1. Das sit­ten­wid­ri­ge Ver­hal­ten ei­nes ver­fas­sungs­mä­ßig be­ru­fe­nen Ver­tre­ters ei­ner ju­ris­ti­schen Per­son kann nicht mit­tels ei­ner Zu­rech­nung frem­den Wis­sens ent­spre­chend § 166 BGB be­grün­det wer­den (im An­schluss an BGH, Urt. v. 08.03.2021 – VI ZR 505/19, NJW 2021, 1669; Urt. v. 28.06.2016 – VI ZR 536/15, NJW 2017, 250).
  2. Zur Fra­ge der Haf­tung der Fahr­zeug­her­stel­le­rin ge­mäß § 826 BGB we­gen ei­ner an­geb­lich un­zu­läs­si­gen Or­ga­ni­sa­ti­on des Typ­ge­neh­mi­gungs­ver­fah­rens.
  3. Zur tatrich­ter­li­chen Über­zeu­gungs­bil­dung ge­mäß § 286 I 1 ZPO hin­sicht­lich der Kennt­nis von Re­prä­sen­tan­ten der Fahr­zeug­her­stel­le­rin vom Ein­satz ei­ner von der Mo­tor­her­stel­le­rin im­ple­men­tier­ten evi­dent un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung.

BGH, Ur­teil vom 25.11.2021 – VII ZR 257/20

Sach­ver­halt: Der Klä­ger nimmt die be­klag­te Kraft­fahr­zeug­her­stel­le­rin we­gen der Ver­wen­dung ei­ner un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung auf Scha­dens­er­satz in An­spruch.

Er er­warb von ei­nem Kraft­fahr­zeug­händ­ler mit Kauf­ver­trag vom 03./11.11.2014 für 29.970 € ei­nen von der Be­klag­ten her­ge­stell­ten ge­brauch­ten Pkw Au­di A5 Sport­back 2.0 TDI. Das Fahr­zeug, des­sen Ki­lo­me­ter­stand sei­ner­zeit 27.500 be­trug, war mit ei­nem von der Volks­wa­gen AG ent­wi­ckel­ten und pro­du­zier­ten Die­sel­mo­tor des Typs EA189 aus­ge­stat­tet. Die­ser ent­hielt ei­ne Steue­rungs­soft­ware, die er­kann­te, ob das Fahr­zeug auf ei­nem Prüf­stand den Neu­en Eu­ro­päi­schen Fahr­zy­klus (NEFZ) durch­lief. In die­sem Fall be­wirk­te die Soft­ware, dass die Ab­gas­rück­füh­rungs­ra­te hö­her und des­halb der Stick­oxid(NOX)-Aus­stoß ge­rin­ger war als beim Nor­mal­be­trieb des Fahr­zeugs. Die Ab­gas­mes­sun­gen auf dem Prüf­stand wa­ren Grund­la­ge der Er­tei­lung der Typ­ge­neh­mi­gung nach der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/20071Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 20.06,2007 über die Typ­ge­neh­mi­gung von Kraft­fahr­zeu­gen hin­sicht­lich der Emis­sio­nen von leich­ten Per­so­nen­kraft­wa­gen und Nutz­fahr­zeu­gen (Eu­ro 5 und Eu­ro 6) und über den Zu­gang zu Re­pa­ra­tur- und War­tungs­in­for­ma­tio­nen für Fahr­zeu­ge, ABl. 2007 L 171, 1..

Die Be­klag­te hat­te in den Jah­ren 2005/​2006 durch ihr Pro­dukt-Stra­te­gie-Ko­mi­tee, wel­ches sich aus Mit­glie­dern des Vor­stands und der Fach­ab­tei­lun­gen zu­sam­men­setz­te, be­schlos­sen, den Mo­tor EA189 se­ri­en­mä­ßig in ei­ge­nen Fahr­zeu­gen zu ver­wen­den. Zu­sätz­lich er­ging in der Fol­ge für je­des Fahr­zeug­mo­dell ein ge­son­der­ter Be­schluss des Ko­mi­tees über den Ein­satz des Mo­tors. Die Be­klag­te er­warb den Mo­tor samt Soft­ware von der Volks­wa­gen AG. Ab dem Jahr 2008 wur­de die auf den je­wei­li­gen Fahr­zeug­typ ab­ge­stimm­te Soft­ware auf den au­to­ma­ti­sier­ten Fer­ti­gungs­li­ni­en der Be­klag­ten oh­ne Ein­fluss­mög­lich­keit ih­rer Mit­ar­bei­ter vom Kon­zern­ser­ver der Volks­wa­gen AG her­un­ter­ge­la­den. Die Soft­ware war zur Ver­mei­dung ei­ner Ein­fluss­nah­me au­ßer­halb der Ent­wick­lungs­ver­ant­wor­tung ver­rie­gelt.

Im Auf­trag der Be­klag­ten or­ga­ni­sier­te die Volks­wa­gen AG das Ver­fah­ren zur Er­lan­gung der Fahr­zeug-Typ­ge­neh­mi­gun­gen. Dem Kraft­fahrt-Bun­des­amt (KBA) wur­de die vor­ge­nann­te – von der Be­klag­ten als „Um­schalt­lo­gik“ be­zeich­ne­te – Soft­ware we­der of­fen­ge­legt, noch war es dem Kraft­fahrt-Bun­des­amt mit den da­mals zur Ver­fü­gung ste­hen­den Tests mög­lich, die Soft­ware zu er­ken­nen.

Nach Be­kannt­wer­den der „Um­schalt­lo­gik“ ver­pflich­te­te das Kraft­fahrt-Bun­des­amt die Be­klag­te da­zu, die als un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung qua­li­fi­zier­te Soft­ware aus den be­trof­fe­nen Fahr­zeu­gen zu ent­fer­nen und ge­eig­ne­te Maß­nah­men zur Wie­der­her­stel­lung de­ren Vor­schrifts­mä­ßig­keit zu er­grei­fen. Dar­auf­hin wur­de ein Soft­ware­up­date ent­wi­ckelt, das am 18.07.2016 auf das Fahr­zeug des Klä­gers auf­ge­spielt wur­de.

