1. Ein Kauf­in­ter­es­sent, der ei­ne Pro­be­fahrt mit ei­nem Kraft­fahr­zeug un­ter­nimmt, ist nicht Be­sitz­die­ner des Ver­käu­fers.
  2. Die Über­las­sung ei­nes Kraft­fahr­zeugs durch den Ver­käu­fer zu ei­ner un­be­glei­te­ten und auch nicht an­der­wei­tig über­wach­ten Pro­be­fahrt ei­nes Kauf­in­ter­es­sen­ten auf öf­fent­li­chen Stra­ßen für ei­ne ge­wis­se Dau­er (hier: ei­ne Stun­de) ist kei­ne Be­sitz­lo­cke­rung, son­dern führt zu ei­nem frei­wil­li­gen Be­sitz­ver­lust.
  3. Wird das Fahr­zeug in ei­nem sol­chen Fall nicht zu­rück­ge­ge­ben, liegt da­her kein Ab­han­den­kom­men i. S. des § 935 BGB vor.

BGH, Ur­teil vom 18.09.2020 – V ZR 8/19
(vor­an­ge­hend: OLG Frank­furt a. M., Ur­teil vom 17.12.2018 – 15 U 84/18)

Sach­ver­halt: Bei der Klä­ge­rin, die ein Au­to­haus be­treibt, er­schien En­de Au­gust 2017 ein Mann, der sich für ein als Vor­führ­wa­gen ge­nutz­tes Kraft­fahr­zeug, des­sen Wert 52.900 € be­trug, in­ter­es­sier­te und mit die­sem ei­ne Pro­be­fahrt un­ter­neh­men woll­te. Er leg­te ei­nen ita­lie­ni­schen Per­so­nal­aus­weis, ei­ne Mel­de­be­stä­ti­gung ei­ner deut­schen Stadt und ei­nen ita­lie­ni­schen Füh­rer­schein vor. Die Un­ter­la­gen, die sich spä­ter als hoch­wer­ti­ge Fäl­schun­gen her­aus­stell­ten, wur­den durch ei­nen Mit­ar­bei­ter der Klä­ge­rin ko­piert. In ei­nem als „Fahr­zeug-Be­nut­zungs­ver­trag“ be­zeich­ne­ten For­mu­lar wur­den die Durch­füh­rung ei­ner Pro­be­fahrt in dem Zeit­raum von 11.30 Uhr bis 12.30 Uhr, ei­ne Haf­tungs­re­du­zie­rung auf 1.000 € so­wie ei­ne vor­geb­li­che Mo­bil­fun­k­num­mer des In­ter­es­sen­ten ein­ge­fügt. Ihm wur­den für ei­ne un­be­glei­te­te Pro­be­fahrt ein Fahr­zeug­schlüs­sel, das mit ei­nem ro­ten Kenn­zei­chen ver­se­he­ne Fahr­zeug, das dies­be­züg­li­che Fahr­ten­buch und Fahr­zeug­schein­heft so­wie ei­ne Ko­pie der Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil I aus­ge­hän­digt. Die Per­son kehr­te mit dem Fahr­zeug nicht mehr zu dem Au­to­haus zu­rück.

Im Sep­tem­ber 2017 wur­de die Be­klag­te in ei­nem In­ter­net­ver­kaufspor­tal auf das dort von ei­nem Pri­va­ten an­ge­bo­te­ne Fahr­zeug auf­merk­sam. Bei dem te­le­fo­nisch ver­ein­bar­ten Tref­fen am Haupt­bahn­hof in H. leg­te der Ver­käu­fer die Zu­las­sungs­be­schei­ni­gun­gen Teil I und Teil II vor, die auf sei­ne an­geb­li­chen Per­so­na­li­en aus­ge­stellt wa­ren und die die Fahr­zeug-Iden­ti­fi­zie­rungs­num­mer des Fahr­zeugs aus­wie­sen. Die Be­schei­ni­gun­gen wa­ren auf Ori­gi­nal­vor­dru­cken, die aus ei­ner Zu­las­sungs­stel­le ge­stoh­len wor­den wa­ren, an­ge­fer­tigt. Die Be­klag­te, die die Fäl­schun­gen nicht er­kann­te, schloss mit dem Ver­käu­fer ei­nen Kauf­ver­trag über das Fahr­zeug. Auf sei­nen Wunsch hin ver­merk­ten sie in dem Ver­trags­for­mu­lar an­stel­le des tat­säch­lich bar ge­leis­te­ten Be­trags von 46.500 € ei­nen Kauf­preis von nur 43.500 €, weil der Ver­käu­fer an­gab, dass dies „bes­ser für sei­ne Ar­beit“ sei. Der Be­klag­ten wur­den nach Zah­lung das Fahr­zeug, die Zu­las­sungs­pa­pie­re, ein pas­sen­der so­wie ein wei­te­rer – nicht dem Fahr­zeug zu­zu­ord­nen­der – Schlüs­sel über­ge­ben. Die zu­stän­di­ge Be­hör­de lehn­te ei­ne Zu­las­sung ab, da das Fahr­zeug als ge­stoh­len ge­mel­det war.

Die Kla­ge auf Her­aus­ga­be des Fahr­zeugs hat das Land­ge­richt ab­ge­wie­sen und der Wi­der­kla­ge, mit der die Be­klag­te die Fest­stel­lung ih­res Ei­gen­tums so­wie Her­aus­ga­be der Ori­gi­nal-Zu­las­sungs­pa­pie­re und des Zweit­schlüs­sels ver­langt, statt­ge­ge­ben. Auf die Be­ru­fung der Klä­ge­rin hat das Ober­lan­des­ge­richt der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Die Wi­der­kla­ge hat es be­züg­lich des Fest­stel­lungs­an­trags als un­zu­läs­sig, im Üb­ri­gen als un­be­grün­det ab­ge­wie­sen. Die da­ge­gen ge­rich­te­te Re­vi­si­on der Be­klag­ten, die die Wie­der­her­stel­lung der erst­in­stanz­li­chen Ent­schei­dung er­rei­chen woll­te, hat­te hin­sicht­lich der Kla­ge voll­stän­dig und hin­sicht­lich der Wi­der­kla­ge teil­wei­se Er­folg.

