1. Ein Kraft­fahr­zeug – hier: ein Au­di Q7 3.0 TDI –, das bei sei­ner Her­stel­lung mit ei­ner un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung i. S. von Art. 3 Nr. 10, Art. 5 II der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 ver­se­hen wur­de, ist man­gel­haft, weil we­gen der Ge­fahr ei­ner be­hörd­li­chen Be­trieb­be­schrän­kung oder -un­ter­sa­gung (§ 5 I FZV) sein wei­te­rer (un­ge­stör­ter) Be­trieb im öf­fent­li­chen Stra­ßen­ver­kehr nicht ge­währ­leis­tet ist und sich das Fahr­zeug da­her nicht für die ge­wöhn­li­che Ver­wen­dung i. S. von § 434 I 2 Nr. 2 BGB eig­net (vgl. BGH, Beschl. v. 08.01.2019 – VI­II ZR 225/17, NJW 2019, 1133 Rn. 17 ff.).
  2. Dass ein Fahr­zeug­her­stel­ler – hier: die AU­DI AG – be­wusst „se­ri­en­mä­ßig“ mit ei­nem Sach­man­gel ver­se­he­ne Fahr­zeu­ge in den Ver­kehr bringt, ist je­den­falls dann sit­ten­wid­rig i. S. von § 826 BGB, wenn die Man­gel­haf­tig­keit evi­dent ist. Das ist der Fall, wenn die Ver­wen­dung der Ab­schalt­ein­rich­tung ganz of­fen­sicht­lich nicht ge­mäß Art. 5 II 2 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 aus­nahms­wei­se zu­läs­sig ist.

LG Ber­lin, Ur­teil vom 23.04.2021 – 3 O 550/20

Sach­ver­halt: Der Klä­ger kauf­te von der Au­di Zen­trum Nürn­berg-Ma­ri­en­berg GmbH am 24.05.2017 für 66.000 € ei­nen ge­brauch­ten Pkw Au­di Q7 3.0 TDI, der da­mals ei­ne Lauf­leis­tung von 47.550 km auf­wies. Auf den Kauf­preis zahl­te der Klä­ger 13.365 €. Zur Fi­nan­zie­rung des rest­li­chen Kauf­prei­ses ließ er sich von der Au­di Bank, ei­ner Zweig­nie­der­las­sung der Volks­wa­gen Bank GmbH ein Dar­le­hen ge­wäh­ren, wo­bei Zin­sen in Hö­he von 2.668,14 € ver­ein­bart wur­den und für ei­nen Kre­dit­schutz­brief Kos­ten in Hö­he von 1.815,94 € an­fie­len.

Das Dar­le­hen lös­te der Klä­ger spä­ter vor­zei­tig ab. In die­sem Zu­sam­men­hang wur­den ihm 420,63 € und 12,92 € er­stat­tet, so­dass er ins­ge­samt Til­gungs- und Zins­leis­tun­gen in Hö­he von 56.685,53 € er­brach­te.

Der von der be­klag­ten AU­DI AG her­ge­stell­te Au­di Q7 3.0 TDI ist mit ei­nem – eben­falls von der Be­klag­ten her­ge­stell­ten – Drei-Li­ter-Die­sel­mo­tor aus­ge­stat­tet. Für den Fahr­zeug­typ wur­de ei­ne Typ­ge­neh­mi­gung mit der Schad­stoff­klas­se Eu­ro 5 er­teilt. Bei nied­ri­ge­ren Tem­pe­ra­tu­ren wird die bei dem Pkw zur Ab­gas­rei­ni­gung ein­ge­setz­te Ab­gas­rück­füh­rung re­du­ziert („Ther­mo­fens­ter“). Das Fahr­zeug ist Ge­gen­stand ei­nes vom Kraft­fahrt-Bun­des­amt an­ge­ord­ne­ten Rück­rufs; ein von der Be­klag­ten ent­wi­ckel­tes und vom Kraft­fahrt-Bun­des­amt frei­ge­ge­be­nes Soft­ware­up­date wur­de in­stal­liert.

