1. Das Ver­hal­ten der für ei­nen Kraft­fahr­zeug­her­stel­ler (hier: die Daim­ler AG) han­deln­den Per­so­nen ist nicht schon des­halb als sit­ten­wid­rig i. S. von § 826 BGB zu qua­li­fi­zie­ren, weil sie ei­nen Mo­tor­typ (hier: OM 651) auf­grund ei­ner grund­le­gen­den un­ter­neh­me­ri­schen Ent­schei­dung mit ei­ner tem­pe­ra­tur­ab­hän­gi­gen Steue­rung des Emis­si­ons­kon­troll­sys­tems („Ther­mo­fens­ter“) aus­ge­stat­tet und in den Ver­kehr ge­bracht ha­ben. Hier­für be­darf es viel­mehr wei­te­rer Um­stän­de. Die­se kön­nen dann ge­ge­ben sein, wenn das Ther­mo­fens­ter be­wusst auf die Be­din­gun­gen des Neu­en Eu­ro­päi­schen Fahr­zy­klus (NEFZ) ab­ge­stimmt wor­den ist, so­dass – oh­ne dass die für den Schutz des Mo­tors er­for­der­lich ist – die Ab­gas­rück­füh­rungs­ra­te dann ver­gleichs­wei­se hoch und der Stick­oxid­aus­stoß dann ver­gleichs­wei­se nied­rig ist, wenn das Fahr­zeug auf ei­nem Prüf­stand ei­nen Emis­si­ons­test ab­sol­viert, und wenn die­ser Um­stand im Typ­ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren ver­schwie­gen wur­de.
  2. Ein Käu­fer, der sub­stan­zi­iert be­haup­tet, in sei­nem Fahr­zeug kom­me ein Ther­mo­fens­ter zum Ein­satz, das ex­akt auf die Be­din­gun­gen des Neu­en Eu­ro­päi­schen Fahr­zy­klus (NEFZ) ab­ge­stimmt sei, oh­ne dass dies zum Schutz des Mo­tors er­for­der­lich sei, und der auf ei­nen vom Kraft­fahrt-Bun­des­amt (KBA) an­ge­ord­ne­ten, sein Fahr­zeug be­tref­fen­den Rück­ruf so­wie Rück­ru­fe ver­weist, die ver­gleich­bar aus­ge­stat­te­te Fahr­zeu­ge be­tref­fen, trägt hin­rei­chend zum Vor­han­den­sein ei­ner un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung i. S. von Art. 3 Nr. 10, Art. 5 II der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 vor. Gleich­zei­tig er­laubt der ent­spre­chen­de Vor­trag den Schluss, dass die für den Kraft­fahr­zeug­her­stel­ler han­deln­den Per­so­nen in dem Be­wusst­sein ge­han­delt ha­ben, in Ge­stalt des Ther­mo­fens­ters ei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung zu ver­wen­den.

OLG Schles­wig, Ur­teil vom 19.02.2021 – 1 U 91/20

Sach­ver­halt: Der Klä­ger ver­langt von der Be­klag­ten Scha­dens­er­satz we­gen der Ver­wen­dung ei­ner an­geb­lich un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung.

Er er­warb von der G-GmbH am 27.07.2015 für 39.900 € ei­nen ge­brauch­ten Pkw Mer­ce­des-Benz GLK 220 CDI. Die­ses Fahr­zeug ist mit ei­nem OM 651-Mo­tor (Schad­stoff­klas­se Eu­ro 5) aus­ge­stat­tet. Die Stick­oxid(NOX)-Emis­sio­nen wer­den re­du­ziert, in­dem ein Teil der Ab­ga­se in den Ver­bren­nungs­kreis­lauf zu­rück­ge­führt wird (Ab­gas­rück­füh­rung – AGR). Da­bei geht ei­ne ho­he Ab­gas­rück­füh­rungs­ra­te zwar mit ge­rin­ge­ren NOX-Emis­sio­nen ein­her, doch för­dert ei­ne ho­he Ab­gas­rück­füh­rungs­ra­te auch die Bil­dung von Ruß­par­ti­keln wäh­rend der Ver­bren­nung. Wie hoch die Ab­gas­rück­füh­rungs­ra­te ist, hängt un­ter an­de­rem von der je­wei­li­gen Au­ßen­tem­pe­ra­tur ab („Ther­mo­fens­ter“).

Das Fahr­zeug des Klä­gers war von ei­nem vom Kraft­fahrt-Bun­des­amt an­ge­ord­ne­ten Rück­ruf be­trof­fen; der ent­spre­chen­de Be­scheid ist nicht be­stands­kräf­tig.

Der Klä­ger hat be­haup­tet, er ha­be ei­nen um­welt­freund­li­chen Pkw mit ge­rin­gem Kraft­stoff­ver­brauch kau­fen wol­len. wol­len. Er hät­te das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug nicht er­wor­ben, wenn er ge­wusst hät­te, dass – wie der Klä­ger be­haup­tet – der Stick­oxid­aus­stoß re­du­ziert wer­de, so­bald das Fahr­zeug auf ei­nem Prüf­stand den Neu­en Eu­ro­päi­schen Fahr­zy­klus (NEFZ) un­ter­zo­gen wer­de, und die NOX-Emis­sio­nen im rea­len Fahr­be­trieb weit hö­her sei­en als auf dem Prüf­stand. Die Ab­gas­rück­füh­rung wer­de bei be­stimm­ten – auf dem Prüf­stand herr­schen­den – Au­ßen­tem­pe­ra­tu­ren in­ten­si­viert, das heißt, das „Ther­mo­fens­ter“ sei auf die auf die Prüf­be­din­gun­gen ab­ge­stimmt, oh­ne dass es da­für ei­ne plau­si­ble tech­ni­sche Er­klä­rung ge­be. Viel­mehr sei das Ther­mo­fens­ter ei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung, die die Be­klag­te im Typ­ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren nicht of­fen­ge­legt und von der ihr Vor­stand Kennt­nis ge­habt ha­be.

Mit sei­ner Kla­ge hat der Klä­ger die Zah­lung von 37.538,32 € nebst Zin­sen, Zug um Zug ge­gen Über­ga­be und Über­eig­nung des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs, und au­ßer­dem die Fest­stel­lung ver­langt, dass die Be­klag­te mit der An­nah­me des Pkw in Ver­zug ist. Au­ßer­dem hat der Klä­ger den Er­satz vor­ge­richt­lich ent­stan­de­ner Rechts­an­walts­kos­ten be­gehrt.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen. Sie be­haup­tet, dass die Ab­gas­rück­füh­rung bei nied­ri­gen Tem­pe­ra­tu­ren re­du­ziert – aber nie ganz de­ak­ti­viert – wer­de, um ei­ner Ver­sot­tung von Mo­tor­bau­tei­len vor­zu­beu­gen. Hö­he­re Tem­pe­ra­tu­ren zö­gen bei un­ver­än­der­ter Ab­gas­rück­füh­rung ei­ne er­höh­ten Ruß­par­ti­kel­bil­dung nach sich; zu­dem be­ste­he die Ge­fahr, dass der Mo­tor über­hit­ze. Dass die Ab­gas­rück­füh­rung bei dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw tem­pe­ra­tur­ab­hän­gig sei, sei dem Kraft­fahrt-Bun­des­amt be­kannt. Dem­ge­gen­über sei die An­nah­me, dass ihr – der Be­klag­ten – Vor­stand Kennt­nis von Ein­zel­hei­ten be­züg­lich der Mo­tor­steue­rung ha­be, an­ge­sichts der Viel­zahl von Pa­ra­me­tern un­rea­lis­tisch.

