1. Ein vom VW-Abgasskandal betroffener Neuwagen ist i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB mangelhaft, weil er „unter normalen Betriebsbedingungen“ i. S. des § 5 I der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, das heißt „bei normalem Fahrzeugbetrieb“ i. S. des Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, der genannten Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen nicht entspricht. Vielmehr verfügt das Fahrzeug über eine unzulässige Abschalteinrichtung i. S der Art. 3 Nr. 10, Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007.
  2. Ein Mangel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB liegt darüber hinaus deshalb vor, weil dem Halter eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Neuwagens nachteilige verwaltungsrechtliche Maßnahmen bis hin zu einem Entzug der Betriebserlaubnis des Fahrzeugs drohen, wenn das Fahrzeug nicht durch Installation eines von der Volkswagen AG entwickelten und vom Kraftfahrt-Bundesamt freigegebenen Softwareupdates technisch überarbeitet wird.
  3. Eine Nachbesserung ist dem Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Neuwagens jedenfalls deshalb i. S. des § 440 Satz 1 Fall 3 BGB unzumutbar, weil sich die Volkswagen AG im Umgang mit den Käufern der vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge widersprüchlich und unredlich verhält und so ein trotz ihres bisherigen Verhaltens etwa noch verbliebenes Vertrauen in ihre Redlichkeit zerstört. Diesen Vertrauensverlust muss ein VW-Vertragshändler als Verkäufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs gegen sich gelten lassen, da eine Nachbesserung des Fahrzeugs in den Händen der Volkswagen AG läge. Darauf, ob diese hinsichtlich der Nachbesserung Erfüllungsgehilfin (§ 278 BGB) des Vertragshändlers ist, kommt es nicht an.
  4. Es ist schlechthin unmöglich, dass die vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge – was die Volkswagen AG im Verwaltungsverfahren akzeptiert hat – nicht vorschriftsmäßig sind und deshalb einer „technischen Überarbeitung“ bedürfen, aber gleichzeitig keinen Mangel im kaufrechtlichen Sinne aufweisen. Gleichwohl diktiert der VW-Konzern seinen Vertragshändlern als Verteidigungsstrategie in Rechtsstreiten, in denen es um Gewährleistungsansprüche im Zusammenhang mit dem VW-Abgasskandal geht, das Vorliegen eines Mangels explizit in Abrede zu stellen. Angesichts dessen sieht sich ein Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs in seiner Erwartung, die Volkswagen AG stehe zu ihren Fehlern und Versäumnissen und bemühe sich nach Kräften, mehr als nur den Imageschaden für das eigene Unternehmen wieder gutzumachen, enttäuscht. Dem Käufer muss sich vielmehr der Eindruck aufdrängen, die Volkswagen AG nehme ihn nicht ernst.
  5. Die Pflichtverletzung des Verkäufers, die in der Lieferung eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Neuwagens liegt, ist schon deshalb nicht unerheblich i. S. des § 323 V 2 BGB, weil das Fahrzeug nicht vorschriftsmäßig ist, sondern sein ordnungsgemäßer Zustand erst durch Entfernung der unzulässigen Abschalteinrichtung hergestellt werden und das Kraftfahrt-Bundesamt die dafür erforderlichen technischen Maßnahmen freigeben muss.

LG Trier, Urteil vom 07.06.2017 – 5 O 298/16

Sachverhalt: Der Kläger kaufte von der Beklagten zu 1, einer VW-Vertragshändlerin, im Frühjahr 2013 einen neuen VW Touran 2.0 TDI. Das Fahrzeug wurde ihm am 13.05.2013 übergeben. Es ist mit einem Motor der Baureihe EA189 ausgestattet, der die Euro-5-Emissionsgrenzwerte einhalten soll, und deshalb vom VW-Abgasskandal betroffen.