Der Klä­ger hat die Be­klag­te in den Vor­in­stan­zen zu­letzt auf Er­stat­tung des Kauf­prei­ses ab­züg­lich ei­ner Nut­zungs­ent­schä­di­gung nebst Zin­sen, Zug um Zug ge­gen „Rück­ga­be“ und Über­eig­nung des Fahr­zeugs, so­wie auf Er­stat­tung vor­ge­richt­lich an­ge­fal­le­ner Rechts­an­walts­kos­ten in An­spruch ge­nom­men. Au­ßer­dem hat er die Fest­stel­lung des An­nah­me­ver­zugs der Be­klag­ten be­gehrt. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat die Be­klag­te un­ter Kla­ge­ab­wei­sung im Üb­ri­gen ver­ur­teilt, an den Klä­ger 18.058,66 € nebst Pro­zess­zin­sen seit dem 19.02.2019, Zug um Zug ge­gen „Rück­ga­be“ und Über­eig­nung des Fahr­zeugs, zu zah­len.

Mit ih­rer Re­vi­si­on hat die Be­klag­te wei­ter­hin die voll­stän­di­ge Ab­wei­sung der Kla­ge er­rei­chen wol­len. Das Rechts­mit­tel hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: Die Re­vi­si­on ist un­be­grün­det.

[8]    I. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat zur Be­grün­dung sei­ner … Ent­schei­dung (OLG Mün­chen, Urt. v. 30.11.2020 – 21 U 7307/19, ju­ris = BeckRS 2020, 33033), so­weit für das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren von In­ter­es­se, im We­sent­li­chen Fol­gen­des aus­ge­führt:

[9]    Der Klä­ger ha­be ge­gen die Be­klag­te ei­nen Scha­dens­er­satz­an­spruch ge­mäß §§ 826, 31 BGB. Die Be­klag­te haf­te nicht al­lein auf­grund ei­ner Zu­rech­nung frem­den Fehl­ver­hal­tens, son­dern im Kern auf­grund ei­ge­nen de­lik­ti­schen Han­delns. Dies be­ru­he auf dem von der Be­klag­ten zu ver­ant­wor­ten­den In­ver­kehr­brin­gen des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs mit ei­ner ma­ni­pu­la­ti­ven, auf Täu­schung aus­ge­rich­te­ten un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung. Dem Klä­ger sei durch die Täu­schung ein Scha­den ent­stan­den, der in dem Ab­schluss des Kauf­ver­trags als un­ge­woll­te Ver­bind­lich­keit lie­ge und durch das spä­ter durch­ge­führ­te Soft­ware­up­date nicht ent­fal­len sei.

[10]   Das Ver­hal­ten der Be­klag­ten sei sit­ten­wid­rig ge­we­sen. Sie ha­be auf der Grund­la­ge ei­ner stra­te­gi­schen Un­ter­neh­mens­ent­schei­dung die Typ­ge­neh­mi­gungs­be­hör­de und die Kun­den arg­lis­tig ge­täuscht. Als Fahr­zeug­her­stel­le­rin sei die Be­klag­te für al­le Be­lan­ge des Typ­ge­neh­mi­gungs­ver­fah­rens ver­ant­wort­lich und ver­pflich­tet ge­we­sen, den Mo­tor ei­gen­stän­dig auf Ge­setz­mä­ßig­keit zu über­prü­fen. Sie ha­be ge­gen­über der Ge­neh­mi­gungs­be­hör­de zu­min­dest kon­klu­dent er­klärt, dass das Fahr­zeug die ge­setz­li­chen Vor­schrif­ten ein­hal­te und ins­be­son­de­re über kei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung ver­fü­ge. Im Üb­ri­gen sei die voll­stän­di­ge Über­tra­gung des Typ­ge­neh­mi­gungs­ver­fah­rens auf die Volks­wa­gen AG un­zu­läs­sig und be­grün­de ein Or­ga­ni­sa­ti­ons­ver­schul­den der Be­klag­ten. Die­se müs­se sich das Wis­sen der Volks­wa­gen AG von der un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung, von dem aus­zu­ge­hen sei, ent­spre­chend § 166 I BGB zu­rech­nen las­sen, da die Volks­wa­gen AG in ih­rem Auf­trag im Typ­ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren tä­tig ge­wor­den sei.

[11]   Die Be­klag­te kön­ne sich nicht dar­auf be­ru­fen, dass ihr ei­ne Prü­fung der Emis­sio­nen im rea­len Fahr­be­trieb nicht mög­lich ge­we­sen sei, da sie je­den­falls bei der Volks­wa­gen AG hät­te nach­fra­gen kön­nen und müs­sen, wie die vor­ge­schrie­be­nen Grenz­wer­te ein­ge­hal­ten wür­den. Die Be­klag­te tra­ge nicht vor, dass die Volks­wa­gen AG die Her­aus­ga­be von Un­ter­la­gen ver­wei­gert oder ge­schön­te Un­ter­la­gen über­ge­ben hät­te.