Der – an­walt­lich ver­tre­te­ne – Klä­ger for­der­te die Be­klag­te un­ter dem 05.12.2019 auf, ihm Zug um Zug ge­gen Über­ga­be des Au­di Q7 3.0T­DI den Kauf­preis zu er­set­zen. Er be­haup­tet, der Pkw sei je­den­falls ur­sprüng­lich mit un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tun­gen aus­ge­stat­tet ge­we­sen; nur des­halb ha­be er die ein­schlä­gi­gen Eu­ro-6-Emis­si­ons­grenz­wer­te auf dem Prüf­stand ein­ge­hal­ten. Das Fahr­zeug er­ken­ne un­ter an­de­rem an­hand des Lenk­win­kels, ob es auf ei­nem Prüf­stand ei­nem Emis­si­ons­test un­ter­zo­gen wer­de. In die­sem Fall wer­de mit­tels ei­ner be­son­de­ren Auf­heiz­stra­te­gie, die ein schnel­les Auf­hei­zen der Ab­gas­nach­be­hand­lungs­sys­te­me be­wir­ke, die Ab­gas­rück­füh­rungs­ra­te er­höht. Au­ßer­dem wer­de die Harn­stoff-Ein­do­sie­rung im SCR-Ka­ta­ly­sa­tor er­höht, und zwar je­den­falls für die Dau­er von 3.000 Se­kun­den, so­dass der Prüf­zy­klus (Neu­er Eu­ro­päi­scher Fahr­zy­klus – NEFZ) von der Er­hö­hung er­fasst sei. Das „Ther­mo­fens­ter“ – so be­haup­tet der Klä­ger – die­ne nur der Kos­ten­re­du­zie­rung oder da­zu, Kon­struk­ti­ons­ein­schrän­kun­gen zu be­sei­ti­gen. Sämt­li­che Ab­schalt­ein­rich­tun­gen sei­en ge­gen­über dem Kraft­fahrt-Bun­des­amt we­der im Typ­ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren noch spä­ter of­fen­ge­legt wor­den. Die Ent­schei­dung, un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tun­gen zu ver­wen­den, sei un­ter Ein­be­zie­hung des Vor­stands der Be­klag­ten – ins­be­son­de­re des da­ma­li­gen Vor­stands­vor­sit­zen­den Stad­ler – ge­trof­fen wor­den.

Nach­dem der Klä­ger die Be­klag­te zu­nächst auf Zah­lung von 70.050,53 € zu­züg­lich Zin­sen und ab­züg­lich ei­ner Nut­zungs­ent­schä­di­gung, Zug um Zug ge­gen Über­eig­nung des streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw in An­spruch ge­nom­men hat­te, hat er zu­letzt die Zah­lung von 45.543 € nebst Zin­sen ver­langt. Au­ßer­dem hat der Klä­ger zu­letzt – un­ver­än­dert – die Fest­stel­lun­gen be­gehrt, dass die Be­klag­te mit der An­nah­me des Au­di Q7 3.0 TDI in Ver­zug sei und ihm, dem Klä­ger, al­le Schä­den er­set­zen müs­se, die ihm im Zu­sam­men­hang mit der un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung zur Re­du­zie­rung des Stick­oxid­aus­sto­ßes ent­stan­den sei­en und und künf­tig ent­ste­hen wür­den. Schließ­lich hat der Klä­ger er­rei­chen wol­len, dass ihn die Be­klag­te von au­ßer­ge­richt­lich an­ge­fal­le­nen Rechts­an­walts­kos­ten in Hö­he von 2.994 € frei­stel­len muss. Im Üb­ri­gen hat er den Rechts­streit in der Haupt­sa­che für er­le­digt er­klärt.

Dem hat die Be­klag­te wi­der­spro­chen und be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen. Sie hat gel­tend ge­macht, das „Ther­mo­fens­ter“, das bei dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug zum Ein­satz kom­me, sei zum Schutz des Mo­tors er­for­der­lich und des­halb zu­läs­sig. Der vom Kraft­fahrt-Bun­des­amt an­ge­ord­ne­te Rück­ruf be­zie­he sich nicht auf das „Ther­mo­fens­ter“, son­dern das Fahr­zeug sol­le bes­ser er­ken­nen, dass der Ad­Blue-Tank falsch be­füllt wer­de. Dem Klä­ger sei über­dies kein Scha­den ent­stan­den. Denn we­gen ei­nes mit Bank ver­ein­bar­ten „ver­brief­ten Rück­ga­be­rechts“ hät­te er den Au­di Q7 3.0 TDI oh­ne Rest­wer­t­ri­si­ko nach Ab­lauf der Lauf­zeit des Dar­le­hens­ver­trags zu­rück­zu­ge­ben kön­nen.

