- Der Kläger hat ein rechtliches Interesse i. S. des § 256 I ZPO an der alsbaldigen Feststellung, dass er Eigentümer eines als Beweismittel sichergestellten Fahrzeugs sei, wenn er (hier: vom Ermittlungsrichter beim Amtsgericht) unter Fristsetzung aufgefordert wurde, sein Eigentum an dem Fahrzeug oder seinen Anspruch auf dessen Herausgabe durch Vorlage eines zivilrechtlichen Titels nachzuweisen.
- Dass der Veräußerer eines Gebrauchtwagens dem Erwerber nicht auch den (angeblich verlegten) zweiten Fahrzeugschlüssel übergibt, sondern sich lediglich verpflichtet, diesen Schlüssel nachzureichen, steht einer Übergabe i. S. des § 929 Satz 1 BGB nicht entgegen, wenn ein weiterer Zugriff des Veräußerers auf das Fahrzeug erkennbar nicht gewollt und überdies faktisch ausgeschlossen ist.
- Die Darlegungs- und Beweislast für Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass der Erwerber eines Gebrauchtwagens bei der Übergabe des Fahrzeugs nicht in gutem Glauben an das Eigentum des Veräußerers war, hat derjenige, der einen Eigentumserwerb kraft guten Glaubens bestreitet.
- Lässt sich der Erwerber eines Gebrauchtwagens vom Veräußerer nicht wenigstens den die Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief) vorlegen, um sich davon zu überzeugen, dass der Veräußerer verfügungsbefugt ist, so ist schon deshalb ein gutgläubiger Erwerb regelmäßig ausgeschlossen. Der Erwerber kann aber auch dann bösgläubig sein, wenn der Veräußerer im Besitz des Fahrzeugs und der Zulassungsbescheinigung Teil II ist, nämlich wenn besondere Umstände seinen Verdacht erregen müssen und er sie unbeachtet lässt. Eine allgemeine Nachforschungspflicht trifft den Erwerber jedoch nicht.
- Rechtschreib- und Formatierungsfehler in der Zulassungsbescheinigung Teil II (hier: „Strasenvekehsamt“ statt „Straßenverkehrsamt“; „Jülicherstr.12“ statt „Jülicher Str. 12“; fehlendes Leerzeichen zwischen Postleitzahl und Ort), die nicht ohne Weiteres auffallen und den Verdacht einer Fälschung nahelegen, stehen einem gutgläubigen Erwerb nicht entgegen. Denn Schreibfehler, Auslassungen etc. sind auch in amtlichen Dokumenten nicht unüblich und können selbst in weitgehend automatisierten Verfahren zur Ausstellung von behördlichen Bescheinigungen o. Ä. auftreten.
- Dass der Erwerber eines Gebrauchtwagens durch eine einfache Internetrecherche hätte herausfinden können, dass die in der Zulassungsbescheinigung Teil II als Halteradresse angegebene Straße in der angegebenen Stadt nicht existiert, steht einem gutgläubigen Erwerb nicht entgegen. Derartige Nachforschungen muss der Erwerber nämlich selbst dann nicht anstellen, wenn der Straßenname („Killerstraße“) eher ungewöhnlich ist.
- Dass der Veräußerer eines Gebrauchtwagens den (angeblich verlegten) Zweitschlüssel nicht vorlegen kann, muss den Erwerber nicht misstrauisch machen, wenn der Veräußerer das Vorhandensein des Zweitschlüssels nicht generell verneint, sondern im Gegenteil zusagt, den Schlüssel kurzfristig nachzureichen, und diese Zusage sogar in den schriftlichen Kaufvertrag aufgenommen wird.
OLG Saarbrücken, Urteil vom 17.05.2017 – 2 U 72/16
Sachverhalt: Die Parteien streiten in zweiter Instanz darüber, ob der Kläger gutgläubig Eigentum an einem Wohnmobil erworben hat.
Dieses Wohnmobil kaufte der Kläger mit schriftlichem Vertrag vom 26.10.2015 gebraucht für 28.000 € von einer Frau R, die sich durch einen italienischen Personalausweis auswies. Unter Angabe desselben Namens (R), aber einer anderen Anschrift, war das Wohnmobil am 16.10.2015 von der Beklagten, die in Österreich einen Kfz-Handel betreibt, bis zum 26.10.2015 gemietet worden. Die Beklagte hatte das Wohnmobil ihrerseits im Juni 2015 für 34.369,75 € (netto) gebraucht von der D-GmbH gekauft.