Ob ein Fahrzeug die Euro-5-Emissionsgrenzwerte einhält, bestimmt sich danach, welcher Schadstoffausstoß unter den Bedingungen des sogenannten Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) auf einem Prüfstand gemessen wird. Die Motoren der Baureihe EA189 sind mit einer Software ausgerüstet, die erkennt, ob das Fahrzeug diesen Fahrzyklus durchfährt. Ist das der Fall, wird ein besonderer Betriebsmodus („Modus 1“) aktiviert, in dem der Schadstoffausstoß – insbesondere der Ausstoß von Stickoxid (NOX) – geringer ist als in dem Modus, in dem das Fahrzeug ansonsten – also auch im öffentlichen Straßenverkehr – betrieben wird („Modus 0“).

Das Kraftfahrt-Bundesamt sieht in der Software eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 715/2007. Es erließ mit Bescheid vom 14.10.2015 auf der Grundlage von § 25 II EG-FGV Nebenbestimmungen zur Typgenehmigung der vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge, um deren Vorschriftsmäßigkeit zu gewährleisten. In der Folge davon ruft die Volkswagen AG die betroffenen Fahrzeuge in die Werkstätten zurück, um sie technisch zu überarbeiten. Dabei soll unter anderem die Software so verändert werden, dass die Fahrzeuge nur noch im „Modus 1“ betrieben werden.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 27.06.2016 forderte der Kläger die Beklagte zu 1 gestützt auf §§ 437 Nr. 1, 439 I Fall 2 BGB zur Lieferung eines mangelfreien Neuwagens auf und setzte ihr dafür eine Frist bis zum 27.07.2016. In dem Schreiben wurde begründet, dass und warum aus Sicht des Klägers eine Nachbesserung seines Fahrzeugs aus tatsächlichen und aus rechtlichen Gründen ausscheide. Die Beklagte zu 1 lehnte eine Ersatzlieferung mit Schreiben vom 28.06.2016 ab. Darin stellte sie die vorgesehenen Nachbesserungsmaßnahmen allgemein dar, verwies jedoch wegen des Zeitplans und der konkret für das Fahrzeug des Klägers vorgesehenen Maßnahmen auf einen unbestimmten späteren Zeitpunkt.

Der Kläger erklärte daraufhin mit anwaltlichem Schreiben 21.09.2016 den Rücktritt von dem Kaufvertrag und gab unter dem 24.03.2017 eine weitere Rücktrittserklärung ab.

Er hält sein Fahrzeug für mangelhaft, weil – so behauptet der Kläger – dessen Schadstoffausstoß die Euro-5-Emissionsgrenzwerte um ein Vielfaches überschreite. Der – nach Ansicht des Klägers erhebliche – Mangel lasse sich durch die von der Beklagten zu 1 in Aussicht gestellten Maßnahmen nicht beseitigen. Der Schadstoffausstoß könne nicht auf ein rechtskonformes Maß reduziert werden; zudem sei die Installation eines Softwareupdates mit Nachteilen wie einem erhöhten Kraftstoffverbrauch, einem höheren Verschleiß und einer verringerten Lebensdauer des Motors verbunden. In jedem Fall erziele das Fahrzeug bei einem Verkauf auf dem Gebrauchtwagenmarkt einen geringeren Kaufpreis, weil potenzielle Käufer sich von der öffentlichen Diskussion über die Fehlerhaftigkeit des Motors abschrecken ließen.

Der Kläger meint, eine Mangelbeseitigung durch die Beklagte zu 1 sei ihm überdies nicht zuzumuten, da die Beklagte zu 1 nur in enger Zusammenarbeit mit der Volkswagen AG und nach deren Vorgaben handeln könne. Die Volkswagen AG sei indes gerade das Unternehmen, das ihn – den Kläger – durch den Einsatz der streitgegenständlichen Software getäuscht und geschädigt habe. Abgesehen davon habe im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung noch gar nicht festgestanden, wann die Beklagte zu 1 den streitgegenständlichen Pkw nachbessern werde.

Der Kläger verlangt von der Beklagten zu 1 die Rückzahlung einer auf den Kaufpreis für das Fahrzeug geleisteten Anzahlung (8.536 €) sowie der Raten, die er an die Beklagte zu 2 geleistet hat. Diese hat dem Kläger auf der Grundlage eines Vertrages vom 19.04.2013 ein Darlehen über insgesamt 20.539,25 € gewährt. Hinsichtlich der Beklagten zu 2 begehrt der Kläger die Feststellung, dass deren Ansprüche aus dem Darlehensvertrag nicht durchsetzbar sind.