Das Land­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Zur Be­grün­dung hat es im We­sent­li­chen aus­ge­führt, der Klä­ger ha­be kei­nen An­spruch ge­gen die Be­klag­te aus § 826 BGB. Er ha­be nicht schlüs­sig dar­ge­legt, dass die Be­klag­te ihn in sit­ten­wid­ri­ger Wei­se vor­sätz­lich ge­schä­digt ha­be. Ins­be­son­de­re ha­be der Klä­ger nicht hin­rei­chend sub­stan­zi­iert dar­ge­legt, dass in sei­nem Pkw ei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung zum Ein­satz kom­me. Zwar ha­be er vor­ge­tra­gen, dass der Stick­oxid­aus­stoß nur auf dem Prüf­stand – in­ner­halb ei­nes „Ther­mo­fens­ters“ – op­ti­miert wer­de. Die­se Be­haup­tung ha­be der Klä­ger in­des „ins Blaue hin­ein“ auf­ge­stellt, so­dass ei­ne Be­weis­auf­nah­me nicht in Be­tracht ge­kom­men sei. Denn ein Sach­ver­stän­di­ger hät­te das Fahr­zeug des Klä­gers nur un­ter­sucht, da­mit der Klä­ger zu ei­ner un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung vor­tra­gen kön­ne, ob­wohl es kei­ne An­halts­punk­te da­für ge­be, dass das Ther­mo­fens­ter auf den Neu­en Eu­ro­päi­schen Fahr­zy­klus (NEFZ) ab­ge­stimmt sei. Die Ab­gas­rei­ni­gung er­fol­ge viel­mehr trotz des Ther­mo­fens­ters dann, wenn das Fahr­zeug den Neu­en Eu­ro­päi­schen Fahr­zy­klus durch­fah­re, grund­sätz­lich eben­so wie im nor­ma­len Fahr­be­trieb. Es kön­ne da­her nicht un­ter­stellt wer­den, dass die Ver­ant­wort­li­chen der Be­klag­ten in dem Be­wusst­sein agiert hät­ten, ei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung zu ver­wen­den. Dies gel­te um­so mehr, als ein Ther­mo­fens­ter nicht evi­dent un­zu­läs­sig sei und we­der das Kraft­fahrt-Bun­des­amt noch das Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Ver­kehr und di­gi­ta­le In­fra­struk­tur sei­ne Ver­wen­dung grund­sätz­lich be­an­stan­de­ten. Die Be­klag­te – so das Land­ge­richt wei­ter – tref­fe kei­ne se­kun­dä­re Dar­le­gungs­last. Es sei ihr nicht zu­zu­mu­ten, auf die blo­ße Be­haup­tung des Klä­gers, dass sein Fahr­zeug mit ei­ner un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung aus­ge­stat­tet sei, dar­zu­le­gen, wel­che Ab­schalt­ein­rich­tun­gen vor­han­de­nen und war­um die­se not­wen­dig sei­en. Dies kön­ne der Klä­ger viel­mehr selbst et­wa mit­hil­fe ei­nes Sach­ver­stän­di­gen her­aus­fin­den.

Mit sei­ner da­ge­gen ge­rich­te­ten Be­ru­fung hat der Klä­ger im We­sent­li­chen gel­tend ge­macht, die Ver­wen­dung ei­nes Ther­mo­fens­ters sei dann sit­ten­wid­rig, wenn das Ther­mo­fens­ter – wie hier – ex­akt auf den Neu­en Eu­ro­päi­schen Fahr­zy­klus ab­ge­stimmt sei. In ei­nem sol­chen Fall lie­ge in der – plan­mä­ßi­gen – Ver­wen­dung des Ther­mo­fens­ters ei­ne Täu­schung des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes. Da­für, dass die tem­pe­ra­tur­ge­steu­er­te Ab­gas­rei­ni­gung auf den Prüf­stand ab­ge­stimmt sei, spre­che mit Blick dar­auf, dass die Be­klag­te Fahr­zeu­ge mit OM 651-Mo­to­ren ha­be zu­rück­ru­fen müs­sen, ein An­scheins­be­weis; je­den­falls aber sei das Gut­ach­ten ei­nes Sach­ver­stän­di­gen ein­zu­ho­len.

Die Be­klag­te hat das an­ge­foch­te­ne Ur­teil ver­tei­digt und gel­tend ge­macht, die Be­ru­fung des Klä­gers sei un­zu­läs­sig, weil sie sich nicht mit dem Ur­teil des Land­ge­richts aus­ein­an­der­set­ze und kei­ne ent­schei­dungs­er­heb­li­chen Feh­ler des Land­ge­richts nach­voll­zieh­bar auf­zei­ge. Das Fahr­zeug des Klä­gers ent­hal­te kei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung. In­so­weit sei den Zi­vil­ge­rich­ten ei­ne Prü­fung we­gen der Tat­be­stands­wir­kung der EG-Typ­ge­neh­mi­gung ver­wehrt; das gel­te selbst dann, wenn sie – die Be­klag­te – im Typ­ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren un­zu­rei­chen­de An­ga­ben ge­macht ha­ben soll­te. Dass das Kraft­fahrt-Bun­des­amt die Typ­ge­neh­mi­gung oh­ne Wei­te­res er­teilt ha­be, zei­ge, dass es nä­he­re An­ga­ben zur tem­pe­ra­tur­ge­steu­er­ten Ab­gas­rei­ni­gung nicht für er­for­der­lich ge­hal­ten ha­be. Sie, die Be­klag­te, ha­be in­des we­der ge­täuscht noch ir­gend­et­was ver­heim­licht, son­dern im Typ­ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren dar­auf hin­ge­wie­sen, dass die Ab­gas­rück­füh­rungs­ra­te un­ter an­de­rem von der Luft­tem­pe­ra­tur ab­hän­ge. Des­halb ha­be sie dar­auf ver­trau­en dür­fen, dass das nicht be­an­stan­de­te Emis­si­ons­kon­troll­sys­tem den ge­setz­li­chen Vor­ga­ben ent­spre­che.

Die Ab­gas­rück­füh­rungs­ra­te hän­ge un­ter an­de­rem von der La­de­luft­tem­pe­ra­tur ab, um Ab­la­ge­run­gen im Mo­tor­raum und da­durch dro­hen­de Schä­den und Aus­fäl­le zu ver­mei­den. Sie be­tra­ge bei Tem­pe­ra­tu­ren von 20 bis 30 °C ma­xi­mal 30 %, zum Teil un­ter 20 %. Die Ab­gas­rück­füh­rungs­ra­te hän­ge von ei­ner Viel­zahl von Fak­to­ren ab; sie kön­ne zum Bei­spiel bei 25 °C, nied­ri­ger Dreh­zahl und nied­ri­ger Last 40 %, bei 25 °C, mitt­le­rer Dreh­zahl und nied­ri­ger Last 30 %; bei 5 °C, nied­ri­ger Dreh­zahl und nied­ri­ger Last 32 % und bei 5 °C, mitt­le­rer Dreh­zahl und nied­ri­ger Last 30 % be­tra­gen. Die ma­xi­ma­le Ab­gas­rück­füh­rungs­ra­te von 50 % wer­de nur sel­ten er­reicht. In der Re­gel sei die Ab­gas­rück­füh­rungs­ra­te bei Tem­pe­ra­tu­ren von 10 bis 25 °C nicht nied­ri­ger als bei Tem­pe­ra­tu­ren von 20 bis 30 °C. De­ak­ti­viert wer­de die Ab­gas­rück­füh­rung nie. Ab ei­ner La­de­luft­tem­pe­ra­tur von 35 °C wer­de die Ab­gas­rück­füh­rung aber zu­rück­ge­fah­ren, um ei­ne ver­mehr­te Par­ti­kel­bil­dung und zu ver­hin­dern, dass Kraft­stoff in das Mo­tor­öl ge­lan­ge.

