1. Ha­ben die Par­tei­en ei­nes Kauf­ver­trags über ei­nen hoch­prei­si­gen Old­ti­mer ei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung des In­halts ge­trof­fen, dass das Fahr­zeug über ei­nen matching num­bers-Mo­tor ver­fügt, dann liegt ein er­heb­li­cher, den Käu­fer zum Rück­tritt vom Kauf­ver­trag be­rech­ti­gen­der Man­gel (§ 434 I 1 BGB) vor, wenn der Old­ti­mer tat­säch­lich nicht mehr mit dem ur­sprüng­lich vom Fahr­zeug­her­stel­ler ei­ge­bau­ten Mo­tor aus­ge­stat­tet ist. Dar­an än­dert nichts, dass die Num­mer des Aus­tausch­mo­tors und die Num­mer des Ori­gi­nal­mo­tors iden­tisch sind.
  2. Ei­ne Rück­tritts­er­klä­rung i. S. von § 349 BGB be­darf zu ih­rer Wirk­sam­keit grund­sätz­lich nicht der An­ga­be ei­nes Rück­tritts­grunds.

LG Ham­burg, Ur­teil vom 29.01.2021 – 329 O 59/18

Sach­ver­halt: Der Klä­ger hat von der Be­klag­ten zu 1, die auf den Ver­kauf von Old­ti­mern spe­zia­li­siert und de­ren per­sön­lich haf­ten­der Ge­sell­schaf­ter der Be­klag­te zu 2 ist, ei­nen sel­te­nen Old­ti­mer er­wor­ben. Er be­gehrt die Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags und Scha­dens­er­satz, und zwar ins­be­son­de­re des­halb, weil der Mo­tor des Fahr­zeugs kein matching num­bers-Mo­tor1Der Be­griff matching num­bers („über­ein­stim­men­de Num­mern“) oder num­ber matching („Num­mern­über­ein­stim­mung“) wird in Be­zug auf Old­ti­mer ver­wen­det, um die Echt­heit von Fahr­zeu­gen in Samm­ler- oder In­ves­ti­ti­ons­qua­li­tät zu be­schrei­ben. Er be­sagt im All­ge­mei­nen, dass ein be­stimm­tes Fahr­zeug noch sei­ne ur­sprüng­li­chen Haupt­kom­po­nen­ten oder Haupt­kom­po­nen­ten ent­hält, die ge­nau mit den Haupt­kom­po­nen­ten über­ein­stim­men, die das Fahr­zeug hat­te, als es neu war. sei.

Die Be­klag­te er­warb das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug in den Nie­der­lan­den und bot es so­dann ih­rer­seits im Herbst 2015 zum Kauf an. Da­bei be­warb das Fahr­zeug als Ja­gu­ar XK 150 S Roads­ter mit Links­len­kung und 3,8-Li­ter-Mo­tor aus dem Jahr 1960, das „sel­tens­te Mo­dell al­ler in­ner­halb der XK-Se­rie pro­du­zier­ten Fahr­zeu­ge“, von dem es nur 14 Ex­em­pla­re welt­weit ge­be. Es han­de­le sich um ein „su­per In­vest­ment“. Die Mo­tor­num­mer des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs wur­de wie folgt an­ge­ge­ben: „VAS 1193‑9 – ‚Matching Num­bers‘“.

Der Klä­ger kauf­te das so an­ge­prie­se­ne Fahr­zeug am 26.10.2015 zu pri­va­ten Zwe­cken zum Preis von 305.000 €. Im schrift­li­chen Kauf­ver­trag fin­det sich im Ab­schnitt „Fahr­zeug­be­schrei­bung/​Zu­be­hör“ eben­falls der Ver­weis auf ei­nen matching num­bers-Mo­tor. Das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug wur­de am 09.11.2015 an den Klä­ger über­ge­ben, der im Ge­gen­zug an die Be­klag­te zu 1 135.000 € in bar zahl­te. Im Üb­ri­gen gab der Klä­ger ei­nen bis da­hin in sei­nem Ei­gen­tum ste­hen­den Ja­gu­ar XK 150 bei der Be­klag­ten zu 1 in Zah­lung. Die­ses Fahr­zeug be­wer­te­ten die Par­tei­en über­ein­stim­mend mit 170.000 €. Den in Zah­lung ge­ge­be­nen Pkw hat die Be­klag­te zu 1 mitt­ler­wei­le wei­ter­ver­äu­ßert.

In der Fol­ge­zeit – bis No­vem­ber 2015 – leg­te der Klä­ger mit dem neu er­wor­be­nen Fahr­zeug, das für ihn in ers­ter Li­nie ein Lieb­ha­ber- und Samm­ler­stück und kein Ge­brauchs­ge­gen­stand war, le­dig­lich 300 km zu­rück. Im Herbst 2017 ent­schloss sich der Klä­ger so­dann, den Old­ti­mer zu ver­äu­ßern. In die­sem Zu­sam­men­hang er­fuhr er erst­mals da­von, dass das Fahr­zeug in ein­schlä­gi­gen In­ter­net­fo­ren als „Fäl­schung“ qua­li­fi­ziert wur­de. Der Klä­ger ver­lang­te dar­auf­hin von der Be­klag­ten zu 1 mit Schrei­ben vom 16.10.2017 die um­ge­hen­de Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags, was die Be­klag­te zu 1 ab­lehn­te. Dar­auf­hin nahm der Klä­ger an­walt­li­che Hil­fe in An­spruch und ließ die Be­klag­te zu 1 auf­for­dern, an ihn bis zum 19.12.2017 Zug um Zug ge­gen Rück­ge­währ des streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw ins­ge­samt 305.000 € zu zah­len. Nach­dem die der Be­klag­ten zu 1 ge­setz­te Frist er­folg­los ab­ge­lau­fen war, ließ der Klä­ger das hier in­ter­es­sie­ren­de Fahr­zeug von Sach­ver­stän­di­gen be­gut­ach­ten. Für ins­ge­samt drei sach­ver­stän­di­ge Stel­lung­nah­men zahl­te er (2.508 €+ 1.796,76 € + 1.849,68 € =) 6.154,44 €.