Aus den Grün­den: [4]    A. Nach An­sicht des Be­ru­fungs­ge­richts ist die Klä­ge­rin Ei­gen­tü­me­rin des Fahr­zeugs ge­blie­ben und kann des­halb des­sen Her­aus­ga­be von der Be­klag­ten ver­lan­gen. Die Be­klag­te ha­be das Ei­gen­tum nicht kraft gu­ten Glau­bens er­wor­ben. Zwar sei die Wür­di­gung des Land­ge­richts nicht zu be­an­stan­den, wo­nach die Be­klag­te bei Ab­schluss des Kauf­ver­trags in gu­tem Glau­ben an das Ei­gen­tum des Ver­käu­fers ge­we­sen sei. Ein gut­gläu­bi­ger Er­werb schei­te­re aber dar­an, dass der Klä­ge­rin das Fahr­zeug i. S. des § 935 BGB ab­han­den­ge­kom­men sei. Weil ei­ne ein­stün­di­ge un­be­glei­te­te Pro­be­fahrt kei­ne blo­ße Lo­cke­rung des un­mit­tel­ba­ren Be­sit­zes der Klä­ge­rin sei, kom­me es ent­schei­dend dar­auf an, ob der als Kauf­in­ter­es­sent auf­tre­ten­de Un­be­kann­te als Be­sitz­die­ner der Klä­ge­rin an­zu­se­hen sei, des­sen Be­sitz­kehr zu ei­nem un­frei­wil­li­gen Be­sitz­ver­lust der Klä­ge­rin ge­führt ha­be. Dies sei zu be­ja­hen. Für die An­nah­me ei­ner Be­sitz­die­n­er­schaft nach § 855 BGB im An­wen­dungs­be­reich des § 935 BGB sei zu for­dern, dass der Be­sitz­herr sein Ver­lust­ri­si­ko und das Ver­trau­en in den Be­sit­zer­wer­ber durch nach au­ßen sicht­ba­re Wei­sun­gen und Ein­fluss­mög­lich­kei­ten ab­ge­si­chert ha­be. Ein so­zia­les Ab­hän­gig­keits­ver­hält­nis im en­ge­ren Sin­ne sei mit Blick auf den Schutz­zweck des § 935 BGB nicht er­for­der­lich. Hier ha­be die Klä­ge­rin durch die Prü­fung und Ab­lich­tung der vor­ge­leg­ten Do­ku­men­te (Aus­weis, Füh­rer­schein, Mel­de­be­stä­ti­gung), die Ver­ein­ba­rung der stän­di­gen te­le­fo­ni­schen Er­reich­bar­keit, die Zu­rück­hal­tung der Ori­gi­nal-Zu­las­sungs­pa­pie­re und das An­brin­gen von ro­ten Kenn­zei­chen do­ku­men­tiert, dass die Aus­übung der tat­säch­li­chen Sach­herr­schaft über das Fahr­zeug je­der­zeit und aus­schließ­lich von ih­rem Wil­len ab­hän­gig ge­we­sen sei. Sie ha­be über die an­ge­ge­be­ne Mo­bil­fun­k­num­mer je­der­zeit den Ab­bruch der Pro­be­fahrt an­ord­nen kön­nen. Das ver­wen­de­te For­mu­lar („Fahr­zeug-Be­nut­zungs­ver­trag“), in dem die Kenn­zeich­nung als Pro­be­fahrt an­stel­le ei­nes Miet­ver­trags vor­ge­nom­men wor­den sei, ha­be er­kenn­bar nur der Do­ku­men­ta­ti­on der Per­so­na­li­en des Kauf­in­ter­es­sen­ten und der Ver­ein­ba­rung ei­ner Selbst­be­tei­li­gung ge­dient. Ge­gen ei­nen Rechts­bin­dungs­wil­len und die Be­grün­dung ei­nes Be­sitz­mitt­lungs­ver­hält­nis­ses sprä­chen auch die sehr kur­ze Nut­zungs­dau­er und der all­ge­mei­ne Um­stand, dass die Be­nut­zungs­be­rech­ti­gung im Rah­men ei­ner Pro­be­fahrt ganz über­wie­gend als Teil der Ver­trags­an­bah­nung ei­nes Kaufs an­ge­se­hen wer­de.

[5]    Die Wi­der­kla­ge sei hin­sicht­lich der be­an­trag­ten Fest­stel­lung des Ei­gen­tums be­reits man­gels Fest­stel­lungs­in­ter­es­ses un­zu­läs­sig, weil der Leis­tungs­an­trag der Klä­ge­rin wei­ter rei­che. Im Üb­ri­gen sei die Wi­der­kla­ge man­gels Ei­gen­tums­er­werbs der Be­klag­ten an dem Fahr­zeug un­be­grün­det.

[6]    B. Dies hält recht­li­cher Nach­prü­fung über­wie­gend nicht stand.

I. Kla­ge

[7]    Das Be­ru­fungs­ge­richt hat der Kla­ge zu Un­recht statt­ge­ge­ben. Der Klä­ge­rin steht ge­gen die Be­klag­te kein An­spruch nach § 985 BGB auf Her­aus­ga­be des Fahr­zeugs zu, weil die Be­klag­te das Ei­gen­tum an die­sem gut­gläu­big er­wor­ben hat.

[8]    1. Ent­ge­gen der An­sicht des Be­ru­fungs­ge­richts be­steht das Ei­gen­tum der Klä­ge­rin nicht des­halb fort, weil ihr das Fahr­zeug ab­han­den­ge­kom­men und da­her ein gut­gläu­bi­ger Er­werb durch die Be­klag­te aus­ge­schlos­sen ist.

[9]    a) Nach § 935 I 1 BGB tritt ein gut­gläu­bi­ger Er­werb auf­grund der §§ 932 bis 934 BGB nicht ein, wenn die Sa­che dem Ei­gen­tü­mer ge­stoh­len wor­den, ver­lo­ren­ge­gan­gen oder sonst ab­han­den­ge­kom­men war. Der un­frei­wil­li­ge Be­sitz­ver­lust ent­wer­tet näm­lich den un­mit­tel­ba­ren Be­sitz und die an ihn an­knüp­fen­de Ei­gen­tums­ver­mu­tung (§ 1006 BGB) als Grund­la­ge des gut­gläu­bi­gen Er­werbs (Se­nat, Urt. v. 13.12.2013 – V ZR 58/13, BGHZ 199, 227 Rn. 21). Ei­ne be­weg­li­che Sa­che kommt ih­rem Ei­gen­tü­mer ab­han­den, wenn die­ser den Be­sitz an ihr un­frei­wil­lig ver­liert (vgl. Se­nat, Urt. v. 13.12.2013 – V ZR 58/13, BGHZ 199, 227 Rn. 8 m. w. Nachw.). Die Klä­ge­rin hat ih­ren un­mit­tel­ba­ren Be­sitz nicht des­halb un­frei­wil­lig ver­lo­ren, weil der ver­meint­li­che Kauf­in­ter­es­sent über sei­ne wah­ren Ab­sich­ten ge­täuscht hat. Ei­ne Be­sitz­auf­ga­be ist nicht un­frei­wil­lig, wenn sie durch Täu­schung be­stimmt wor­den ist (vgl. BGH, Urt. v. 11.06.1953 – IV ZR 181/52, ju­ris Rn. 22, in­so­weit in BGHZ 10, 81 nicht ab­ge­druckt; Münch­Komm-BGB/Oechs­ler, 8. Aufl., § 935 Rn. 7; Stau­din­ger/Wie­gand, BGB, Neu­be­arb. 2017, § 935 Rn. 11; Pa­landt/Herr­ler, BGB, 79. Aufl., § 935 Rn. 5).