Die Klage hatte ganz überwiegend Erfolg.

Aus den Gründen: I. Die gegen die Beklagte zu 1 gestellten Anträge sind zum weitaus größten Teil begründet. Der Kläger ist von dem mit der Beklagten zu 1 geschlossenen Kaufvertrag wirksam zurückgetreten.

1. Der von der Beklagten zu 1 an den Kläger verkaufte Pkw weist einen Sachmangel auf. Gegenstimmen in der bisher bekannten Rechtsprechung der Landgerichte zu Fahrzeugen mit EA189-Dieselmotoren sind vereinzelt geblieben. Die Kammer schließt sich der weitaus überwiegenden Mehrheit der Rechtsprechung (statt vieler: OLG München, Beschl. v. 23.03.2017 – 3 U 4316/16, juris) an.

a) Zu den Eigenschaften, die der Pkw aufweisen muss, gehört gemäß § 434 I 2 Nr. 2, Satz 3 BGB die Einhaltung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 – Fahrzeugemissionen-Verordnung – und der dazu erlassenen Durchführungsbestimmungen. Auf deren Grundlage ist die Typgenehmigung erteilt worden; sie gehören damit gemäß § 19 VII StVZO zu den Voraussetzungen der Zulassung des Fahrzeugs zum Straßenverkehr. Der streitgegenständliche Pkw erfüllt die Voraussetzungen dieser Verordnung nicht.

Die Beklagten zu 1 bezieht sich in ihrer rechtlichen Argumentation auf die Legaldefinition der Abschalteinrichtung gemäß Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007. Sie behauptet unter Beweisantritt, dass die von der Herstellerin eingebaute Umschaltlogik nicht Bestandteil des Emissionskontrollsystems sei, weil sie nicht darauf, sondern auf das Abgasrückführungssystem einwirke. Die Abgasrückführung – eben nicht die Ableitung der Abgase in die Umwelt, sondern deren Zurückleitung in den Motor – kontrolliere keine vorhandenen Emissionen, sondern verhindere sie auf einer technisch vorgelagerten Stufe. Es bestehe auch keine Einwirkung im normalen Fahrzeugbetrieb, sondern im Gegenteil werde der Abgasrückführungsmodus nur aktiv, wenn das Fahrzeug das Verfahren zur Ermittlung der Fahrzeugemissionen auf dem Rollenprüfstand nach dem NEFZ durchlaufe.

Dieser Argumentation kann die Kammer nicht folgen. Deshalb bedarf es der Aufklärung der unter Beweis gestellten Tatsachen nicht. Die Beklagte zu 1 legt die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zu eng aus. Kapitel II dieser Verordnung normiert Pflichten des Herstellers für die Typgenehmigung. Dazu gehören gemäß Art. 5:

„(1) Der Hersteller rüstet das Fahrzeug so aus, dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so konstruiert, gefertigt und montiert sind, dass das Fahrzeug unter normalen Betriebsbedingungen dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht.

(2) Die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, ist unzulässig. Dies ist nicht der Fall, wenn: […].“

Der Begriff der „normalen Betriebsbedingungen“ ist auslegungsbedürftig.

Unter den „normalen Betriebsbedingungen“ i. S. des Art. 5 I der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 sind nicht die Bedingungen zu verstehen, unter denen die Prüfung der Abgasemissionen im NEFZ auf dem Rollenprüfstand nach den näheren Bestimmungen der Durchführungsverordnung Verordnung (EG) Nr. 692/2008 vorgenommen wird. Denn dass die Fahrzeuge die vorgeschriebenen Grenzwerte im NEFZ einhalten müssen, ergibt sich bereits aus anderen Vorschriften.