Auf der Grund­la­ge die­ser Stel­lung­nah­men hat der Klä­ger sein Rück­ab­wick­lungs­be­geh­ren wei­ter­ver­folgt. Er be­haup­tet mit Blick auf di­ver­se Un­re­gel­mä­ßig­kei­ten, die sich bei den Un­ter­su­chun­gen des streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeugs ge­zeigt hät­ten, dass der Pkw ei­ne Fäl­schung sei. Das ech­te Fahr­zeug sei im Be­sitz ei­nes Ame­ri­ka­ners, der über ein Echt­heits­zer­ti­fi­kat des Ja­gu­ar Daim­ler He­ri­ta­ge Trust ver­fü­ge. Er, der Klä­ger, sei ei­nem Schwin­del auf­ge­ses­sen.

Un­ab­hän­gig da­von – so hat der Klä­ger gel­tend ge­macht – sei der Mo­tor, mit dem der (ge­fälsch­te) Old­ti­mer aus­ge­stat­tet sei, kein matching num­bers-Mo­tor. Matching num­bers-Mo­tor be­deu­te, dass ein Fahr­zeug mit ge­nau dem Mo­tor vom Band ge­lau­fen sei, der sich auch heu­te noch dar­in be­fin­de. Das sei hier je­doch nicht der Fall; das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug sei viel­mehr mit ei­nem Aus­tausch­mo­tor aus­ge­stat­tet. Das sei schon dar­an zu er­ken­nen, dass im Mo­tor­block die Zah­len­fol­ge „17‑4‑64“ ein­ge­gos­sen sei, die für das of­fi­zi­el­le Guss­da­tum (17.04.1964) ste­he. Wenn aber der Mo­tor­block erst im Jahr 1964 ge­gos­sen wor­den sei, dann kön­ne es sich bei dem Mo­tor ge­ra­de nicht um den „Erst­mo­tor“ des schon im Jahr 1960 ge­bau­ten Fahr­zeugs han­deln. Durch den Ein­bau ei­nes Aus­tausch­mo­tors ha­be sich der Wert des Fahr­zeugs er­heb­lich ver­min­dert.

Mit sei­ner Kla­ge hat der Klä­ger von den Be­klag­ten als Ge­samt­schuld­nern die Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses (305.000 €) zu­züg­lich Zin­sen und ab­züg­lich ei­ner Nut­zungs­ent­schä­di­gung (3.900 €), Zug um Zug ge­gen Über­ga­be und Über­eig­nung des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs, so­wie den Er­satz von Sach­ver­stän­di­gen­kos­ten (6.154,44 € nebst Zin­sen) und vor­ge­richt­lich ent­stan­de­nen Rechts­an­walts­kos­ten (3.880,47 € nebst Zin­sen) ver­langt. Au­ßer­dem hat er die Fest­stel­lung des An­nah­me­ver­zugs der Be­klag­ten zu 1 be­gehrt.

Die Be­klag­ten ha­ben die Ein­re­de der Ver­jäh­rung er­ho­ben und in Ab­re­de ge­stellt, dass das an den Klä­ger ver­äu­ßer­te Fahr­zeug ei­ne Fäl­schung sei. Der Wa­gen – so ha­ben die Be­klag­ten gel­tend ge­macht – sei auch, wie ver­trag­lich ver­ein­bart, mit ei­nem matching num­bers-Mo­tor aus­ge­stat­tet. Der Klä­ger ver­ste­he die­sen Be­griff falsch; in der Bran­che sei an­er­kannt, dass ein Aus­tausch des Mo­tors den Grad der Ori­gi­na­li­tät des Fahr­zeugs nicht be­ein­träch­ti­ge, so­fern er noch wäh­rend der nor­ma­len Ge­brauchs­pha­se des Fahr­zeugs statt­ge­fun­den ha­be. Dem lie­ge zu­grun­de, dass im Jahr 1960 ge­fer­tig­te Mo­to­ren, bei de­nen die zu er­war­ten­de Ge­samt­lauf­leis­tung durch­schnitt­lich nur 20.000 km be­tra­gen ha­be, nicht die Bau­fes­tig­keit ge­habt hät­ten, die un­ter heu­ti­gen Pro­duk­ti­ons­be­din­gun­gen zu er­rei­chen sei. Ein mehr­fa­cher Aus­tausch des Mo­tors wäh­rend der Ge­brauchs­pha­se ei­nes Fahr­zeugs sei da­her völ­lig nor­mal und be­rüh­re den Sta­tus des Fahr­zeugs als matching num­bers-Fahr­zeug nicht. Matching num­bers be­zeich­ne da­mit le­dig­lich die al­pha­num­me­ri­sche Über­ein­stim­mung al­ler in den Pro­duk­ti­ons- und Aus­lie­fe­rungs­pa­pie­ren auf­ge­führ­ten und ge­kenn­zeich­ne­ten Bau­tei­len mit den tat­säch­li­chen Bau­tei­len. Die­se Über­ein­stim­mung sei hier ge­ge­ben, da der Mo­tor die – vom Fahr­zeug­her­stel­ler an­ge­ge­be­ne – Num­mer „VAS 1193‑9“ auf­wei­se. Im Üb­ri­gen sei es auch heut­zu­ta­ge mög­lich, ei­nen ori­gi­na­len Ja­gu­ar-Mo­tor­block zu be­stel­len und – mit der ur­sprüng­li­chen Mo­tor­num­mer ver­se­hen – in das ei­ge­ne Fahr­zeug ein­bau­en zu las­sen. Es han­de­le sich al­so kei­nes­wegs um ei­ne an­rü­chi­ge Pra­xis.

Die Kla­ge hat­te Er­folg.

Aus den Grün­den: Dem Klä­ger steht der gel­tend ge­mach­te An­spruch auf Rück­ab­wick­lung ge­gen die Be­klag­te zu 1 zu (1). Er kann auch die gel­tend ge­mach­ten Sach­ver­stän­di­gen- (2) und Rechts­an­walts­kos­ten (3) von ihr er­setzt ver­lan­gen. Der Be­klag­te zu 2 haf­tet ne­ben der Be­klag­ten zu 1 ak­zes­s­o­risch ge­mäß §§ 161 II, 128 Satz 1 HGB.

