1. Ob dem Käu­fer ei­ne Nach­bes­se­rung (§ 439 I Fall 1 BGB) i. S. von § 440 Satz 1 Fall 3 BGB un­zu­mut­bar ist, ist al­lein aus der Per­spek­ti­ve des Käu­fers zu be­ur­tei­len; ei­ne Ab­wä­gung der In­ter­es­sen der Kauf­ver­trags­par­tei­en fin­det nicht statt. Maß­geb­lich ist der Er­kennt­nis­stand des Käu­fers in dem Zeit­punkt, in dem er sein Se­kun­där­recht (hier: sein Rück­tritts­recht) gel­tend macht.
  2. Ei­nem Kfz-Käu­fer ist ei­ne Nach­bes­se­rung i. S. von § 440 Satz 1 Fall 3 BGB un­zu­mut­bar, wenn er im maß­geb­li­chen Zeit­punkt ins­be­son­de­re auf­grund ei­ner Aus­kunft des Fahr­zeug­her­stel­lers be­rech­tigt und nach­voll­zieh­bar da­von aus­ge­hen darf, dass ei­ner Nach­bes­se­rung – hier: durch den nach­träg­li­chen Ein­bau ei­nes hö­hen­ver­stell­ba­ren Fah­rer­sit­zes – si­cher­heits­tech­ni­sche Be­den­ken ent­ge­gen­ste­hen.

LG Köln, Ur­teil vom 05.12.2018 – 18 O 415/17

Sach­ver­halt: Der Klä­ger er­warb von der Be­klag­ten ei­nen Pkw Nis­san Juke zum Preis von 12.775 €. Die­ses Fahr­zeug ver­fügt ent­ge­gen ei­nem An­ge­bot der Be­klag­ten vom 16.09.2016 nicht über ei­nen hö­hen­ver­stell­ba­ren Fah­rer­sitz.

Am 16./20.01.2017 wur­de dem Klä­ger in ei­ner Nis­san-Ver­trags­werk­statt mit­ge­teilt, dass der Fah­rer­sitz ein si­cher­heits­tech­ni­sches Bau­teil und Be­stand­teil der all­ge­mei­nen Be­triebs­er­laub­nis sei­nes Fahr­zeugs und da­her ei­ne Um­rüs­tung nicht er­laubt sei.

Der Klä­ger for­der­te von der Be­klag­ten mit An­walts­schrei­ben vom 02.02.2017 die Kos­ten für den nach­träg­li­chen Ein­bau ei­nes hö­hen­ver­stell­ba­ren Fah­rer­sit­zes in Hö­he von 1.511,46 €. Die Be­klag­te bot dem Klä­ger mit Schrei­ben vom 20.02.2017 an, in sein Fahr­zeug ei­nen sol­chen Sitz ein­zu­bau­en. Dar­auf­hin er­klär­te der Klä­ger un­ter dem 03.05.2017 den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag, nach­dem ihm die Nis­san-Kun­den­be­treu­ung mit Schrei­ben vom 17.03.2017 mit­ge­teilt hat­te, dass sein Fahr­zeug nicht für den Ein­bau ei­nes hö­hen­ver­stell­ba­ren Fah­rer­sit­zes frei­ge­ge­ben sei. Mit Schrei­ben vom 23.03.2018 teil­te Nis­san der Be­klag­ten mit, dass der nach­träg­li­che Ein­bau ei­nes hö­hen­ver­stell­ba­ren Fah­rer­sit­zes in das streit­be­fan­ge­ne Fahr­zeug mög­lich und zu­läs­sig sei.

Der Klä­ger be­haup­tet, ein Ver­kaufs­be­ra­ter und der Nie­der­las­sungs­lei­ter der Be­klag­ten hät­ten so­wohl ei­ne Nach­bes­se­rung des streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw als auch ei­ne Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags ab­ge­lehnt. Ei­ne Nach­bes­se­rung sei im Üb­ri­gen nicht mög­lich; je­den­falls ha­be er – der Klä­ger – in­so­weit auf die Aus­künf­te ver­trau­en dür­fen, die er im Ja­nu­ar 2017 in der Nis­san-Ver­trags­werk­statt und so­dann von der Nis­san-Kun­den­be­treu­ung er­hal­ten ha­be.

