- Ein vom VW-Abgasskandal betroffener Jahreswagen ist i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB mangelhaft. Denn der Käufer darf erwarten, dass das Fahrzeug die einschlägigen Emissionsgrenzwerte – hier: die Euro-5-Emissionsgrenzwerte – tatsächlich einhält. Diese Erwartung wird enttäuscht, wenn die Grenzwerte nur während eines Emissionstests auf dem Prüfstand und dann nur deshalb eingehalten werden, weil eine spezielle Software die Testsituation erkennt und einen eigens dafür vorgesehenen Betriebsmodus aktiviert, in dem der Stickoxidausstoß niedriger ist als beim Betrieb des Fahrzeugs im Straßenverkehr.
- Ein vom VW-Abgasskandal betroffener Jahreswagen ist darüber hinaus deshalb i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB mangelhaft, weil er zur (Wieder-)Herstellung seiner Vorschriftsmäßigkeit zwingend technisch überarbeitet werden muss, also wenigstens ein Softwareupdate benötigt. Ohne das Update ist das Fahrzeug folglich nicht vorschriftsmäßig, doch kann der Käufer eines Jahreswagens ein den Vorschriften entsprechendes Fahrzeug erwarten.
- Dem Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs ist eine Nachbesserung i. S. des § 440 Satz 1 Fall 3 BGB unzumutbar, wenn er dem Verkäufer schon deshalb keine Frist zur Nachbesserung (§ 323 I BGB) setzen kann, weil das Kraftfahrt-Bundesamt das für eine technische Überarbeitung des Fahrzeugs erforderliche Softwareupdate noch nicht freigegeben hat und deshalb völlig ungewiss ist, wann dem Verkäufer eine Mangelbeseitigung möglich sein wird.
- Die Pflichtverletzung des Verkäufers, die in der Lieferung eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs liegt, ist selbst dann nicht i. S. des § 323 V 2 BGB unerheblich, wenn eine Mangelbeseitigung – bezogen auf das konkret betroffene Fahrzeug – einen Zeitaufwand von weniger als einer Stunde und einen Kostenaufwand von weniger als 100 € erfordert. Gegen eine Geringfügigkeit des Mangels spricht bereits, dass der Käufer auf eine Nachbesserung praktisch nicht verzichten kann, sondern er gezwungen ist, sein Fahrzeug im Rahmen der zwischen der Volkswagen AG und dem Kraftfahrt-Bundesamt abgestimmten Rückrufaktion überarbeiten zu lassen, um dessen Zulassung zum Straßenverkehr nicht zu gefährden.
- Die Software, die in einem vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeug zum Einsatz kommt und dessen Stickoxidausstoß (nur) verringert, sobald das Fahrzeug auf einem Prüfstand einen Emissionstest absolviert, ist eine unzulässige Abschalteinrichtung i. S. des Art. 5 II i. V. mit Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 (im Anschluss an LG Hildesheim, Urt. v. 17.01.2017 – 3 O 139/16, DAR 2017, 83).
- Der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs kann gegen die – am Kaufvertrag nicht beteiligte – Volkswagen AG als Fahrzeugherstellerin einen Anspruch auf Schadensersatz wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung (§ 826 BGB i. V. mit § 31 BGB) haben. Dieser Anspruch knüpft daran an, dass die Volkswagen AG Fahrzeuge mit Dieselmotoren in den Verkehr gebracht hat, in denen eine unzulässige Abschalteinrichtung zum Einsatz kommt und die deshalb nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprechen. Er ist darauf gerichtet, den Käufer so zu stellen, wie er stünde, wenn er den Kaufvertrag über das VW-Abgasskandal betroffene Fahrzeug nicht geschlossen hätte.
- Die Haftung der Volkswagen AG aus § 826 BGB i. V. mit § 31 BGB setzt voraus, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter i. S. des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht hat. Dies darzulegen und zu beweisen, ist zwar Sache des klagenden Fahrzeugkäufers. Die Volkswagen AG trifft insoweit aber eine sekundäre Darlegungslast, der sie durch den Vortrag genügt, wer in ihrem Unternehmen über die Entwicklung und den Einsatz einer die Schadstoffemissionen manipulierenden Software entschieden hat und bis zu welcher höheren Ebene diese Entscheidung anschließend gegebenenfalls kommuniziert wurde. Dass sie dabei unter Umständen nähere Ausführungen zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit ihrer Vorstandsmitglieder oder ihrer leitenden Mitarbeiter machen muss und diese damit möglicherweise strafrechtlich belastet, spielt insoweit keine Rolle. Genügt die Volkswagen AG ihrer sekundären Darlegungslast nicht, ist davon auszugehen, dass die Entscheidung, eine den Schadstoffausstoß manipulierende Software zu entwickeln und einzusetzen, vom Vorstand getroffen oder jedenfalls abgesegnet wurde.
LG Osnabrück, Urteil vom 09.05.2017 – 5 O 1198/16
Sachverhalt: Der Kläger& kaufte von der Beklagten zu 1 mit Kaufvertrag vom 17.04.2013 einen VW Golf Variant 1.6 TDI in der Ausstattungsvariante „Trendline“ als Jahreswagen. Der Kaufpreis betrug 17.370 €. Das Fahrzeug, das dem Kläger am selben Tag übergeben wurde, hatte seinerzeit eine Laufleistung von 9.761 km.