1. Der Klä­ger kann von der Be­klag­ten zu 1 ge­mäß § 437 Nr. 2 Fall 1, § 434 I 1, §§ 323, 326 V, § 346 BGB die Rück­ab­wick­lung des zwi­schen den Par­tei­en ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trags ver­lan­gen. Ein matching num­bers-Mo­tor ist ent­ge­gen der ex­pli­zi­ten Par­tei­ab­re­de in dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug nicht ver­baut, so­dass ein Sach­man­gel vor­liegt, (§ 434 I 1 BGB; a) Auch die wei­te­ren Vor­aus­set­zun­gen des Rück­tritts sind er­füllt (b). Die Rück­tritts­er­klä­rung er­folg­te auch in un­ver­jähr­ter Zeit (c). Die Mo­da­li­tä­ten der Rück­ab­wick­lung rich­ten sich nach §§ 346 I, II 1 Nr. 2 BGB (d).

a) Sach­man­gel (§ 434 I 1 BGB)

Die Par­tei­en ha­ben in dem zwi­schen ih­nen ge­schlos­se­nen Ver­trag aus­drück­lich ver­ein­bart, dass das Fahr­zeug ei­nen matching num­bers-Mo­tor ent­hält. Nach der hier­zu durch­ge­führ­ten Be­weis­auf­nah­me ist ein sol­cher matching num­bers-Mo­tor im streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug je­doch nicht ver­baut. Es steht näm­lich zur Über­zeu­gung des Ge­richts fest, (i) dass der im Fahr­zeug ver­bau­te Mo­tor frü­hes­tens im Jahr 1964 her­ge­stellt wor­den ist und (ii) dass ein Fahr­zeug mit aus­ge­tausch­tem Mo­tor nicht dem bran­chen­üb­li­chen Ver­ständ­nis ei­nes matching num­bers-Mo­tors ent­spricht.

(i) Mo­tor aus dem Jahr 1964

Zwi­schen den Par­tei­en ist un­strei­tig, dass auf dem im streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug ver­bau­ten Mo­tor­block die Zah­len­fol­ge „17‑4‑64“ ein­ge­prägt ist (vgl. auch drit­tes Gut­ach­ten des Sach­ver­stän­di­gen R, dort Abb. 2); ge­strit­ten wird je­doch dar­um, ob es sich hier­bei um das Guss­da­tum die­ses Bau­teils han­delt.

Der Klä­ger hat in­so­fern ne­ben den hier vor­ge­leg­ten pri­vat­sach­ver­stän­di­gen Stel­lung­nah­men und Aus­zü­gen aus der Fach­li­te­ra­tur auch ei­ne Stel­lung­nah­me des Ja­gu­ar He­ri­ta­ge Trust ein­ge­holt, ei­nem ge­mein­nüt­zi­gen Ver­ein, der sich für die Auf­recht­er­hal­tung und För­de­rung his­to­ri­scher Kraft­fahr­zeu­ge ein­setzt, die von Ja­gu­ar Cars Ltd. her­ge­stellt und ver­kauft wor­den sind. In die­ser Stel­lung­nah­me heißt es zu der auf­ge­wor­fe­nen Fra­ge (ins Deut­sche über­setzt) aus­drück­lich:

„Die in den Mo­tor­block ein­ge­stanz­te Num­mer be­zeich­net das Da­tum, an dem die Guss­tei­le in der bri­ti­schen Gie­ße­rei ge­gos­sen wur­den. Die Num­mer ist in dem For­mat AA‑BB‑CC ge­gos­sen und steht für: AA: Tag, BB: Mo­nat, CC: Jahr.“

Der Klä­ger hat das Fahr­zeug zu­dem auch noch ein­mal beim Her­stel­ler selbst be­gut­ach­ten las­sen. In dem hier­über an­ge­fer­tig­ten Fahr­zeug­be­richt von Ja­gu­ar Land Ro­ver fin­den sich zu­nächst die­sel­ben Aus­füh­run­gen und so­dann die Fest­stel­lung:

„Die Num­mer im Mo­tor­block lau­tet 17‑4‑64 und zeigt an, dass der Mo­tor am 17.04.1964 ge­gos­sen wur­de.“

Die Be­klag­ten, die zu­vor noch be­haup­te­ten hat­ten, ei­ne sol­che Vor­ge­hens­wei­se sei wirt­schaft­lich un­sin­nig, be­deu­te sie doch, das je­den Ar­beits­tag die Guss­form hät­te ge­än­dert wer­den müs­sen (vgl. Pro­to­koll vom 05.10.2018), sind dem wei­te­ren Vor­trag des Klä­gers zu die­sem Punkt (Schrift­satz vom 17.01.2019) nicht mehr sub­stan­zi­iert ent­ge­gen­ge­tre­ten (§ 138 III ZPO).

Nach all­dem gilt im pro­zes­sua­len Sin­ne als zu­ge­stan­den, dass der im streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug ver­bau­te Mo­tor­block erst am 17.04.1964 ge­gos­sen und zu ei­nem un­be­kann­ten Zeit­punkt da­nach in das Kfz ein­ge­baut wur­de. Das sind na­he­zu vier Jah­re, nach­dem das Fahr­zeug am 26.05.1960 ge­baut wur­de. Da es sich bei dem Mo­tor­block um den zen­tra­len Bau­stein des Mo­tors han­delt, kann hier nach dem Da­für­hal­ten des Ge­richts von ei­nem „Aus­tausch­mo­tor“ im Gan­zen ge­spro­chen wer­den. Ent­schei­dungs­er­heb­lich ist dies letzt­lich nicht, da selbst dann, wenn man zwi­schen aus­ge­tausch­tem Mo­tor und aus­ge­tausch­tem Mo­tor­block un­ter­schei­den woll­te, die Be­zeich­nung matching num­bers-Mo­tor hier nicht ein­ge­hal­ten wä­re (da­zu ii).