Dabei kann es aber nicht bleiben. Dem Schutz der Bevölkerung und der Umwelt vor schädlichen Fahrzeugemissionen wäre in keiner Weise gedient, wenn die aufwändigen technischen Maßnahmen zu deren Reduzierung nur unter Laborbedingungen wirken würden. Sinn und Zweck des Art. 5 I der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ist es, dass die Schadstoffreduzierung auch und gerade dort wirkt, wo die Fahrzeuge bestimmungsgemäß eingesetzt werden, das heißt im öffentlichen Straßenverkehr in den Staaten der Europäischen Union. Andererseits lässt Art. 5 I der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 keine Rückschlüsse auf konkrete Werte zu, die bei dem Ausstoß der unterschiedlichen Schadstoffe im realen Betrieb der Kraftfahrzeuge im europäischen Straßennetz nicht überschritten werden dürfen. Die in diesem Sinne in Betracht kommenden „normalen Betriebsbedingungen“ sind so unterschiedlich, dass der Verordnungsgeber davon abgesehen hat, derartige Grenzwerte festzulegen. Es ist offenkundig, dass Kraftfahrzeuge bei dem bestimmungsgemäßen Gebrauch auf öffentlichen Straßen anderen Bedingungen ausgesetzt sind als auf dem Prüfstand, und zwar im Einzelfall sehr unterschiedlichen und häufig wechselnden.

Als bindende Verpflichtung des Herstellers gemäß Art. 5 I der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 kann demgegenüber festgestellt werden, dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, im realen Betrieb auf den Straßen ebenso schadstoffreduzierend zu wirken haben wie auf dem Prüfstand. Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, wonach die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, unzulässig ist, konkretisiert die im vorausgehenden Absatz getroffenen Anforderungen und ist in ihrem Sinne auszulegen.

Abschalteinrichtung ist nach der Definition in § 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007

„ein Konstruktionsteil, das […] Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems […] zu verändern […], wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird“.

Auch diese Definition ist entsprechend dem Sinn und Zweck der Verordnung im Allgemeinen und speziell des Art. 5 I auszulegen.

Die Begriffe „normaler Fahrzeugbetrieb“ und „normale Betriebsbedingungen“ entsprechen sich und meinen dasselbe.

Eine Bewertung des Konstruktionsteils als Abschalteinrichtung hängt nicht davon ab, in welcher Weise es auf das Emissionskontrollsystem einwirkt, sondern dass es das überhaupt tut. Um ein Konstruktionsteil als Abschalteinrichtung anzusehen, ist es nicht erforderlich, ein bestimmtes Teil des Emissionskontrollsystems zu ermitteln, dessen Funktion verändert wird. Der Begriff des „beliebigen Teils“ erfasst auch das Emissionskontrollsystem insgesamt. Wie sich aus dem Wort „beliebig“ ergibt, will der Verordnungsgeber jegliche Veränderung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems erfassen, egal wie sie technisch umgesetzt wird. Es genügt, dass eine solche Einwirkung in irgendeiner Art und Weise geschieht, dass mithin ein Zusammenhang zwischen der Funktion dieses Konstruktionsteils und der Höhe der Schadstoffemissionen vorgesehen ist und auch tatsächlich besteht.

Das ist hier der Fall. Auch wenn die Einwirkung auf einer technisch vorgelagerten Stufe geschieht, indem dem Emissionskontrollsystem im normalen Fahrbetrieb schadstoffreichere Abgase zugeführt werden als unter den Bedingungen des NEFZ, handelt es sich deshalb um eine Abschalteinrichtung. Denn auch damit wird die Funktion des Emissionskontrollsystems verändert, was dazu führt, dass dessen Wirksamkeit verringert wird. Die erhöhten Schadstoffemissionen werden von den Beklagten zu 1 nicht bestritten und sind in dem „Bericht der Untersuchungskommission ‚Volkswagen‘“ (Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Stand: April 2016) eingehend dokumentiert.

b) Das streitgegenständliche Kraftfahrzeug ist aber auch deshalb mangelhaft i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB, weil seinem Halter nachteilige Maßnahmen der Verwaltungsbehörden drohen, wenn die von der Volkswagen AG entwickelte und vom Kraftfahrt-Bundesamt genehmigte technische Nachrüstung (Softwareupdate) nicht vorgenommen wird.