Die auf Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags und auf Frei­stel­lung von vor­ge­richt­lich ent­stan­de­nen Rechts­an­walts­kos­ten ge­rich­te­te Kla­ge hat­te Er­folg.

Aus den Grün­den: Der Klä­ger hat ge­gen die Be­klag­te ge­mäß §§ 346 I, 437 Nr. 2 Fall 2, §§ 323, 440 BGB ei­nen An­spruch auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses in Hö­he von 12.755 € Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be des Fahr­zeugs … so­wie Her­aus­ga­be der ge­zo­ge­nen Nut­zun­gen. Der Klä­ger ist wirk­sam von dem un­strei­tig mit der Be­klag­ten ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trag über das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug zu­rück­ge­tre­ten.

Das Fahr­zeug ist un­strei­tig man­gel­haft i. S. des § 434 I 1 BGB. Es ver­fügt über kei­nen hö­hen­ver­stell­ba­ren Fah­rer­sitz, ob­gleich ein sol­cher un­strei­tig Ge­gen­stand des dem Ver­trag zu­grun­de lie­gen­den An­ge­bots war.

Un­schäd­lich ist, dass der Klä­ger der Be­klag­ten ent­ge­gen § 323 I BGB kei­ne Frist zur Nach­bes­se­rung ge­setzt hat. Ei­ne sol­che Frist ist ge­mäß § 440 Satz 1 Fall 3 BGB ent­behr­lich. Dem Klä­ger war nicht zu­zu­mu­ten, die Be­klag­te ei­ne Nach­bes­se­rung ver­su­chen zu las­sen.

Bei der Be­ur­tei­lung der Fra­ge, ob ei­ne Nach­bes­se­rung un­zu­mut­bar ist, kommt es al­lein auf die Per­spek­ti­ve des Käu­fers an (Be­ckOK-BGB/Faust, Stand: 01.05.2018, § 440 Rn. 36; Pa­landt/Wei­den­kaff, BGB, 77. Aufl., § 440 Rn. 8). Ei­nem Käu­fer ist aber nicht zu­zu­mu­ten, ei­nen Nach­bes­se­rungs­ver­such vor­neh­men zu las­sen, wenn er be­rech­tigt und nach­voll­zieh­bar da­von aus­ge­hen darf, dass die Nach­bes­se­rung je­den­falls er­folg­los blei­ben wer­de.

Ge­nau dies ist vor­lie­gend aber der Fall. Der Klä­ger konn­te be­rech­tigt da­von aus­ge­hen, dass ei­ne Nach­bes­se­rung nicht mög­lich, von Nis­san nicht frei­ge­ge­ben, je­den­falls si­cher­heits­tech­nisch be­denk­lich war. In­so­weit durf­te er auf die Aus­sa­gen von Nis­san Deutsch­land und dem Au­to­haus X ver­trau­en. Die­se be­stä­tig­ten ihm un­ab­hän­gig von­ein­an­der, dass ein nach­träg­li­cher Ein­bau ei­nes hö­hen­ver­stell­ba­ren Fah­rer­sit­zes nicht mög­lich sei. Ein sol­cher Ein­bau sei aus si­cher­heits­tech­ni­schen Be­den­ken nicht mög­lich und vom Her­stel­ler nicht frei­ge­ge­ben. Da­bei ist zu be­to­nen, dass der Klä­ger zwei un­ab­hän­gi­ge, aber im Er­geb­nis gleich­lau­ten­de Aus­künf­te er­hielt, wo­bei er der Aus­sa­ge des Her­stel­lers Nis­san Deutsch­land be­son­de­res Ge­wicht bei­mes­sen durf­te. Je­den­falls in Zu­sam­men­schau bei­der Aus­künf­te muss­te der Klä­ger sich nicht auf das An­ge­bot der Be­klag­ten ei­nes nach­träg­li­chen Ein­baus ein­las­sen, das aus sei­ner Sicht si­cher­heits­tech­ni­sche Be­den­ken er­öff­nen wür­de.