(ii) Bran­chen­üb­li­ches Ver­ständ­nis von matching num­bers-Mo­tor

Die Tat­sa­che, dass in dem Fahr­zeug nicht mehr der Mo­tor ver­baut ist, mit dem das Fahr­zeug ur­sprüng­lich vom Band ge­lau­fen ist, steht der Ab­re­de der Par­tei­en ent­ge­gen, wo­nach ein matching num­bers-Mo­tor ge­schul­det war. Dies er­gibt sich zur Über­zeu­gung des Ge­richts aus den sorg­fäl­ti­gen, fun­dier­ten und in sich wi­der­spruchs­frei­en Aus­füh­run­gen des Sach­ver­stän­di­gen R der das hier maß­geb­li­che bran­chen­üb­li­che Ver­ständ­nis der Be­griff­lich­keit (§§ 133, 157 BGB) in um­fas­sen­der Wei­se auf­ge­ar­bei­tet und sei­ne Ein­schät­zung auf die­ser Ba­sis für das Ge­richt über­zeu­gend er­läu­tert hat.

Da­nach exis­tiert in der Old­ti­mer­bran­che zwar kein ein­ein­deu­ti­ges Ver­ständ­nis der Be­griff­lich­keit; bei ei­ner über­wie­gen­den Mehr­heit der Ver­kehrs­teil­neh­mer wer­de die Be­zeich­nung ei­nes Fahr­zeug­bau­teils als matching num­bers aber so ver­stan­den, dass es sich um ein Ori­gi­nal­bau­teil han­de­le, das be­reits bei der Aus­lie­fe­rung vor­han­den war und nicht et­wa im Nach­hin­ein aus­ge­tauscht wur­de. Der Be­griff er­schöp­fe sich al­so ge­ra­de nicht in der bloß al­pha­num­me­ri­schen Über­ein­stim­mung der Zif­fern auf dem Bau­teil mit den Aus­lie­fe­rungs­be­le­gen, son­dern si­gna­li­sie­re dar­über hin­aus die Ori­gi­na­li­tät des frag­li­chen Bau­teils, hier al­so des Mo­tors. Mit Ori­gi­na­li­tät sei der Zeit­punkt ge­meint, zu dem das Fahr­zeug vom Band ge­lau­fen sei. Ge­ra­de im hoch­prei­si­gen Seg­ment des Old­ti­mer­markts wir­ke sich die Ori­gi­na­li­tät be­stimm­ter Bau­tei­le auch wert­er­hö­hend aus, wes­we­gen matching num­bers in die­sem Markt­seg­ment ein we­sent­li­cher den Preis be­stim­men­der Fak­tor sei. Je teu­rer das Fahr­zeug sei, um­so wich­ti­ger sei dies. Auch das hier streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug ge­hö­re zu die­sem obe­ren Markt­seg­ment (vgl. in­so­fern die um­fas­sen­den Aus­füh­run­gen im schrift­li­chen Gut­ach­ten vom 20.10.2020 so­wie die er­gän­zen­de An­hö­rung des Sach­ver­stän­di­gen vom 18.12.2020). Ver­glei­che man das ver­trag­lich ver­ein­bar­te mit dem tat­säch­lich ge­lie­fer­ten Fahr­zeug, so han­de­le es sich nicht um das­sel­be, da die Ab­re­de „matching num­bers“ nicht ein­ge­hal­ten sei (Pro­to­koll, S. 5–6).

Der Sach­ver­stän­di­ge stützt die­se Ein­schät­zung nicht le­dig­lich auf sei­ne ei­ge­ne Ex­per­ti­se – so ver­fügt er über jahr­zehn­te­lan­ge Er­fah­rung in der Old- und Young­ti­mer-Sze­ne und hat meh­re­re Jah­re als Chef­sach­ver­stän­di­ger der DE­KRA in die­sem Be­reich welt­weit ver­schie­dens­te Fahr­zeu­ge per­sön­lich be­gut­ach­tet. Viel­mehr hat er für die Be­ant­wor­tung der hie­si­gen Be­weis­fra­ge auf ein Netz­werk von über 50 Per­so­nen zu­rück­ge­grif­fen, die als Old­tim­mer­samm­ler, – ver­käu­fer, -ver­si­che­rer oder -gut­ach­ter in der Bran­che bun­des­weit, teil­wei­se auch in­ter­na­tio­nal, tä­tig sind. Zu­dem hat er Stel­lung­nah­men von Kom­mis­sa­ren der Fédéra­ti­on In­ter­na­tio­na­le des Véhi­cu­les An­ci­ens (FI­VA), das heißt dem Welt­ver­band der Old­ti­mer-Or­ga­ni­sa­tio­nen, ein­ge­holt. Al­len die­sen Be­tei­lig­ten hat er in an­ony­mi­sier­ter Form das hier streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug mit dem vier Jah­re jün­ge­ren Mo­tor be­schrie­ben und sie dann ge­be­ten mit­zu­tei­len, ob es sich nach ih­rer Ein­schät­zung um ei­nen matching num­bers-Mo­tor han­de­le. Die über­wie­gen­de Zahl der Be­frag­ten ha­be dies ver­neint, le­dig­lich ein „ge­rin­ger ein­stel­li­ger pro­zen­tua­ler An­teil“ ha­be dem Be­griffs­ver­ständ­nis zu­ge­neigt, wie es hier von der Be­klag­ten­sei­te ver­tre­ten wird, näm­lich, dass ein Aus­tausch wäh­rend der Ge­brauchs­pha­se für die Ori­gi­na­li­tät un­schäd­lich sei (vgl. Pro­to­koll der münd­li­chen An­hö­rung vom 18.12.2020, dort S. 6). Der Sach­ver­stän­di­ge hat sei­ne Ein­schät­zung zu­dem mit ei­ner um­fas­sen­den Aus­wer­tung der Fach­li­te­ra­tur un­ter­mau­ert und da­bei auch die im Rah­men des Pro­zes­ses von den Par­tei­en vor­ge­leg­ten pri­vat­sach­ver­stän­di­gen Stel­lung­nah­men ge­wür­digt (vgl. Gut­ach­ten vom 20.10.2020).