[12]   Hin­zu kom­me, dass das Span­nungs­ver­hält­nis zwi­schen kos­ten­güns­ti­ger Pro­duk­ti­on und Be­gren­zung der Stick­oxid­emis­sio­nen zum Zeit­punkt der Ent­wick­lung und des Ein­baus des Mo­tors all­ge­mein be­kannt ge­we­sen sei und durch das grund­sätz­li­che Ver­bot von Ab­schalt­ein­rich­tun­gen noch an Be­deu­tung ge­won­nen ha­be. Die Be­klag­te stel­le selbst Die­sel­mo­to­ren nebst Steue­rungs­tech­nik her. Es sei nicht plau­si­bel, dass sich kei­ner ih­rer Ver­ant­wort­li­chen da­für in­ter­es­siert ha­be, ob und wie die Volks­wa­gen AG den Ziel­kon­flikt beim Mo­tor EA189 ge­löst ha­ben könn­te. Eben­falls un­plau­si­bel sei ei­ne feh­len­de Kennt­nis des Pro­dukt-Stra­te­gie-Ko­mi­tees von den De­tails des Mo­tors. Der se­ri­en­mä­ßi­ge Ein­bau des Mo­tors EA189 sei ab 2007 be­schlos­sen wor­den; für je­des Fahr­zeug­mo­dell ha­be es ei­nen wei­te­ren ge­son­der­ten Be­schluss ge­ge­ben. Es sei nicht nach­voll­zieh­bar, dass die un­strei­tig be­tei­lig­ten Vor­stands­mit­glie­der sich da­bei nicht dar­über in­for­miert hät­ten, wie es ge­lin­ge, die Stick­oxid­wer­te ein­zu­hal­ten. Die Be­klag­te tra­ge nicht vor, wel­che Vor­stands­mit­glie­der dem Ko­mi­tee an­ge­hört hät­ten, ob die­se zum da­ma­li­gen Kennt­nis­stand be­fragt wor­den sei­en und was ge­ge­be­nen­falls die Ant­wort ge­we­sen sei. Die Be­klag­te ha­be in­so­weit ih­rer se­kun­dä­ren Dar­le­gungs­last nicht ge­nügt. Es sei da­von aus­zu­ge­hen, dass ei­ne Kennt­nis von der Funk­ti­ons­wei­se der Soft­ware bei der Be­klag­ten vor­han­den war. Die Be­klag­te ha­be nicht be­strit­ten, dass die „Um­schalt­lo­gik“ ei­ne Fort­ent­wick­lung ei­ner bei der Be­klag­ten ent­wi­ckel­ten „Akus­tik­funk­ti­on“ sei.

[13]   Die sub­jek­ti­ven Vor­aus­set­zun­gen der Haf­tung nach § 826 BGB sei­en eben­falls er­füllt. So­weit die Be­klag­te be­haup­te, dass we­der Or­ga­ne noch Re­prä­sen­tan­ten noch Werks­mit­ar­bei­ter Kennt­nis von der frag­li­chen Soft­ware ge­habt hät­ten, sei dies, wie be­reits aus­ge­führt, nicht plau­si­bel. Bei dem Mo­tor han­de­le es sich um das Kern­stück des Fahr­zeugs und bei der Ver­wen­dung um ei­ne grund­le­gen­de Stra­te­gie­ent­schei­dung mit er­heb­li­chen per­sön­li­chen Haf­tungs­ri­si­ken für die ent­schei­den­den Per­so­nen. Da die Be­klag­te selbst Die­sel­mo­to­ren ent­wick­le und die Fra­ge, wie die ge­setz­li­chen Grenz­wer­te tech­nisch und wirt­schaft­lich kos­ten­güns­tig ein­ge­hal­ten wer­den könn­ten, un­ter Kraft­fahr­zeug­her­stel­lern zu der da­ma­li­gen Zeit ein Haupt­the­ma ge­we­sen sei, sei nicht nach­zu­voll­zie­hen, dass die Be­klag­te kein In­ter­es­se dar­an ge­habt ha­be zu wis­sen, wie die Volks­wa­gen AG die stren­gen Grenz­wer­te ein­ge­hal­ten ha­be. Es schei­ne aus­ge­schlos­sen, dass die Be­klag­te den Mo­tor oh­ne ei­ge­ne Prü­fung und Kennt­nis der we­sent­li­chen Merk­ma­le „blind“ in ih­re ei­ge­nen Fahr­zeu­ge ein­ge­baut ha­be. Es lie­ge viel­mehr auf der Hand, dass im Un­ter­neh­men der Be­klag­ten min­des­tens ein han­deln­der Re­prä­sen­tant an der Ent­schei­dung über die Ver­wen­dung der un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung be­tei­ligt ge­we­sen sei. Dies fol­ge aus der Trag­wei­te der Ent­schei­dung, aber auch aus den Um­stän­den.

[14]   Es sei auch von ei­nem Schä­di­gungs­vor­satz der han­deln­den Per­so­nen aus­zu­ge­hen. Vor­stands­mit­glie­der oder Re­prä­sen­tan­ten, die in ei­ge­ner oder zu­re­chen­ba­rer Kennt­nis von der Ab­schalt­ein­rich­tung de­ren Ein­satz in Mo­to­ren an­ord­ne­ten oder nicht un­ter­bän­den, sei­en sich der Schä­di­gung der spä­te­ren Fahr­zeu­ger­wer­ber be­wusst.

[15]   Der Klä­ger kön­ne Kauf­prei­ser­stat­tung Zug um Zug ge­gen „Rück­ga­be“ und Über­eig­nung des Fahr­zeugs ver­lan­gen. Er müs­se sich je­doch nach den Grund­sät­zen der Vor­teils­aus­glei­chung ei­ne Nut­zungs­ent­schä­di­gung in Hö­he von 11.911,34 € an­rech­nen las­sen, da er das Fahr­zeug, des­sen ge­schätz­te Ge­samt­lauf­leis­tungs­er­war­tung 300.000 km be­tra­ge, über ei­ne Fahr­stre­cke von 108.303 km ge­nutzt ha­be.

[16]   II. Die Er­wä­gun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts hal­ten der re­vi­si­ons­recht­li­chen Nach­prü­fung im Er­geb­nis stand.

[17]   1. Auf der Grund­la­ge der Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts steht dem Klä­ger ein Scha­dens­er­satz­an­spruch aus sit­ten­wid­ri­ger vor­sätz­li­cher Schä­di­gung ge­mäß §§ 826, 31 BGB ge­gen die Be­klag­te in der zu­er­kann­ten Hö­he zu.