[10]   b) Rechts­feh­ler­frei geht das Be­ru­fungs­ge­richt al­ler­dings da­von aus, dass die Klä­ge­rin die tat­säch­li­che Ge­walt über das Fahr­zeug bei des­sen Über­las­sung zum Zwe­cke der Pro­be­fahrt nicht nur ge­lo­ckert, son­dern auf den (ver­meint­li­chen) Kauf­in­ter­es­sen­ten über­tra­gen hat. Die Über­las­sung ei­nes Kraft­fahr­zeugs durch den Ver­käu­fer zu ei­ner un­be­glei­te­ten und auch nicht an­der­wei­tig über­wach­ten Pro­be­fahrt ei­nes Kauf­in­ter­es­sen­ten auf öf­fent­li­chen Stra­ßen für ei­ne ge­wis­se Dau­er (hier: ei­ne Stun­de) ist kei­ne Be­sitz­lo­cke­rung, son­dern führt – weil auch kei­ne Be­sitz­die­n­er­schaft vor­liegt (da­zu un­ter I 1 c cc) – zu ei­nem frei­wil­li­gen Be­sitz­ver­lust.

[11]   aa) Der un­mit­tel­ba­re Be­sitz an ei­ner Sa­che wird ge­mäß § 854 I BGB durch die tat­säch­li­che Ge­walt über die Sa­che er­wor­ben. In wes­sen tat­säch­li­cher Herr­schafts­ge­walt sich die Sa­che be­fin­det, hängt maß­geb­lich von der Ver­kehrs­an­schau­ung ab, al­so von der zu­sam­men­fas­sen­den Wer­tung al­ler Um­stän­de des je­wei­li­gen Fal­les ent­spre­chend den An­schau­un­gen des täg­li­chen Le­bens (vgl. Se­nat, Urt. v. 17.03.2017 – V ZR 70/16, NJW-RR 2017, 818 Rn. 10; Urt. v. 30.01.2015 – V ZR 63/13, WM 2015, 1434 Rn. 24 je­weils m. w. Nachw.).

[12]   Für die Be­sitz­ver­hält­nis­se an ei­nem Kraft­fahr­zeug kommt es in der Re­gel dar­auf an, wer die tat­säch­li­che Sach­herr­schaft über die Fahr­zeug­schlüs­sel aus­übt. Die Über­ga­be ei­nes Schlüs­sels be­wirkt al­ler­dings nur dann ei­nen Be­sitz­über­gang, wenn der Über­ge­ber die tat­säch­li­che Ge­walt an der Sa­che wil­lent­lich und er­kenn­bar auf­ge­ge­ben und der Emp­fän­ger des Schlüs­sels sie in glei­cher Wei­se er­langt hat (vgl. Se­nat, Urt. v. 17.03.2017 – V ZR 70/16, NJW-RR 2017, 818 Rn. 18; Urt. v. 13.12.2013 – V ZR 58/13, BGHZ 199, 227 Rn. 15). Hier­an fehlt es et­wa, wenn der Schlüs­sel zwecks blo­ßer Be­sich­ti­gung des Fahr­zeugs über­ge­ben wird. Wird

[13]   Wird der Schlüs­sel für ei­ne kur­ze Pro­be­fahrt aus­ge­hän­digt, kann dies ge­gen ei­ne Über­tra­gung des un­mit­tel­ba­ren Be­sit­zes und für ei­ne blo­ße Be­sitz­lo­cke­rung spre­chen, weil nur die auf ei­ne ge­wis­se Dau­er an­ge­leg­te Sach­herr­schaft als Be­sitz an­ge­se­hen wird (vgl. Se­nat, Urt. v. 17.03.2017 – V ZR 70/16, NJW-RR 2017, 818 Rn. 20; ge­ne­rell für ei­ne Be­sitz­lo­cke­rung bei ei­ner Pro­be­fahrt: Münch­Komm-BGB/Oechs­ler, a. a. O., § 935 Rn. 11; Stau­din­ger/Gut­zeit, BGB, Neu­be­arb. 2018, § 854 Rn. 44). Für ei­ne un­be­glei­te­te und auch nicht durch tech­ni­sche Vor­rich­tun­gen, die ei­ner Be­glei­tung ver­gleich­bar sind, ge­si­cher­te Pro­be­fahrt von ei­ner Stun­de kann das in­des­sen nicht gel­ten. Denn in die­sem Fall bleibt der Ver­käu­fer we­der in ei­ner en­gen räum­li­chen Be­zie­hung zu dem Fahr­zeug, noch ist die Sach­herr­schaft des Pro­be­fah­rers so flüch­tig, dass ihm die Ein­wir­kungs­mög­lich­keit auf die Sa­che nach der Ver­kehrs­an­schau­ung ab­zu­spre­chen wä­re. Viel­mehr kann die­ser wäh­rend der Pro­be­fahrt be­lie­big auf das Fahr­zeug ein­wir­ken; wäh­rend dem Ver­käu­fer schon we­gen der Dis­tanz, die in ei­ner Stun­de zu­rück­ge­legt wer­den kann, je­de Kon­trol­le über das Fahr­zeug fehlt. Die Über­las­sung des Fahr­zeugs kann da­her nicht mit ei­ner nur kurz­fris­ti­gen Aus­hän­di­gung ei­nes Ge­gen­stands zur An­sicht in­ner­halb der Sphä­re des bis­he­ri­gen Be­sit­zers oder ähn­li­chen le­dig­lich flüch­ti­gen Sach­be­zie­hun­gen, die den un­mit­tel­ba­ren Be­sitz nicht auf­he­ben (vgl. da­zu Münch­Komm-BGB/Schä­fer, 8. Aufl., § 854 Rn. 30 f.; So­er­gel/Stad­ler, BGB, 13. Aufl., § 854 Rn. 8), gleich­ge­setzt wer­den.