Die Ent­schei­dung über die tech­ni­sche Aus­ge­stal­tung der Mo­tor­steue­rung – so die Be­klag­te – sei auf Mit­ar­bei­ter­ebe­ne ge­trof­fen wor­den. Ihr Vor­stand ken­ne an­ge­sichts der Viel­zahl von Pa­ra­me­tern kei­ne Ein­zel­hei­ten. Auf­ga­ben wür­den ih­ren Mit­ar­bei­tern mit Blick auf ih­re fach­li­che Qua­li­fi­ka­ti­on, ihr Er­fah­rung und ih­re zu er­war­ten­de Zu­ver­läs­sig­keit zu­ge­teilt; we­sent­li­che Ent­schei­dun­gen müss­ten die Mit­ar­bei­ter mit ih­ren Vor­ge­setz­ten ab­spre­chen. Die­se sei­en ver­pflich­tet, sich lau­fend über die Tä­tig­keit un­ter­ge­ord­ne­ter Mit­ar­bei­ter zu in­for­mie­ren und bei An­halts­punk­ten für Rechts­ver­stö­ße ein­zu­grei­fen.

Auf die Be­ru­fung des Klä­gers wur­de das an­ge­foch­te­ne Ur­teil auf­ge­ho­ben und die Sa­che an das Land­ge­richt zu­rück­ver­wie­sen.

Aus den Grün­den: II. 1. Die Be­ru­fung ist zu­läs­sig. Ins­be­son­de­re hat der Klä­ger sie in zu­läs­si­ger Wei­se be­grün­det.

Die An­for­de­run­gen an den In­halt der Be­ru­fungs­be­grün­dung, die auf ei­ne Rechts­ver­let­zung ge­stützt wird, nach § 520 III 2 Nr. 2 ZPO sind nicht hoch. Es reicht, wenn sie, zu­ge­schnit­ten auf den je­wei­li­gen Fall, er­ken­nen lässt, aus wel­chen recht­li­chen oder tat­säch­li­chen Grün­den der Be­ru­fungs­füh­rer das an­ge­foch­te­ne Ur­teil für un­rich­tig hält (BGH, Beschl. v. 21.07.2020 – VI ZB 7/20, ju­ris Rn. 7). Wei­te­re be­son­de­re An­for­de­run­gen be­ste­hen nicht. Ins­be­son­de­re reicht es aus, wenn sich die Ent­schei­dungs­er­heb­lich­keit der Rü­gen un­mit­tel­bar aus dem an­ge­foch­te­nen Ur­teil er­gibt (BGH, Beschl. v. 10.03.2015 – VI ZB 28/14, ju­ris Rn. 8).

Die Be­ru­fungs­be­grün­dung lässt deut­lich er­ken­nen, dass der Klä­ger den gel­tend ge­mach­ten An­spruch aus § 826 BGB wei­ter­ver­fol­gen will. Es ist un­schäd­lich, dass sie weit­ge­hend aus Zi­ta­ten aus ei­nem Ur­teil des LG Stutt­gart be­steht. In der Re­gel reicht es zwar nicht aus, nur auf ein an­de­res Ur­teil Be­zug zu neh­men. Das kann al­ler­dings an­ders sein, wenn der Sach­ver­halt im We­sent­li­chen iden­tisch ist (BGH, Beschl. v. 21.07.2020 – VI ZB 7/20, ju­ris Rn. 10). Es kommt hier nicht dar­auf an, ob das Ur­teil ein bau­glei­ches Fahr­zeug wie das des Klä­gers be­trifft. Der Klä­ger macht sich näm­lich die Auf­fas­sung zu ei­gen, dass der Ein­satz ei­nes Ther­mo­fens­ters un­zu­läs­sig sei und ei­ne sit­ten­wid­ri­ge Schä­di­gung dar­stel­le. Auch die Mo­tor­steue­rung sei­nes Fahr­zeugs ver­fügt über ein Ther­mo­fens­ter, wo­bei da­hin­ge­stellt blei­ben kann, ob die Funk­ti­ons­wei­se iden­tisch ist.

Es wird je­den­falls im ers­ten Teil der Be­ru­fungs­be­grün­dung hin­rei­chend deut­lich, dass der Klä­ger der Auf­fas­sung ist, das Land­ge­richt ha­be sei­nen Vor­trag miss­ach­tet, das Ther­mo­fens­ter sei auf den Neu­en Eu­ro­päi­schen Fahr­zy­klus zu­ge­schnit­ten. Das Land­ge­richt ha­be ei­ne se­kun­dä­re Dar­le­gungs­last der Be­klag­ten hin­sicht­lich des In­halts des An­trags auf Typ­ge­neh­mi­gung beim Kraft­fahrt-Bun­des­amt an­neh­men müs­sen. Das Land­ge­richt ha­be sei­nen An­spruch auf recht­li­ches Ge­hör ver­letzt und hät­te je­den­falls auf der Ba­sis sei­nes Vor­trags Be­weis er­he­ben müs­sen.

2. Dem Klä­ger kann ein An­spruch aus § 826 BGB we­gen sit­ten­wid­ri­ger vor­sätz­li­cher Schä­di­gung zu­ste­hen.

a) Der Klä­ger kann ei­nen Scha­den er­lit­ten ha­ben, in­dem er zur Ein­ge­hung ei­ner nicht ge­woll­ten Ver­bind­lich­keit ver­an­lasst wur­de. Das Fahr­zeug kann für sei­ne Zwe­cke nicht voll brauch­bar sein, weil die Still­le­gung mög­lich wä­re.

aa) Auch bei der Gleich­wer­tig­keit von Leis­tung und Ge­gen­leis­tung liegt nach nor­ma­ti­ver Wer­tung ein Scha­den vor, wenn die ein­ge­gan­ge­ne Ver­bind­lich­keit für den Käu­fer un­ge­wollt ist, weil die ge­kauf­te Sa­che für sei­ne Zwe­cke nicht voll brauch­bar ist. Die Vor­schrift des § 826 BGB schützt in­so­weit nicht al­lein das Ver­mö­gens­in­ter­es­se des Ge­schä­dig­ten, son­dern auch die Wil­lens­frei­heit (BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 = ju­ris Rn. 45 ff.).

bb) Das Fahr­zeug kann mit ei­ner un­er­laub­ten Ab­schalt­ein­rich­tung aus­ge­rüs­tet sein, die zum Rück­ruf durch das Kraft­fahrt-Bun­des­amt füh­ren kann.

(1) Ei­ne Ab­schalt­ein­rich­tung ist nach Art. 3 Nr. 10 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/20071Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 20.06.2007 über die Typ­ge­neh­mi­gung von Kraft­fahr­zeu­gen hin­sicht­lich der Emis­sio­nen von leich­ten Per­so­nen­kraft­wa­gen und Nutz­fahr­zeu­gen (Eu­ro 5 und Eu­ro 6) und über den Zu­gang zu Re­pa­ra­tur- und War­tungs­in­for­ma­tio­nen für Fahr­zeu­ge, Abl. 2007 L 171, 1). ein Kon­struk­ti­ons­teil, das be­stimm­te Pa­ra­me­ter er­mit­telt, um die Funk­ti­on ei­nes be­lie­bi­gen Teils des Emis­si­ons­kon­troll­sys­tems zu ak­ti­vie­ren, zu ver­än­dern, zu ver­zö­gern oder zu de­ak­ti­vie­ren, wo­durch die Wirk­sam­keit des Emis­si­ons­kon­troll­sys­tems un­ter Be­din­gun­gen, die bei nor­ma­lem Fahr­zeug­be­trieb ver­nünf­ti­ger­wei­se zu er­war­ten sind, ver­rin­gert wird. Nach Art. 5 II der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 ist die Ver­wen­dung von Ab­schalt­ein­rich­tun­gen, die die Wir­kung von Emis­si­ons­kon­troll­sys­te­men ver­rin­gern, un­zu­läs­sig, wenn nicht be­stimm­te Aus­nah­men vor­lie­gen.