[18]   a) Das Be­ru­fungs­ge­richt hat im Er­geb­nis rechts­feh­ler­frei fest­ge­stellt, dass ein ver­fas­sungs­mä­ßig be­ru­fe­ner Ver­tre­ter der Be­klag­ten i. S. von § 31 BGB die ob­jek­ti­ven und sub­jek­ti­ven Tat­be­stands­vor­aus­set­zun­gen des § 826 BGB ver­wirk­licht hat. Die Be­klag­te han­del­te sit­ten­wid­rig, in­dem sie Fahr­zeu­ge mit dem von der Volks­wa­gen AG ge­lie­fer­ten Mo­tor EA189, dar­un­ter das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug, in den Ver­kehr brach­te, ob­wohl nach den Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts we­nigs­tens ei­ne ver­ant­wort­lich für sie han­deln­de Per­son wuss­te, dass der Mo­tor mit ei­ner auf arg­lis­ti­ge Täu­schung des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes ab­zie­len­den Prüf­stands­er­ken­nungs­soft­ware aus­ge­stat­tet war (vgl. BGH, Urt. v. 08.03.2021 – VI ZR 505/19, NJW 2021, 1669 Rn. 21).

[19]   aa) Sit­ten­wid­rig i. S. von § 826 BGB ist ein Ver­hal­ten, das nach sei­nem Ge­samt­cha­rak­ter, der durch um­fas­sen­de Wür­di­gung von In­halt, Be­weg­grund und Zweck zu er­mit­teln ist, ge­gen das An­stands­ge­fühl al­ler bil­lig und ge­recht Den­ken­den ver­stößt. Da­für ge­nügt es im All­ge­mei­nen nicht, dass der Han­deln­de ei­ne Pflicht ver­letzt und ei­nen Ver­mö­gens­scha­den her­vor­ruft. Viel­mehr muss ei­ne be­son­de­re Ver­werf­lich­keit sei­nes Ver­hal­tens hin­zu­tre­ten, die sich aus dem ver­folg­ten Ziel, den ein­ge­setz­ten Mit­teln, der zu­ta­ge ge­tre­te­nen Ge­sin­nung oder den ein­ge­tre­te­nen Fol­gen er­ge­ben kann. Schon zur Fest­stel­lung der ob­jek­ti­ven Sit­ten­wid­rig­keit kann es da­her auf Kennt­nis­se, Ab­sich­ten und Be­weg­grün­de des Han­deln­den an­kom­men, die die Be­wer­tung sei­nes Ver­hal­tens als ver­werf­lich recht­fer­ti­gen. Die Ver­werf­lich­keit kann sich auch aus ei­ner be­wuss­ten Täu­schung er­ge­ben. Ins­be­son­de­re bei mit­tel­ba­ren Schä­di­gun­gen kommt es fer­ner dar­auf an, dass den Schä­di­ger das Un­wert­ur­teil, sit­ten­wid­rig ge­han­delt zu ha­ben, ge­ra­de auch in Be­zug auf die Schä­den des­je­ni­gen trifft, der An­sprü­che aus § 826 BGB gel­tend macht. Ob ein Ver­hal­ten sit­ten­wid­rig i. S. des § 826 BGB ist, ist da­bei ei­ne Rechts­fra­ge, die der un­ein­ge­schränk­ten Kon­trol­le des Re­vi­si­ons­ge­richts un­ter­liegt (st. Rspr., et­wa BGH, Urt. v. 16.09.2021 – VII ZR 192/20, WM 2021, 2056 Rn. 20; Urt. v. 08.03.2021 – VI ZR 505/19, NJW 2021, 1669 Rn. 17 f.; Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 14 f. m. w. Nachw.).

[20]   bb) Ein Au­to­mo­bil­her­stel­ler han­delt ge­gen­über dem Fahr­zeug­käu­fer sit­ten­wid­rig, wenn er ent­spre­chend sei­ner grund­le­gen­den stra­te­gi­schen Ent­schei­dung im ei­ge­nen Kos­ten- und Ge­winn­in­ter­es­se un­ter be­wuss­ter Aus­nut­zung der Arg­lo­sig­keit der Er­wer­ber, die die Ein­hal­tung der ge­setz­li­chen Vor­ga­ben und die ord­nungs­ge­mä­ße Durch­füh­rung des Typ­ge­neh­mi­gungs­ver­fah­rens als selbst­ver­ständ­lich vor­aus­set­zen, Fahr­zeu­ge mit ei­ner Mo­tor­steue­rung in Ver­kehr bringt, de­ren Soft­ware be­wusst und ge­wollt so pro­gram­miert ist, dass die ge­setz­li­chen Ab­gas­grenz­wer­te nur auf dem Prüf­stand be­ach­tet, im nor­ma­len Fahr­be­trieb hin­ge­gen über­schrit­ten wer­den, und da­mit un­mit­tel­bar auf die arg­lis­ti­ge Täu­schung der Typ­ge­neh­mi­gungs­be­hör­de ab­zielt. Ein sol­ches Ver­hal­ten steht ei­ner un­mit­tel­ba­ren arg­lis­ti­gen Täu­schung der Fahr­zeu­ger­wer­ber in der Be­wer­tung gleich (BGH, Urt. v. 16.09.2021 – VII ZR 192/20, WM 2021, 2056 Rn. 21; Urt. v. 08.03.2021 – VI ZR 505/19, NJW 2021, 1669 Rn. 19; Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 16 ff.).

[21]   Be­reits die ob­jek­ti­ve Sit­ten­wid­rig­keit des Her­stel­lens und des In­ver­kehr­brin­gens von Kraft­fahr­zeu­gen mit ei­ner un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung im Ver­hält­nis zum Fahr­zeu­ger­wer­ber setzt vor­aus, dass dies in Kennt­nis der Ab­schalt­ein­rich­tung und im Be­wusst­sein ih­rer – bil­li­gend in Kauf ge­nom­me­nen – Un­recht­mä­ßig­keit ge­schieht (BGH, Urt. v. 16.09.2021 – VII ZR 192/20, WM 2021, 2056 Rn. 22; Beschl. v. 09.03.2021 – VI ZR 889/20, VersR 2021, 661 Rn. 28; Urt. v. 08.03.2021 – VI ZR 505/19, NJW 2021, 1669 Rn. 21; Beschl. v. 19.01.2021 – VI ZR 433/19, VersR 2021, 388 Rn. 19).