Die Tat­sa­che, dass Nis­san sei­ne Äu­ße­rung zu ei­nem spä­te­ren Zeit­punkt ge­gen­über der Be­klag­ten wi­der­rief, ist un­er­heb­lich. Maß­geb­lich für die Fra­ge der Zu­mut­bar­keit der Nach­er­fül­lung ist der Er­kennt­nis­stand des Käu­fers in dem Zeit­punkt, in dem er sei­ne Se­kun­där­rech­te gel­tend macht (Be­ckOK-BGB/Faust, a. a. O., § 440 Rn. 36). Zu die­sem Zeit­punkt war die Äu­ße­rung sei­tens Nis­san noch nicht wi­der­ru­fen, so­dass der Käu­fer wei­ter­hin auf die Aus­sa­gen ver­trau­en durf­te.

Der Rück­tritt des Klä­gers ist auch nicht aus­nahms­wei­se ge­mäß § 323 V 2 BGB aus­ge­schlos­sen. Der Man­gel an dem Fahr­zeug ist nicht un­er­heb­lich. Der Man­gel ist dann er­heb­lich, wenn er min­des­tens fünf Pro­zent des Kauf­prei­ses aus­macht (BGH, Urt. v. 28.05.2014 – VI­II ZR 94/13, BGHZ 201, 290 = NJW 2014, 3229 Rn. 12, 30; Pa­landt/Grü­ne­berg, BGB, 77. Aufl., § 323 Rn. 32). Der Ein­bau ei­nes hö­hen­ver­stell­ba­ren Sit­zes hät­te vor­lie­gend auf­grund des Kos­ten­vor­an­schlags 1.511,46 € ge­kos­tet. Dies sind mehr als zehn Pro­zent des Kauf­prei­ses.

In­fol­ge des wirk­sa­men Rück­tritts sind ge­mäß § 346 I BGB die bei­der­seits ge­schul­de­ten Leis­tun­gen zu­rück­zu­ge­wäh­ren. Die Be­klag­te hat dem Klä­ger den Kauf­preis zu­rück­zu­er­stat­ten, Zug um Zug ge­gen Rück­über­eig­nung des Fahr­zeugs so­wie ab­züg­lich ei­ner Ent­schä­di­gung für die Nut­zung ge­mäß § 346 II 1 Nr. 1 BGB. Da­bei ist die Ge­gen­leis­tung der Wert­er­mitt­lung zu­grun­de zu le­gen (Pa­landt/Grü­ne­berg, a. a. O., § 346 Rn. 10). Der Wert der Nut­zungs­ent­schä­di­gung er­gibt sich auf Grund­la­ge der For­mel

{\frac{\text{Brut­to­kauf­preis}\times\text{ge­fah­re­ne Ki­lo­me­ter}}{\text{er­war­te­te Ge­samt­lauf­leis­tung}}}

(Pa­landt/Grü­ne­berg, a. a. O., § 346 Rn. 10). Dem ist ein Brut­to­kauf­preis von 12.775 € zu­grun­de zu le­gen. Die Ge­samt­lauf­leis­tung des Fahr­zeu­ges schätzt das Ge­richt ge­mäß § 287 ZPO auf 200.000 km. Der Vor­trag des Klä­gers zur tat­säch­li­chen Lau­leis­tung ist un­be­strit­ten. Es er­ge­ben sich mit­hin ei­ne Nut­zungs­ent­schä­di­gung von

{\frac{\text{12.775 €}\times\text{10.000 km}}{\text{200.000 km}}} = \text{638,75 €}

und mit­hin ein Zah­lungs­an­spruch von (12.775 € − 638,75 € =) 12.136,25 €.

2. Der An­spruch auf Frei­stel­lung von vor­ge­richt­li­chen An­walts­kos­ten er­gibt sich aus den § 437 Nr. 3, §§ 280 I, 440 BGB. …

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