Als der Kläger das Wohnmobil am 27.10.2015 auf sich zulassen wollte, stellte sich heraus, dass dessen amtliches Kennzeichen bereits für ein anderes Fahrzeug vergeben und die Fahrzeugpapiere (Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil II) gefälscht waren. Die Polizei stellte daraufhin das Wohnmobil noch am selben Tag als Beweismittel sicher und nahm es in amtliche Verwahrung.
Mit Anwaltsschreiben vom 29.10.2015 meldete die Beklagte gegenüber dem Landeskriminalamt ihr Eigentum an dem Wohnmobil an und forderte dessen Herausgabe, womit der Kläger nicht einverstanden war. Der Ermittlungsrichter des AG Saarbrücken teilte daraufhin mit Hinweisbeschluss vom 17.11.2015 mit, dass er beabsichtige, das Fahrzeug an die Beklagte herauszugeben. Er gab dem Kläger auf, binnen drei Wochen vor dem Zivilgericht Klage zu erheben; dem kam der Kläger nach, indem er am 14.12.2015 beim LG Saarbrücken die vorliegende Klage einreichte.
Der Kläger hat behauptet, er sei im Internet (mobile.de) auf das Wohnmobil aufmerksam geworden und habe daraufhin telefonisch Kontakt mit dem Verkäufer aufgenommen, wobei sein Gesprächspartner sich als Ehemann der R ausgegeben habe. Dieser habe ihm erklärt, dass er aus Passau sei und sich ein Haus in Österreich gekauft habe, wohin er das Wohnmobil wegen einer ansonsten in Österreich fälligen Steuer nicht mitnehmen wolle. Man habe sodann einen Termin für den 26.10.2015 in Bonn – dem angeblichen Wohnort der Mutter des Gesprächspartners – vereinbart. Kurz vor der Ankunft sei er – der Kläger – telefonisch darüber informiert worden, dass sein Gesprächspartner wegen eines Krankenhausaufenthalts der Mutter kurzfristig verhindert sei, dafür aber die Ehefrau und der Bruder anwesend sein würden. Er sei sodann vor Ort von einer in Begleitung einer Frau befindlichen männlichen Person angesprochen worden, die mit der Begründung, R spreche kein Deutsch, alle weiteren Verhandlungen geführt habe. Das Wohnmobil habe auf der gegenüberliegenden Straßenseite auf einem Anwohnerparkplatz gestanden. Er – der Kläger – und sein Begleiter Z hätten es auf seinen optischen und technischen Zustand hin untersucht, wobei auch die umfangreichen Begleitpapiere wie beispielsweise Gebrauchsanweisungen gesichtet worden seien. Z, der von Beruf Gerichtsvollzieher sei, habe die Angaben in den Zulassungsbescheinigungen Teil I und Teil II mit den Angaben an der Windschutzscheibe und im Motorraum sowie im Personalausweis der R abgeglichen, ohne dass sich Hinweise für eine Fälschung ergeben hätten. Als nach einer Probefahrt beim Ausfüllen des Kaufvertragsformulars aufgefallen sei, dass der Zweitschlüssel und das Original der Anschaffungsrechnung fehlten, habe man beim angeblichen Ehemann der R telefonisch nachgefragt. Dieser habe erklärt, beides wohl im Umzugsstress verlegt zu haben, und zugesagt, den Schlüssel und die Rechnung binnen drei Tagen nachzureichen, was zum Anlass für einen entsprechenden Vermerk im Kaufvertrag genommen worden sei. Anschließend sei der – wegen des Fehlens von Zweitschlüssel und Originalrechnung von 28.990 € auf 28.000 € ermäßigte – Kaufpreis bar bezahlt und das Wohnmobil übergeben worden.
Das Landgericht hat antragsgemäß festgestellt, dass der Kläger Eigentümer des streitgegenständlichen Wohnmobils sei, und die Klage im Übrigen – soweit der Kläger die Herausgabe des für das Wohnmobil ausgestellten Typenscheins begehrte – abgewiesen (LG Saarbrücken, Urt. v. 31.08.2016 – 12 O 350/15). Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten, mit der sie die vollständige Abweisung der Klage erreichen wollte, hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: B. …I. Rechtsbedenkenfrei hat das Landgericht (stillschweigend) seine internationale Zuständigkeit, die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. BGH, Urt. v. 16.12.2003 – XI ZR 474/02, BGHZ 157, 224 [227] m. w. Nachw.), bejaht und unter Anwendung deutschen Sachrechts entschieden. Insoweit werden zweitinstanzlich auch von keiner Partei Einwände erhoben.