Das Kraftfahrt-Bundesamt hat mit [dem] Bescheid vom 14.10.2015 einen Bescheid auf Grundlage von § 25 II EG-FGV erlassen, worauf basierend auch für bereits im Verkehr befindliche Fahrzeuge nachträgliche Nebenbestimmungen zur Typgenehmigung angeordnet werden können, um deren Vorschriftsmäßigkeit zu gewährleisten („Bericht der Untersuchungskommission ‚Volkswagen‘“, S. 12). Dieser Bescheid ist jedenfalls nach Lesart des Kraftfahrt-Bundesamtes und des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur Anlass und Grundlage der von VW durchgeführten Rückrufaktion, in deren Zug die unzulässige Abschalteinrichtung entfernt und die Vorschriftsmäßigkeit der Kraftfahrzeuge hergestellt werden soll.

Das bedeutet im Umkehrschluss zwingend, dass die Behörden den gegenwärtigen Zustand der mit einem EA189-Motor ausgerüsteten Kraftfahrzeuge nicht für konform mit der EG-Typgenehmigung halten. Die Kammer schließt sich dieser Wertung aus den oben ausgeführten Gründen an.

Folgerichtig verweigern die Zulassungsstellen auf Anweisung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur Neufahrzeugen die Zulassung, die an diesem Tag nicht bereits erstmals zugelassen waren. Solche Fahrzeuge können nur dann zugelassen werden, wenn im Rahmen der Rückrufaktion von VW die unzulässige Abschalteinrichtung entfernt worden ist („Bericht der Untersuchungskommission ‚Volkswagen‘“, S. 13).

Die Volkswagen AG ist gegen den Bescheid vom 14.10.2015 nicht vorgegangen, weshalb er bestandskräftig geworden ist und damit sie als Inhaberin der EG-Typgenehmigung und auch die Verwaltungsbehörden bindet.

Das Kraftfahrt-Bundesamt lässt sich die erfolgten Maßnahmen für jedes Fahrzeug zurückmelden und beabsichtigt, ausstehende Fahrzeuge behördlich nachverfolgen zu lassen („Bericht der Untersuchungskommission ‚Volkswagen‘“, S. 13). Hier steht die Entziehung der Betriebserlaubnis im Raum (OLG München, Beschl. v. 23.03.2017 – 3 U 4316/16, juris).

Ein Kraftfahrzeug, das entsprechend dieser Ankündigung Gegenstand einer „behördlichen Nachverfolgung“ zu werden droht, weist eine Beschaffenheit auf, die bei Sachen der gleichen Art keineswegs üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache auch nicht zu erwarten braucht (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB).

2. Der Kläger war auch zum Rücktritt berechtigt.

a) Einer Fristsetzung zur Nacherfüllung bedurfte es nicht, weil die Beklagte zu 1 die Nachlieferung eines mangelfreien Pkw abgelehnt hatte und die Beseitigung des Mangels zum Zeitpunkt der Erklärung des Rücktritts i. S. des § 440 Satz 1 Fall 3 BGB unzumutbar war.

Unzumutbar ist die Nacherfüllung, wenn sich der Verkäufer aus Sicht des Käufers als unzuverlässig erwiesen hat und das Vertrauensverhältnis nachhaltig gestört ist (BGH, Urt. v. 15.04.2015 – VIII ZR 80/14, NJW 2015, 1669 Rn. 22). Das ist hier der Fall.

Das Schreiben der Beklagten zu 1 vom 28.06.2016 dokumentiert, dass sie nicht in der Lage war, den Mangel zu beseitigen. Zunächst werden in diesem Schreiben vordergründig „technische Maßnahmen“ zur Behebung von „Unregelmäßigkeiten“ angekündigt. Die Beklagte zu 1 hat es dabei sorgfältig vermieden, diese Maßnahmen als Beseitigung eines Mangels zu bezeichnen. Sie hat darüber hinaus nur sehr allgemein zu den von Volkswagen entwickelten technischen Lösungen ausgeführt. Auf den streitgegenständlichen Kaufvertrag bezogen hat sie aber weder die Art der vorgesehenen Maßnahmen noch einen Zeitplan für deren Umsetzung genannt. Der Kläger befand sich deshalb nach Erhalt dieses Schreibens weiterhin vollständig im Unklaren darüber, ob, wann und wie die Beklagte zu 1 eine Nacherfüllung vornehmen würde. Dem Kläger ist die Behebung des Mangels bis zu dem von ihm erklärten Rücktritt nicht konkret angeboten worden.