Der Sach­ver­stän­di­ge hat schließ­lich auch de­zi­diert zu den Ein­wän­den der Be­klag­ten­sei­te Stel­lung ge­nom­men und die­se mit über­zeu­gen­den Ar­gu­men­ten wi­der­legt. So hat er ins­be­son­de­re aus­ge­führt, dass auch in dem Fall, dass le­dig­lich der Mo­tor­block und nicht der ge­sam­te Mo­tor erst im Jahr 1964 her­ge­stellt wor­den sei, nicht von un­ein­ge­schränk­ten „matching num­bers“ ge­spro­chen wer­den kön­ne. Ein zen­tra­les Bau­teil des Mo­tors sei dann eben nicht ori­gi­nal. Ge­ra­de weil es sich aber um ein be­son­de­res wert­bil­den­des Merk­mal im Markt für hoch­prei­si­ge Old­ti­mer – wie dem hie­si­gen Fahr­zeug – han­de­le, müs­se man hier sehr ge­nau hin­gu­cken (vgl. Pro­to­koll der münd­li­chen An­hö­rung, S. 7). Der Sach­ver­stän­di­ge hat auf Nach­fra­ge der Be­klag­ten­sei­te wei­ter klar­ge­stellt, dass das Be­griffs­ver­ständ­nis von „matching num­bers“ in den letz­ten zehn Jah­ren zwar durch­aus „ein biss­chen stren­ger“ ge­wor­den sei und die De­bat­te sich „fo­kus­siert“, ein grund­le­gen­der Wan­del aber nicht statt­ge­fun­den ha­be (vgl. Pro­to­koll der münd­li­chen An­hö­rung, S. 10). So sei es zwar durch­aus mög­lich, dass im Jahr 2015 – dem Jahr des Ver­trags­schlus­ses – ei­ni­ge Per­so­nen noch ein lo­cke­res Be­griffs­ver­ständ­nis hier­zu ver­tre­ten hät­ten und da­mit der An­teil der­je­ni­gen, die der An­sicht der Be­klag­ten­sei­te zu­neig­ten, „viel­leicht et­was grö­ßer ge­we­sen wä­re“. Si­cher fest­stel­len las­se sich dies je­doch nicht. Dar­aus er­gibt sich für das Ge­richt aber je­den­falls kei­ne Ver­än­de­rung des mehr­heit­lich in der Bran­che vor­han­de­nen Ver­ständ­nis­ses. Maß­geb­lich ist für das Ge­richt in­so­fern auch, dass der Sach­ver­stän­di­ge auf wei­te­re Nach­fra­ge mit­ge­teilt hat, dass kein ein­zi­ger sei­ner „Um­fra­ge­teil­neh­mer“ bei der Be­ant­wor­tung der Fra­ge ei­nen sol­chen Un­ter­schied hin­sicht­lich des Zeit­punkts des Ver­trags­schlus­ses ge­macht ha­be. Ein Groß­teil der Be­frag­ten ha­be sich viel­mehr sehr ein­deu­tig ge­äu­ßert (Pro­to­koll, S. 10).

Dies wird wei­ter ge­stützt durch ei­nen dem hie­si­gen Ver­fah­ren durch­aus ver­wand­ten Fall, der be­reits 2014 vom OLG Karls­ru­he ent­schie­den wor­den ist. Auch dort wur­de über die Fra­ge ver­han­delt, ob ein nach­träg­lich in ei­nen Ja­gu­ar XK 150 S Roads­ter (dort Bau­jahr 1958) ein­ge­bau­ter Mo­tor ei­nen Sach­man­gel dar­stel­le. An ei­ner aus­drück­li­chen Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung fehl­te es im da­ma­li­gen Fall. Das dor­ti­ge Ge­richt führ­te hier­zu nach sach­ver­stän­di­ger Be­ra­tung im Ur­teil aus, dass

„ein Käu­fer, der Wert auf den Ori­gi­nal­zu­stand des Old­ti­mers legt, im Kauf­ver­trag für ei­ne ent­spre­chen­de Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung sor­gen muss. Beim Ver­kauf von Old­ti­mern ist es teil­wei­se üb­lich, dass die Ori­gi­na­li­tät be­stimm­ter Bau­tei­le wie zum Bei­spiel des Mo­tors durch so­ge­nann­te matching num­bers be­schrie­ben wird.“ (OLG Karls­ru­he, Urt. v. 20.11.2014 – 9 U 234/12, ju­ris Rn. 27).

Auch dies fes­tigt die Über­zeu­gung des Ge­richts, das be­reits zum da­ma­li­gen Zeit­punkt die Be­griff­lich­keit „matching num­bers“ von den maß­geb­li­chen Ver­kehrs­krei­sen so ver­stan­den wor­den ist wie hier vom Sach­ver­stän­di­gen dar­ge­legt.

Im Rah­men der Aus­le­gung der ver­trag­li­chen Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung ist zu­dem auch zu be­rück­sich­ti­gen, dass es die Be­klag­te – als an­er­kann­ter Old­ti­mer-Fach­be­trieb – war, die die Be­griff­lich­keit in die Ver­trags­ver­hand­lun­gen ein­ge­bracht hat, in­dem sie sie in ih­re Wer­bung mit auf­ge­nom­men und dort – fett ge­druckt – als be­son­de­res, wert­bil­den­des Merk­mal des Fahr­zeugs an­ge­prie­sen hat (vgl. „matching num­bers“, „ein su­per In­vest­ment“). Et­wai­ge Rest­zwei­fel hin­sicht­lich des zum da­ma­li­gen Zeit­punkt vor­herr­schen­den Be­griffs­ver­ständ­nis­ses müss­ten, wenn sie denn be­stün­den, da­her oh­ne­hin zu ih­ren Las­ten ge­hen. Das Ge­richt hat in­des nach den Dar­le­gun­gen des Sach­ver­stän­di­gen auch kei­ne sol­chen Rest­zwei­fel. Viel­mehr wird durch die­se An­zei­ge die Ein­schät­zung des Gut­ach­ters ge­ra­de ge­stützt, wo­nach es sich im hoch­prei­si­gen Markt für Old­ti­mern bei matching num­bers um ei­nen we­sent­li­chen wert­re­le­van­ten Fak­tor han­delt. Ei­ne sol­che er­heb­li­che Wert­stei­ge­rung ist aber nur ge­recht­fer­tigt, wenn da­mit auch ei­ne Aus­sa­ge über die Ori­gi­na­li­tät der Bau­tei­le ver­bun­den und nicht le­dig­lich die al­pha­num­me­ri­sche Über­ein­stim­mung mit den Aus­lie­fe­rungs­pa­pie­ren ge­meint ist.