[22]   cc) Ein der­ar­ti­ges Vor­stel­lungs­bild hat das Be­ru­fungs­ge­richt im Hin­blick auf we­nigs­tens ei­ne Per­son, für de­ren Ver­hal­ten die Be­klag­te ein­zu­ste­hen hat, in re­vi­si­ons­recht­lich nicht zu be­an­stan­den­der Wei­se fest­ge­stellt.

[23]   (1) Von Rechts­feh­lern be­ein­flusst sind al­ler­dings die Er­wä­gun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts, mit de­nen es der Be­klag­ten ein im Hau­se der Volks­wa­gen AG – der Kon­zern­mut­ter der Be­klag­ten – vor­han­de­nes Wis­sen zu­ge­rech­net hat.

[24]   (a) Im An­satz feh­ler­haft ist die Auf­fas­sung des Be­ru­fungs­ge­richts, das sit­ten­wid­ri­ge Ver­hal­ten ei­nes ver­fas­sungs­mä­ßig be­ru­fe­nen Ver­tre­ters der Be­klag­ten kön­ne mit­tels ei­ner Zu­rech­nung frem­den Wis­sens ent­spre­chend § 166 BGB be­grün­det wer­den. Nach der Recht­spre­chung des BGH setzt die Haf­tung ei­ner ju­ris­ti­schen Per­son aus § 826 BGB i. V. mit § 31 BGB vor­aus, dass ei­ner ih­rer ver­fas­sungs­mä­ßig be­ru­fe­nen Ver­tre­ter i. S. des § 31 BGB den ob­jek­ti­ven und sub­jek­ti­ven Tat­be­stand des § 826 BGB per­sön­lich ver­wirk­licht hat. Über ei­ne Wis­sens­zu­sam­men­rech­nung führt kein Weg zu dem für das Merk­mal der Sit­ten­wid­rig­keit i. S. des § 826 BGB er­for­der­li­chen mo­ra­li­schen Un­wert­ur­teil. So, wie sich die die Ver­werf­lich­keit be­grün­den­de be­wuss­te Täu­schung nicht da­durch kon­stru­ie­ren lässt, dass die im Hau­se der ju­ris­ti­schen Per­son vor­han­de­nen ko­gni­ti­ven Ele­men­te „mo­sa­ik­ar­tig“ zu­sam­men­ge­setzt wer­den, weil ei­ne sol­che Kon­struk­ti­on dem per­so­na­len Cha­rak­ter der Scha­dens­er­satz­pflicht ge­mäß § 826 BGB nicht ge­recht wür­de, so lässt sie sich erst recht nicht mit ei­ner Wis­sens­zu­rech­nung über die Gren­zen recht­lich selbst­stän­di­ger (Kon­zern-)Ge­sell­schaf­ten hin­aus be­grün­den (vgl. BGH, Urt. v. 08.03.2021 – VI ZR 505/19, NJW 2021, 1669 Rn. 23; Urt. v. 28.06.2016 – VI ZR 536/15, NJW 2017, 250 Rn. 13, 22 f., 27 m. w. Nachw.).

[25]   (b) Ei­ne Ver­hal­tens- und Wis­sens­zu­rech­nung ist ent­ge­gen der An­sicht des Be­ru­fungs­ge­richts auch nicht un­ter dem As­pekt ei­ner un­zu­läs­si­gen Or­ga­ni­sa­ti­on des Typ­ge­neh­mi­gungs­ver­fah­rens zu be­ja­hen.

[26]   Nach der Leh­re vom kör­per­schaft­li­chen Or­ga­ni­sa­ti­ons­man­gel und der so­ge­nann­ten Fik­ti­ons­haf­tung ist ei­ne ju­ris­ti­sche Per­son ver­pflich­tet, ih­re Tä­tig­keit so zu or­ga­ni­sie­ren, dass für die Wahr­neh­mung be­stimm­ter wich­ti­ger Auf­ga­ben ein ver­fas­sungs­mä­ßig be­ru­fe­ner Ver­tre­ter i. S. des § 31 BGB zu­stän­dig ist, der die we­sent­li­chen Ent­schei­dun­gen selbst trifft. Ent­spricht die Or­ga­ni­sa­ti­on nicht die­sen An­for­de­run­gen, muss sie sich – oh­ne Ent­las­tungs­mög­lich­keit – so be­han­deln las­sen, als wä­re die tat­säch­lich mit der Auf­ga­be be­trau­te Per­son ein ver­fas­sungs­mä­ßig be­ru­fe­ner Ver­tre­ter (vgl. BGH, Urt. v. 30.01.1996 – VI ZR 408/94, BB 1996, 926 = ju­ris Rn. 10; Urt. v. 08.07.1980 – VI ZR 158/78, NJW 1980, 2810 = ju­ris Rn. 63; BeckOGK/​Of­fen­loch, Stand: 01.07.2021, § 31 BGB Rn. 121 ff.; Be­ckOK-BGB/​Schöpf­lin, Stand: 01.08.2021, § 31 Rn. 14; je­weils m. w. Nachw.; ab­leh­nend MünchKomm-BGB/​Leu­sch­ner, 9. Aufl., § 31 Rn. 33 m. w. Nachw.).