II. Das Landgericht hat weiterhin im Ergebnis zu Recht die Zulässigkeit des in dem Berufungsverfahren allein noch gegenständlichen Klageantrags zu 1 angenommen, mit dem der Kläger die Feststellung seines Eigentums an dem Wohnmobil erreichen will.
1. Bei dem Eigentum an einer Sache handelt es sich um ein Rechtsverhältnis i. S. des § 256 I ZPO, dessen Bestehen im Rahmen einer Feststellungsklage geklärt werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 29.04.1958 – VIII ZR 198/57, BGHZ 27, 190 [195]; MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 5. Aufl., § 256 Rn. 11; Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., § 256 Rn. 4).
2. Der Kläger hat ein rechtliches Interesse an der Feststellung seines Eigentums an dem Wohnmobil.
a) Ein rechtliches Feststellungsinteresse liegt schon dann vor, wenn zu erwarten steht, dass durch die Entscheidung des ordentlichen Gerichts eine gesicherte Grundlage für die Anerkennung eines vor einer anderen Behörde zu verfolgenden Anspruchs geschaffen werden wird (BGH, Urt. v. 29.04.1958 – VIII ZR 198/57, BGHZ 27, 190 [195]; vgl. auch BGH, Urt. v. 09.06.1983 – III ZR 74/82, NJW 1984, 1118 [1119]).
Im Streitfall besteht Uneinigkeit darüber, an wen das am 27.10.2015 (unter anderem) wegen des Verdachts der Bandenhehlerei von Kraftfahrzeugen durch die Polizei sichergestellte Wohnmobil herauszugeben ist. Die Beklagte hat mit Anwaltsschreiben vom 29.10.2015 gegenüber dem Landeskriminalamt unter Berufung auf ihr Eigentum die Herausgabe an sich gefordert, womit der Kläger, der ebenfalls Eigentümerrechte geltend macht, nicht einverstanden ist, wie aus dem Protokoll über seine Vernehmung durch das Landespolizeipräsidium vom 28.10.2015 hervorgeht. Der deswegen gemäß § 111k StPO durch die StA Saarbrücken angerufene Ermittlungsrichter des AG Saarbrücken hat daraufhin mit Hinweisbeschluss vom 17.11.2015 zum Ausdruck gebracht, dass er die Herausgabe des Wohnmobils an die Beklagte als durch die Straftat Verletzte in Aussicht nimmt, und den Kläger aufgefordert, binnen drei Wochen bei dem zuständigen Zivilgericht Eigentumsklage einzureichen.
b) Die Aufforderung des Ermittlungsrichters an den Kläger, binnen einer bestimmten Frist seine Rechte im Zivilprozess geltend zu machen, entspricht der wohl herrschenden Auffassung in der strafrechtlichen Rechtsprechung und Literatur dazu, wie zu verfahren ist, wenn – wie hier – weder die zivilrechtlichen Ansprüche des durch die Straftat Verletzten noch diejenigen des Dritten an der sichergestellten Sache offenkundig begründet sind (vgl. OLG Schleswig, Beschl. v. 21.09.1993 – 1 Ws 283/93, NStZ 1994, 99; OLG Stuttgart, Beschl. v. 01.09.1988 – 6 Ws 31/88, MDR 1989, 182; OLG Hamm, Beschl. v. 10.01.1986 – 4 Ws 13/86, NStZ 1986, 376; KK-StPO/Spillecke, 7. Aufl., § 111k Rn. 6; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 111k Rn. 8; KMR/Mayer, StPO, Stand: August 2016, § 111k Rn. 11). Der Hinweisbeschluss vom 17.11.2015 lässt mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, dass der Ermittlungsrichter sich die Entscheidung der Zivilgerichte darüber, wem das Eigentum an dem Wohnmobil zusteht, zu eigen machen will und bereit ist, sie bei seiner eigenen Herausgabeentscheidung zu beachten (vgl. dazu auch BGH, Urt. v. 29.04.1958 – VIII ZR 198/57, BGHZ 27, 190 [195 f.]), selbst wenn er selbst, wie den Gründen des Hinweisbeschlusses zu entnehmen ist, vom Nichtvorliegen der Voraussetzungen für einen gutgläubigen Erwerb durch den Kläger ausgeht.