Herstellerin des Fahrzeugs ist die Volkswagen AG (Beklagte zu 2); die Beklagte zu 1 ist eine unabhängige VW-Vertragshändlerin.
Der Pkw ist mit einem Dieselmotor des Typs EA189 ausgestattet und deshalb vom VW-Abgasskandal betroffen. In ihm kommt eine Software zum Einsatz, die erkennt, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand einen Emissionstest absolviert oder ob es regulär im Straßenverkehr betrieben wird. Während eines Emissionstests ist der „Modus 1“ aktiv und ist der Stickoxidausstoß geringer als beim regulären Betrieb im „Modus 0“. Deshalb werden auf dem Prüfstand die – einschlägigen – Euro-5-Emissionsgrenzwerte eingehalten.
Mit Bescheid vom 15.10.2015 ordnete das das Kraftfahrt-Bundesamt gegenüber der Beklagten zu 2 den Rückruf aller vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge mit dem Aggregat EA189 (Euro 5) an. Es gab der Beklagten zu 2 auf, die Software – bei der es sich aus Sicht des Kraftfahrt-Bundesamtes um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt – aus allen betroffenen Fahrzeugen zu entfernen.
Am 16.12.2015 erklärte die Beklagte zu 2 öffentlich, dass die vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge, die – wie das Fahrzeug des Klägers – mit einem 1,6-Liter-Aggregat ausgestattet sind, ein Softwareupdate erhielten. Außerdem werde direkt vor dem Luftmassenmesser ein sogenannter Strömungsgleichrichter befestigt. Diese technische Überarbeitung werde weniger als eine Stunde Arbeitszeit in Anspruch nehmen. Die vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge würden sukzessive zurückgerufen werden; eine Umrüstung der Fahrzeuge mit einem 1,6-Liter-Motor sei ab dem 3. Quartal 2016 geplant.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 10.05.2016 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten zu 1 die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung und hilfsweise den Rücktritt vom Kaufvertrag. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Kraftfahrt-Bundesamt das (auch) für das Fahrzeug des Klägers vorgesehene Softwareupdate noch nicht freigegeben. Die Umrüstung seines Fahrzeugs wurde dem Kläger seitens der Beklagten zu 1 erst mit Schreiben vom 05.01.2017 angeboten.
Der Kläger hält sein Fahrzeug für mangelhaft und meint, dem Fahrzeug fehle eine i. S. des § 434 I 1 BGB vereinbarte Beschaffenheit, weil es die Euro-5-Emissionsgrenzwerte tatsächlich nicht einhalte. Eine Nachbesserung durch Aufspielen des angebotenen Softwareupdates sei ihm – dem Kläger – nicht zumutbar, weil sich das Update nachteilig auf die Motorleistung, den Kraftstoffverbrauch und die Schadstoffemissionen des Pkw auswirken werde. Darüber hinaus habe die Beklagte zu 2 ihn – den Kläger – arglistig getäuscht, und diese Täuschung müsse sich die Beklagte zu 1 zurechnen lassen. Abgesehen davon bliebe trotz Nachbesserung der Wiederverkaufswert des Fahrzeugs gemindert, weil es vom VW-Abgasskandal betroffen (gewesen) sei.
Nach Auffassung des Klägers ist ihm die Beklagte zu 2 zum Schadensersatz verpflichtet. Denn die Beklagte zu 2 habe dadurch, dass sie dem streitgegenständlichen Fahrzeug eine EG-Übereinstimmungsbescheinigung beigefügt habe, garantiert, dass der Pkw allen für Kraftfahrzeuge geltenden europarechtlichen Vorschriften erfülle. Das sei aber nicht der Fall, weil insbesondere der Stickoxidausstoß aufgrund einer Manipulation des Schadstoffausstoßes fehlerhaft ermittelt worden sei. Der tatsächliche Stickoxidausstoß übersteige den einschlägigen Euro-5-Grenzwert. Deshalb – so meint der Kläger – stehe ihm ein Anspruch auf Schadensersatz auch gemäß § 823 II BGB i. V. mit § 263 StGB und gemäß § 826 BGB gegen die Beklagte zu. Diese habe ihn – den Kläger – nämlich darüber getäuscht, dass das streitgegenständliche Fahrzeug die Euro-5-Emissionsgrenzwerte einhalte.
Der Kläger meint, die Beklagte zu 2 müsse sich das Verhalten ihrer Mitarbeiter gemäß §§ 31, 278, 166 BGB zurechnen lassen. Er behauptet, der Vorstand der Beklagten habe von der den Schadstoffausstoß manipulierenden Software gewusst; die damit versehenen Fahrzeuge seien aber gleichwohl in den Verkehr gebracht worden.
Die Klage hatte weit überwiegend Erfolg.