[27]   So­weit das Be­ru­fungs­ge­richt der Be­klag­ten vor­wirft, die Durch­füh­rung des Typ­ge­neh­mi­gungs­ver­fah­rens un­zu­läs­si­ger­wei­se auf die Volks­wa­gen AG über­tra­gen zu ha­ben, be­grün­det dies kei­ne „Fik­ti­ons­haf­tung“ der Be­klag­ten. Es ist be­reits nicht er­kenn­bar, dass ein ver­fas­sungs­mä­ßig be­ru­fe­ner Ver­tre­ter der Be­klag­ten das Typ­ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren aus haf­tungs­recht­li­chen Grün­den per­sön­lich hät­te durch­füh­ren müs­sen, wie die Re­vi­si­on zu Recht be­an­stan­det. Ins­be­son­de­re ist kei­ne be­son­de­re Scha­den­s­träch­tig­keit der Tä­tig­keit er­sicht­lich (vgl. da­zu BGH, Urt. v. 08.07.1980 – VI ZR 158/78, NJW 1980, 2810 = ju­ris Rn. 63). Zu­dem be­grün­de­te der vom Be­ru­fungs­ge­richt an­ge­nom­me­ne kör­per­schaft­li­che Or­ga­ni­sa­ti­ons­man­gel schon des­we­gen kei­ne Grund­la­ge für ei­ne Zu­rech­nung des Wis­sens der mit der Durch­füh­rung des Typ­ge­neh­mi­gungs­ver­fah­rens von der Volks­wa­gen AG be­trau­ten Per­so­nen, weil ei­ne Kennt­nis spe­zi­ell die­ser Per­so­nen von der „Um­schalt­lo­gik“ nicht fest­ge­stellt ist.

[28]   Ei­ne Haf­tung der Be­klag­ten ge­mäß §§ 826, 831 I 1 BGB schei­tert im hier frag­li­chen Zu­sam­men­hang schon dar­an, dass we­der die Volks­wa­gen AG noch die dort kon­kret mit der Durch­füh­rung des Typ­ge­neh­mi­gungs­ver­fah­rens be­fass­ten Per­so­nen als Ver­rich­tungs­ge­hil­fen der Be­klag­ten an­zu­se­hen sind. Es fehlt in­so­weit er­sicht­lich an der not­wen­di­gen Ab­hän­gig­keit und Wei­sungs­ge­bun­den­heit (vgl. nur BGH, Urt. v. 08.03.2021 – VI ZR 505/19, NJW 2021, 1669 Rn. 34 m. w. Nachw.).

[29]   (2) Recht­lich nicht trag­fä­hig ist auch die Er­wä­gung des Be­ru­fungs­ge­richts, die Be­klag­te sei ver­pflich­tet und in der La­ge ge­we­sen, den Mo­tor EA189 ei­gen­stän­dig auf Ge­set­zes­ver­stö­ße zu über­prü­fen und zu die­sem Zweck Aus­künf­te der Volks­wa­gen AG ein­zu­ho­len. Et­wai­ge Ver­säum­nis­se der Be­klag­ten in die­ser Hin­sicht könn­ten, wie die Re­vi­si­on zu Recht rügt, grund­sätz­lich nicht den für ei­ne Haf­tung aus § 826 BGB er­for­der­li­chen Vor­satz, son­dern le­dig­lich ei­nen Fahr­läs­sig­keits­vor­wurf be­grün­den.

[30]   (3) Das Be­ru­fungs­ge­richt hat je­doch un­ab­hän­gig von den ge­nann­ten Er­wä­gun­gen und selbst­stän­dig tra­gend die freie tatrich­ter­li­che Über­zeu­gung ge­mäß § 286 I 1 ZPO ge­won­nen, dass we­nigs­tens ein an der Ent­schei­dung über den Ein­satz des Mo­tors EA189 in Fahr­zeu­gen der Be­klag­ten be­tei­lig­ter Re­prä­sen­tant der Be­klag­ten i. S. des § 31 BGB von der – evi­dent un­zu­läs­si­gen (BGH, Beschl. v. 19.01.2021 – VI ZR 433/19, VersR 2021, 388 Rn. 17) – „Um­schalt­lo­gik“ ge­wusst ha­be. An die­se Fest­stel­lung ist das Re­vi­si­ons­ge­richt in Er­man­ge­lung ei­nes zu­läs­si­gen und be­grün­de­ten Re­vi­si­ons­an­griffs ge­mäß § 559 II ZPO ge­bun­den.

[31]   (a) Das Be­ru­fungs­ge­richt hat aus ver­schie­de­nen Um­stän­den – der be­son­de­ren Be­deu­tung des Mo­tors als „Kern­stück des Fahr­zeugs“, der Haf­tungs­re­le­vanz des se­ri­en­mä­ßi­gen Ein­sat­zes des Mo­tors EA189, der ei­ge­nen Be­fas­sung der Be­klag­ten mit der Ent­wick­lung und Her­stel­lung von Die­sel­mo­to­ren nebst Steue­rungs­tech­nik so­wie der Schwie­rig­keit und be­son­de­ren Be­deu­tung der Ein­hal­tung der Emis­si­ons­grenz­wer­te un­ter Be­rück­sich­ti­gung des grund­sätz­li­chen Ver­bots von Ab­schalt­ein­rich­tun­gen – den Schluss ge­zo­gen, dass „min­des­tens ein han­deln­der Re­prä­sen­tant an der Ent­schei­dung über die Ver­wen­dung der un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung be­tei­ligt“ ge­we­sen sei.

[32]   (b) Ge­mäß § 286 I 1 ZPO ist es grund­sätz­lich Sa­che des Tatrich­ters, un­ter Be­rück­sich­ti­gung des ge­sam­ten In­halts der Ver­hand­lun­gen und des Er­geb­nis­ses ei­ner et­wai­gen Be­weis­auf­nah­me nach frei­er Über­zeu­gung zu ent­schei­den, ob ei­ne tat­säch­li­che Be­haup­tung für wahr oder nicht wahr zu er­ach­ten ist. Das Re­vi­si­ons­ge­richt kann in­so­weit nur prü­fen, ob sich der Tatrich­ter mit dem Pro­zess­stoff um­fas­send und wi­der­spruchs­frei aus­ein­an­der­ge­setzt hat, die Wür­di­gung al­so voll­stän­dig und recht­lich mög­lich ist und nicht ge­gen Denk­ge­set­ze oder Er­fah­rungs­sät­ze ver­stößt (vgl. BGH, Urt. v. 06.06.2019 – I ZR 206/17, GRUR 2019, 1071 Rn. 46; Urt. v. 30.09.2014 – VI ZR 443/13, NJW 2015, 74 Rn. 11; Urt. v. 14.05.2014 – VII ZR 334/12, ZIP 2014, 1287 Rn. 16; je­weils m. w. Nachw.).