Schließ­lich gibt auch kei­nen An­lass zu an­der­wei­ti­ger Be­ur­tei­lung, dass – wie die Be­klag­te vor­ge­tra­gen hat – es sei­tens Ja­gu­ar die Mög­lich­keit gibt, auch heu­te noch ei­nen his­to­ri­schen Mo­tor­block lie­fern, ein­bau­en und mit der Ori­gi­nal­num­mer ver­se­hen zu las­sen. Denn wie sich aus den vom Klä­ger hier­zu vor­ge­leg­ten – un­be­strit­te­nen – Un­ter­la­gen er­gibt, wird ein sol­cher Mo­tor­block, wenn er mit der Ori­gi­nal­num­mer ver­se­hen wird, auch mit ei­nem Stern­chen (*) ver­se­hen, um zu zei­gen, dass der Mo­tor­block aus­ge­tauscht wur­de (vgl. An­la­ge HL 40: “The stamp will in­clu­de an as­te­rix to re­flect the en­gi­ne block re­pla­ce­ment.”). Dem Markt wird da­mit al­so ge­ra­de si­gna­li­siert, dass ein Aus­tausch des Mo­tor­blocks un­ter Bei­be­hal­tung der Ori­gi­nal­num­mer statt­ge­fun­den hat, das heißt, dass es sich dann ge­ra­de nicht mehr um matching num­bers han­delt.

Ob das Fahr­zeug da­ne­ben noch wei­te­re Sach­män­gel auf­weist, ins­be­son­de­re ob es sich tat­säch­lich um ei­ne Fäl­schung (§ 434 III BGB) han­delt, muss nach all­dem nicht wei­ter auf­ge­klärt wer­den, da es sich be­reits bei dem vor­be­zeich­ne­ten Man­gel um ei­nen hin­rei­chen­den Rück­tritts­grund han­delt.

b) Auch die wei­te­ren Vor­aus­set­zun­gen für ei­nen wirk­sa­men Rück­tritt sind er­füllt. Vor dem Hin­ter­grund der Wert­re­le­vanz der matching num­bers han­delt es sich je­den­falls um ei­nen er­heb­li­chen Man­gel (§ 323 V 2 BGB), auch wenn der Sach­ver­stän­di­ge sich zur Hö­he die­ser Wert­min­de­rung nicht ab­schlie­ßend fest­le­gen woll­te (vgl. Pro­to­koll der An­hö­rung, S. 4–5: ma­xi­mal 20 %, letzt­lich aber auch ab­hän­gig vom Käu­fer­in­ter­es­se).

Auch ei­ne Frist­set­zung zur Nach­er­fül­lung ist vor die­sem Hin­ter­grund ent­behr­lich (§§ 323, 326 V BGB). Denn ei­ne Nach­bes­se­rung ist tat­säch­lich un­mög­lich (§ 275 I BGB). Wo sich der Ori­gi­nal­motor­block aus dem Bau­jahr 1960 be­fin­det bzw. ob er über­haupt noch exis­tiert, ist un­be­kannt. Na­he­lie­gend ist – so, wie die Be­klag­te dies im All­ge­mei­nen be­rich­tet hat – dass der Mo­tor­block kei­ne (für heu­ti­ge Ver­hält­nis­se) be­son­ders lan­ge Le­bens­dau­er hat­te und nach sei­nem Aus­tausch schlicht ver­nich­tet wor­den ist. Das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug mit dem Ori­gi­nal­mo­tor her­zu­rich­ten, um die Par­tei­ver­ein­ba­rung zu er­fül­len, ist da­her aus­ge­schlos­sen. Auch die Nach­lie­fe­rung ist un­mög­lich, ob­gleich be­reits aus recht­li­chen Grün­den. Es han­delt sich hier um ei­ne kon­kre­ti­sier­te Stückschuld, die auch nach dem Wil­len der Par­tei­en (an­ders als z. B. bei ei­nem Ge­braucht­wa­gen) nicht aus­tausch­bar war (vgl. BGH, Urt. v. 08.01.2019 – VI­II ZR 225/17, ju­ris Rn. 34 m. w. Nachw.). Viel­mehr han­delt es sich hier um ein sel­te­nes Fahr­zeug­mo­dell von her­aus­ge­ho­be­nem Wert, von dem welt­weit nur 14 Ex­em­pla­re exis­tie­ren und das hin­sicht­lich sei­ner Ei­gen­schaf­ten und Aus­stat­tung ein­zig­ar­tig ist.

Schließ­lich greift auch der im Ver­trag vor­ge­se­he­ne Aus­schluss der Sach­män­gel­ge­währ­leis­tung nicht, da hier aus­drück­lich ei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung ge­trof­fen wor­den ist, die dem Ge­währ­leis­tungs­aus­schluss in­so­weit vor­geht (vgl. BGH, Urt. v. 29.11.2006 – VI­II ZR 92/06, BGHZ 170, 86 Rn. 31; Urt. v. 13.03.2013 – VI­II ZR 172/12, ju­ris Rn. 19).

c) Der Rück­tritt ist schließ­lich auch in noch un­ver­jähr­ter Zeit wirk­sam er­klärt wor­den (§ 218 I 1, § 438 I Nr. 3, II BGB). Die Ver­jäh­rung be­gann mit der Ab­lie­fe­rung der Sa­che beim Klä­ger am 09.11.2015 und lief für zwei Jah­re, das heißt bis zum 09.11.2017 (§ 188 II BGB). Der Klä­ger hat sei­nen Rück­tritt im Schrei­ben vom 16.10.2017 und da­mit in noch un­ver­jähr­ter Zeit er­klärt. Die Rück­tritts­er­klä­rung war hin­rei­chend deut­lich („Da­her ver­lan­ge ich die Rück­ab­wick­lung des Ver­tra­ges und for­de­re Sie auf, mir ge­gen Rück­ga­be des Fahr­zeugs mei­nen Kauf­preis zu er­stat­ten.“); ei­ne Frist­set­zung war nicht er­for­der­lich (s. oben). Der Klä­ger hat sein Rück­tritts­recht da­mit wirk­sam aus­ge­übt.