3. Das rechtliche Feststellungsinteresse besteht auch und gerade im Verhältnis zur Beklagten, an die der Ermittlungsrichter das Wohnmobil herauszugeben beabsichtigt. Daran ändert nichts, dass die Beklagte im Zivilprozess vorträgt, nicht sie sei Eigentümerin des Wohnmobils, sondern die AutoBank AG aufgrund einer erfolgten Sicherungsübereignung. Zum einen hat die Beklagte im Ermittlungsverfahren ausdrücklich ihr Eigentum behauptet. Zum anderen ist die Sicherungsübereignung zwischen den Parteien streitig, wie sich aus dem Vortrag des Klägers im Schriftsatz vom 03.03.2016 ergibt, wo auf die Erklärung der Beklagten im Ermittlungsverfahren und deren eigenen Erwerb des Wohnmobils von der D-GmbH Bezug genommen wird.
4. Dem Kläger kann auch nicht das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis für seinen Feststellungsantrag abgesprochen werden. Eine einfachere und gleich effektive Rechtsschutzmöglichkeit ist nicht erkennbar. Zwar wird im strafrechtlichen Schrifttum teilweise für möglich gehalten, der Dritte könne seinen der Herausgabe der sichergestellten Sache an den Verletzten entgegenstehenden Anspruch im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens gemäß §§ 935 ff. ZPO geltend machen (vgl. Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. O., § 111k Rn. 8; a. A. Johann, in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 111k Rn. 29). Demgegenüber wird in der zivilrechtlichen Instanzrechtsprechung das Rechtsschutzbedürfnis für eine einstweilige Verfügung des Dritten in Fällen der vorliegenden Art verneint (vgl. LG Frankfurt (Oder), Beschl. v. 14.06.2011 – 6a T 38/11, NStZ-RR 2012, 176 [177]). Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wäre für den Kläger angesichts dessen mit nicht unerheblichen prozessualen Risiken behaftet, weshalb er sich nicht auf das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes verweisen lassen muss.
III. Der Feststellungsantrag ist begründet. Der Kläger ist Eigentümer des Wohnmobils.
Zu Recht geht das Landgericht davon aus, dass im Streitfall lediglich ein gutgläubiger Erwerb des Klägers gemäß § 932 I 1 BGB in Betracht kommt, weil das Wohnmobil unstreitig nicht der als Verkäuferin auftretenden R gehörte. Ob das Eigentum zum Zeitpunkt der Veräußerung der Beklagten oder der AutoBank AG aufgrund der behaupteten Sicherungsübereignung zustand, ist dabei nicht entscheidend.
1. Ein Eigentumserwerb nach § 932 I 1 BGB setzt zunächst das Vorliegen der in § 929 BGB geregelten Erfordernisse voraus, mithin bei einer – wie hier – nach § 929 Satz 1 BGB erfolgten Übereignung die Einigung über den Eigentumsübergang und die Übergabe der Sache. Allein die Übergabe steht zwischen den Parteien im Streit, da die Beklagte sich darauf beruft, der Kläger habe wegen der in dem Kaufvertrag vereinbarten Nachreichung des Zweitschlüssels lediglich Mitbesitz an dem Wohnmobil erlangt.
a) Die Übergabe erfordert allgemein den vollständigen Besitzverlust des Veräußerers, wofür der bloße Aufgabewille nicht genügt. Der Besitz kann vielmehr nur durch eine vom Aufgabewillen getragene, äußerlich erkennbare Handlung aufgegeben werden (vgl. BGH, Urt. v. 04.10.1976 – VIII ZR 65/75, BGHZ 67, 207). Daran fehlt es regelmäßig, wenn der Besitzer einen Zweitschlüssel einbehält und von diesem weiterhin Gebrauch macht, weil dann nach der Verkehrsanschauung davon auszugehen ist, dass sich die Gewalt des bisherigen Besitzers immer noch in einer Weise betätigt, welche für den Erwerber die Möglichkeit der alleinigen Gewaltausübung ausschließt (BGH, Urt. v. 10.01.1979 – VIII ZR 302/77, NJW 1979, 714 [715]; Palandt/Herrler, BGB, 76. Aufl., § 854 Rn. 5).