[33]   (c) Ei­nen Rechts­feh­ler in die­sem Sin­ne zeigt die Re­vi­si­on nicht auf.

[34]   (aa) Zu Un­recht rügt die Re­vi­si­on, dass die oben zi­tier­te Fest­stel­lung des Be­ru­fungs­ge­richts, ein Re­prä­sen­tant der Be­klag­ten sei „an der Ent­schei­dung über die Ver­wen­dung der un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung be­tei­ligt“ ge­we­sen, dem Um­stand wi­der­spre­che, dass die Ent­wick­lung des Mo­tors EA189 nebst Soft­ware un­strei­tig oh­ne Be­tei­li­gung ei­nes Mit­ar­bei­ters der Be­klag­ten er­folgt sei. Der ver­meint­li­che Wi­der­spruch be­steht nicht, da sich die Fest­stel­lung des Be­ru­fungs­ge­richts nicht auf die ur­sprüng­li­che Ent­wick­lung der „Um­schalt­lo­gik“ be­zieht, son­dern auf de­ren Ein­satz in Fahr­zeu­gen der Be­klag­ten. Die­ser Fest­stel­lungs­ge­halt folgt ein­deu­tig aus den üb­ri­gen Aus­füh­run­gen des Be­ru­fungs­ge­richts, et­wa der Er­wä­gung, ein Ein­bau des Mo­tors EA189 durch die Be­klag­te oh­ne ei­ge­ne Kennt­nis sei­ner we­sent­li­chen Merk­ma­le er­schei­ne aus­ge­schlos­sen.

[35]   (bb) Mit ih­rem wei­te­ren Ein­wand, bei der Ent­schei­dung der Be­klag­ten über den Ein­satz des Mo­tors sei­en zwar des­sen „Ei­gen­schaf­ten und (Leis­tungs-)Merk­ma­le“ von Be­deu­tung ge­we­sen, nicht aber die Fra­ge, mit wel­chen tech­ni­schen Maß­nah­men die Emis­si­ons­grenz­wer­te ein­ge­hal­ten wur­den, setzt die Re­vi­si­on le­dig­lich ih­re ei­ge­ne Wür­di­gung an die Stel­le der tatrich­ter­li­chen Wür­di­gung durch das Be­ru­fungs­ge­richt. Glei­ches gilt für den Ein­wand, das Be­ru­fungs­ge­richt ha­be halt­lo­se Spe­ku­la­tio­nen dar­über an­ge­stellt, für wel­che tech­ni­schen Fra­gen sich die in ei­nem Au­to­mo­bil­kon­zern über die Ver­wen­dung ei­nes Mo­tors ent­schei­den­den Per­so­nen in­ter­es­sier­ten. In­so­weit be­ste­hen ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Re­vi­si­on ins­be­son­de­re kei­ne Be­den­ken un­ter dem Ge­sichts­punkt ei­ner zu Un­recht an­ge­maß­ten Sach­kun­de (vgl. et­wa BGH, Urt. v. 29.01.2019 – VI ZR 113/17, BGHZ 221, 43 Rn. 32 m. w. Nachw.). Denn das Be­ru­fungs­ge­richt hat le­dig­lich all­ge­mei­ne Über­le­gun­gen an­ge­stellt, die kein be­son­de­res Fach­wis­sen vor­aus­set­zen.

[36]   (cc) Der Ein­wand der Re­vi­si­on, es kön­ne nicht oh­ne Wei­te­res un­ter­stellt wer­den, dass die Volks­wa­gen AG die „Um­schalt­lo­gik“ auf Nach­fra­ge der Be­klag­ten of­fen­ge­legt hät­te, ist un­er­heb­lich. Denn das Be­ru­fungs­ge­richt hat, wie dar­ge­legt, die Über­zeu­gung ge­won­nen, dass min­des­tens ein Re­prä­sen­tant der Be­klag­ten tat­säch­lich Kennt­nis be­saß.

[37]   (dd) Ver­fah­rens­feh­ler­frei hat das Be­ru­fungs­ge­richt die Fest­stel­lung ge­trof­fen, dass das Span­nungs­ver­hält­nis zwi­schen kos­ten­güns­ti­ger Pro­duk­ti­on und Be­gren­zung der Stick­oxid­emis­sio­nen sei­ner­zeit all­ge­mein be­kannt ge­we­sen sei. Die Re­vi­si­on rügt in­so­weit zu Un­recht, das Be­ru­fungs­ge­richt ha­be sich auf ei­ne ver­meint­li­che Of­fen­kun­dig­keit i. S. von § 291 ZPO ge­stützt, oh­ne of­fen­zu­le­gen, wor­aus sich die­se er­ge­be.

[38]   Zwar ist der Tatrich­ter grund­sätz­lich ge­hal­ten, ei­ne an­ge­nom­me­ne Of­fen­kun­dig­keit i. S. von § 291 ZPO zu be­grün­den, da­mit das Re­vi­si­ons­ge­richt über­prü­fen kann, ob die An­nah­me auf zu­tref­fen­den recht­li­chen An­schau­un­gen be­ruht (vgl. BGH, Urt. v. 08.03.2021 – VI ZR 505/19, NJW 2021, 1669 Rn. 31 m. w. Nachw.). Im Streit­fall war ei­ne sol­che Be­grün­dung in­des ent­behr­lich, denn es liegt auf der Hand, dass die Ein­hal­tung der für den Mo­tor EA189 re­le­van­ten Stick­oxid­grenz­wer­te un­ter Be­rück­sich­ti­gung des grund­sätz­li­chen Ver­bots von Ab­schalt­ein­rich­tun­gen ei­ne Her­aus­for­de­rung dar­stell­te, die je­dem Kraft­fahr­zeug­her­stel­ler, der sich – wie die Be­klag­te – mit der Ent­wick­lung von Die­sel­mo­to­ren be­fass­te, be­kannt war. Letzt­lich stellt die Re­vi­si­on dies selbst nicht in Ab­re­de, denn sie wen­det sich nicht aus­drück­lich ge­gen die wei­te­re Fest­stel­lung des Be­ru­fungs­ge­richts, dass die Ein­hal­tung der Grenz­wer­te un­ter Kraft­fahr­zeug­her­stel­lern zur frag­li­chen Zeit so­gar ein „Haupt­the­ma“ ge­we­sen sei.