Wei­te­re An­for­de­run­gen an die Aus­übung die­ses Ge­stal­tungs­rechts gibt es nicht. Ins­be­son­de­re ist die An­ga­be ei­nes Rück­tritts­grunds grund­sätz­lich nicht er­for­der­lich (vgl. OLG Bran­den­burg, Urt. v. 22.06.2011 – 4 U 165/10, ju­ris Rn. 51 ff.; Stau­din­ger/​Schwar­ze, BGB, Neu­be­arb. 2020, § 323 Rn. D 10; je­weils m. w. Nachw.). Un­ab­hän­gig da­von hat der Klä­ger sei­ne Grün­de so­gar in Kür­ze an­ge­ge­ben, auch wenn in die­sem Schrei­ben noch der Vor­wurf der Fäl­schung des Fahr­zeugs im Vor­der­grund ge­stan­den hat. In die­sem Zu­sam­men­hang hat der Klä­ger aber auch be­reits aus­ge­führt, dass es Hin­wei­se ge­be „dass die Num­mern auf Chas­sis und Mo­tor spä­ter ein­ge­stanzt wur­den“ – das Pro­blem der matching num­bers ist hier al­so auch schon an­ge­spro­chen. Noch­mals ver­tieft wur­den die Aus­füh­run­gen hier­zu dann im Schrei­ben der Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten des Klä­gers vom 25.10.2017 (vgl. An­la­ge HL 13c, dort S. 2: „Ein nach­weis­lich im Jahr 1964 her­ge­stell­ter Mo­tor kann je­doch er­sicht­lich kein Ori­gi­nal aus dem Jahr 1960 sein …“). Die Be­klag­ten wa­ren da­mit auch hin­rei­chend über den Rück­tritts­grund ins Bild ge­setzt.

Der Klä­ger ist von dem von ihm ge­äu­ßer­ten un­be­ding­ten und so­for­ti­gen Rück­ab­wick­lungs­ver­lan­gen auch nicht in wi­der­sprüch­li­cher Wei­se ab­ge­rückt. Die in den dar­auf­fol­gen­den an­walt­li­chen Schrei­ben ge­setz­ten Fris­ten zur Nach­er­fül­lung sind wie folgt ein­ge­lei­tet:

„Im Na­men un­se­res Man­dan­ten ma­chen wir auf­grund des dar­ge­leg­ten nicht hin­zu­neh­men­den Man­gels an dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug kauf­recht­li­che Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­che gem. §§ 437, 434 BGB gel­tend. Zwar neh­men wir nicht an, dass ei­ne Nach­er­fül­lung gem. §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 BGB Ih­rer­seits mög­lich ist. Der gu­ten Ord­nung hal­ber for­dern wir Ih­re Man­dant­schaft den­noch auf, an un­se­ren Man­dan­ten bis zum 09.11.2017 ei­nen ori­gi­na­len Ja­gu­ar XK 150 S 3,8 l LHD ent­spre­chend der im Kauf­ver­trag … kon­kret ver­ein­bar­ten Be­schaf­fen­heit zu lie­fern.“

Da­mit wird deut­lich zum Aus­druck ge­bracht, dass die Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten des Klä­gers – in der Sa­che zu­tref­fend – we­gen Un­mög­lich­keit von ei­ner Ent­behr­lich­keit der Frist­set­zung aus­ge­gan­gen sind und le­dig­lich aus an­walt­li­cher Vor­sicht ei­ne letzt­lich recht­lich un­be­deu­ten­de Frist ge­setzt ha­ben. Dar­an, dass der Klä­ger durch sein Schrei­ben vom 16.10.2017 sein Ge­stal­tungs­recht be­reits wirk­sam aus­ge­übt und den Ver­trag da­mit in ein Rück­ab­wick­lungs­schuld­ver­hält­nis um­ge­wan­delt hat­te, än­dert dies nichts.

d) Die Mo­da­li­tä­ten der Rück­ab­wick­lung er­ge­ben sich hin­sicht­lich des Klä­gers aus §§ 346 I, 348 BGB. Die­ser hat das Fahr­zeug an die Be­klag­te zu 1 her­aus­zu­ge­ben und zu­rück­zu­über­eig­nen und die ge­zo­ge­nen Nut­zun­gen zu er­stat­ten. Die vom Klä­ger hier­für vor­ge­schla­ge­ne Be­rech­nungs­me­tho­dik ist an­ge­sichts des be­son­de­ren Cha­rak­ters des Fahr­zeugs als Lieb­ha­ber- und Sam­mel­ob­jekt nach dem Da­für­hal­ten des Ge­richts an­ge­mes­sen (§ 287 BGB). Ei­ne Be­rech­nung rein nach Ki­lo­me­tern, wie sie sonst üb­lich ist, gin­ge in die­sem Fall da­ge­gen an der Sa­che vor­bei. Die Be­klag­ten sind die­ser Be­rech­nungs­me­tho­de auch we­der dem Grund noch der Hö­he nach ent­ge­gen­ge­tre­ten. Nach all­dem hat der Klä­ger ei­nen Nut­zungs­er­satz in Hö­he von 3.900 € zu zah­len.

Die Be­klag­te zu  1 hat im Ge­gen­zug das er­hal­te­ne Bar­geld in Hö­he von 135.000 € her­aus­zu­ge­ben und Wert­er­satz für das in Zah­lung ge­ge­be­ne Fahr­zeug in Hö­he von 170.000 € zu leis­ten, ins­ge­samt al­so 305.000 € zu zah­len (§ 346 I, II Nr. 2, § 348 I BGB).