Die Kla­ge hat­te teil­wei­se Er­folg.

Aus den Grün­den: I. Die Kla­ge ist nur zum Teil zu­läs­sig. …

2. Die Kla­ge ist hin­sicht­lich des Kla­ge­an­trags zu 4 un­zu­läs­sig, da ein recht­li­ches In­ter­es­se an der als­bal­di­gen Fest­stel­lung (§ 256 I ZPO) nicht be­steht. Der Scha­den ist – wie der Kla­ge­an­trag zu 1 zeigt – grund­sätz­lich be­zif­fer­bar, so­dass die Leis­tungs­kla­ge vor­ran­gig ist. Der Klä­ger hat nicht schlüs­sig dar­ge­tan, wel­che wei­te­ren Schä­den aus dem Fahr­zeu­ger­werb zu be­fürch­ten, mög­lich und von den ma­te­ri­el­len Haf­tungs­vor­aus­set­zun­gen des § 826 BGB (oder ei­ner an­de­ren An­spruchs­grund­la­ge) um­fasst sei­en (vgl. BGH, Urt. v. 30.07.2020 – VI ZR 397/19, ju­ris Rn. 29).

So­weit der Klä­ger meint, es ge­be ei­ne Un­si­cher­heit be­züg­lich ei­ner mög­li­chen Ent­schei­dung des EuGH zum Nut­zungs­er­satz, der zu ei­nem an­de­ren Er­geb­nis als der BGH kom­men kön­ne, lässt sich auch hier­mit kein Fest­stel­lungs­in­ter­es­se be­grün­den. Denn dem Klä­ger wä­re es oh­ne Wei­te­res mög­lich, schon zum heu­ti­gen Zeit­punkt ei­nen be­zif­fer­ten Kla­ge­an­trag oh­ne An­rech­nung von Nut­zungs­er­satz zur Ent­schei­dung zu stel­len; er will dies nur des­halb nicht tun, weil er be­fürch­tet, dass der Rechts­streit heu­te an­ge­sichts der be­kann­ten Recht­spre­chung des BGH zu sei­nen Un­guns­ten aus­ge­hen wür­de, und er auf ei­ne Recht­spre­chungs­än­de­rung in der Zu­kunft hofft. Dies stellt kein an­er­ken­nens­wer­tes recht­li­ches In­ter­es­se dar. …

II. So­weit die Kla­ge mit den Haupt­an­trä­gen zu­läs­sig ist, ist sie im aus dem Te­nor er­sicht­li­chen Um­fang be­grün­det und im Üb­ri­gen un­be­grün­det.

1. Der Klä­ger hat ge­gen die Be­klag­te dem Grun­de nach ei­nen An­spruch aus § 826 BGB.

a) Die Be­klag­te hat den Klä­ger sit­ten­wid­rig ge­schä­digt.

aa) Sit­ten­wid­rig ist ein Ver­hal­ten, das nach sei­nem Ge­samt­cha­rak­ter, der durch um­fas­sen­de Wür­di­gung von In­halt, Be­weg­grund und Zweck zu er­mit­teln ist, ge­gen das An­stands­ge­fühl al­ler bil­lig und ge­recht Den­ken­den ver­stößt. Da­für ge­nügt es im All­ge­mei­nen nicht, dass der Han­deln­de ei­ne Pflicht ver­letzt und ei­nen Ver­mö­gens­scha­den her­vor­ruft. Viel­mehr muss ei­ne be­son­de­re Ver­werf­lich­keit sei­nes Ver­hal­tens hin­zu­tre­ten, die sich aus dem ver­folg­ten Ziel, den ein­ge­setz­ten Mit­teln, der zu­ta­ge ge­tre­te­nen Ge­sin­nung oder den ein­ge­tre­te­nen Fol­gen er­ge­ben kann (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 = ju­ris Rn. 15).

bb) Das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug wies bei Aus­lie­fe­rung ei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung, die die Wir­kung von Emis­si­ons­kon­troll­sys­te­men ver­rin­ger­te, i. S. von Art. 5 II der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 auf.