Nach die­ser De­fi­ni­ti­on han­delt es sich bei dem Ther­mo­fens­ter um ei­ne Ab­schalt­ein­rich­tung (OLG Stutt­gart, Urt. v. 30.07.2019 – 10 U 134/19, ju­ris Rn. 67 ff.; LG Stutt­gart, Urt. v. 25.07.2019 – 30 O 34/19, ju­ris Rn. 31; Urt. v. 17.01.2019 – 23 O 178/18, ju­ris Rn. 40). Denn es wird die Luft­tem­pe­ra­tur er­mit­telt. Je nach Luft­tem­pe­ra­tur wird die Ra­te der Ab­gas­rück­füh­rung ver­än­dert. Die Ab­gas­rück­füh­rung ist Teil des Emis­si­ons­kon­troll­sys­tems, weil sie Ein­fluss auf den Aus­stoß von Stick­oxi­den hat. Die Ver­än­de­rung der Ra­te ge­schieht bei Be­din­gun­gen, die bei nor­ma­lem Fahr­be­trieb zu er­war­ten sind, denn in Eu­ro­pa sind Luft­tem­pe­ra­tu­ren in ei­ner gro­ßen Band­brei­te zu er­war­ten. Un­er­heb­lich ist, ob das Sys­tem auch au­ßer­halb des Prüf­stands ar­bei­tet, wenn ähn­li­che Ver­hält­nis­se wie dort vor­lie­gen. Denn ei­ne Ab­schalt­ein­rich­tung ist auch ge­ge­ben, wenn die Ver­bes­se­rung der Leis­tung des Emis­si­ons­kon­troll­sys­tems punk­tu­ell auch un­ter nor­ma­len Nut­zungs­be­din­gun­gen er­folgt (EuGH, Urt. v. 17.12.2020 – C-693/18, ECLI:EU:C:2020:1040 = ju­ris Rn. 99, 101 f. – CLCV).

(2) Zu klä­ren ist, ob die Ab­schalt­ein­rich­tung un­zu­läs­sig ist oder ei­ne Aus­nah­me nach Art. 5 II 2 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 ein­greift. Nach lit. a die­ser Vor­schrift ist ei­ne Ab­schalt ein­rich­tung, die not­wen­dig ist, um den Mo­tor vor Be­schä­di­gun­gen oder Un­fall zu schüt­zen, zu­läs­sig. Ob das Ther­mo­fens­ter im Sin­ne der Aus­nah­me­re­ge­lung not­wen­dig ist, um den Mo­tor vor Schä­den durch Ver­sot­tung zu schüt­zen, ist frag­lich. Denn der Schutz vor Be­schä­di­gung und Un­fall ist mit dem Schutz vor ei­ner kon­ti­nu­ier­li­chen Ver­schmut­zung des Mo­tors nicht gleich­zu­set­zen (EuGH, Urt. v. 17.12.2020 – C-693/18, ECLI:EU:C:2020:1040 = ju­ris Rn. 103 ff. – CLCV).

Un­zu­läs­sig wä­re je­den­falls ein Ther­mo­fens­ter, das ge­nau auf die Be­din­gun­gen des Neu­en Eu­ro­päi­schen Fahr­zy­klus zu­ge­schnit­ten ist, zum Bei­spiel auf die dort herr­schen­de Tem­pe­ra­tur von 20 bis 30 °C, oh­ne dass ei­ne sol­che Funk­ti­on mit dem Schutz des Mo­tors er­klärt wer­den könn­te. Der ent­spre­chen­den Be­haup­tung des Klä­gers muss durch die Ein­ho­lung des von ihm an­ge­bo­te­nen Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­tens nach­ge­gan­gen wer­den. Die Be­haup­tung ist hin­rei­chend sub­stan­zi­iert, um ei­ne Be­weis­auf­nah­me zu ver­an­las­sen.

Ein Sach­vor­trag ist hin­rei­chend sub­stan­zi­iert, wenn er in Ver­bin­dung mit ei­nem Rechts­satz zu der von der Par­tei be­gehr­ten Rechts­fol­ge führt. Ein­zel­hei­ten, die für die Rechts­fol­ge nicht von Be­deu­tung sind, müs­sen nicht mit­ge­teilt wer­den, vor al­lem wenn die Par­tei kei­nen Ein­blick in den Sach­ver­halt ha­ben kann. Es ist dann Sa­che des Tatrich­ters, in die Be­weis­auf­nah­me ein­zu­tre­ten und ge­ge­be­nen­falls ei­nem Sach­ver­stän­di­gen die Streit­fra­gen zu un­ter­brei­ten.

Ei­ne Par­tei darf auch Auf­klä­rung über Tat­sa­chen ver­lan­gen, über die sie kein zu­ver­läs­si­ges Wis­sen er­lan­gen kann, die sie aber nach La­ge der Din­ge für mög­lich hält. Ei­ne Be­haup­tung ist erst un­be­acht­lich, wenn sie oh­ne greif­ba­re An­halts­punk­te aufs Ge­ra­te­wohl oder ins Blaue hin­ein auf­ge­stellt wird. Die An­nah­me ei­ner sol­chen will­kür­li­chen Be­haup­tung ist zu­rück­hal­tend zu tref­fen. Kann die Par­tei man­gels ei­ge­ner Sach­kun­de kei­ne Kennt­nis von der ge­nau­en Wir­kungs­wei­se ha­ben, kann ein greif­ba­rer An­halts­punkt be­reits dann ge­ge­ben sein, wenn an­de­re Mo­del­le mit dem glei­chen Mo­tor­typ ei­nem Rück­ruf un­ter­lie­gen (BGH, Beschl. v. 28.01.2020 – VI­II ZR 57/19, ju­ris Rn. 4, 7 ff.).

Der Klä­ger macht gel­tend, dass Fahr­zeu­ge mit dem glei­chen Mo­tor­typ und so­gar sein Fahr­zeug selbst von Rück­ru­fen be­trof­fen sei­en, und un­ter­mau­ert da­mit sei­ne Be­haup­tung, es sei ei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung ein­ge­baut. Dass die Be­klag­te ih­rer­seits be­haup­tet, der Rück­ruf ha­be die tem­pe­ra­tur­ab­hän­gi­ge Steue­rung der Ab­gas­rück­füh­rungs­ra­te nicht be­trof­fen, macht die Be­haup­tung des Klä­gers nicht un­be­acht­lich. Von ihm kann nicht er­war­tet wer­den, dass er die tech­ni­schen Ein­zel­hei­ten der von ihm an­ge­nom­me­nen Ab­schalt­ein­rich­tung dar­legt. Ins­be­son­de­re ist es ver­fehlt, die feh­len­de Sub­stanz des Vor­trags des Klä­gers dar­aus ab­zu­lei­ten, dass er im Ter­min vom 23.06.2020 die ihm vom Ge­richt ge­stell­ten tech­ni­schen Fra­gen nicht be­ant­wor­ten konn­te.

Der Vor­trag des Klä­gers hat nicht nach § 138 III ZPO als un­strei­tig zu gel­ten, weil die Be­klag­te ei­ner se­kun­dä­ren Dar­le­gungs­last be­züg­lich der tech­ni­schen Ein­zel­hei­ten des Ther­mo­fens­ters nicht nach­ge­kom­men wä­re.