b) So verhält es sich hier aber nicht. Unabhängig davon ob die Verkäuferin überhaupt über einen Zweitschlüssel verfügte, kann nach den Umständen weder angenommen werden, dass sie sich nach dem Verkauf noch eine Mitbenutzung des Wohnmobils vorbehalten wollte (dazu OLG Schleswig, Urt. v. 22.05.2012 – 3 U 69/11, juris), noch, dass ihr eine Ausübung von Mitgewahrsam tatsächlich möglich war, nachdem der Kläger das Wohnmobil mitgenommen hatte. Die von der Beklagten für die Annahme fortbestehenden Mitbesitzes gegebene Begründung, die Verkäuferin habe die in dem Kaufvertrag angegebene Anschrift des Klägers als gewöhnlichen Abstellort des Wohnmobils ansehen dürfen, wird nicht durch einen allgemeinen Erfahrungssatz gestützt, da Wohnmobile häufig schon aus Platzgründen nicht in unmittelbarer Nähe der Wohnung des Besitzers abgestellt werden. War somit ein weiterer Zugriff der Verkäuferin auf das Wohnmobil nach der Abwicklung des Kaufs erkennbar nicht gewollt und überdies faktisch ausgeschlossen, hinderte die unterbliebene Aushändigung des Zweitschlüssels bei der gegebenen Sachlage den Erwerb von Alleinbesitz durch den Kläger nicht.
2. Ohne Erfolg wendet die Beklagte die fehlende Gutgläubigkeit des Klägers ein.
Nach § 932 II BGB ist der Erwerber nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört. Beweisbelastet für die Bösgläubigkeit ist derjenige, der den Eigentumserwerb bestreitet, hier also die Beklagte (§ 932 I 1 Halbsatz 2 BGB; vgl. MünchKomm-BGB/Oechsler, 7. Aufl., § 932 Rn. 67 m. w. Nachw.).
Unter der im Streitfall allein in Betracht kommenden Alternative der groben Fahrlässigkeit wird ein Handeln verstanden, bei dem die erforderliche Sorgfalt den gesamten Umständen nach in ungewöhnlich großem Maße verletzt worden ist und bei dem dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (BGH, Urt. v. 26.07.2016 – VI ZR 322/15, NJW-RR 2017, 146 Rn. 19; Urt. v. 01.03.2013 – V ZR 92/12, NJW 2013, 1946 Rn. 11; Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 277 Rn. 5; jeweils m. w. Nachw.).
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH begründet beim Erwerb eines gebrauchten Fahrzeugs der Besitz desselben allein nicht den für den Gutglaubenserwerb nach § 932 BGB erforderlichen Rechtsschein. Vielmehr gehört es regelmäßig zu den Mindesterfordernissen gutgläubigen Erwerbs eines solchen Kraftfahrzeugs, dass sich der Erwerber den Kfz-Brief bzw. die Zulassungsbescheinigung Teil II vorlegen lässt, um die Berechtigung des Veräußerers zu prüfen (BGH, Urt. v. 01.03.2013 – V ZR 92/12, NJW 2013, 1946 Rn. 13; Urt. v. 13.05.1996 – II ZR 222/95, NJW 1996, 2226 [2227]; Urt. v. 11.03.1991 – II ZR 88/90, NJW 1991, 1415 [1416]). Auch wenn der Veräußerer im Besitz des Fahrzeugs und des Briefs bzw. der Zulassungsbescheinigung Teil II ist, kann der Erwerber gleichwohl bösgläubig sein, wenn besondere Umstände seinen Verdacht erregen mussten und er diese unbeachtet lässt (BGH, Urt. v. 01.03.2013 – V ZR 92/12, NJW 2013, 1946 Rn. 13; Urt. v. 23.05.1966 – VIII ZR 60/64, WM 1966, 678). Eine allgemeine Nachforschungspflicht des Erwerbers besteht hingegen nicht (BGH, Urt. v. 01.03.2013 – V ZR 92/12, NJW 2013, 1946 Rn. 13; Urt. v. 05.02.1975 – VIII ZR 151/73, NJW 1975, 735 [736]).
b) Nach diesem Maßstab hat das Landgericht eine Bösgläubigkeit des Klägers zu Recht verneint. Die Umstände des Verkaufs boten weder einzeln noch bei einer Gesamtschau für den Kläger hinreichenden Anlass, an der Verfügungsberechtigung der Verkäuferin zu zweifeln.
aa) Zwischen den Parteien steht nicht im Streit, dass dem Kläger bei dem Kauf des Wohnmobils die Zulassungsbescheinigungen Teil I und Teil II vorgelegt wurden. Dies folgt abgesehen von der Eintragung der Nummer der Zulassungsbescheinigung Teil II (WQ…) im schriftlichen Kaufvertrag vom 26.10.2015 auch daraus, dass der Kläger im Besitz der Fahrzeugpapiere war, als er am 27.10.2015 versuchte, das Fahrzeug auf sich zuzulassen.