Die Be­klag­te stellt in ih­rem Vor­trag nur dar­auf ab, dass es kei­nen Rück­ruf des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes we­gen un­zu­läs­si­ger Ab­schalt­ein­rich­tun­gen ge­be und das „Ther­mo­fens­ter“ kei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung sei. Ei­ne kon­kre­te Aus­ein­an­der­set­zung der Be­klag­ten mit dem klä­ge­ri­schen Vor­trag zur Prüf­stands­er­ken­nung und den dar­auf­hin ak­ti­vier­ten Stra­te­gi­en fehlt je­doch, so­dass der Vor­trag als zu­ge­stan­den gilt (§ 138 II und III ZPO; vgl. OLG Frank­furt a. M., Urt. v. 24.02.2021 – 4 U 257/19, ju­ris Rn. 28).

cc) Ein mit ei­ner un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung ver­se­he­nes Fahr­zeug ist sach­man­gel­haft, weil es sich we­gen der Ge­fahr von Be­triebs­be­schrän­kun­gen oder -un­ter­sa­gun­gen nicht zur ge­wöhn­li­chen Ver­wen­dung i. S. von § 434 I 2 Nr. 2 BGB eig­net (vgl. BGH, Hin­weis­be­schl. v. 08.01.2019 – VI­II ZR 225/17, NJW 2019, 1133 Rn. 17; Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 = ju­ris Rn. 19–21).

dd) Das be­wuss­te In­ver­kehr­brin­gen von se­ri­en­mä­ßig mit ei­nem Sach­man­gel ver­se­he­nen Fahr­zeu­gen ist je­den­falls dann als ob­jek­tiv sit­ten­wid­rig zu be­ur­tei­len, wenn die Man­gel­haf­tig­keit evi­dent ist. So ist es hier, denn die Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne Aus­nah­me nach Art. 5 II 2 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 lie­gen ganz of­fen­sicht­lich nicht vor. Un­ter kei­nem recht­li­chen Ge­sichts­punkt ist, wie oben aus­ge­führt, das Ein­grei­fen ei­nes Aus­nah­me­tat­be­stands auch nur denk­bar; die Be­klag­te macht Der­ar­ti­ges zu­dem selbst nicht gel­tend.

b) Ver­ant­wort­lich hier­für war der Vor­stand der Be­klag­ten, des­sen vor­sätz­li­ches Ver­hal­ten auch be­züg­lich der Schä­di­gung der Fahr­zeug­käu­fer der Be­klag­ten zu­zu­rech­nen ist (§ 31 BGB). Die Be­klag­te ist ih­rer se­kun­dä­ren Dar­le­gungs­last nicht nach­ge­kom­men, weil der Klä­ger hin­rei­chen­de An­halts­punk­te für ei­ne Kennt­nis des Vor­stands von der Ver­wen­dung der un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung vor­ge­tra­gen hat (die Funk­ti­ons­wei­se er­gab sich auch für tech­ni­sche Lai­en ver­ständ­lich aus in­ter­nen Un­ter­la­gen der Be­klag­ten), be­son­de­re Schwie­rig­kei­ten des Klä­gers be­ste­hen, kon­kre­te Tat­sa­chen dar­zu­le­gen, aus de­nen sich die Kennt­nis ei­nes be­stimm­ten Vor­stands­mit­glieds er­gibt, und es der Be­klag­ten mög­lich und zu­mut­bar ge­we­sen wä­re dar­zu­le­gen, über wel­che Er­kennt­nis­se sie dies­be­züg­lich ver­fügt und wel­che Er­mitt­lun­gen sie mit wel­chem Er­geb­nis in­so­weit an­ge­stellt hat (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 = ju­ris Rn. 35–43, 61–63).

c) Dem Klä­ger ist durch das sit­ten­wid­ri­ge Ver­hal­ten der Be­klag­ten ein Scha­den ent­stan­den, der in dem Ab­schluss des Kauf­ver­trags über das be­makel­te Fahr­zeug liegt. Der Klä­ger hat durch den un­ge­woll­ten Ver­trags­schluss ei­ne Leis­tung er­hal­ten, die für sei­ne Zwe­cke nicht voll brauch­bar war. Das Ge­richt ist da­von über­zeugt (§ 286 I ZPO), dass der Klä­ger den Kauf­ver­trag in Kennt­nis der il­le­ga­len Ab­schalt­ein­rich­tung nicht ab­ge­schlos­sen hät­te. Es ist nach der Le­bens­er­fah­rung aus­ge­schlos­sen, das ein Käu­fer ein Fahr­zeug er­wirbt, wel­ches hin­sicht­lich des zen­tra­len Be­stand­teils mit ei­nem vor­sätz­lich her­ge­stell­ten Se­ri­en­man­gel aus­ge­stat­tet ist, ins­be­son­de­re dann, wenn ei­ne Be­triebs­be­schrän­kung oder -un­ter­sa­gung droht und im Zeit­punkt des Er­werbs in kei­ner Wei­se ab­seh­bar ist, ob die­ses Pro­blem be­ho­ben wer­den kann (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 = ju­ris Rn. 44–55).