Aus den Gründen: I. Ansprüche gegen die Beklagte zu 1
1. Dem Kläger steht gegen die Beklagte zu 1 kein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises aus § 812 I 1 Fall 1 BGB zu. Der Kläger hat den Kaufpreis nicht ohne Rechtsgrund gezahlt, sondern aufgrund des Kaufvertrages. Der Kaufvertrag als Rechtsgrund ist nicht wirksam angefochten worden. Vielmehr liegen die Voraussetzungen für eine Anfechtung des Kaufvertrages durch den Kläger nicht vor.
Im Einzelnen:
Die Beklagte zu 1 selbst hat den Kläger nicht getäuscht.
Eine Zurechnung der behaupteten Täuschung der Beklagten zu 2 gemäß § 123 II 1 BGB kommt ebenfalls nicht in Betracht. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Beklagte zu 1 die behauptete Täuschung der Beklagten zu 2 kannte oder kennen musste.
Auch eine anderweitige Zurechnung kommt nicht in Betracht. Die Beklagte zu 2 ist bezogen auf das Rechtsverhältnis des Klägers mit der Beklagten zu 1 nämlich Dritter i. S. von § 123 II BGB. Aus diesem Grund haftet die Beklagte zu 1 nur für den Fall der dort gegebenen Voraussetzungen.
Der Begriff des Dritten i. S. des § 123 II BGB erfasst am Geschäft Unbeteiligte (Palandt/Ellenberger, BGB, 75. Aufl., § 123 Rn. 13). Unbeteiligt und damit Dritter ist nicht, wer bei Abgabe der täuschenden Erklärung mit Wissen und Wollen des Anfechtungsgegners als dessen Vertrauensperson oder Repräsentant auftritt. Daneben kann von einem Dritten dann nicht gesprochen werden, wenn dessen Verhalten dem Erklärungsempfänger wegen besonders enger Beziehungen zwischen beiden oder wegen sonstiger besonderer Umstände billigerweise zugerechnet werden muss (BGH, Urt. v. 20.11.1995 – II ZR 209/94).
Die Beklagte zu 2 ist im Rahmen der Vertragsverhandlungen zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1 nicht als Vertrauensperson oder Repräsentant der Beklagten zu 1 aufgetreten. Die Beklagte zu 2 hat das Fahrzeug lediglich hergestellt.
Auch eine Zurechnung wegen besonders enger Beziehungen oder sonstiger Umstände kommt nicht in Betracht. Zwar steht die Beklagte zu 1 in einer dauerhaften Geschäftsbeziehung zu der Beklagten zu 2. In diesem Rahmen bedient sie sich der ihr von der Beklagten zu 2 zur Verfügung gestellten Unterlagen, und ihre Verkäufer werden von der Beklagten zu 2 geschult. Allerdings ist die Beklagte zu 1 gleichwohl selbstständige Vertragshändlerin. Die Beklagten sind rechtlich unabhängige juristische Personen, die in keiner Weise gesellschaftsrechtlich oder personell verflochten sind.
Die Beklagte zu 2 war auch nicht am Zustandekommen des streitgegenständlichen Kaufvertrages beteiligt. Sie hat nicht auf den direkten Geschäftskontakt zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1 eingewirkt. Die Beklagten verfolgen auch nicht zwangsläufig die gleichen Interessen. So erhoffen sich die Vertragshändler beim Erwerb der Fahrzeuge vom Hersteller einen niedrigen Kaufpreis, um durch den anschließenden Weiterverkauf einen möglichst hohen Gewinn zu erzielen. Das Interesse des Herstellers ist dagegen schon beim Vertrieb an den Vertragshändler auf einen hohen Gewinn gerichtet.
Im Ergebnis findet damit im Verhältnis zwischen Vertragshändler und Hersteller keine Wissenszurechnung gemäß § 166 BGB statt (OLG Celle, Beschl. v. 30.06.2016 – 7 W 26/16; LG Frankenthal, Urt. v. 12.05.2016 – 8 O 208/15; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 12. Aufl., Rn. 4339).
2. Dem Kläger steht gegen die Beklagte zu 1 ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises von 17.370 € abzüglich gezogener Nutzungen in Höhe von 4.445,92 € Zug um Zug gegen Rückgabe des … Fahrzeugs gemäß §§ 437 Nr. 2 Fall 1, 323 ,346 I, 348 BGB zu.
a) Das erworbene Fahrzeug wies im Zeitpunkt des Gefahrübergangs einen Sachmangel gemäß § 434 I 2 Nr. 2 BGB auf. Denn das Fahrzeug entspricht nicht einer solchen Beschaffenheit, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.