(1) Die Zulassungsbescheinigung Teil II weist als Halterin R aus, was mit der Verkäuferangabe im Kaufvertrag übereinstimmt. Dass sie gefälscht war, musste sich dem Betrachter nicht aufdrängen. Wie die polizeilichen Ermittlungen ergaben, wurde die Zulassungsbescheinigung Teil II mit der Nummer WQ… am 07.08.2015 als Blankett bei dem Straßenverkehrsamt Düsseldorf gestohlen. Nach dem äußeren Erscheinungsbild handelte es sich somit um ein Originalbehördendokument. An diesem Eindruck ändern auch die von der Berufung hervorgehobenen Rechtschreib- und Formatierungsfehler nichts. Schreibfehler, Auslassungen usw. sind auch in amtlichen Dokumenten nicht unüblich (vgl. OLG Schleswig, Urt. v. 01.09.2006 – 14 U 201/05, NJW 2007, 3007, [3008]; OLG Braunschweig, Urt. v. 01.09.2011 – 8 U 170/10, ZfS 2012, 143 [144]) und können selbst in weitgehend automatisierten Verfahren zur Ausstellung von behördlichen Bescheinigungen o. Ä. auftreten.
(2) Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich vorliegend nicht um Fehler, die ohne Weiteres auffallen und den Eindruck einer Fälschung der Zulassungsbescheinigung Teil II nahelegen. Das gilt zunächst für die Schreibweise „Strasenvekehsamt“ statt „Straßenverkehrsamt“. Auch wenn in dem Wort gleich zwei Rechtschreibfehler enthalten sind, sind diese jedenfalls nicht so gravierend, dass sie einem durchschnittlichen Leser zwangsläufig direkt ins Auge springen, da der Wortsinn, auf dessen Erfassung sich das Lesen im Alltag häufig beschränkt, nicht entstellt wird. Soweit die Berufung ihre gegenteilige Sichtweise unter anderem damit begründet, das Wort sei sogar in größerer Schriftart gedruckt als die übrigen Einträge, lässt sich dies anhand des Dokuments nicht nachvollziehen, wäre aber auch unerheblich. Erst recht mussten die weiteren Fehler kein Misstrauen in die Echtheit der Zulassungsbescheinigung Teil II wecken. Das fehlende Leerzeichen zwischen der Postleitzahl und dem Ortsnamen („…BONN“) in der Halteranschrift wird selbst bei sorgfältiger Lektüre bei Weitem nicht jedem Leser auffallen. Die Schreibweise der Anschrift der die Zulassungsbescheinigung ausstellenden Straßenverkehrsbehörde („Jülicherstr.12“) widerspricht zwar der Rechtschreibregel, wonach Straßennamen getrennt geschrieben werden, wenn eine Ableitung auf „-er“ von einem Orts- oder Ländernamen vorliegt. Es kann jedoch weder unterstellt werden, dass diese Regel in der Bevölkerung allgemein bekannt ist, noch, dass sie von Behörden stets zutreffend angewendet wird.
(3) Im Übrigen und ohne dass es hierauf noch entscheidend ankommt, sind die genannten Fehler ausgehend von dem Vortrag des Klägers auch dessen Begleiter Z nicht aufgefallen, als dieser die Eintragungen in den Zulassungsbescheinigungen Teil I und Teil II mit den Prägungen im Fahrzeug sowie dem Personalausweis der Verkäuferin abglich. Das spricht dafür, dass die Fälschung selbst für Personen mit hierfür üblicherweise geschultem Auge – Z ist nach dem unbestrittenen Klagevorbringen von Beruf Gerichtsvollzieher – nicht ohne Weiteres erkennbar war, weil ansonsten anzunehmen gewesen wäre, dass Z den Kläger auf die Unstimmigkeiten aufmerksam gemacht hätte (vgl. auch – zur Einsichtnahme der Fahrzeugpapiere durch einen den Käufer begleitenden Rechtsanwalt – OLG München, Urt. v. 26.05.2011 – 23 U 434/11, juris).