Nachdem die Beklagte zu 1 die Mangelbeseitigung vollständig in die Hände der Volkswagen AG als Herstellerin gelegt hat, muss sie alle Umstände gegen sich gelten lassen, die es aus Sicht des Klägers als unzumutbar erscheinen lassen, sich darauf einzulassen. Auf die rechtliche Beurteilung, ob die Volkswagen AG i. S. des § 278 BGB Erfüllungsgehilfin der Beklagten zu 1 bei der Nacherfüllung ist, kommt es nicht an.

Zur fehlenden Zumutbarkeit der Mangelbeseitigung kann dahingestellt bleiben, ob das Vertrauen des Klägers in eine ordnungsgemäße Nacherfüllung nicht bereits dadurch nachhaltig gestört ist, dass die Beklagte zu 1 dafür auf die Zusammenarbeit mit der Volkswagen AG als Herstellerin angewiesen ist und diese wiederum eine Abgas-Manipulationssoftware eingebaut und dadurch die Öffentlichkeit und die Käufer systematisch über die Abgaswerte der von ihr hergestellten Fahrzeuge getäuscht hatte. Nach einem Teil der Rechtsprechung kann es dem Käufer schon deshalb nicht zugemutet werden, das betreffende Fahrzeug zu behalten und sich auf eine – wenn auch vom Verkäufer durchgeführte, so doch vom Hersteller gesteuerte – Nachbesserung einzulassen (LG Krefeld Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 72/16; Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 83/16, MDR 2016, 1201).

Hinzu treten nämlich weitere Umstände, die jedenfalls die Unzumutbarkeit der Mangelbeseitigung begründen. Maßgeblich für die Zumutbarkeit ist auch das Verhalten des Verkäufers im Umgang mit den Gewährleistungsrechten des Käufers, nachdem ein Mangel gerügt wurde. Das Verhalten speziell der Volkswagen AG bei dem Management des sogenannten Abgasskandals hat ein etwa noch verbliebenes Vertrauen des Klägers in die Redlichkeit des Fahrzeugherstellers zerstört.

Die Volkswagen AG verhält sich im Verhältnis zu den Endkäufern ihrer mit Motoren der Baureiche EA189 ausgerüsteten Produkte widersprüchlich und unredlich.

Sie hatte unmittelbar nach dem öffentlichen Bekanntwerden der gegen sie erhobenen Vorwürfe in einer Pressemitteilung am 22.09.2015 angekündigt, von ihr so genannte „Unregelmäßigkeiten“ einer verwendeten Software bei Dieselmotoren aufzuklären. Es gebe auffällige Abweichungen zwischen den Prüfstandswerten und dem realen Fahrbetrieb. Volkswagen dulde keine Gesetzesverstöße. Oberstes Ziel des Vorstands bleibe es, verlorengegangenes Vertrauen zurückzugewinnen und Schaden von ihren Kunden abzuwenden. Der Konzern werde die Öffentlichkeit über den weiteren Fortgang der Ermittlungen fortlaufend und transparent informieren.

Der Umgang mit dem Kläger wird dieser Ankündigung nicht einmal im Ansatz gerecht.

Den Verwaltungsbehörden wie etwa dem Kraftfahrt-Bundesamt gegenüber hat Volkswagen die Wertung der sogenannten Umschaltlogik als Verstoß gegen die europäischen Normen zur Verringerungen von Abgasemissionen zumindest hingenommen und sich bei der Entwicklung der technischen Maßnahmen zur Beseitigung der unzulässigen Abschalteinrichtungen als kooperativ gezeigt. Der bestandskräftige Bescheid des Kraftfahrtbundesamts gemäß § 25 II EG-FGV bezieht sich folgerichtig auf die Beseitigung von Mängeln der bereits im Verkehr befindlichen Fahrzeuge. Wegen dieser Mängel werden Fahrzeuge mit nicht nachgerüsteten EA189-Motoren seither nicht mehr zugelassen, ohne dass sich ein Unternehmen des VW-Konzerns dagegen gewehrt hätte.