Das klägerische Fahrzeug verfügt über eine Software, die zwischen dem Betrieb des Fahrzeugs auf dem Prüfstand im Modus 1 und dem Betrieb im realen Fahrbetrieb im Modus 0 unterscheidet. Im Modus 1 kommt es zu einer höheren Abgasrückführungsrate. Zwar kann und muss der Prüfstandmodus nicht den realen Fahrbetrieb exakt widerspiegeln; allerdings kann nur bei im Wesentlichen identischer Funktion der Motorsteuerung gewährleistet werden, dass die Abgas- und Verbrauchswerte in einer gewissen Korrelation zueinander stehen. Nur dann lässt die Simulation auch eine Aussage über den realen Fahrbetrieb sowie den Vergleich zu anderen Fahrzeugen zu: Niedrige Werte im Prüfstandmodus lassen auch niedrige Werte im realen Fahrbetrieb erwarten und umgekehrt (LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 83/16, juris Rn. 25). Bei einem die Prüfstandswerte nicht manipulierenden Fahrzeug besteht die Gewähr dafür, dass schädliche Emissionen im Straßenverkehr mit derselben Effektivität wie auf dem Prüfstand vermieden werden (LG Paderborn, Urt. v. 09.06.2016 – 3 O 23/16, juris Rn. 27). Das streitgegenständliche Fahrzeug täuscht dagegen durch den Wechsel zwischen den verschiedenen Modi auf dem Prüfstand einen anderen, niedrigeren Stickoxidausstoß vor, als er im realen Fahrbetrieb gegeben ist, und nimmt damit den Simulationswerten die Aussagekraft. Eine derartige Umschaltlogik entspricht nicht den berechtigten Erwartungen eines Käufers an die übliche Beschaffenheit vergleichbarer Fahrzeuge. Der Käufer eines Fahrzeugs der Emissionsklasse „Euro 5“ darf vielmehr davon ausgehen, dass das Fahrzeug die vorgegebenen Grenzwerte im Rahmen des für die Einstufung maßgeblichen Prüfungsverfahrens auch tatsächlich einhält. Diese Erwartung wird enttäuscht durch den Umstand, dass das Ergebnis im Prüfstand nur aufgrund einer speziellen, in dem Fahrzeug verbauten Software erzielt wird, die den künstlichen Fahrzyklus erkennt und in einen Betriebsmodus schaltet, der den Stickoxidausstoß reduziert (LG Paderborn, Urt. v. 09.06.2016 – 3 O 23/16, juris Rn. 27).
Darüber hinaus ist das Fahrzeug auch deswegen mangelhaft, weil es selbst nach dem Vorbringen .der Beklagten einem Softwareupdate unterzogen werden muss, um den entsprechenden Auflagen des Kraftfahrt-Bundesamtes zu genügen und nicht den Verlust der Allgemeinen Betriebserlaubnis zu riskieren (LG Frankenthal, Urt. v. 12.05.2016 – 8 O 208/15; LG Oldenburg, Urt. v. 01.09.2016 – 16 O 790/16; LG Kleve, Urt. v. 31.03.2017 – 3 O 252/16).
In dem Schreiben des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 03.11.2016 ist insoweit ausgeführt, dass die von der Volkswagen AG dem Kraftfahrt-Bundesamt vorgestellte Änderung der Applikationsdaten geeignet ist, die Vorschriftsmäßigkeit der genannten Fahrzeuge herzustellen. Angesichts des vorgelegten Schreibens ist das Bestreiten des Klägers mit Nichtwissen, eine Freigabe des Fahrzeugs durch das Kraftfahrt-Bundesamt sei erfolgt, unerheblich. Wenn aber ausweislich dieses Schreibens die Vorschriftsmäßigkeit erst hergestellt werden muss und das Fahrzeug ohne das Softwareupdate nicht vorschriftsmäßig ist, dann kann hieraus auf die derzeitige Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs geschlossen werden, denn ein nicht den Vorschriften entsprechendes Fahrzeug entspricht nicht der Beschaffenheit, die ein Käufer bei dem Erwerb eines Jahreswagens erwartet.
b) Dem Rücktritt des Klägers steht nicht entgegen, dass er der Beklagten zu 1 keine Frist zur Nacherfüllung gemäß § 323 I BGB gesetzt hat.
Die Unzumutbarkeit der Nacherfüllung beurteilt sich unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung. Zu diesen Umständen des Einzelfalls zählen neben Art und Ausmaß einer Beeinträchtigung der Interessen des Käufers auch die Begleitumstände der Nacherfüllung, die Zuverlässigkeit des Verkäufers sowie eine nachhaltige Störung des Vertrauensverhältnisses der Parteien (BGH, Urt. v. 26.10.2016 – VIII ZR 240/15 Rn. 23). Eine zu lange Dauer der Nacherfüllung kann ebenfalls ein Indiz für eine Unzumutbarkeit sein (Palandt/Weidenkaff, BGB, 75. Aufl., § 440 Rn. 8).