(4) Unmaßgeblich ist ferner, ob der Kläger durch eine einfache Internetsuche über sein Smartphone hätte herausfinden können, dass die in der Zulassungsbescheinigung Teil II als Halteradresse angegebene Killerstraße in Bonn nicht existiert. Zu derartigen Nachforschungen war der Kläger nicht gehalten. Dessen ungeachtet erscheint die Bezeichnung einer Straße als „Killerstraße“ auch nicht derart ungewöhnlich, dass der Kläger allein aus dem Straßennamen hätte Verdacht schöpfen müssen, die Zulassungsbescheinigung Teil II könne gefälscht sein. Nach den Feststellungen des Landgerichts, welche der Senat anhand einer Internetrecherche nachvollzogen hat, ist der Straßenname jedenfalls im Einzelfall in Deutschland anzutreffen.
(bb) Sonstige Umstände, die nach den Umständen Zweifel an der Verfügungsberechtigung der Verkäuferin begründen mussten, liegen ebenfalls nicht vor.
(1) Die Tatsache, dass der Verkauf nach der von der Beklagten aufgegriffenen Darstellung des Klägers auf einem Anwohnerparkplatz in Bonn erfolgte, wo das Wohnmobil abgestellt war, ist für sich genommen nicht auffällig. Ein Kaufinteressent wird ein von einer Privatperson zum Verkauf angebotenes Gebrauchtfahrzeug oftmals zunächst an seinem Abstellort, der sich gerade in größeren Städten häufig im öffentlichen Raum befinden wird, besichtigen, wobei sich häufig die Vertragsverhandlungen und der Vertragsschluss unmittelbar anschließen werden. Für die Verhandlungen bietet ein Wohnmobil eine Infrastruktur, die gewöhnlich nicht wesentlich hinter derjenigen einer Wohnung zurückbleibt (vgl. auch OLG München, Urt. v. 26.05.2011 – 23 U 434/11, juris). Im konkreten Fall wurde nach den nicht konkret angegriffenen Feststellungen des Landgerichts durch den Hinweis auf die in der betreffenden Straße gelegene Wohnung der Mutter des (angeblichen) Ehemannes der Verkäuferin zudem eine plausible Erklärung für den Abstellort gegeben. Die Verkaufssituation ist somit gerade nicht den Fällen vergleichbar, in denen ein Fahrzeug auf einem abseits gelegenen Parkplatz verkauft wird, der keinen konkreten Bezug zu dem Verkäufer erkennen lässt (dazu etwa OLG Koblenz, Urt. v. 04.11.2010 – 5 U 883/10, NJW-RR 2011, 555).
(2) Entgegen dem Berufungsvorbringen kann auch nicht von einem unter Umständen Verdacht erregenden kurzfristigen Ortswechsel ausgegangen werden. Soweit damit auf den Vortrag des Klägers zu einem kurz vor der Ankunft an dem vereinbarten Treffpunkt in … Bonn erhaltenen Telefonanruf Bezug genommen wird, wurde dem Kläger dabei lediglich mitgeteilt, nicht der – angeblich wegen eines kurzfristigen Krankenhausaufenthalts seiner Mutter verhinderte – Ehemann der Verkäuferin, sondern diese selbst und der Bruder würden ihn erwarten. Auch das musste nach den Umständen nicht unplausibel erscheinen, wobei dem Kläger ohnehin an einem persönlichen Kontakt mit seiner in Aussicht genommen Vertragspartnerin gelegen gewesen sein dürfte und der Ehemann zudem im Laufe der Verhandlungen telefonisch hinzugezogen wurde.
(3) Der bei der Übergabe fehlende Zweitschlüssel musste jedenfalls im Hinblick darauf bei dem Kläger keinen Verdacht wecken, dass sein Vorhandensein nicht generell verneint, sondern vielmehr die kurzfristige Nachreichung binnen drei Tagen zugesagt und hierüber sogar eine schriftliche Vereinbarung im Kaufvertrag getroffen wurde (vgl. auch OLG München, Urt. v. 26.05.2011 – 23 U 434/11, juris). Auch die unterbliebene Vorlage von eigenen Kaufnachweisen durch die Verkäuferin ist beim Verkauf eines Gebrauchtfahrzeugs zwischen Privaten keineswegs ungewöhnlich, dies wird eher dem Normalfall entsprechen. Davon abgesehen wurde aber auch insoweit die kurzfristige Nachreichung in dem Kaufvertrag ausdrücklich zugesagt. Soweit die Berufung auf die besondere Bedeutung abhebt, die der Zweitschlüssel und die Kaufnachweise für den Kläger nach dessen eigenem Vortrag gehabt hätten, wurde dem durch die ergänzenden vertraglichen Vereinbarungen Rechnung getragen. Dagegen bot allein die Tatsache, dass beides nicht sofort vorgelegt werden konnte, für den Kläger noch keinen Grund, an der Eigentümerstellung der Verkäuferin zu zweifeln.