Der Geg­ner der dar­le­gungs­be­las­te­ten Par­tei kann sich nicht auf ein­fa­ches Be­strei­ten be­schrän­ken, wenn der dar­le­gungs­be­las­te­ten Par­tei der Be­weis nicht mög­lich oder nicht zu­mut­bar ist und sie au­ßer­halb des von ihr dar­zu­le­gen­den Ge­sche­hens­ab­laufs steht und kei­ne nä­he­re Kennt­nis der maß­ge­ben­den Tat­sa­chen hat, wäh­rend die Ge­gen­par­tei die­se Kennt­nis hat und ihr nä­he­re An­ga­ben zu­mut­bar sind (BGH, Urt. v. 01.12.1982 – VI­II ZR 279/81, BGHZ 86, 23, 29 = NJW 1983, 687, 688; Urt. v. 17.03.1987 – VI ZR 282/85, BGHZ 100, 190, 196 = NJW 1987, 2008, 2009; Urt. v. 07.12.1998 – II ZR 266/97, BGHZ 140, 156, 158 f. = NJW 1999, 579, 580; Urt. v. 14.06.2005 – VI ZR 179/04, BGHZ 163, 209, 214). Von der Ge­gen­par­tei wird dann im Rah­men des Zu­mut­ba­ren ein sub­stan­zi­ier­tes Be­strei­ten der be­haup­te­ten Tat­sa­chen un­ter Dar­le­gung der für das Ge­gen­teil spre­chen­den Tat­sa­chen und Um­stän­de ver­langt (BGH, Urt. v. 17.01.2008 – III ZR 239/06, NJW 2008, 982 Rn. 16).

Selbst wenn man da­nach ei­ne er­höh­te Dar­le­gungs­last hin­sicht­lich der Funk­ti­on des in dem Fahr­zeug des Klä­gers im­ple­men­tier­ten Ther­mo­fens­ters an­neh­men will, weil der Klä­ger kei­nen Ein­blick in sie ha­ben kann, ist die Be­klag­te der er­höh­ten Dar­le­gungs­last je­den­falls nach­ge­kom­men. Sie hat in der Be­ru­fungs­er­wi­de­rung die Wir­kungs­wei­se der Ab­gas­rück­füh­rung be­schrie­ben und dar­ge­legt, von wel­chen Fak­to­ren die Steue­rung der Ab­gas­rück­füh­rungs­ra­te ab­hän­gig ist und wel­che Ra­ten un­ter wel­chen Ver­hält­nis­sen an­ge­nom­men wer­den kön­nen.

(3) Soll­te sich her­aus­stel­len, dass ei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung vor­liegt, so könn­te das Kraft­fahrt-Bun­des­amt nach § 25 III EG-FGV die Typ­ge­neh­mi­gung wi­der­ru­fen. Die zu­stän­di­ge Ver­wal­tungs­be­hör­de könn­te nach § 5 I FZV dem Hal­ter oder Ei­gen­tü­mer ei­ne Frist zur Be­sei­ti­gung set­zen und da­nach die Be­triebs­er­laub­nis ent­zie­hen.

Ob das ernst­haft droht oder statt­des­sen ei­ne Ne­ben­be­stim­mung er­las­sen wird, ist zwar un­ge­wiss. Ein Scha­den in Form ei­ner un­ge­woll­ten Ver­bind­lich­keit liegt je­doch – wie in den Fäl­len des Mo­tors EA189, in de­nen die Typ­ge­neh­mi­gun­gen nicht wi­der­ru­fen wor­den sind – be­reits dann vor, wenn der Be­stand der Typ­ge­neh­mi­gung in­fra­ge steht.

b) Das Ver­hal­ten der Be­klag­ten kann als sit­ten­wid­rig zu be­ur­tei­len sein.

aa) Sit­ten­wid­rig ist ein Ver­hal­ten, das nach sei­nem Ge­samt­cha­rak­ter, der durch um­fas­sen­de Wür­di­gung von In­halt, Be­weg­grund und Zweck zu er­mit­teln ist, ge­gen das An­stands­ge­fühl al­ler bil­lig und ge­recht Den­ken­den ver­stößt. Es ge­nügt re­gel­mä­ßig nicht, dass der Han­deln­de ei­ne Pflicht ver­letzt und ei­nen Ver­mö­gens­scha­den her­vor­ruft. Viel­mehr muss ei­ne be­son­de­re Ver­werf­lich­keit sei­nes Ver­hal­tens hin­zu­tre­ten, die sich aus dem ver­folg­ten Ziel, den ein­ge­setz­ten Mit­teln, der zu­ta­ge ge­tre­te­nen Ge­sin­nung oder den ein­ge­tre­te­nen Fol­gen er­ge­ben kann (BGH, Urt. v. 28.06.2016 – VI ZR 536/15, NJW 2017, 250 Rn. 16). Die ver­letz­te Ver­hal­tens­pflicht muss dritt­schüt­zend und der Ge­schä­dig­te in den Schutz­be­reich ein­be­zo­gen sein (Münch­Komm-BGB/​Wag­ner, 8. Aufl., § 826 Rn. 23). Es reicht nicht, wenn der Schä­di­ger ge­gen öf­fent­lich-recht­li­che Nor­men ver­stößt, die der Um­welt, nicht aber den wirt­schaft­li­chen In­ter­es­sen des Ge­schä­dig­ten die­nen (OLG Ko­blenz, Beschl. v. 21.10.2013 – 5 U 507/13, ju­ris Rn. 44).

bb) Un­ter die­sen Ge­sichts­punk­ten kann ein Au­to­her­stel­ler, der auf­grund ei­ner stra­te­gi­schen Un­ter­neh­mens­ent­schei­dung und un­ter Täu­schung des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes be­wusst ein Fahr­zeug mit ei­nem Mo­tor in Ver­kehr bringt, der mit ei­ner un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung ver­se­hen ist, als sit­ten­wid­rig an­ge­se­hen wer­den (BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 = ju­ris Rn. 16 ff.; Beschl. v. 19.01.2021 – VI ZR 433/19, ju­ris Rn. 17). Er wür­de sei­nen Kun­den be­wusst ei­nen Scha­den zu­fü­gen, um sei­ne Ge­win­ne zu op­ti­mie­ren. Denn der Ein­bau ei­ner un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung zeigt, dass der Her­stel­ler mit an­de­ren Mit­teln Um­welt­vor­schrif­ten nicht ein­hal­ten kann oder die Kos­ten da­für nicht auf­wen­den will und den­noch Markt­an­tei­le be­hal­ten oder ge­win­nen will. Da­bei ist Ge­winn­stre­ben an sich noch nicht an­stö­ßig. An­stö­ßig ist aber die Täu­schung zahl­rei­cher Kun­den über die un­ge­stör­te Nutz­bar­keit des Pro­dukts, um Markt­an­tei­le zu er­hal­ten (OLG Ko­blenz, Urt. v. 12.06.2019 – 5 U 1318/18, NJW 2019, 2237 Rn. 37; OLG Karls­ru­he, Urt. v. 18.07.2019 –17 U 160/18, ju­ris Rn. 88 ff.).