Im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung des Klägers am 10.5.2016 war für den Kläger die Durchführung der Nachbesserung in zeitlicher Hinsicht völlig ungewiss. Der Beklagten zu 1 war zu diesem Zeitpunkt die Mangelbeseitigung noch nicht möglich, weil das erforderliche Softwareupdate noch nicht zur Verfügung stand. Auch ein etwaiger Umrüstungstermin stand zu diesem Zeitpunkt noch nicht fest. Erst mit Schreiben vom 05.01.2017 bot die Beklagte zu 1 dem Kläger die Umrüstung seines Fahrzeugs an. Auch die öffentliche Mitteilung der Beklagten zu 2 vom 16.12.2015 ändert hieran nichts. In dieser Pressemitteilung wurde zwar erklärt, dass die Umrüstung von Fahrzeugen mit 1,6-Liter-Motoren ab dem 3. Quartal 2016 angestrebt sei. Der Umrüstung der Fahrzeuge musste aber die Freigabe des Kraftfahrt-Bundesamtes in Bezug auf das aufzuspielende Softwareupdate vorausgehen. Ob und wann die Kraftfahrt-Bundesamt-Freigabe erfolgen würde, stand aber nicht fest, sodass für den Kläger in zeitlicher Hinsicht keine sichere Planungsgrundlage zur Verfügung stand. Angesichts dessen war es für den Kläger nicht möglich, sinnvoll eine Frist zu setzen. Das Abwarten ins Ungewisse hinein macht aber ein Nachbesserungsverlangen unzumutbar (LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 83/16; LG Bückeburg, Urt. v. 11.01.2017 – 2 O 39/16).
c) Nach den Umständen des vorliegenden Falls ist im Rahmen der Interessenabwägung auch nicht von einer nur unerheblichen Pflichtverletzung i. S. von § 323 V 2 BGB auszugehen, die einen Rücktritt ausschließen würde (LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 83/16; LG Lüneburg, Urt. v. 02.06.2016 – 4 O 3/16; LG Bochum, Urt. v. 16.03.2016 – I-2 O 425/15).
Die Erheblichkeitsprüfung nach § 323 V 2 BGB erfordert eine umfassende Interessenabwägung auf Grundlage der Einzelfallumstände (vgl. BGH, Urt. v. 26.10.2016 – VIII ZR 240/15 Rn. 27 m. w. Nachw.). Maßgeblicher Zeitpunkt ist der Zeitpunkt der Rücktrittserklärung. Im Rahmen der lnteressenabwägung sind dabei der für die Mangelbeseitigung erforderliche Aufwand, die Qualität des Vertragsgegenstandes, die Anzahl der Mängel, die Auswirkung auf die beeinträchtigte Leistung und die für die Kaufentscheidung maßgeblichen Kriterien heranzuziehen. Soweit auf die Kosten für die Mangelbeseitigung abgestellt wird, ist von einer Unerheblichkeit der Pflichtverletzung in der Regel dann nicht mehr auszugehen, wenn der Mangelbeseitigungsaufwand mehr als fünf Prozent des Kaufpreises beträgt (BGH, Urt. v. 28.05.2014 – VIII ZR 94/13 Rn. 12, 30).
Die Beklagten behaupten diesbezüglich, dass sich der Mangel durch das Aufspielen des Softwareupdates in weniger als einer Stunde beseitigen lasse und pro Fahrzeug Kosten von weniger als 100 € nach sich ziehe. Dies entspräche im Verhältnis zum Kaufpreis einem Mangelbeseitigungsaufwand in Höhe von lediglich 0,57 %.
Aber selbst wenn diese Werte zutreffend wären, rechtfertigte dies unter Berücksichtigung der übrigen Umstände nicht die Annahme der Unerheblichkeit des Mangels. Denn zum einen ist in Bezug auf den erforderlichen Aufwand auch in Betracht zu ziehen, dass die Mangelbeseitigung eine Vorbereitungszeit von über einem Jahr erfordert hat. Erst nach Ablauf dieser Zeitspanne war die Beklagte zu 1 in der Lage, dem Kläger eine vom Kraftfahrt-Bundesamt bewilligte Nachbesserung durch Aufspielen eines Softwareupdates anzubieten. Allein diese Dauer spricht bereits gegen die Unerheblichkeit des Mangels. Daneben nimmt der Umstand, dass der Kläger auf die Nacherfüllung praktisch nicht verzichten könnte, sondern im Rahmen der mit dem Kraftfahrt-Bundesamt ausgearbeiteten Rückrufaktion des Herstellers dazu verpflichtet wäre, das Softwareupdate aufspielen zu lassen, um die Zulassung des Fahrzeugs zukünftig nicht zu gefährden, dem Mangel den Anschein der Unerheblichkeit (LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 83/16, juris Rn. 48; LG München I, Urt. v. 14.04.2016 – 23 O 23033/15). Schließlich ist zu berücksichtigen, dass im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung in zeitlicher Hinsicht nicht absehbar war, wann das Fahrzeug des Klägers nachgebessert werden würde. Insofern sprechen die Gründe, die zur Annahme der Unzumutbarkeit der Nachbesserung angeführt worden sind, ebenfalls für die Erheblichkeit des Mangels.
d) Dem Rücktritt des Klägers steht auch nicht entgegen, dass er die Entgegennahme der Nacherfüllung in Form der Aufspielung des Softwareupdates verweigert. Denn im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung am 10.05.2016 konnte die Beklagte zu 1 dem Kläger noch keine Nacherfüllung anbieten, da weder die erforderliche Software entwickelt war noch eine Freigabe durch das Kraftfahrt-Bundesamt vorlag. Insofern kann dem Kläger im Rücktrittszeitpunkt nicht vorgeworfen werden, dass er für den Rücktritt allein oder weit überwiegend verantwortlich ist. Dass die Beklagte zu 1 dem Kläger mit Schreiben vom 05.01.2017, also ein Dreivierteljahr nach dem Rücktritt, schließlich die Nacherfüllung anbot, lässt die bereits eingetretenen Wirkungen des erklärten Rücktritts unberührt.
e) Im Falle des Rücktritts sind gemäß §§ 346 I, II 1 Nr. 1, 323 I BGB die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben bzw. ist Wertersatz hierfür zu leisten. Der Kläger muss sich mithin die Fahrleistung des Fahrzeugs anrechnen lassen. Das Fahrzeug wies im Erwerbszeitpunkt eine Fahrleistung von 9.761 km und zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung eine solche von 71.190 km auf.