[14]   bb) Die kon­kre­ten Um­stän­de des Ein­zel­falls recht­fer­ti­gen hier kei­ne an­de­re Be­ur­tei­lung. Die tatrich­ter­li­che Wür­di­gung des Be­ru­fungs­ge­richts, die re­vi­si­ons­recht­lich nur ein­ge­schränkt da­hin ge­hend über­prüft wer­den kann, ob der Streitstoff um­fas­send, wi­der­spruchs­frei und oh­ne Ver­stoß ge­gen Denk- oder Er­fah­rungs­sät­ze ge­wür­digt wor­den ist (vgl. Se­nat, Urt. v. 19.07.2019 – V ZR 255/17, WM 2019, 2214 Rn. 26 m. w. Nachw.), ist auch in­so­weit aus Rechts­grün­den nicht zu be­an­stan­den. Dass das Fahr­zeug mit ro­ten Kenn­zei­chen ver­se­hen über­ge­ben wor­den ist, hat das Be­ru­fungs­ge­richt in die­sem Zu­sam­men­hang, wie die Klä­ge­rin in ih­rer Re­vi­si­ons­er­wi­de­rung zu­tref­fend gel­tend macht, zwar nicht er­ör­tert. In­des­sen er­gibt sich aus der Ver­wen­dung die­ser Kenn­zei­chen nicht zwin­gend ei­ne an­de­re Be­ur­tei­lung. Zwar ist rich­tig, dass Fahr­zeu­ge mit ro­ten Kenn­zei­chen zu Prü­fungs-, Pro­be- oder Über­füh­rungs­fahr­ten in Be­trieb ge­setzt wer­den. Auch kön­nen sol­che Kenn­zei­chen nach § 16 II und III FZV nur be­stimm­te Be­rech­tig­te und nur zu be­stimm­ten Zwe­cken, ins­be­son­de­re für Pro­be- und Über­füh­rungs­fahr­ten, ver­wen­den. Gleich­wohl kann al­lein aus de­ren Ver­wen­dung nicht dar­auf ge­schlos­sen wer­den, dass der je­wei­li­ge Fahr­zeug­füh­rer nicht die un­mit­tel­ba­re Sach­herr­schaft über das Fahr­zeug in­ne­hat, son­dern ent­we­der nur ei­ne Be­sitz­lo­cke­rung oder ei­ne Be­sitz­die­n­er­schaft vor­liegt. Ge­ra­de bei ei­ner Über­füh­rungs­fahrt wird häu­fig ei­ne grö­ße­re Ent­fer­nung über­brückt, wo­bei durch­aus na­he­liegt, dass mit der Über­füh­rung auch ex­ter­ne Per­so­nen be­auf­tragt wer­den, de­nen der un­mit­tel­ba­re Be­sitz ein­ge­räumt wor­den ist. Auch ent­zie­hen die er­stell­ten Ko­pi­en der Aus­weis­do­ku­men­te des ver­meint­li­chen Kauf­in­ter­es­sen­ten und die von ihm hin­ter­leg­te Mo­bil­fun­k­num­mer ent­ge­gen der Re­vi­si­ons­er­wi­de­rung der tatrich­ter­li­chen Wür­di­gung des Be­ru­fungs­ge­richts nicht ih­re Grund­la­ge. Ei­ne fak­ti­sche Zu­griffs­mög­lich­keit auf das Fahr­zeug wäh­rend der Pro­be­fahrt er­gibt sich aus die­sen Um­stän­den nicht.

[15]   Rechts­feh­ler­haft nimmt das Be­ru­fungs­ge­richt da­ge­gen an, dass die Klä­ge­rin trotz Über­tra­gung der un­mit­tel­ba­ren Ge­walt über das Fahr­zeug an den Kauf­in­ter­es­sen­ten nach § 855 BGB un­mit­tel­ba­re Be­sit­ze­rin ge­blie­ben ist, weil die­ser ihr Be­sitz­die­ner sei.

[16]   aa) Im Aus­gangs­punkt geht das Be­ru­fungs­ge­richt in Ein­klang mit der Recht­spre­chung des Se­nats al­ler­dings zu­tref­fend da­von aus, dass ein un­frei­wil­li­ger Be­sitz­ver­lust i. S. des § 935 I BGB – un­ter im Ein­zel­nen strei­ti­gen Be­din­gun­gen – auch durch das ei­gen­mäch­ti­ge Han­deln ei­nes Be­sitz­die­ners ein­tre­ten kann (vgl. Se­nat, Urt. v. 13.12.2013 – V ZR 58/13, BGHZ 199, 227 Rn. 9 m. w. Nachw.).

[17]   bb) Ob ein Kauf­in­ter­es­sent, der ei­ne Pro­be­fahrt mit ei­nem Kraft­fahr­zeug un­ter­nimmt, ge­ge­be­nen­falls in ent­spre­chen­der An­wen­dung des § 855 BGB als Be­sitz­die­ner des Ver­käu­fers ein­zu­ord­nen ist, ist strei­tig.

[18]   (1) Ei­ne An­sicht ver­neint dies, weil es an dem nach § 855 BGB vor­aus­ge­setz­ten so­zia­len Ab­hän­gig­keits­ver­hält­nis zwi­schen dem po­ten­zi­el­len Käu­fer und dem Ver­käu­fer feh­le. Die­ser ha­be – je­den­falls wenn die Pro­be­fahrt oh­ne sei­ne Be­glei­tung durch­ge­führt wer­de – kei­ne Mög­lich­keit, auf das Fahr­zeug bzw. den Kauf­in­ter­es­sen­ten ein­zu­wir­ken (vgl. OLG Düs­sel­dorf, Urt. v. 09.03.1992 – 1 U 70/91, OLGR 1992, 180; Wes­ter­mann/Gurs­ky/Eick­mann, Sa­chen­recht, 8. Aufl., § 9 Rn. 4 und 14; Münch­Komm-BGB/Oechs­ler, 8. Aufl., § 935 Rn. 11).

[19]   (2) An­de­re Stim­men dif­fe­ren­zie­ren nach den Um­stän­den des Ein­zel­falls und neh­men ins­be­son­de­re bei ei­ner nur kurz­zei­ti­gen Pro­be­fahrt (20 Mi­nu­ten) mit ro­ten Kenn­zei­chen und oh­ne Über­ga­be von Fahr­zeug­pa­pie­ren ei­ne Be­sitz­die­n­er­schaft an (so KG, Beschl. v. 04.10.2018 – 26 U 159/17, BeckRS 2018, 28236 Rn. 3 ff.; ähn­lich BeckOGK/Götz, Stand: 01.07.2020, § 854 BGB Rn. 138.4; Be­ckOK-BGB/Fritz­sche, Stand: 01.8.2020, § 855 Rn. 9; Er­man/El­zer, BGB, 16. Aufl., § 855 Rn. 3 und 5; Prüt­ting, in: Prüt­ting/We­gen/Wein­reich, BGB, 15. Aufl., § 855 Rn. 2; vgl. auch Eg­gert, in: Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 14. Aufl., Rn. 4740).

