwaltungspraxis abweichen können.

cc) Das Rücktrittsrecht war auch nicht gemäß § 323 V 2 BGB ausgeschlossen.

Danach kann der Gläubiger vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn der Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt hat und die Pflichtverletzung unerheblich ist. Nach umfassender Interessenabwägung auf der Grundlage der Umstände dieses Einzelfalls handelt es sich vorliegend um einen erheblichen Mangel.

Für die Frage der Erheblichkeit der Pflichtverletzung i. S. des § 323 V 2 BGB ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung bei behebbaren Mängeln zwar grundsätzlich im Rahmen dieser Interessenabwägung maßgeblich auf die Kosten der Mängelbeseitigung im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung abzustellen. Ist aber im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung der Mangel nicht oder nur mit hohen Kosten behebbar oder die Mangelursache ungeklärt, kommt es entscheidend auf das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung an (vgl. BGH, Urt. v. 29.06.2011 – VIII ZR 202/10 Rn. 21; Urt. v. 06.02.2013 – VIII ZR 374/11 Rn. 18; Urt. v. 26.10.2016 – VIII ZR 240/15 Rn. 28 ff.; Urt. v. 15.06.2011 – VIII ZR 139/09 Rn. 9).

Eine vergleichbare Interessenlage liegt hier vor. Im Januar 2016 standen – wenn auch nur mangels Freigabe durch das Kraftfahrt-Bundesamt – noch keine Servicemaßnahmen zur technischen Überarbeitung zur Verfügung. Somit kommt es vorliegend für die Beurteilung der Erheblichkeit der Pflichtverletzung maßgeblich auf die Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Fahrzeugs an. Zwar war das Fahrzeug technisch funktionsfähig. Die Funktionsfähigkeit des Fahrzeugs war aber deshalb in erheblicher Weise beeinträchtigt, weil das Kraftfahrt-Bundesamt die zunächst vorbehaltslos gewährte Typgenehmigung aufgrund der eingebauten Software an Bedingungen geknüpft hat. Dies führte jedenfalls mittelbar zu der konkreten Gefahr, dass das Fahrzeug seine Zulassungsfähigkeit und damit seine Funktion als Fortbewegungsmittel im Straßenverkehr gänzlich verlieren könnte. Dieses durch den Einbau der Software begründete, die Kernfunktion des Kaufgegenstandes betreffende Risiko muss der Käufer nicht nach § 323 V 2 BGB hinnehmen, ohne sich vom Vertrag lösen zu können.

b) Die sich aus dem Rücktritt ergebenen Pflichten sind gemäß §§ 348, 320 I BGB Zug um Zug zu erfüllen. Insofern steht der Beklagten ihrerseits ein Anspruch auf Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs und ein entsprechender Wertersatz für die tatsächliche Nutzung des Fahrzeugs gemäß § 346 I, II 1 Nr. 1 BGB … zu. Vor dem Hintergrund der tatsächlichen Laufleistung ist nach den Grundsätzen der kilometeranteiligen linearen Wertminderung der Nutzungsersatz wie folgt zu berechnen:

$${\frac{\text{Bruttokaufpreis}\times\text{gefahrene Kilometer}}{\text{erwartete Gesamtlaufleistung}}},$$

wobei das Gericht die zu erwartende Gesamtlaufleistung gemäß § 287 ZPO auf 250.000 km schätzt. Dies ergibt einen Wertersatzanspruch in Höhe von 2.527,70 €.

c) Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 I, 286 I BGB. Spätestens zum 09.02.2016 befand sich die Beklagte mit der Rückzahlung des Kaufpreises in Verzug. Die Beklagte war, wie oben ausgeführt, zur Rückzahlung des Kaufpreises gemäß § 346 I BGB verpflichtet. Dem Anspruch steht auch nicht die Einrede des § 320 I BGB entgegen, welche über § 348 Satz 2 BGB auch im Rückgewährschuldverhältnis Anwendung findet. Zwar kann der Schuldner danach eine ihm obliegende Verpflichtung bis zur Bewirkung der Gegenleistung verweigern, jedoch nur, wenn er seinerseits bereit ist, die ihm obliegende Leistung zu erbringen. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 26.01.2016 die Rücknahme des Fahrzeugs abgelehnt und dadurch zum Ausdruck gebracht, zur Erstattung des Kaufpreises nicht bereit zu sein.

2. Die Beklagte befindet sich mit der Annahme des Fahrzeugs in Verzug gemäß § 293 BGB.  Die Klägerin hat die Beklagte mit Schreiben vom 22.01.2016 aufgefordert, das Fahrzeug abzuholen und der Klägerin den Kaufpreis abzüglich eines Nutzungsersatzes zu erstatten. Dieses wörtliche Angebot war gemäß § 295 Satz 1 BGB ausreichend, da die Beklagte im Rahmen des Rückgewährschuldverhältnisses als Gläubigerin das Fahrzeug bei der Klägerin als Schuldnerin gemäß § 269 I BGB abzuholen hat.

3. Soweit die Klägerin die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten begehrt, war dem nicht stattzugeben. Ein dahin gehender Schadensersatzanspruch steht der Klägerin nicht zu. Ein solcher ergibt sich weder aus vorvertraglicher Pflichtverletzung gemäß §§ 311 II, 241 II BGB noch aus § 280 I BGB.

a) Sofern die Klägerin meint, vorliegend seien die Grundsätze der Prospekthaftung anwendbar, ist dem nicht zuzustimmen. Das mit einer Kapitalanlage verbundene wirtschaftliche Risiko ist mit dem Kauf eines Fahrzeugs nicht vergleichbar und der Käufer deshalb nicht in besonderen Maße schutzbedürftig. Das Vertrauen des Käufers in die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben im Prospekt ist ausreichend über § 434 I 3 BGB geschützt.

b) Ein Schadensersatz aufgrund Verzugs gemäß §§ 280 I, II, 286 I BGB kommt deshalb nicht in Betracht, weil die Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausweislich des Schreibens vom 08.12.2015 bereits vor der verzugsbegründenden Mahnung beauftragt waren.

c) Ein Schadensersatzanspruch aus § 280 I BGB scheitert am erforderlichen Verschulden der Beklagten. Zwar hat die Beklagte ihre Pflicht aus § 433 I 2 BGB verletzt, der Klägerin das Fahrzeug frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. Der Beklagten ist diese Pflichtverletzung aber nicht vorwerfbar i. S. des § 276 I BGB. Der Einsatz der Software war der Beklagten nicht bekannt. … Sie muss sich insbesondere auch als Vertragshändlerin etwaige Kenntnisse der Volkswagen AG nicht zurechnen lassen. Die Zurechnung fremden Wissens ist gemäß § 278 Satz 1 BGB dann gerechtfertigt, wenn sich der Schuldner bei der Erfüllung einer ihm obliegenden Verbindlichkeit der Hilfe eines Dritten bedient. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Der Verkäufer schuldet im Rahmen eines Kaufvertrages nicht die Herstellung, sondern die Lieferung einer mangelfreien Sache (§ 433 I 2 BGB). Die Volkswagen AG wird im Rahmen der Herstellung der Fahrzeuge nicht im Pflichtenkreis der Beklagten tätig. …

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