Das Bestreiten der Beklagten des nunmehrigen Kilometerstands mit Nichtwissen ist unerheblich. Die Beklagten haben sich im Termin zur mündlichen Verhandlung bereit erklärt, im Anschluss an den Termin mit dem Kläger das streitgegenständliche Fahrzeug im Parkhaus aufzusuchen, um dort ein Foto des Tachometers anzufertigen. Nach Vorlage des Fotos haben die Beklagten angekündigt, den Tachostand unstreitig zu stellen. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 06.04.2017 ein entsprechendes Foto vorgelegt, auf dem ein Tachostand von 71.190 km zu erkennen ist. Entsprechende Erklärungen der Beklagten sind gleichwohl nicht eingegangen. Unter Berücksichtigung der vorgenannten Umstände ist das diesbezügliche Bestreiten der Beklagten unerheblich.
Nach den Grundsätzen der kilometeranteiligen linearen Wertminderung ergibt sich auf dieser Grundlage ein Nutzungsersatz in Höhe von 4.445,92 €
$$\left({\frac{\text{Bruttokaufpreis}\times\text{gefahrene Kilometer}}{\text{voraussichtliche Restlaufleistung}}} = {\frac{\text{17.370 €}\times\text{61.429 km}}{\text{240.000 km}}} \right).$$
Das Gericht hat die zu erwartende Gesamtlaufleistung gemäß § 287 ZPO bei einem Neufahrzeug auf 250.000 km geschätzt; abzüglich der im Kaufzeitpunkt bereits absolvierten Laufleistung von gerundet 10.000 km war eine zu erwartende Gesamtlaufleistung von noch 240.000 km zugrunde zu legen.
3. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 I BGB. Die Beklagte zu 1 hat die Leistung rnit Schreiben vom 23.05.2016 endgültig verweigert.
4. Der Kläger hat darüber hinaus einen Anspruch auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten zu 1. Diese war wegen der verweigerten Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs in Verzug. Der Kläger hat der Beklagten zu 1 mit Schreiben vom 10.05.2016 unter Fristsetzung zum 25.05.2016 den Pkw ordnungsgemäß abholbereit angeboten. Das nach § 256 I ZPO erforderliche Feststellungsinteresse des Klägers besteht, weil die Feststellung der erleichterten Vollstreckung des geltend gemachten Leistungsanspruchs dient und hierzu erforderlich ist (vgl. § 756 ZPO).
5. Ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten als Verzugsschaden steht dem Kläger nicht zu. Der Kläger hat erstmals mit Anwaltsschreiben vom 10.05.2016 gegenüber der Beklagten zu 1 die Anfechtung des Kaufvertrages erklärt und hilfsweise die Rückabwicklung verlangt. Erst dieses Schreiben hat den Verzug der Beklagten zu 1 begründet, sodass in Bezug auf diese vorgerichtliche Tätigkeit kein Verzugsschaden geltend gemacht werden kann. Eine andere Anspruchsgrundlage ist nicht ersichtlich.
II. Ansprüche gegen die Beklagte zu 2
1. Dem Kläger steht gegen die Beklagte zu 2 ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB i. V. mit § 31 BGB zu. Die Beklagte zu 2 hat den Kläger sittenwidrig vorsätzlich geschädigt.
Die schädigende Handlung der Beklagten zu 2 lag in dem Inverkehrbringen von Dieselmotoren mit einer manipulierenden Motorsoftware, die erkennt, ob sich das Fahrzeug auf einem technischen Prüfstand zur Ermittlung der Emissionswerte oder im üblichen Straßenverkehr befindet. Durch die Software verringert sich auf dem Prüfstand der Stickoxidausstoß des Fahrzeugs gegenüber dem normalen Fahrbetrieb. Die Fahrzeuge entsprechen in der Form, in der sie in den Verkehr gebracht worden sind, nicht den gesetzlichen Vorschriften. Denn die Verwendung von Abschaltvorrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, verstößt gegen Art. 5 II i. V. mit Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.06.2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformation für Fahrzeuge.