[20]   (3) Wie­der­um an­de­re neh­men ge­ne­rell ei­ne Be­sitz­die­n­er­schaft an (OLG Köln, Beschl. v. 18.04.2005 – 19 U 10/05, MDR 2006, 90; ju­risPK-BGB/Gies, 9. Aufl., § 855 Rn. 14; ju­risPK-BGB/Beck­mann, 9. Aufl., § 935 Rn. 22; Münch­Komm-BGB/Schä­fer, a. a. O., § 855 Rn. 14; Pa­landt/Herr­ler, a. a. O., § 855 Rn. 7). Ver­wie­sen wird da­bei dar­auf, dass § 855 BGB nicht not­wen­dig das Vor­lie­gen ei­nes Ab­hän­gig­keits- oder so­zia­len Über-/Un­ter­ord­nungs­ver­hält­nis­ses vor­aus­set­ze, son­dern le­dig­lich ei­ne Be­zie­hung, wel­che den Be­sitz­herrn zur je­der­zei­ti­gen Wei­sung bzw. zum Ein­grei­fen, et­wa zum Ab­bruch der Fahrt, be­rech­ti­ge (OLG Köln, Beschl. v. 18.04.2005 – 19 U 10/05, MDR 2006, 90). Je­den­falls lie­ge in sol­chen Fäl­len ei­ne struk­tu­rell ver­gleich­ba­re Si­tua­ti­on vor, die ei­ne ana­lo­ge An­wen­dung des § 855 BGB recht­fer­ti­ge (so noch Er­man/Lo­renz, BGB, 15. Aufl., § 855 Rn. 13; zur Mög­lich­keit ei­ner Ana­lo­gie bei Ge­fäl­lig­keits­ver­hält­nis­sen all­ge­mein auch Stau­din­ger/Gut­zeit, a. a. O., § 855 Rn. 30; Wes­ter­mann/Gurs­ky/Eick­mann, a. a. O., § 9 Rn. 13). Mit der Ge­brauchs­über­las­sung er­hal­te der Pro­be­fah­rer kei­ne ei­ge­nen Ent­schei­dungs­be­fug­nis­se hin­sicht­lich des Be­sit­zes. Ein Leih­ver­trag wer­de re­gel­mä­ßig nicht ge­schlos­sen und ein Be­sitz­recht zu­guns­ten des In­ter­es­sen­ten nicht be­grün­det, weil die kurz­fris­ti­ge Über­las­sung des Fahr­zeugs le­dig­lich der Kauf­an­bah­nung die­ne (OLG Köln, Beschl. v. 18.04.2005 – 19 U 10/05, MDR 2006, 90 f.).

[21]   cc)   Der Se­nat hat die Fra­ge bis­her of­fen­ge­las­sen (zu­letzt: Se­nat, Urt. v. 17.03.2017 – V ZR 70/16, NJW-RR 2017, 818 Rn. 11 f.). Er ent­schei­det sie da­hin, dass in Fäl­len wie dem vor­lie­gen­den we­der ei­ne un­mit­tel­ba­re noch ei­ne ent­spre­chen­de An­wen­dung des § 855 BGB in Be­tracht kommt. Ein Kauf­in­ter­es­sent, der ei­ne Pro­be­fahrt mit ei­nem Kraft­fahr­zeug un­ter­nimmt, ist nicht Be­sitz­die­ner des Ver­käu­fers. Ist – wie hier – mit der Über­las­sung des Fahr­zeugs kei­ne blo­ße Be­sitz­lo­cke­rung ver­bun­den, liegt da­her kein Ab­han­den­kom­men i. S. des § 935 BGB vor, wenn das Fahr­zeug nicht zu­rück­ge­ge­ben wur­de.

[22]   (1) Be­sitz­die­ner ist nach § 855 BGB, wer die tat­säch­li­che Ge­walt über ei­ne Sa­che für ei­nen an­de­ren in des­sen Haus­halt oder Er­werbs­ge­schäft oder in ei­nem ähn­li­chen Ver­hält­nis aus­übt, ver­mö­ge des­sen er den sich auf die Sa­che be­zie­hen­den Wei­sun­gen des an­de­ren Fol­ge zu leis­ten hat. Auch für das hier nur in Be­tracht kom­men­de „ähn­li­che Ver­hält­nis“ muss ein nach au­ßen er­kenn­ba­res so­zia­les Ab­hän­gig­keits­ver­hält­nis be­grün­det wer­den, das dem Be­sitz­herrn zu­min­dest fak­tisch die Mög­lich­keit gibt, sei­nen Wil­len ge­gen­über dem Be­sitz­die­ner durch­zu­set­zen. Be­sitz­die­ner ist nicht je­der, der Wei­sun­gen des Ei­gen­tü­mers der Sa­che zu be­fol­gen hat, son­dern nur der­je­ni­ge, dem­ge­gen­über der Ei­gen­tü­mer die Ein­hal­tung sei­ner Wei­sun­gen im Nicht­be­fol­gungs­fall auf­grund ei­nes Di­rek­ti­ons­rechts oder ver­gleich­ba­rer Be­fug­nis­se un­mit­tel­bar selbst durch­set­zen kann (vgl. Se­nat, Urt. v. 17.03.2017 – V ZR 70/16, NJW-RR 2017, 818 Rn. 13; Se­nat, Urt. v. 13.12.2013 – V ZR 58/13, BGHZ 199, 227 Rn. 10; je­weils m. w. Nachw.; a. A. Wie­ling, Sa­chen­recht I, 2. Aufl., § 4 IV 1 a [S. 167, 170]; vgl. auch End­ers, Der Be­sitz­die­ner – Ein Ty­pus­be­griff, 1991, S. 65 f.; krit. zum so­zia­len Ab­hän­gig­keits­ver­hält­nis auch Har­tung, Be­sitz und Sach­herr­schaft, 2001, S. 211 ff.). Dies geht nicht nur in ein­deu­ti­ger Wei­se aus dem Wort­laut der Vor­schrift her­vor, son­dern auch aus der Ge­setz­ge­bungs­ge­schich­te. Die von dem Ge­setz ge­nann­ten Fäl­le – Aus­übung der un­mit­tel­ba­ren Ge­walt über die Sa­che im Haus­halt des Be­sitz­herrn oder in des­sen Er­werbs­ge­schäft – ma­chen deut­lich, dass das Wei­sungs­recht sei­ne Grund­la­ge in ei­nem Rechts­ver­hält­nis fin­den und die­sem Rechts­ver­hält­nis das Ge­prä­ge ge­ben muss (vgl. Krü­ger, Er­werbs­zu­rech­nung kraft Sta­tus, 1979, S. 128 ff.). Die sich aus dem Ge­setz er­ge­ben­den Er­for­der­nis­se der Fremd­nüt­zig­keit und der Wei­sungs­ge­bun­den­heit ste­hen da­bei in ei­ner in­ne­ren Ab­hän­gig­keit und stel­len die Ab­gren­zungs­kri­te­ri­en zu ei­nem Be­sitz­mitt­lungs­ver­hält­nis dar (vgl. BeckOGK/Götz, a. a. O., § 855 Rn. 24). Dies kommt auch in den Pro­to­kol­len zur zwei­ten Le­sung des Bür­ger­li­chen Ge­setz­buchs zum Aus­druck, in de­nen aus­ge­führt ist, dass es im­mer ei­nes be­son­de­ren recht­li­chen Um­stan­des be­dür­fe, kraft des­sen der Be­sitz des ei­nen auf ei­nen an­de­ren be­zo­gen wer­de. Die­ses Rechts­ver­hält­nis sei in § 797a BGB – dem heu­ti­gen § 855 BGB – be­zeich­net (Mug­dan III, S. 505). Das Rechts­ver­hält­nis, das ei­ne Be­sitz­die­n­er­schaft be­grün­det, braucht all­ge­mei­ner Mei­nung nach nicht wirk­sam zu sein. Ent­schei­dend ist, dass die Par­tei­en die­ses als gül­tig an­se­hen (Krü­ger, a. a. O., S. 131; ju­risPK-BGB/Gies, a. a. O., § 855 Rn. 4; Be­ckOK-BGB/Fritz­sche, a. a. O., § 855 Rn. 16; Münch­Komm-BGB/Schä­fer, a. a. O., § 855 Rn. 7; NK-BGB/Hoeren, 4. Aufl., § 855 Rn. 5). An ei­nem sol­chen so­zia­len Ab­hän­gig­keits­ver­hält­nis fehlt es zwi­schen ei­nem Kauf­in­ter­es­sen­ten und dem Ver­käu­fer (vgl. Se­nat, Urt. v. 17.03.2017 – V ZR 70/16, NJW-RR 2017, 818 Rn. 14 zu ei­ner Pro­be­fahrt des Be­stel­lers ei­ner Fahr­zeu­gre­pa­ra­tur).