(4) Das Landgericht hat schließlich auch überzeugend ausgeführt, weshalb der Kaufpreis von 28.000 €, selbst wenn er unter dem (damaligen) Marktwert des Wohnmobils liegen sollte, im Streitfall keinen Umstand darstellt, aufgrund dessen von dem Kläger eine erhöhte Wachsamkeit und gegebenenfalls zusätzliche Nachforschungen zu erwarten waren (dazu allgemein BGH, Urt. v. 13.04.1994 – II ZR 196/93, NJW 1994, 2022 [2023]). Aus der Sicht des Klägers handelte es sich um einen Privatverkauf. Ein Privatverkäufer wird seine Preisvorstellungen indes oftmals weniger exakt an dem aktuellen Verkehrswert des Fahrzeugs ausrichten als ein gewerblicher Verkäufer. Hinzu kommt, dass dem Kläger nach den nicht erheblich infrage gestellten Feststellungen des Landgerichts durch den Hinweis auf den Umzug des Ehemannes der Verkäuferin nach Österreich und die bei einer Mitnahme des Wohnmobils dort angeblich anfallende Steuer das Vorliegen einer Notverkaufssituation vorgespiegelt wurde, in der erfahrungsgemäß ein (unter Umständen sogar deutlich) unter dem Verkehrswert liegender Kaufpreis gefordert wird. Besondere Nachforschungen zu dem Anfall der Steuer in Österreich, aufgrund derer sich gegebenenfalls die Unrichtigkeit der Verkäuferangaben herausgestellt hätte, waren dem Kläger dabei nicht abzuverlangen.
Davon abgesehen hat die Beklagte ausweislich der Rechnung der D-GmbH vom 14.07.2015 bei ihrem eigenen Erwerb im Juni 2015 selbst lediglich 34.369,75 € (netto) für das Wohnmobil bezahlt. Das ist deutlich weniger als der im Prozess behauptete und nicht näher belegte Marktwert von 50.000 €, zu dessen Höhe eine Beweisaufnahme durch Einholung des beantragten Sachverständigengutachtens nach alledem nicht erforderlich war.
c) Soweit das Landgericht in dem angefochtenen Urteil von seiner in der Ladungsverfügung vom 29.07.2016 geäußerten – im Übrigen ausdrücklich als vorläufig gekennzeichneten – Rechtsauffassung abgewichen ist, was den guten Glauben des Klägers betrifft, wird mit der Berufung kein entscheidungserheblicher Verfahrensfehler aufgezeigt.
3. Die Vorschrift in § 935 BGB hindert einen gutgläubigen Erwerb des Klägers nicht, weil das Wohnmobil seinem bisherigen Eigentümer nicht abhandengekommen ist.
Eine bewegliche Sache kommt ihrem Eigentümer abhanden, wenn dieser den Besitz an ihr unfreiwillig verliert (vgl. BGH, Urt. v. 13.12.2013 – V ZR 58/13, BGHZ 199, 227 Rn. 8 m. w. Nachw.; Palandt/Herrler, a. a. O., § 935 Rn. 3).
Davon kann hier angesichts der im Rahmen eines Mietverhältnisses erfolgten Überlassung des Wohnmobils durch die Beklagte an die spätere Verkäuferin R nicht ausgegangen werden (vgl. OLG München, Urt. v. 26.05.2011 – 23 U 434/11, juris). Unerheblich ist, dass die Beklagte ihrerseits über die Identität der R und deren Absichten in Bezug auf das Fahrzeug getäuscht wurde, weil für das Abhandenkommen allein auf den tatsächlichen Willen des bisherigen Eigentümers abzustellen ist, den unmittelbaren Besitz an der Sache aufzugeben (vgl. BGH, Urt. v. 15.11.1951 – III ZR 21/51, BGHZ 4, 10 [34 ff.]; MünchKomm-BGB/Oechsler, a. a. O., § 935 Rn. 7 m. w. Nachw.). Gemäß § 935 I 2 BGB würde es zu keinem anderen Ergebnis führen, falls das Wohnmobil im Sicherungseigentum der AutoBank AG gestanden haben und die Beklagte lediglich unmittelbare Besitzerin aufgrund eines mit der Sicherungseigentümerin bestehenden Besitzmittlungsverhältnisses gewesen sein sollte. …