Die manipulierende Motorsoftware ist bei verständiger Auslegung als Abschalteinrichtung zu klassifizieren (so auch LG Hildesheim, Urt. v. 17.01.2017 – 3 O 139/16, DAR 2017, 83). Nach Art. 5 II der genannten Verordnung sind solche Abschalteinrichtungen unzulässig, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern. Die Motorsoftware bewirkt einen geringeren Stickoxidausstoß des Fahrzeugs auf dem Prüfstand gegenüber dem normalen Fahrbetrieb. Jedwedes Emissionskontrollsystem wird aber ad absurdum geführt, wenn eine Schadstoffmessung auf dem Prüfstand hinsichtlich der Abgasbehandlung in keiner Weise dem Zustand entspricht, der auch im realen Fahrbetrieb gegeben ist. Eine solche manipulierende Einwirkung auf die Abgasrückführung im Testzyklus führt dazu, dass den im Prüfstand ermittelten Werten jedwede Aussagekraft abgesprochen werden muss, weil sie in keiner Weise mehr mit den Werten im realen Fahrbetrieb vergleichbar sind. Zwar sind Diskrepanzen der ermittelten Werte im Prüfstand und im realen Fahrbetrieb hinzunehmen. Dies gilt aber nur so lange, wie noch eine generelle Vergleichbarkeit zwischen den ermittelten Werten im Testzyklus und im realen Fahrbetrieb gegeben ist. Im Falle von manipulativer Einwirkung auf die Abgasrückführung ist dies indessen nicht mehr der Fall. Weil durch eine solche manipulative Einwirkung den ermittelten Emissionswerten keine Aussagekraft mehr zukommt, muss eine solche Softwareprogrammierung als unzulässige Abschalteinrichtung qualifiziert werden, unabhängig davon, ob sie tatsächlich auf das Emissionskontrollsystem einwirkt oder ob lediglich eine Einwirkung auf einen innermotorischen Vorgang erfolgt.
Durch das Inverkehrbringen des streitgegenständlichen Fahrzeugs hat die Beklagte zu 2 dem Kläger einen Vermögensschaden zugefügt. Der Kläger hat mit Abschluss des Kaufvertrages kein den gesetzlichen Bestimmungen entsprechendes Fahrzeug erhalten. Dem Fahrzeug droht ohne das aufgespielte Softwareupdate die Stilllegung. Ein solches nicht den gesetzlichen Bestimmungen entsprechendes Fahrzeug weist einen geringeren Wert auf als ein technisch einwandfreier Pkw.
Die sittenwidrige Schädigung ist auch kausal für die Kaufentscheidung des Klägers gewesen. Insoweit ist ausreichend, dass der Getäuschte Umstände dargetan hat, die für seinen Entschluss von Bedeutung sein konnten und nach der Lebenserfahrung bei der Art des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts Einfluss auf die Entschließung gehabt haben können (BGH, Urt. v. 12.05.1995 – V ZR 34/94). Dies ist hier der Fall. Die manipulierten. Daten sind sowohl für die Eingruppierung des Fahrzeugs in die Schadstoffklasse der Euro-5-Norm maßgeblich als auch für die Zulassung von Bedeutung. Unabhängig von der Frage, ob es dem Kläger tatsächlich maßgeblich darauf ankam, ein besonders schadstoffarmes Fahrzeug zu erwerben, ist nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, dass er jedenfalls ein solches. Fahrzeug erwerben wollte, welches den gesetzlichen Bestimmungen entspricht. Da dies nicht der Fall war, ist davon auszugehen, dass diese Umstände Einfluss auf die Kaufentscheidung des Klägers gehabt hätten, wenn er um die manipulierte Software gewusst hätte (LG Kleve, Urt. v. 31.03.2017 – 3 O 252/16).
Die sittenwidrige vorsätzliche Schädigung ist der Beklagten zu 2 gemäß § 31 BGB zuzurechnen.
Die Zurechnung einer schädigenden Handlung setzt bei einer juristischen Person voraus, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter i. S. des § 31 BGB den Verbotstatbestand in objektiver und subjektiver Hinsicht verwirklicht hat (BGH, Urt. v. 28.06.2016 – VI ZR 536/15 Rn. 13). Grundsätzlich ist insoweit der Kläger verpflichtet, die Voraussetzungen dieser Zurechnungsnormen darzulegen und zu beweisen. Allerdings hat die Beklagte zu 2 insoweit nicht der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast genügt.
Eine solche sekundäre Darlegungslast besteht, wenn der beweisbelasteten Partei näherer Vortrag nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während die bestreitende Partei alle wesentlichen' Tatsachen kennt und es ihr zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. Der Gegner der darlegungspflichtigen Partei darf sich nicht auf ein einfaches Bestreiten beschränken, wenn die darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner sie hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind (BGH, Urt. v. 07.12.1998 – II ZR 266/97, BGHZ 140, 156 [158 f.]). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt: Die internen Entscheidungsabläufe innerhalb der Organisationsstruktur der Beklagten zu 2 entziehen sich naturgemäß der Kenntnis des Klägers: Dem Kläger ist kein näherer Vortrag dahin gehend möglich, in welcher Organisationseinheit der Beklagten zu 2 die Entscheidung für die Entwicklung der Software gefallen ist und bis zu welcher höheren Ebene diese Entscheidung dann weiterkommuniziert worden ist. Die Beklagte zu 2 kennt dagegen ihre interne Organisation und Entscheidungsstrukturen. Sie hat damit jede Möglichkeit, die in Ihrem Unternehmen im Zusammenhang mit der Programmierung und Implementierung der streitgegenständlichen Software abgelaufenen Vorgänge und Entscheidungsprozesse im Einzelnen darzulegen, um dem Kläger auf dieser Grundlage zu ermöglichen, seinerseits die ihm obliegende weitergehende Darlegung und den erforderlichen Beweisantritt vornehmen zu können (LG Hildesheim, Urt. v. 17.01.2017 – 3 O 139/16, DAR 2017, 83; LG Kleve, Urt. v. 31.03.2017 – 3 O 252/16).