[23]   (2) Auch kommt ei­ne ana­lo­ge An­wen­dung des § 855 BGB nicht in Be­tracht.

[24]   (a) Da­bei kann of­fen­blei­ben, ob § 855 BGB, der in sei­nem Tat­be­stand mit dem „ähn­li­chen Ver­hält­nis“ be­reits ei­ne Er­wei­te­rung ge­gen­über den an­de­ren bei­den ge­nann­ten Fäl­len ent­hält, über­haupt ana­lo­gie­fä­hig ist. Die Vor­schrift be­grün­det ei­ne Aus­nah­me von dem Grund­satz, dass der­je­ni­ge, der die tat­säch­li­che Ge­walt über ei­ne Sa­che aus­übt, als de­ren un­mit­tel­ba­rer Be­sit­zer an­zu­se­hen ist (NK-BGB/Hoeren, a. a. O., § 855 Rn. 1). Sie stellt ei­ne be­son­de­re Zu­rech­nungs­norm für den Fall dar, dass sich der Be­sit­zer bei der Aus­übung der tat­säch­li­chen Ge­walt Hilfs­per­so­nen be­dient (vgl. Be­ckOK-BGB/Fritz­sche, a. a. O., § 855 Rn. 1; NK-BGB/Hoeren, a. a. O., § 855 Rn. 15). Als Aus­nah­me­vor­schrift er­for­dert sie grund­sätz­lich ein en­ges Ver­ständ­nis. Die Fra­ge be­darf hier aber kei­ner Ent­schei­dung, da ei­ne ent­spre­chen­de Her­an­zie­hung der Vor­schrift al­len­falls in den Fäl­len in Be­tracht kommt, in de­nen sich ei­ne Per­son aus Ge­fäl­lig­keit – mit­hin nicht auf­grund ei­nes Rechts­ver­hält­nis­ses (vgl. BGH, Urt. v. 04.08.2010 – XII ZR 118/08, WM 2010, 2093 Rn. 14) – den Wei­sun­gen des Be­sit­zers un­ter­wirft (vgl. da­zu Stau­din­ger/Gut­zeit, a. a. O., § 855 Rn. 30; so auch noch Er­man/Lo­renz, a. a. O., § 855 Rn. 13). Ein sol­cher Fall ist hier nicht ge­ge­ben.

[25]   (b) Die Über­las­sung ei­nes Kraft­fahr­zeu­ges an ei­nen Kauf­in­ter­es­sen­ten zum Zweck ei­ner Pro­be­fahrt stellt kein der­ar­ti­ges Ge­fäl­lig­keits­ver­hält­nis dar. Zwar wird die An­nah­me ei­nes recht­lich selbst­stän­di­gen Nut­zungs­ver­trags über das Fahr­zeug, das für die Pro­be­fahrt zur Ver­fü­gung ge­stellt wird, dem Wil­len der Be­tei­lig­ten re­gel­mä­ßig nicht ge­recht. Ein bin­den­des Ver­trags­ver­hält­nis mit Leis­tungs­pflich­ten wird in al­ler Re­gel nicht ge­wollt sein (vgl. BGH, Urt. v. 21.05.1968 – VI ZR 131/67, NJW 1968, 1472, 1473).