Da sich die Zah­lungs­an­sprü­che in Hö­he. 305.000 € und 3.900 € als gleich­ar­ti­ge An­sprü­che syn­al­lag­ma­tisch ge­gen­über­ste­hen, hat das Ge­richt sie in­so­weit di­rekt ver­rech­net (Te­nor zu 1). Auch der klä­ger­seits ge­stell­te An­trag zu 1 wird hier ent­spre­chend ver­stan­den (§ 308 I ZPO).

e) Der Klä­ger kann auf den ver­blei­ben­den Zah­lungs­an­spruch in Hö­he von 301.100 € auch Ver­zugs­zin­sen seit dem 20.12.2017 ver­lan­gen (§ 286 I 1, §§ 288 I, 187 I BGB.

Er hat die Be­klag­te zu 1 un­ter Frist­set­zung bis zum 19.12.2017 zur Rück­ab­wick­lung des hier streit­ge­gen­ständ­li­chen Ver­trags auf­ge­for­dert. Kon­kret hat er die Rück­zah­lung von 305.000 € Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be und Rück­über­eig­nung des Fahr­zeugs ver­langt. Hier­bei han­delt es sich um ei­ne ord­nungs­ge­mä­ße ver­zugs­be­grün­den­de Mah­nung i. S. des § 286 I 1 BGB, auch wenn der vom Klä­ger an die Be­klag­te zu 1 zu leis­ten­de Nut­zungs­er­satz in Hö­he von 3.900 € hier­bei be­trags­mä­ßig noch nicht be­rück­sich­tigt wor­den war. Es han­delt sich vor dem Hin­ter­grund des Ge­samt­vo­lu­mens des Ver­trags um ei­ne nur mi­ni­ma­le Ab­wei­chung der Hö­he nach, die die Be­klag­te auch oh­ne Wei­te­res hät­te über­prü­fen und kor­ri­gie­ren kön­nen. Statt­des­sen hat sie die Rück­ab­wick­lung ins­ge­samt ver­wei­gert. Je­de wei­te­re Mah­nung wä­re vor die­sem Hin­ter­grund oh­ne­hin ent­behr­lich ge­we­sen (§ 286 II Nr. 3 BGB).

Die Be­klag­te zu 1 be­fand sich zu­dem seit dem 20.12.2017 auch im An­nah­me­ver­zug im Hin­blick auf ih­re Rück­nah­me­ver­pflich­tung. Das ent­spre­chen­de Schrei­ben des Klä­gers stellt un­ter Be­rück­sich­ti­gung des vor­her Ge­sag­ten ein hin­rei­chend kon­kre­tes An­ge­bot dar (§§ 293 ff. BGB).

2. Der Klä­ger kann zu­dem die ihm ent­stan­de­nen Kos­ten für die sach­ver­stän­di­ge Be­gut­ach­tung des Fahr­zeugs von der Be­klag­ten zu 1 er­setzt ver­lan­gen. Die Scha­den­er­satz­pflicht folgt dem Grun­de nach aus §§ 346 IV, 280 I, 241 II, 249 I BGB. Die Be­klag­te hat ih­re Pflicht zur Rück­nah­me des Fahr­zeugs ver­letzt, in­dem sie sie hart­nä­ckig in Ab­re­de ge­stellt und nicht er­füllt hat. Dar­auf­hin hat der Klä­ger, um sei­ne Rech­te zu wah­ren, die pri­vat­sach­ver­stän­di­ge Be­gut­ach­tung des Fahr­zeugs in Auf­trag ge­ge­ben. Die hier­durch ent­stan­de­nen Kos­ten sind not­wen­di­ge und zweck­mä­ßi­ge Kos­ten der Rechts­ver­fol­gung.

Der Klä­ger, der hier als Ver­brau­cher ge­han­delt hat, muss­te sich ge­gen­über der Be­klag­ten zu 1, bei der es sich um ei­nen deutsch­land­weit be­kann­ten Fach­be­trieb für den Ver­trieb von Old­ti­mern han­delt, zu­nächst ein­mal das nö­ti­ge tech­ni­sche Fach­wis­sen ver­schaf­fen, um die Durch­set­zung sei­ner An­sprü­che vor­zu­be­rei­ten. Zu die­sem Zweck hat er den Pri­vat­sach­ver­stän­di­gen R ein­ge­schal­tet, der dann Fest­stel­lun­gen zu dem hier streit­ge­gen­ständ­li­chen Mo­tor und Mo­tor­block ge­trof­fen hat. Dass die hier­für ent­stan­de­nen Kos­ten der Hö­he nach nicht an­ge­mes­sen sein sol­len, ist we­der vor­ge­tra­gen noch er­sicht­lich. Sie sind dem Klä­ger dem­nach zu er­set­zen.

Der da­mit ein­her­ge­hen­de Zins­an­spruch folgt aus §§ 291, 288 I BGB und be­ginnt ge­mäß § 187 I BGB ei­nen Tag nach Rechts­hän­gig­keit (08.03.2018).

3. Aus den­sel­ben Grün­den sind auch die vor­ge­richt­li­chen Rechts­an­walts­kos­ten des Klä­gers er­stat­tungs­fä­hig. Es han­delt sich um not­wen­di­ge und zweck­mä­ßi­ge Kos­ten der Rechts­ver­fol­gung. Ins­be­son­de­re hat­te der Klä­ger die Be­klag­te zu 1 vor­ab per­sön­lich ge­mahnt und ei­ne Frist zur Rück­ab­wick­lung ge­setzt und erst, nach­dem die Be­klag­te dies ab­ge­lehnt hat­te, die hier tä­ti­gen Rechts­an­wäl­te ein­ge­schal­tet. Auch der Hö­he nach sind die gel­tend ge­mach­ten Kos­ten nicht zu be­an­stan­den. Ab­ge­rech­net wur­de ei­ne 1,3-fa­che Ge­schäfts­ge­bühr nach dem hie­si­gen Ge­gen­stands­wert zu­züg­lich Aus­la­gen­pau­scha­le und Mehr­wert­steu­er, was den gel­tend ge­mach­te Be­trag in Hö­he von 3.880,47 € er­gibt.

Der da­mit ein­her­ge­hen­de Zins­an­spruch folgt aus §§ 291, 288 I 2 BGB und be­ginnt ge­mäß § 187 I BGB ei­nen Tag nach Rechts­hän­gig­keit (08.03.2018). …

PDF er­stel­len