2. Dem Klä­ger ist ein Scha­den in Hö­he des mit dem Kla­ge­an­trag zu 1 noch ver­lang­ten Be­trags ent­stan­den.

a) Der Klä­ger kann grund­sätz­lich Scha­den­er­satz in Hö­he des für das Fahr­zeug ge­zahl­ten Kauf­prei­ses so­wie der auf­ge­wand­ten Dar­le­hens­kos­ten gel­tend ma­chen, Zug um Zug ge­gen Über­ga­be und Über­eig­nung des Fahr­zeugs (§ 249 I BGB). Ob das durch­ge­führ­te Soft­ware­up­date das Pro­blem nach­fol­gend tat­säch­lich be­ho­ben hat, ist un­er­heb­lich, weil der mit dem Ver­trags­schluss ent­stan­de­ne Scha­dens­er­satz­an­spruch nicht nach­träg­lich auf­grund neue­rer Um­stän­de er­lischt (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 = ju­ris Rn. 58). Wel­che Rech­te der Dar­le­hens­ver­trag dem Klä­ger ver­mit­telt hat, ist un­er­heb­lich, weil er ver­lan­gen kann, so ge­stellt zu wer­den, als hät­te er we­der den Kauf- noch den Dar­le­hens­ver­trag ab­ge­schlos­sen.

b) Der Klä­ger muss sich die ge­zo­ge­nen Nut­zungs­vor­tei­le an­rech­nen las­sen (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 = ju­ris Rn. 64–77). Das Ge­richt schätzt die­se (§ 287 I ZPO), in­dem der Brut­to­kauf­preis durch die vor­aus­sicht­li­che Rest­lauf­leis­tung im Er­werbs­zeit­punkt ge­teilt und die­ser Wert mit den ge­fah­re­nen Ki­lo­me­tern mul­ti­pli­ziert wird, da die­se höchst­rich­ter­lich an­er­kann­te Me­tho­de (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 = ju­ris Rn. 80–82) sach­ge­recht ist, weil sie un­mit­tel­bar auf das schä­di­gen­de Er­eig­nis ab­zielt und so­wohl die zu­ge­flos­se­nen Nut­zungs­vor­tei­le als auch den Wert­ver­lust des Fahr­zeugs be­rück­sich­tigt.

Das Ge­richt geht von ei­ner vor­aus­sicht­li­chen Ge­samt­lauf­leis­tung von 300.000 km aus und be­rück­sich­tigt da­bei, dass heut­zu­ta­ge Fahr­zeu­ge lang­jäh­ri­ger Nut­zung in Deutsch­land viel­fach in das Aus­land ver­kauft und dort noch ge­rau­me Zeit wei­ter­ge­nutzt wer­den. Zum Kauf­zeit­punkt be­trug die vor­aus­sicht­li­che Rest­lauf­leis­tung 252.450 km. Auf der Grund­la­ge des Nut­zungs­ver­hal­tens des Klä­gers schätzt das Ge­richt, dass er vom Zeit­punkt der Ab­le­sung am Vor­tag der münd­li­chen Ver­hand­lung bis zum Schluss der münd­li­chen Ver­hand­lung wei­te­re 55 km, ins­ge­samt al­so 78.278 km, zu­rück­ge­legt hat. Zu rech­nen ist da­her: {\frac{\text{70.050,53 €}\times\text{78.278 km}}{\text{252.450 km}}} = 21.720,80 €.

Es ver­bleibt ein Be­trag von 48.329,73 €, so­dass dem Klä­ger der noch ge­for­der­te Be­trag zu­zu­spre­chen war.

3. Der An­spruch auf Ver­zugs­zin­sen ist erst ab Rechts­hän­gig­keit be­grün­det (§§ 286 I, 288 I BGB). Ei­ne Ver­zin­sung ab Ver­trags­schluss schei­det aus, weil die Vor­aus­set­zun­gen des § 286 II Nr. 4 BGB nicht vor­lie­gen. Durch das vor­ge­richt­li­che An­walts­schrei­ben ist die Be­klag­te nicht in Ver­zug ge­ra­ten, weil der Klä­ger we­der die ge­for­der­te Sum­me kon­kret be­nannt noch den Ab­zug von Nut­zungs­vor­tei­len an­ge­bo­ten hat.