[26]   Dar­aus kann aber nicht der Schluss ge­zo­gen wer­den, dass in­so­weit über­haupt kein Schuld­ver­hält­nis be­grün­det wird. Viel­mehr wird dem Kauf­in­ter­es­sen­ten das Fahr­zeug im Rah­men der Ver­trags­an­bah­nung an­ver­traut (vgl. § 311 II Nr. 2 BGB). Es liegt so­mit ein ge­setz­li­ches Schuld­ver­hält­nis vor (vgl. BGH, Urt. v. 21.05.1968 – VI ZR 131/67, NJW 1968, 1472, 1473; Urt. v. 02.06.2008 – II ZR 210/06, ZIP 2008, 1526 Rn. 12), aus dem sich nach § 241 II BGB zwi­schen den Be­tei­lig­ten Rech­te und Pflich­ten er­ge­ben. Die­ses ge­setz­li­che Schuld­ver­hält­nis be­grün­det kein Di­rek­ti­ons­recht des Ver­käu­fers ge­gen­über dem Kauf­in­ter­es­sen­ten. Dass Letz­te­rer in Be­zug auf das Fahr­zeug Wei­sun­gen bzw. Vor­ga­ben zum Um­gang mit der Sa­che un­ter­wor­fen ist, än­dert hier­an nichts. Denn sie ent­sprin­gen – nicht an­ders als bei ei­nem Mie­ter, Ent­lei­her oder Ver­wah­rer – ei­nem al­lein auf die Sa­che be­zo­ge­nen Rechts­ver­hält­nis, wel­ches zu­gleich ein – von der Be­sitz­die­n­er­schaft ab­zu­gren­zen­des – Be­sitz­mitt­lungs­ver­hält­nis (§ 868 BGB) be­grün­det. Das Ver­trags­an­bahnungs­ver­hält­nis stellt sich, wenn dem Kauf­in­ter­es­sen­ten die Sa­che zur An­sicht oder Pro­be au­ßer­halb der Sphä­re des Ver­käu­fers an­ver­traut wur­de, als ein dem in § 868 BGB an­ge­führ­ten Bei­spie­len der Mie­te und Ver­wah­rung ähn­li­ches Ver­hält­nis dar. Dem­ge­gen­über folgt die Wei­sungs­un­ter­wor­fen­heit ei­nes Be­sitz­die­ners aus ei­nem über den recht­li­chen Be­zug zur Sa­che hin­aus­ge­hen­den Ver­hält­nis zum Be­sitz­herrn (so zu­tref­fend NK-BGB/Hoeren, a. a. O., § 855 Rn. 13). An­ders als für ein Ge­fäl­lig­keits­ver­hält­nis ty­pisch, ist die Pro­be­fahrt ei­nes Kauf­in­ter­es­sen­ten auch nicht für ei­nen der Be­tei­lig­ten in ers­ter Li­nie fremd­nüt­zig. So­wohl der Pro­be­fah­rer als auch der Ver­käu­fer ver­fol­gen al­lein ei­ge­ne In­ter­es­sen; der Pro­be­fah­rer will das Fahr­zeug im Stra­ßen­ver­kehr auf des­sen Fahr­ei­gen­schaf­ten und Funk­tio­na­li­tät prü­fen; der Ver­käu­fer möch­te mit dem Fah­rer über kurz oder lang ei­nen Ver­trag ab­schlie­ßen.

[27]   2. Das Ur­teil stellt sich auch nicht aus an­de­ren Grün­den als rich­tig dar. Rechts­feh­ler­frei nimmt das Be­ru­fungs­ge­richt an, dass die Be­klag­te bei dem Er­werb des Fahr­zeugs gut­gläu­big war.

[28]   a) Bei ei­ner – wie hier – nach § 929 Satz 1 BGB er­folg­ten Über­eig­nung wird der Er­wer­ber auch dann Ei­gen­tü­mer, wenn die Sa­che nicht dem Ver­äu­ße­rer ge­hört, es sei denn, dass er zu der Zeit, zu der er nach die­sen Vor­schrif­ten das Ei­gen­tum er­wer­ben wür­de, nicht in gu­tem Glau­ben ist (§ 932 I 1 BGB). Nach § 932 II BGB ist der Er­wer­ber nicht in gu­tem Glau­ben, wenn ihm be­kannt oder in­fol­ge gro­ber Fahr­läs­sig­keit un­be­kannt ist, dass die Sa­che nicht dem Ver­äu­ße­rer ge­hört. Un­ter der hier nur in Be­tracht kom­men­den Al­ter­na­ti­ve der gro­ben Fahr­läs­sig­keit wird im All­ge­mei­nen ein Han­deln ver­stan­den, bei dem die er­for­der­li­che Sorg­falt den ge­sam­ten Um­stän­den nach in un­ge­wöhn­lich gro­ßem Ma­ße ver­letzt wor­den ist und bei dem das­je­ni­ge un­be­ach­tet ge­blie­ben ist, was im ge­ge­be­nen Fall je­dem hät­te ein­leuch­ten müs­sen (Se­nat, Urt. v. 01.03.2013 – V ZR 92/12, NJW 2013, 1946 Rn. 11 m. w. Nachw.). Die dar­auf be­zo­ge­ne tatrich­ter­li­che Wür­di­gung kann durch das Re­vi­si­ons­ge­richt nur dar­auf über­prüft wer­den, ob der maß­geb­li­che Rechts­be­griff der gro­ben Fahr­läs­sig­keit ver­kannt wor­den ist oder ob Ver­stö­ße ge­gen § 286 ZPO, ge­gen Denk­ge­set­ze oder Er­fah­rungs­sät­ze vor­lie­gen (vgl. Se­nat, Urt. v. 01.03.2013 – V ZR 92/12, NJW 2013, 1946 Rn. 15 m. w. Nachw.). Ei­nen sol­chen Rechts­feh­ler ver­mag die Re­vi­si­on nicht auf­zu­zei­gen.

[29]   b) Das Be­ru­fungs­ge­richt legt hin­sicht­lich der Sorg­falts­an­for­de­run­gen, die der Er­wer­ber ei­nes ge­brauch­ten Fahr­zeugs zu be­ach­ten hat, die Recht­spre­chung des BGH zu­grun­de. Da­nach be­grün­det der Be­sitz des Fahr­zeugs al­lein nicht den für den Gut­glau­bens­er­werb nach § 932 BGB er­for­der­li­chen Rechts­schein. Viel­mehr ge­hört es re­gel­mä­ßig zu den Min­des­ter­for­der­nis­sen für ei­nen gut­gläu­bi­gen Er­werb ei­nes ge­brauch­ten Kraft­fahr­zeugs, dass sich der Er­wer­ber den Kraft­fahr­zeug­brief (§ 25 IV 2 StV­ZO a.F.) bzw. die Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II (§ 12 VI FZV) vor­le­gen lässt, um die Be­rech­ti­gung des Ver­äu­ße­rers zu prü­fen. Auch wenn der Ver­äu­ße­rer im Be­sitz des Fahr­zeugs und des Briefs ist, kann der Er­wer­ber gleich­wohl bös­gläu­big sein, wenn be­son­de­re Um­stän­de sei­nen Ver­dacht er­re­gen muss­ten und er die­se un­be­ach­tet lässt. Ei­ne all­ge­mei­ne Nach­for­schungs­pflicht des Er­wer­bers be­steht hin­ge­gen nicht (vgl. Se­nat, Urt. v. 01.03.2013 – V ZR 92/12, NJW 2013, 1946 Rn. 13 m. w. Nachw.).