Diesen Anforderungen ist die Beklagte zu 2 mit ihrem Vortrag nicht gerecht geworden. Sie beruft sich vielmehr darauf, dass sie nach wie vor die Umstände aufkläre, wie es zur Entwicklung und zum Einbau der Software gekommen sei. In Anbetracht des Zeitablaufs seit der Entdeckung der Softwaremanipulation und der wirtschaftlichen Bedeutung der Abgasaffäre für die Beklagte zu 2 ist nicht nachvollziehbar, dass keinerlei detaillierte Erkenntnisse zu den Entscheidungsabläufen hinsichtlich Entwicklung und Einbau der Software vorliegen sollen. Aufgrund dessen ist mangels gegenteiliger Darstellung durch die Beklagte zu 2 davon auszugehen, dass die unternehmenswesentliche Entscheidung der Entwicklung und Installation der Manipulationssoftware vom Vorstand angeordnet oder doch jedenfalls abgesegnet worden ist (LG Hildesheim, Urt. v. 17.01.2017 – 3 O 139/16, DAR 2017, 83; LG Kleve, Urt. v. 31.03.2017 – 3 O 252/16).
Der Anwendung der Grundsätze über die sekundäre Darlegungslast steht nicht entgegen, dass die Beklagte zu 2 dieser Verpflichtung nur dadurch nachkommen kann, dass sie unter Umständen nähere Ausführungen zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit ihrer Vorstandsmitglieder oder leitenden Mitarbeiter machen muss und diese damit möglicherweise strafrechtlich belastet. Denn die sekundäre Darlegungslast obliegt dem Gegner auch dann, wenn es sich bei dem in Rede stehenden Schutzgesetz um eine strafrechtliche Norm handelt (BGH, Urt. vom 10.02.2015 – VI ZR 343/13 Rn. 11).
Als Rechtsfolge steht dem Kläger gegen die Beklagte zu 2 ein Schadensersatzanspruch zu. Sein Schadensersatzanspruch geht dahin, dass die Beklagte zu 2 ihn so stellen muss, wie er ohne die Täuschung über die nicht gesetzeskonforme Motorsteuerungssoftware gestanden hätte. Dabei ist davon auszugehen, dass ein Käufer in Kenntnis der verwendeten Manipulationssoftware und der damit verbundenen Risiken für den Fortbestand der Betriebserlaubnis einen Kaufvertrag über ein von der Abgasaffäre betroffenes Fahrzeug nicht geschlossen hätte (LG Hildesheim, Urt. v. 17.01.2017 – 3 O 139/16, DAR 2017, 83). Aus diesem Grund muss die Beklagte zu 2 die wirtschaftlichen Folgen des Kaufs dadurch ungeschehen machen, dass sie den Kaufpreis gegen Herausgabe des Pkw erstattet.
2. Der Zinsanspruch im Hinblick auf die Beklagte zu 2 beruht auf § 849 BGB. Zur Vermeidung von Nachweisschwierigkeiten gewährt § 849 BGB ohne Schadensnachweis eine pauschale Nutzungsentschädigung durch Verzinsung des Ersatzanspruchs. Die Zinspflicht beginnt dabei in der Regel mit dem Schadensereignis (Palandt/Sprau, BGB, 75. Aufl., § 849 Rn. 1 f.). Das Schadensereignis ist hier in dem Abschluss des Kaufvertrages zu sehen, der am 17.04.2013 geschlossen worden ist. Soweit Zinsen bereits ab dem 15.04.2013 begehrt werden, war der geltend gemachte Anspruch zurückzuweisen.
3. Es war auch der Annahmeverzug festzustellen. In dem Klageantrag zur Zug-um-Zug-Verurteilung der Beklagten zu 2 ist das Angebot des Klägers enthalten, das Fahrzeug im Falle der Rückabwicklung zurückzugeben. Dieses Angebot hat die Beklagte zu 2 durch den Antrag auf Klageabweisung und die Zurückweisung der Ansprüche abgelehnt, sodass sich die Beklagte zu 2 in Annahmeverzug befindet.
4. Die Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten kann der Kläger von der Beklagten zu 2 nicht verlangen. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Hinblick auf die Beklagte zu 2 überhaupt eine vorgerichtliche Tätigkeit entfaltet hat. Der Kläger hat lediglich die Beklagte zu 1 vorgerichtlich – mit anwaltlichen Schreiben vom 10.05.2016 – zur Rückabwicklung des Kaufvertrages aufgefordert. Ein entsprechendes vorgerichtliches anwaltliches Schreiben an die Beklagte zu 2 ist dagegen nicht vorgelegt worden. …