[39]   (ee) Auf die Trag­fä­hig­keit der von der Re­vi­si­on be­an­stan­de­ten Er­wä­gung des Be­ru­fungs­ge­richts, ei­ne Kennt­nis der Be­klag­ten von der „Um­schalt­lo­gik“ er­ge­be sich zu­dem dar­aus, dass es sich um ei­ne Fort­ent­wick­lung ei­ner bei der Be­klag­ten ent­wi­ckel­ten „Akus­tik­funk­ti­on“ han­de­le, kommt es nicht an. Denn die oben dar­ge­leg­te, auf all­ge­mei­nen Über­le­gun­gen be­ru­hen­de Über­zeu­gungs­bil­dung des Be­ru­fungs­ge­richts ist da­von un­ab­hän­gig.

[40]   (ff) Un­be­grün­det ist schließ­lich auch die Rü­ge der Re­vi­si­on, bei der in den Jah­ren 2005/​2006 ge­trof­fe­nen Ent­schei­dung des Pro­dukt-Stra­te­gie-Ko­mi­tees der Be­klag­ten, den Mo­tor EA189 ein­zu­set­zen, kön­ne den­klo­gisch noch kei­ne Kennt­nis von der „Um­schalt­lo­gik“ be­stan­den ha­ben, da die Volks­wa­gen AG nach dem Vor­trag des Klä­gers erst 2007/​2008 über die Fort­ent­wick­lung ei­ner „frü­he­ren Um­schalt­lo­gik“ ent­schie­den ha­be. Die Er­wä­gun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts be­tref­fen nicht nur die 2005/​2006 ge­trof­fe­ne Grund­ent­schei­dung des Pro­dukt-Stra­te­gie-Ko­mi­tees, son­dern die fort­ge­setz­te Ver­wen­dung des Mo­tors EA189, ins­be­son­de­re die ge­son­der­ten, auf den je­wei­li­gen Fahr­zeug­typ be­zo­ge­nen Ver­wen­dungs­ent­schei­dun­gen des Ko­mi­tees.

[41]   (4) Ob die vom Be­ru­fungs­ge­richt fest­ge­stell­ten An­halts­punk­te für ei­ne Kennt­nis der Be­klag­ten von der „Um­schalt­lo­gik“ ei­ne se­kun­dä­re Dar­le­gungs­last der Be­klag­ten be­grün­den (vgl. BGH, Urt. v. 16.09.2021 – VII ZR 192/20, WM 2021, 2056 Rn. 24 ff.; Urt. v. 08.03.2021 – VI ZR 505/19, NJW 2021, 1669 Rn. 28 ff.) und ob die Be­klag­te die­ser Dar­le­gungs­last ge­ge­be­nen­falls ge­nügt hat, kann da­hin­ste­hen. Denn das Be­ru­fungs­ge­richt hat sich, wie dar­ge­legt, nicht al­lein we­gen der An­nah­me ei­nes un­zu­rei­chen­den Be­strei­tens der Be­klag­ten (§ 138 III ZPO), son­dern un­ab­hän­gig da­von auf­grund ei­ner frei­en, das Re­vi­si­ons­ge­richt bin­den­den Über­zeu­gungs­bil­dung ge­mäß § 286 I 1 ZPO die tatrich­ter­li­che Über­zeu­gung von der Kennt­nis der Be­klag­ten ver­schafft.

[42]   b) Rechts­feh­ler­frei und von der Re­vi­si­on un­be­an­stan­det ist das Be­ru­fungs­ge­richt wei­ter zu dem Er­geb­nis ge­langt, dass dem Klä­ger durch das sit­ten­wid­ri­ge Ver­hal­ten der Be­klag­ten ein – vom spä­te­ren Soft­ware­up­date un­be­rührt ge­blie­be­ner – Scha­den in Ge­stalt ei­ner un­ge­woll­ten Ver­bind­lich­keit ent­stan­den sei, da das Fahr­zeug auf­grund der „Um­schalt­lo­gik“ von ei­ner Be­triebs­be­schrän­kung oder -un­ter­sa­gung be­droht ge­we­sen sei und der Klä­ger das Fahr­zeug in Kennt­nis der Sach­la­ge nicht er­wor­ben hät­te (vgl. BGH, Urt. v. 30.07.2020 – VI ZR 397/19, NJW 2020, 2806 Rn. 16, NJW 2020, 2806; Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 44 ff.).

[43]   c) Eben­falls oh­ne Rechts­feh­ler hat das Be­ru­fungs­ge­richt ei­nen Schä­di­gungs­vor­satz des oder der ver­ant­wort­lich han­deln­den, von der „Um­schalt­lo­gik“ wis­sen­den Re­prä­sen­tan­ten der Be­klag­ten fest­ge­stellt. Die An­nah­me ei­nes auf den un­ge­woll­ten Ver­trags­schluss be­zo­ge­nen Schä­di­gungs­vor­sat­zes ent­spricht der Le­bens­er­fah­rung (vgl. BGH, Urt. v. 30.07.2020 – VI ZR 397/19, NJW 2020, 2806 Rn. 18; Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 60 ff.).

[44]   d) Hin­sicht­lich der Hö­he des Zug um Zug ge­gen Her­aus­ga­be und Über­eig­nung des Fahr­zeugs zu er­fül­len­den Scha­dens­er­satz­an­spruchs des Klä­gers rügt die Re­vi­si­on kei­ne Rechts­feh­ler, sol­che sind auch nicht er­sicht­lich.

[45]   2. Der vom Be­ru­fungs­ge­richt zu­er­kann­te Zins­an­spruch des Klä­gers in Hö­he von fünf Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz aus 18.058,66 € seit dem 19.02.2019 folgt aus §§ 291, 288 I 2 BGB.

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