Für die An­nah­me ei­nes sit­ten­wid­ri­gen Ver­hal­tens reicht es noch nicht aus, wenn das Ther­mo­fens­ter als un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung an­zu­se­hen sein soll­te. So­lan­ge die Mo­tor­steue­rung auf dem Prüf­stand im Grund­satz eben­so ar­bei­tet wie im Stra­ßen­ver­kehr, kann noch kei­ne be­wuss­te Ent­wick­lung ei­ner un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung an­ge­nom­men wer­den (BGH, Beschl. v. 19.01.2021 – VI ZR 433/19, ju­ris Rn. 18; OLG Schles­wig, Urt. v. 18.09.2019 – 12 U 123/18, ju­ris Rn. 46 ff.; OLG Dres­den, Urt. v. 09.07.2019 – 9 U 567/19, ju­ris Rn. 24 ff.; OLG Stutt­gart, Urt. v. 20.07.2019 – 10 U 134/19, ju­ris Rn. 81 ff.; OLG Ko­blenz, Urt. v. 21.10.2019 – 12 U 246/19, ju­ris Rn. 42 ff.; OLG Frank­furt a. M., Urt. v. 07.11.2019 – 6 U 119/18, ju­ris Rn. 34 f.; OLG Köln, Urt. v. 28.11.2019 – 15 U 93/19, ju­ris Rn. 26 ff.; OLG Mün­chen, Beschl. v. 20.01.2020 – 21 U 5072/19, ju­ris Rn. 30 ff.). Das gilt für ei­ne Mo­tor­steue­rung, die in dem Be­stre­ben pro­gram­miert wor­den ist, für be­stimm­te Be­triebs­zu­stän­de schäd­li­che Ab­la­ge­run­gen im Mo­tor, mit de­nen tat­säch­lich zu rech­nen ist, zu ver­mei­den. Es kommt da­bei nicht dar­auf an, ob ei­ne sol­che Mo­tor­steue­rung nach heu­ti­ger Auf­fas­sung zu­läs­sig wä­re. Es kommt viel­mehr auf die Zeit der Ent­wick­lung der Mo­tor­steue­rung an, die je­den­falls vor der Erst­zu­las­sung des Fahr­zeugs des Klä­gers im Jahr 2014 ge­le­gen ha­ben muss, al­so vor dem Be­kannt­wer­den des Ab­gas­skan­dals. Sei­ner­zeit ging man da­von aus, dass ein Ther­mo­fens­ter zum Mo­tor­schutz zu­läs­sig sei. Es wur­de bei der Typ­zu­las­sung vom Kraft­fahrt-Bun­des­amt nicht be­an­stan­det. Noch nach Be­kannt­wer­den des Ab­gas­skan­dals gin­gen das Kraft­fahrt-Bun­des­amt und das Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Ver­kehr und di­gi­ta­le In­fra­struk­tur von der Zu­läs­sig­keit aus.

Zu be­rück­sich­tig­ten ist aber, dass das Ther­mo­fens­ter – ab­hän­gig von dem Tem­pe­ra­tur­be­reich, in dem die Ra­te der Ab­gas­rück­füh­rung ge­senkt wird – durch­aus zu ei­nem Sys­tem der Prüf­stands­er­ken­nung und des Be­triebs des Fahr­zeugs in zwei ver­schie­de­nen Mo­di füh­ren kann. Das ist der Fall, wenn das Tem­pe­ra­tur­fens­ter so ein­ge­stellt ist, dass die Ab­gas­rück­füh­rung bei den Tem­pe­ra­tu­ren, die im Prüf­stand herr­schen, voll wirk­sam ist und so die Grenz­wer­te si­cher er­reicht2Ge­meint ist of­fen­bar: ein­ge­hal­ten. wer­den, im Stra­ßen­ver­kehr aber die Ab­gas­rück­füh­rungs­ra­te re­du­ziert wird, weil dort die auf dem Prüf­stand herr­schen­den Tem­pe­ra­tu­ren häu­fig un­ter­schrit­ten wer­den. Das Ziel ei­ner sol­chen Stra­te­gie kann es sein, Ab­la­ge­run­gen im Mo­tor si­cher zu ver­mei­den, die bei ei­ner Ab­gas­rück­füh­rungs­ra­te, wie sie für die Ein­hal­tung des Grenz­werts für Stick­oxid­emis­sio­nen not­wen­dig wä­ren, zu er­war­ten wä­ren, oh­ne die von der Be­klag­ten be­schrie­be­ne schwie­ri­ge Ba­lan­ce zwi­schen dem Mo­tor­schutz und der Op­ti­mie­rung der Emis­sio­nen ein­hal­ten zu müs­sen.

Soll­te sich her­aus­stel­len, dass das Ther­mo­fens­ter in dem Fahr­zeug des Klä­gers auf ei­ne sol­che Wei­se pro­gram­miert wor­den ist, kann das dar­auf hin­deu­ten, dass die Ver­ant­wort­li­chen bei der Be­klag­ten da­mit ge­rech­net ha­ben, dass es als un­zu­läs­sig ein­ge­stuft wer­den und die Zu­las­sung des Fahr­zeugs da­durch in Ge­fahr sein könn­te. In­di­zi­en für ein sol­ches Be­wusst­sein kön­nen sich dar­aus er­ge­ben, dass die Ab­schalt­ein­rich­tung un­ter den Be­din­gun­gen des Prüf­stands an­ders ar­bei­tet als im nor­ma­len Stra­ßen­ver­kehr und in wel­chem Um­fang die Funk­ti­ons­wei­se dem Kraft­fahrt-Bun­des­amt im Typ­ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren of­fen­ge­legt wor­den ist (BGH, Beschl. v. 19.01.2021 – VI ZR 433/19, ju­ris Rn. 19 ff., 22).

Ei­ne Täu­schung des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes ist nicht von vorn­her­ein aus­ge­schlos­sen. Bei der Be­an­tra­gung der Typ­ge­neh­mi­gung sind Ein­zel­hei­ten der Steue­rung der Ab­gas­rück­füh­rungs­ra­te nicht mit­ge­teilt wor­den. Es ist nur mit­ge­teilt wor­den, dass sie un­ter an­de­rem von der Luft­tem­pe­ra­tur ab­hän­gig sei (An­la­ge BB 2). Dass das Kraft­fahrt-Bun­des­amt nicht nach den ge­nau­en Tem­pe­ra­tu­ren, die zur Ab­sen­kung der Ab­gas­rück­füh­rungs­ra­te füh­ren, ge­fragt hat, heißt nicht, dass die­se ihm gleich­gül­tig wa­ren. Es kann nur der Schluss ge­zo­gen wer­den, dass es von ei­ner in­dus­trie­üb­li­chen Mo­tor­steue­rung zur Ver­mei­dung von Ab­la­ge­run­gen aus­ging, nicht, dass es ein Ab­stel­len auf die Be­din­gun­gen des Prüf­stands ge­bil­ligt hät­te.

Soll­te sich her­aus­stel­len, dass die Mo­tor­steue­rung auf die Be­din­gun­gen des Prüf­stands zu­ge­schnit­ten ist, müss­te die Be­klag­te im Rah­men der se­kun­dä­ren Dar­le­gungs­last da­zu vor­tra­gen, wel­ches Be­wusst­sein die Per­so­nen hat­ten, die an der Ent­wick­lung der Mo­tor­steue­rung und an der Be­an­tra­gung der Typ­ge­neh­mi­gung be­tei­ligt wa­ren. Die­se müs­sen sich not­wen­di­ger­wei­se mit der Fra­ge be­schäf­tigt ha­ben, ob die Aus­ge­stal­tung der Mo­tor­steue­rung zu­läs­sig ist. In die­se Vor­gän­ge hat der Klä­ger kei­nen Ein­blick. Die Be­klag­te kennt je­doch die Ein­zel­hei­ten, und es ist ihr zu­mut­bar, da­zu wei­ter vor­zu­tra­gen. Trägt die Be­klag­te wei­ter vor, so muss der Klä­ger Be­weis da­für an­bie­ten, dass die ge­naue Wir­kungs­wei­se des Ther­mo­fens­ters be­wusst ver­heim­licht wur­de be­zie­hungs­wei­se die Be­tei­lig­ten das Be­wusst­sein hat­ten, dass sie un­zu­läs­sig sei.