Es gehört dagegen zur Verteidigungsstrategie des VW-Konzerns, dass er die mit ihm durch Verträge verbundenen Kraftfahrzeughändler dazu anhält, sich im Umgang mit den Käufern um das Eingeständnis eines Sachmangels herumzuwinden. Kommt es dann zum Streit, wird das Vorhandensein eines Mangels explizit bestritten. Das geschieht nicht nur in diesem Rechtsstreit, sondern spätestens seit Mitte 2016 in allen Rechtsstreitigkeiten, die Gewährleistungsansprüche gegen Vertragshändler der zu dem VW-Konzern gehörenden Marken zum Gegenstand haben. Das ist jedenfalls in den bei dem LG Trier anhängigen Verfahren der Fall und in allen veröffentlichten Entscheidungen anderer Gerichte, die die Kammer ausgewertet hat.

Es ist aber schlechthin unmöglich, dass der streitgegenständliche Dieselmotor einerseits nicht im Einklang mit der erteilten EG-Typgenehmigung steht (was Volkswagen im Verwaltungsverfahren akzeptiert hat), deshalb eine „technische Überarbeitung“ zur Optimierung des Emissionsverhaltens erforderlich sein soll, er aber andererseits im kaufrechtlichen Sinn keinen Sachmangel aufweisen soll (was Volkswagen seinen Vertragshändlern als Verteidigungsstrategie diktiert).

Das OLG München (Beschl. v. 23.03.2017 – 3 U 4316/16, juris Rn. 13) hat zu dieser merkwürdigen Verteidigungsstrategie angemerkt:

„Um [Abhilfe] ist, auch dies ist allgemein bekannt und zwischen den Parteien unstreitig, VW ersichtlich bemüht und hat deshalb auch angekündigt, kostenlos die entsprechenden Maßnahmen an den mit der ‚Schummelsoftware‘ ausgestatteten Fahrzeugen vorzunehmen. Die Darstellung der Beklagten, VW betreibe diesen mit beträchtlichen Kosten verbundenen Aufwand nur aus ‚Kulanz‘, ist als perplexer Parteivortrag insoweit unbeachtlich, da dies, träfe es denn zu, den Vorwurf der Untreue i. S. von § 266 StGB gegen das Management des VW-Konzerns begründen würde. “

Ein Fahrzeugkäufer wie der Kläger steht diesen den Gesetzen der Logik widersprechenden Äußerungen aus dem Volkswagen-Konzern rat- und hilflos gegenüber. Er sieht sich damit in seiner Erwartung getäuscht, die Volkswagen AG stehe zu ihren Fehlern und Versäumnissen und bemühe sich nach Kräften, mehr als nur den Imageschaden für das eigene Unternehmen wieder gutzumachen. Für den Kläger muss sich der Eindruck aufdrängen, dass die Volkswagen AG ihn nicht ernst nimmt, über Wesentliches falsch, unvollständig oder gar nicht informiert, und überhaupt bei der Bewältigung der Folgen des so genannten Abgasskandals rücksichtslos darauf bedacht ist, den Schaden für die eigene Unternehmensgruppe möglichst gering zu halten. Transparenz und Offenheit gegenüber den Interessen geschädigter Kunden wurden in aufwendigen Inseraten angekündigt. Fordert ein Fahrzeugkäufer das aber ein, geht Volkswagen in der Sache in keinem substanziellen Punkt darauf ein.

Spätestens damit braucht sich der Kläger auf eine „technische Überarbeitung“ seines Pkw nicht mehr einzulassen, die nur auf den Planungen und Vorgaben der Volkswagen AG beruht und auf die die Beklagte zu 1 ersichtlich so gut wie keinen Einfluss ausübt, weil sie nicht über das Wissen und die technischen Möglichkeiten verfügt, um den Mangel selbst zu beheben.

b) Dem Rücktritt steht § 323 V 2 BGB nicht entgegen. Die Pflichtverletzung der Beklagten zu 1 ist nicht im Sinne dieser Vorschrift unerheblich.