4. Der An­trag auf Fest­stel­lung des An­nah­me­ver­zugs ist be­grün­det. Die Be­klag­te be­fin­det sich ge­mäß § 293 BGB mit der An­nah­me der ihr an­ge­bo­te­nen Leis­tun­gen in Ver­zug. Das in der Stel­lung des Zug-um-Zug-An­trags in der münd­li­chen Ver­hand­lung lie­gen­de wört­li­che An­ge­bot des Klä­gers war ge­mäß § 295 Satz 1 Fall 1 BGB aus­rei­chend, weil die Be­klag­te be­reits zu­vor durch An­kün­di­gung des Kla­ge­ab­wei­sungs­an­trags er­klärt hat­te, dass sie Leis­tun­gen des Klä­gers nicht an­neh­men wer­de.

Ei­ne er­heb­li­che Zu­viel­for­de­rung des Klä­gers liegt nicht vor. Der Klä­ger hat zu­letzt in der Haupt­sa­che 45.543 € ver­langt, ob­wohl er nach der obi­gen Be­rech­nung 48.329,73 € hät­te be­an­spru­chen kön­nen (Dif­fe­renz: 2.786,73 €). Die Zu­viel­for­de­rung des Klä­gers be­trägt hin­sicht­lich der Zin­sen noch 6.719,09 € (fünf Pro­zent­punk­te über dem Ba­sis­zins­satz aus 45.543 € vom 24.05.2017 bis zum 21.12.2020) und liegt per Sal­do bei wirt­schaft­lich ins­ge­samt 3.932,36 €, al­so we­ni­ger als zehn Pro­zent der be­rech­tig­ten For­de­rung.

5. Die Er­le­di­gung der Haupt­sa­che war nur in Hö­he von 1.284,19 € fest­zu­stel­len. Auf­grund des Nut­zungs­ver­hal­tens wird ge­schätzt, dass der Ki­lo­me­ter­stand im Zeit­punkt der Rechts­hän­gig­keit bei 121.200 lag, so­dass der Klä­ger wäh­rend der Zeit der Rechts­hän­gig­keit bis zum Schluss der münd­li­chen Ver­hand­lung 4.628 km zu­rück­ge­legt hat. Zu rech­nen ist da­her: {\frac{\text{70.050,53 €}\times\text{4.628 km}}{\text{252.450 km}}} = 1.284,19 €.

6. Ein An­spruch auf Er­satz vor­ge­richt­li­cher Rechts­an­walts­kos­ten ist un­ter Be­rück­sich­ti­gung der An­for­de­run­gen der höchst­rich­ter­li­chen Recht­spre­chung (vgl. BGH, Urt. v. 22.01.2019 – VI ZR 402/17, ju­ris Rn. 10 ff.) nicht schlüs­sig dar­ge­tan. Es ist nicht vor­ge­tra­gen, dass der Klä­ger sei­nen Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten zu­nächst ei­nen au­ßer­ge­richt­li­chen Auf­trag er­teilt hat, da­bei die Ab­rech­nung nach RVG-Ge­büh­ren ver­ein­bart wor­den ist und ein au­ßer­ge­richt­li­cher Auf­trag aus der Sicht des Ge­schä­dig­ten mit Rück­sicht auf sei­ne spe­zi­el­le Si­tua­ti­on zur Wahr­neh­mung sei­ner Rech­te er­for­der­lich und zweck­mä­ßig war. Ins­be­son­de­re ist auf­grund der Viel­zahl der Par­al­lel­ver­fah­ren ge­gen die Be­klag­te vor dem LG Ber­lin be­kannt, dass ein au­ßer­ge­richt­li­ches Vor­ge­hen ge­gen sie grund­sätz­lich nicht Er­folg ver­spre­chend ist. Grün­de, wes­halb ein au­ßer­ge­richt­li­ches Vor­ge­hen vor­lie­gend den­noch zweck­mä­ßig war, hat der Klä­ger nicht dar­ge­tan.

Ei­nes ge­richt­li­chen Hin­wei­ses be­durf­te es nicht, da nur ei­ne Ne­ben­for­de­rung be­trof­fen ist. …

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