c) Dass der Han­deln­de sich der Sit­ten­wid­rig­keit be­wusst ist, ist nicht not­wen­dig. Er muss je­doch die Um­stän­de ken­nen, aus de­nen sich die Sit­ten­wid­rig­keit er­gibt. Ist Schä­di­ge­rin ei­ne Ge­sell­schaft, so muss die­ses Wis­sen bei den Or­ga­nen i. S. des § 31 BGB vor­han­den sein. Ei­ne Wis­sens­zu­rech­nung- und Zu­sam­men­rech­nung wie im rechts­ge­schäft­li­chen Ver­kehr fin­det nicht statt, weil es an­ders als für die Arg­list um ein mo­ra­li­sches Un­wert­ur­teil geht (BGH, Urt. v. 28.06.2016 – VI ZR 536/15, NJW 2017, 250 Rn. 23).

aa) Or­gan ei­ner Ge­sell­schaft ist nach § 31 BGB nicht nur der Vor­stand, son­dern auch der ver­fas­sungs­mä­ßig be­ru­fe­ne Ver­tre­ter. Die­ser Be­griff ist weit zu ver­ste­hen. Es ge­nügt, dass ei­ner Per­son durch die all­ge­mei­ne Be­triebs­re­ge­lung und Hand­ha­bung be­deut­sa­me we­sens­mä­ßi­ge Funk­tio­nen der Ge­sell­schaft zur selbst­stän­di­gen ei­gen­ver­ant­wort­li­chen Er­fül­lung zu­ge­wie­sen sind und sei die Ge­sell­schaft in­so­weit re­prä­sen­tiert, oh­ne dass die Tä­tig­keit in der Sat­zung vor­ge­se­hen oder die Per­son rechts­ge­schäft­li­che Ver­tre­tungs­macht ha­ben muss (BGH, Urt. v. 30.10.1967 – VII ZR 82/65, BGHZ 49, 19 = ju­ris Rn. 10 f.). Der in­fra­ge kom­men­de Per­so­nen­kreis deckt sich in et­wa mit dem der lei­ten­den An­ge­stell­ten im Sin­ne des Ar­beits­rechts (Pa­landt/​El­len­ber­ger, BGB, 79. Aufl., § 31 Rn. 6).

bb) Der Klä­ger be­haup­tet, der Vor­stand ha­be Kennt­nis von den un­er­laub­ten Ab­schalt­ein­rich­tun­gen ge­habt. Das er­ge­be sich dar­aus, dass die Ent­wick­lung des Mo­tors und der Mo­tor­steue­rung bei der Ent­wick­lung ei­nes Fahr­zeugs we­sent­lich sei und es Be­richts­pflich­ten ge­be. Für sei­ne Be­haup­tung könn­te der Klä­ger theo­re­tisch Be­weis an­tre­ten, weil die Vor­stand­mit­glie­der zur Zeit der Ent­wick­lung des Mo­tors er­mit­tel­bar wä­ren. Al­ler­dings wä­re nicht zu er­mit­teln, wer noch an der Ent­wick­lung des Mo­tors be­tei­ligt war und so als Zeu­ge in Be­tracht kä­me. Man kann sich nicht vor­stel­len, dass ei­ne Ent­schei­dung, ei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung ein­zu­bau­en, an­ge­sichts ih­rer Trag­wei­te von nur ei­nem Mit­ar­bei­ter oder we­ni­gen Mit­ar­bei­tern ge­trof­fen wird. Bei der Ent­wick­lung ei­nes Mo­tors wird es ent­schei­dend dar­auf an­kom­men, auf wel­che Wei­se er die ge­setz­li­chen Vor­ga­ben ein­hält. Ge­ra­de die Ein­hal­tung der Vor­schrif­ten für den Schad­stoff­aus­stoß steht sei ei­ni­gen Jah­ren im Fo­kus. Die tech­ni­sche Lö­sung bei der Ent­wick­lung muss al­so hin­ter­fragt wor­den sein. Es er­scheint nicht aus­ge­schlos­sen, dass da­bei auch Mit­ar­bei­ter Kennt­nis er­langt ha­ben, die als Re­prä­sen­tan­ten der Be­klag­ten i. S. des § 31 BGB an­zu­se­hen wä­ren, et­wa Ab­tei­lungs­lei­ter.

Dem Klä­ger kann wei­te­rer Vor­trag da­zu nicht ab­ver­langt wer­den. Denn er hat kei­nen Ein­blick in die Ver­hält­nis­se bei der Be­klag­ten. Er kann so letzt­lich nur das vor­tra­gen, was plau­si­bel ist. Die Be­klag­te muss nach den Re­geln der se­kun­dä­ren Dar­le­gungs­last dar­le­gen, wer an der Ent­wick­lung des Mo­tors und spe­zi­ell der Mo­tor­steue­rung be­tei­ligt war und wie die Ent­schei­dungs­we­ge in ih­rem Un­ter­neh­men wa­ren. Ihr sind nä­he­re An­ga­ben da­zu zu­mut­bar. Sie ist nicht ge­zwun­gen, Be­triebs­ge­heim­nis­se zu of­fen­ba­ren. Sie muss nur die Be­tei­lig­ten an der Mo­tor­ent­wick­lung be­nen­nen, da­mit der Klä­ger sie als Zeu­gen be­nen­nen kann. Da die Ent­wick­lung bei der Be­klag­ten do­ku­men­tiert sein muss, kann sie zu der von ihr ver­lang­ten Dar­le­gung auf die­se Do­ku­men­ta­ti­on zu­rück­grei­fen.

d) Die Be­klag­te kann vor­sätz­lich ge­han­delt ha­ben. Für den Vor­satz reicht es aus, wenn der Schä­di­ger Art und Rich­tung des Scha­dens und die Scha­dens­fol­gen zu­min­dest vor­aus­ge­se­hen und bil­li­gend in Kauf ge­nom­men hat, wo­bei bei ei­ner Ge­sell­schaft wie­der­um ih­re Or­ga­ne die­sen Vor­satz ge­habt ha­ben müs­sen (BGH, Urt. v. 28.06.2016 – VI ZR 536/15, NJW 2017, 250 Rn. 24 f.). Es kommt wie­der­um dar­auf an, ob Vor­stands­mit­glie­der oder ver­fas­sungs­mä­ßig be­ru­fe­ne Ver­tre­ter der Be­klag­ten Kennt­nis von dem In­ver­kehr­brin­gen der Mo­to­ren mit der ge­ge­be­nen­falls un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung ge­habt ha­ben. Soll­te das der Fall ge­we­sen sein, lä­ge Vor­satz vor. Denn dann wä­re ab­seh­bar ge­we­sen, dass das Ver­mö­gen der Käu­fer be­droht war, weil ei­ne Still­le­gung der Fahr­zeu­ge droh­te.

3. Ei­ne mög­li­che Haf­tung der Be­klag­ten aus § 831 I BGB wür­de den Nach­weis er­spa­ren, dass Or­ga­ne der Be­klag­ten Kennt­nis von der die Sit­ten­wid­rig­keit des Ver­hal­tens der Be­klag­ten be­grün­den­den Um­stän­de hat­ten.

Ver­rich­tungs­ge­hil­fe i. S. von § 831 BGB ist, wem von ei­nem an­de­ren, in des­sen Ein­fluss­be­reich er sich be­fin­det und zu dem er in ei­nem ge­wis­sen Ab­hän­gig­keits­ver­hält­nis steht, ei­ne Tä­tig­keit über­tra­gen wor­den ist, wo­bei er von den Wei­sun­gen des Ge­schäfts­herrn ab­hän­gig ist, so­dass die­ser die Tä­tig­keit je­der­zeit be­schrän­ken oder ent­zie­hen und nach Zeit und Um­fang be­stim­men kann (BGH, Urt. v. 06.11.2012 – VI ZR 174/11, NJW 2013, 1002 Rn. 15).