[30]   c) Hier hat sich die Be­klag­te nach den tatrich­ter­li­chen Fest­stel­lun­gen die Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II vor­le­gen las­sen. Dass die­se ge­fälscht war, konn­te sie nach der tatrich­ter­li­chen Wür­di­gung des Be­ru­fungs­ge­richts nicht er­ken­nen. So­weit die Klä­ge­rin in der Re­vi­si­ons­er­wi­de­rung gel­tend macht, dass das Ge­richt le­dig­lich die Ein­schät­zung der Staats­an­walt­schaft hin­sicht­lich der hoch­wer­ti­gen Qua­li­tät der ge­fälsch­ten Un­ter­la­gen über­nom­men und in­so­weit wei­te­re, ei­ge­ne Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts er­for­der­lich ge­we­sen wä­ren, hat der Se­nat die­se Ver­fah­rens­rüge ge­prüft, aber nicht für durch­grei­fend er­ach­tet (§ 564 I 1 ZPO). Das Be­ru­fungs­ge­richt ver­neint auch oh­ne Rechts­feh­ler das Vor­lie­gen be­son­de­rer Um­stän­de, die ei­ne wei­ter­ge­hen­de Nach­for­schungs­pflicht der Be­klag­ten hät­ten be­grün­den kön­nen. Zwar ge­bie­tet der Stra­ßen­ver­kauf im Ge­braucht­wa­gen­han­del be­son­de­re Vor­sicht, weil er er­fah­rungs­ge­mäß das Ri­si­ko der Ent­de­ckung ei­nes ge­stoh­le­nen Fahr­zeugs min­dert. Ein Stra­ßen­ver­kauf führt aber als sol­cher noch nicht zu wei­ter­ge­hen­den Nach­for­schungs­pflich­ten, wenn er sich für den Er­wer­ber als nicht wei­ter auf­fäl­lig dar­stellt (Se­nat, Urt. v. 01.03.2013 – V ZR 92/12, NJW 2013, 1946 Rn. 15 m. w. Nachw.). Letz­te­res nimmt das Be­ru­fungs­ge­richt in re­vi­si­ons­recht­lich nicht zu be­an­stan­den­der Wei­se an. Dem stellt die Klä­ge­rin le­dig­lich ih­re ei­ge­ne, hier­von ab­wei­chen­de und kei­nes­wegs zwin­gen­de Wür­di­gung ent­ge­gen.

II. Wi­der­kla­ge

[31]   Be­zo­gen auf die Wi­der­kla­ge hat die Re­vi­si­on nur teil­wei­se Er­folg.

[32]   1. Rechts­feh­ler­haft hat das Be­ru­fungs­ge­richt den Wi­der­kla­ge­an­trag auf Her­aus­ga­be der Ori­gi­nal-Zu­las­sungs­pa­pie­re ab­ge­wie­sen. Da die Be­klag­te das Fahr­zeug gut­gläu­big er­wor­ben hat, steht ihr als Fahr­zeug­ei­gen­tü­me­rin ein An­spruch auf Her­aus­ga­be der Ori­gi­nal-Zu­las­sungs­be­schei­ni­gun­gen ge­gen­über der Klä­ge­rin nach § 985 BGB zu. In (ent­spre­chen­der) An­wen­dung des § 952 BGB folgt das Ei­gen­tum an den Fahr­zeug­pa­pie­ren dem Ei­gen­tum an dem Fahr­zeug (vgl. BFH, Urt. v. 15.10.2019 – VII R 6/18, WM 2020, 180 Rn. 34; KG, Urt. v. 21.04.1993 – 24 U 7563/92, OLGZ 1994, 113, 114; BeckOGK/Scher­mai­er, Stand: 01.09.2020, § 952 Rn. 15; Be­ckOK-BGB/Kindl, Stand: 01.08.2020, § 952 Rn. 5). Ein Recht zum Be­sitz (§ 986 BGB) steht der Klä­ge­rin nach dem Ver­lust des Ei­gen­tums an die­sen Pa­pie­ren nicht mehr zu.

[33]   2. Den Wi­der­kla­ge­an­trag auf Her­aus­ga­be des Zweit­schlüs­sels hat das Be­ru­fungs­ge­richt im Er­geb­nis zu­tref­fend ab­ge­wie­sen. Die Be­klag­te kann des­sen Her­aus­ga­be we­der nach § 985 BGB noch aus sons­ti­gem Rechts­grund von der Klä­ge­rin ver­lan­gen. Das Ei­gen­tum an ei­nem Fahr­zeug­schlüs­sel folgt nicht dem Ei­gen­tum an dem Fahr­zeug selbst. Der Schlüs­sel ist nur Zu­be­hör (§ 97 BGB) – nicht aber Be­stand­teil (§ 93 BGB) – des Fahr­zeugs und kann da­her Ge­gen­stand von Son­der­rech­ten sein (vgl. OLG Köln, Urt. v. 29.11.2017 – 16 U 86/17, MDR 2018, 144, 145). Man­gels Über­ga­be des Zweit­schlüs­sels konn­te die Be­klag­te das Ei­gen­tum an die­sem auch nicht gut­gläu­big nach §§ 929, 932 BGB er­wer­ben.

[34]   3. So­weit sich die Be­klag­te ge­gen die Ab­wei­sung ih­res Wi­der­kla­ge­an­trags auf Fest­stel­lung ih­res Ei­gen­tums an dem Fahr­zeug wen­det, ist die Re­vi­si­on man­gels ei­ner hier­auf be­zo­ge­nen Be­grün­dung un­zu­läs­sig (§ 551 III Nr. 2 lit. a, § 552 I 2 ZPO). Be­trifft die an­ge­foch­te­ne Ent­schei­dung – wie hier – meh­re­re pro­zes­sua­le An­sprü­che, ist grund­sätz­lich für je­den An­spruch ei­ne den An­for­de­run­gen des § 551 III 1 Nr. 2 lit. a ZPO ge­nü­gen­de Be­grün­dung der Re­vi­si­on er­for­der­lich (vgl. Se­nat, Urt. v. 10.07.2020 – V ZR 178/19, ju­ris Rn. 5; Urt. v. 23.02.2018 – V ZR 101/16, NJW 2018, 2550 Rn. 56 m. w. Nachw.). An­grif­fe ge­gen die er­folg­te Ab­wei­sung des Fest­stel­lungs­an­trags als un­zu­läs­sig ent­hält die Re­vi­si­ons­be­grün­dung nicht.

[35]   III. Das Be­ru­fungs­ur­teil kann so­mit in dem dar­ge­leg­ten Um­fang kei­nen Be­stand ha­ben und ist in­so­weit auf­zu­he­ben (§ 562 I ZPO). Da wei­te­re tat­säch­li­che Fest­stel­lun­gen nicht zu tref­fen sind, kann der Se­nat in der Sa­che selbst ent­schei­den (§ 563 III ZPO).

[36]   IV. Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus §§ 91 I, 92 II Nr. 1, § 97 I ZPO.

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