Es geht in dieser Vorschrift nicht um die Erheblichkeit des Mangels an sich, sondern um die der Pflichtverletzung. Deshalb ist der Aufwand in Geld zur Behebung des Mangels nur ein Kriterium bei der Anwendung dieser Vorschrift. In der Rechtsprechung … anerkannt ist die Erheblichkeit von Pflichtverletzungen bei Kaufverträgen insbesondere auch dann, wenn Mängel arglistig verschwiegen worden sind (BGH, Urt. v. 24.03.2006 – V ZR 173/05, NJW 2006, 1960 Rn. 7 ff.) oder wenn gegen eine Beschaffenheitsvereinbarung verstoßen wurde (BGH, Urt. v. 06.02.2013 – VIII ZR 374/11, NJW 2013, 1365 Rn. 16).

Die Pflichtverletzung der Beklagten zu 1 als Verkäuferin ist allein deshalb erheblich, weil das streitgegenständliche Kraftfahrzeug nicht der erteilten EG-Typgenehmigung entspricht, sondern der ordnungsgemäße Zustand erst durch die von dem Kraftfahrt-Bundesamt nunmehr freigegebene technische Überarbeitung – Entfernung der unzulässigen Abschalteinrichtung – hergestellt werden muss. Auf die vorstehenden Ausführungen (oben zu I) wird Bezug genommen.

Die Pflichtverletzung ist aber auch deshalb erheblich, weil sich die Beklagte zu 1 länger als drei Jahre nach Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger und länger als ein Jahr nach dem allgemeinen Bekanntwerden des Mangels nicht in der Lage gesehen hat, diesen zu beseitigen.

3. Als Folge des Rücktritts sind gemäß § 346 I BGB die empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Die Leistungen des Klägers bestehen in den Raten, die er an die Beklagte zu 2 geleistet hat. Die Beklagte zu 2 hatte wiederum den Darlehensbetrag an die Beklagte zu 1 ausgezahlt.

Der Kläger muss seinerseits den Pkw an die Beklagte zu 1 zurückgeben. Darüber hinaus hat er den Wert der von ihm gezogenen Nutzungen zu ersetzen (§ 346 II 1 Nr. 1 BGB).

Der Wertersatz beträgt 9,36 Cent für jeden Kilometer Laufleistung bei Rückgabe des Fahrzeugs. Die Kammer setzt den Kaufpreis von 28.086 € in Bezug auf eine gemäß § 287 I ZPO geschätzte Lebensdauer des Fahrzeugs von 300.000 km. Bei einer Laufleistung von 67.304 gefahrenen Kilometern ergibt sich daraus ein Nutzungswert von 6.300 €.

4. Die Beklagte zu 1 hat den sich daraus ergebenden Betrag gemäß §§ 286, 288 BGB zu verzinsen. Die Pflicht zur Verzinsung der nach dem 07.10.2016 von der Beklagten zu 2 eingezogenen Darlehensraten würde zwar erst zu den Zeitpunkten eintreten, an denen sie eingezogen wurden. Der nach Abzug des Nutzungswertersatzes verbleibende Betrag liegt jedoch niedriger als die Raten, die der Kläger am 07.10.2016 schon gezahlt hatte.

5. Die Beklagte zu 1 befindet sich mit der Rücknahme des Pkw in Annahmeverzug, da sie sich ausdrücklich geweigert hat, ihn entgegenzunehmen.

6. Die Beklagte zu 1 hat dem Kläger auch den zu der Verfolgung seiner Rechte erforderlichen Aufwand zu ersetzen, ihn also von den Vergütungsansprüchen für die außergerichtliche Tätigkeit seiner Prozessbevollmächtigten freizustellen. Das folgt aus § 280 I BGB. Die 2,0-fache Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG ist in Anbetracht von Umfang und Bedeutung der Sache angemessen. …

II. Die Klage ist auch gegen die Beklagte zu 2 begründet. Das folgt nach dem [vom Kläger] erklärten Rücktritt aus §§ 359 I 1, 320 BGB. Es handelt sich bei den Verträgen um ein verbundenes Geschäft. …

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