Das trifft auf al­le Mit­ar­bei­ter zu, die an der Ent­wick­lung des streit­ge­gen­ständ­li­chen Mo­tors be­tei­ligt wa­ren. Die Mit­ar­bei­ter müss­ten bei der Ent­wick­lung des Mo­tors ei­ne de­lik­ti­sche Hand­lung be­gan­gen ha­ben, wo­bei al­lein ei­ne sit­ten­wid­ri­ge vor­sätz­li­che Schä­di­gung nach § 826 BGB in Be­tracht kommt. Es stel­len sich die­sel­ben Fra­gen wie un­ter 2 er­ör­tert.

Die Be­nen­nung be­stimm­ter Mit­ar­bei­ter, die dem Klä­ger auch nicht mög­lich wä­re, ist ent­behr­lich. Denn die Über­le­gun­gen, die ge­ge­be­nen­falls zu ei­ner Sit­ten­wid­rig­keit des Ver­hal­tens füh­ren, drän­gen sich auf. Sie müs­sen je­dem, der mit der Ent­wick­lung, des Mo­tors be­fasst war, be­wusst ge­we­sen sein. Es wä­re Sa­che der Be­klag­ten, sich zu ent­las­ten, in­dem sie dar­legt und be­weist, dass sie die Mit­ar­bei­ter sorg­fäl­tig aus­ge­wählt und über­wacht hat. Da­bei muss sie die Mit­ar­bei­ter be­nen­nen. Der all­ge­mei­ne Hin­weis auf die Aus­wahl und Über­wa­chung der Mit­ar­bei­ter in der Be­ru­fungs­er­wi­de­rung reicht nicht aus.

4. Soll­ten die Haf­tungs­vor­aus­set­zun­gen be­ste­hen, stün­de dem Klä­ger Scha­dens­er­satz zu. Er könn­te den Er­satz des ne­ga­ti­ven In­ter­es­ses ver­lan­gen. Der Klä­ger wä­re nach § 249 BGB so zu stel­len, wie er stün­de, wenn er den Kauf­ver­trag nicht ab­ge­schlos­sen hät­te. Er könn­te je­den­falls den Er­satz des Kauf­prei­ses ab­züg­lich des Werts der Nut­zung ver­lan­gen. Im We­ge der Vor­teils­aus­glei­chung müss­te er das Fahr­zeug an die Be­klag­te über­eig­nen.

5. Auf den An­trag des Klä­gers wird nach § 538 II 1 Nr. 1 ZPO das land­ge­richt­li­che Ur­teil auf­ge­ho­ben und die Sa­che an das Land­ge­richt zu­rück­ver­wie­sen.

Das Ver­fah­ren vor dem Land­ge­richt lei­det an ei­nem we­sent­li­chen Man­gel. Ein we­sent­li­cher Man­gel liegt vor, wenn das Ge­richt den An­spruch ei­ner Par­tei auf recht­li­ches Ge­hör ver­letzt (Zöl­ler/​Heß­ler, ZPO, 33. Auf., § 538 Rn. 20). Der An­spruch auf recht­li­ches Ge­hör wird un­ter an­de­rem dann ver­letzt, wenn die An­for­de­run­gen an die Sub­stan­zi­ie­rung ei­nes Vor­trags über­spannt wer­den.

Der Klä­ger hat be­reits erst­in­stanz­lich be­haup­tet, das Ther­mo­fens­ter sei auf die Be­din­gun­gen des Prüf­stands zu­ge­schnit­ten, was dem Kraft­fahrt-Bun­des­amt nicht be­kannt ge­we­sen sei. Dar­auf ist das Land­ge­richt nicht ein­ge­gan­gen. Es hat so den Vor­trag des Klä­gers zu ei­ner Ab­schalt­ein­rich­tung und zu ei­ner Sit­ten­wid­rig­keit des Vor­ge­hens der Be­klag­ten zu Un­recht als un­sub­stan­zi­iert an­ge­se­hen. Denn wei­te­rer Vor­trag war dem Klä­ger nicht mög­lich. Als Au­ßen­ste­hen­der konn­te er zu der Wir­kungs­wei­se des von der Be­klag­ten im­ple­men­tier­ten Ther­mo­fens­ters nichts wei­ter vor­tra­gen.

Auf­grund des Vor­trags des Klä­gers und des Be­strei­tens der Be­klag­ten ist ei­ne um­fang­rei­che und schwie­ri­ge Be­weis­auf­nah­me not­wen­dig. Es wird die Ein­ho­lung ei­nes Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­tens zu den tech­ni­schen Fra­gen not­wen­dig wer­den. Ge­ge­be­nen­falls wer­den auch Zeu­gen zu ver­neh­men sein, die an der Ent­wick­lung der Mo­tor­steue­rung be­tei­ligt wa­ren. Die Be­ur­tei­lung der tech­ni­schen Fra­ge wird schwie­rig sein. Die Ver­neh­mung der Zeu­gen wird vor­aus­sicht­lich um­fang­reich sein, da es sich um zahl­rei­che Per­so­nen han­deln dürf­te.

Bei der Ent­schei­dung, ob das Ur­teil auf­ge­ho­ben oder zu­rück­ver­wie­sen wird, ist das In­ter­es­se der Par­tei­en an ei­ner schnel­len Ent­schei­dung ge­gen das In­ter­es­se, kei­ne In­stanz zu ver­lie­ren, ab­zu­wä­gen (Zöl­ler/​Heß­ler, a. a. O., § 538 Rn. 6). Hier über­wiegt das In­ter­es­se, kei­ne In­stanz zu ver­lie­ren, da noch die ge­sam­te Be­weis­auf­nah­me aus­steht. Den Par­tei­en wür­de durch die feh­len­de Be­ru­fungs­in­stanz die Mög­lich­keit ge­nom­men, Un­zu­läng­lich­kei­ten der Be­weis­auf­nah­me oder der Be­weis­wür­di­gung zu rü­gen.

6. Der Be­klag­ten war kein Schrift­satz­nach­lass zur Stel­lung­nah­me zu den recht­li­chen Hin­wei­sen im Ter­min zu ge­wäh­ren. Ein Schrift­satz­nach­lass ist nach § 283 ZPO nur zur Er­klä­rung zu Tat­sa­chen­be­haup­tun­gen des Geg­ners vor­ge­se­hen. Rechts­aus­füh­run­gen kann ei­ne Par­tei je­der­zeit bis zum Er­lass des Ur­teils ma­chen. Die vom Se­nat ver­tre­te­ne Rechts­auf­fas­sung war für die Be­klag­te zu­dem nicht über­ra­schend. Der Se­nat hat sie be­reits in der Sa­che 1 U 101/19 im Ter­min vom 26.06.2020 ver­tre­ten, in dem die Be­klag­te durch den­sel­ben Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten ver­tre­ten war wie in die­ser Sa­che, so­wie im Ur­teil vom 28.08.2020 (1 U 137/19, ju­ris).

7. Nach § 21 I 1 GKG wer­den Ge­richts­kos­ten für die Be­ru­fung nicht er­ho­ben. Die Ent­schei­dung über die vor­läu­fi­ge Voll­streck­bar­keit be­ruht auf § 708 Nr. 10 ZPO.

Die Zu­las­sung der Re­vi­si­on ist nicht an­ge­zeigt, weil die Rechts­sa­che we­der grund­sätz­li­che Be­deu­tung hat, noch die Fort­bil­dung des Rechts oder die Si­che­rung ei­ner ein­heit­li­chen Recht­spre­chung ei­ne Ent­schei­dung des Re­vi­si­ons­ge­richts er­for­dert (§ 543 II 1 ZPO). Die ent­schei­dungs­er­heb­li­chen Rechts­fra­gen sind ge­klärt.

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