1. Ein gutgläubiger Erwerb des Eigentums an einem gebrauchten Kraftfahrzeug ist regelmäßig ausgeschlossen, wenn sich der Erwerber nicht einmal den Fahrzeugbrief (Zulassungsbescheinigung Teil II) vorlegen lässt, um die Verfügungsberechtigung des Veräußerers zu prüfen. Das gilt unabhängig davon, ob der Erwerber eine Privatperson oder ein Kfz-Händler ist.
  2. Eine allgemeine Nachforschungspflicht des Erwerbers besteht zwar nicht. Der Erwerber darf jedoch verdächtige Umstände (z. B. einen sehr günstigen Kaufpreis, Fehlen eines funktionsfähigen Zweitschlüssels) nicht unbeachtet lassen, sondern muss gegebenenfalls weitere Nachforschungen anstellen, die im Einzelfall bis zu einer Anfrage bei der Kfz-Zulassungsstelle oder beim Kraftfahrt-Bundesamt reichen können. Insbesondere können eine besondere Vorsicht und weitere Nachforschungen geboten sein, wenn ein Gebrauchtfahrzeug „auf der Straße“ verkauft wird, da ein Straßenverkauf erfahrungsgemäß das Risiko, dass ein gestohlenes Fahrzeug entdeckt wird, mindert.
  3. Ist der Erwerber eines Gebrauchtwagens Kfz-Händler, kommt die Annahme grober Fahrlässigkeit i. S. des § 932 II BGB eher in Betracht als bei einem privaten Erwerber, das heißt, einen Kfz-Händler trifft eine gesteigerte Sorgfaltspflicht. Für einen Erwerber, der als Serviceberater in einem Autohaus tätig ist, gilt das zwar nicht in gleichem Maße. Bei der Beurteilung, ob grobe Fahrlässigkeit i. S. des § 932 II BGB vorliegt, ist aber zu berücksichtigen, dass ein Serviceberater etwa im Umgang mit Kfz-Papieren deutlich erfahrener ist, als dies von einem privaten Erwerber üblicherweise erwartet werden kann. Diese höheren Vorkenntnisse müssen sich bei der Festlegung des maßgeblichen Sorgfaltsstandards niederschlagen.
  4. Von dem Erwerber eines Gebrauchtwagens, der als Serviceberater in einem Autohaus tätig ist, kann deshalb etwa erwartet werden, dass er das im Kaufvertrag angegebene Datum der Erstzulassung (hier: 20.05.2015) mit dem in der Zulassungsbescheinigung Teil II angegebenen Datum (hier: 08.10.2015) vergleicht und ihm eine Abweichung auffällt.

OLG Schleswig, Urteil vom 07.04.2017 – 17 U 6/17

Sachverhalt: Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Zustimmung zur Herausgabe eines derzeit polizeilich sichergestellten Wohnmobils an ihn selbst. Zusätzlich verlangt er im Berufungsrechtszug die Feststellung, dass er Eigentümer des Fahrzeugs ist.

Das Wohnmobil hatte der Beklagte an eine Frau vermietet, von dieser aber nicht zurückerhalten. Stattdessen bot eine als H aus Hamburg auftretende Verkäuferin das Fahrzeug, das 2015 einen Listenpreis von 50.755 € gehabt hatte und für das der Beklagte tatsächlich 44.000 € gezahlt hatte, im Internet zum Preis von 33.400 € (Verhandlungsbasis) zum Kauf an. Die Laufleistung des Wohnmobils war dabei mit 5.500 km angegeben.

Nach seiner Darstellung traf sich der in Köln wohnende Kläger mit der Verkäuferin zunächst in einem Café in einem Supermarkt in Hamburg, in dem die Verkäuferin gearbeitet haben will. Von dort fuhren sie zu dem einige Kilometer entfernten Standort des Wohnmobils, das in einer Parkbucht vor einem größeren Gebäude – möglicherweise einer Schwimmhalle – parkte. Nach einer Besichtigung des Fahrzeugs erreichte der Kläger nicht zuletzt wegen einer Beschädigung am Heck des Fahrzeugs eine Reduzierung des Kaufpreises auf 29.500 €.

Im schriftlichen Kaufvertrag vom 22.03.2016 wurde eine Laufleistung von 4.117 km anstelle der im Internetinserat genannten 5.500 km angegeben. Die im Kaufvertrag aufgeführte Fahrzeug-Identifizierungsnummer stimmt mit der Nummer in Teil I und Teil II der vorgelegten Zulassungsbescheinigung überein. In der Zulassungsbescheinigung Teil I ist indes als Anschrift des Fahrzeughalters „K. Straße 37 B, 2… Hamburg“ angegeben, während es in der Zulassungsbescheinigung Teil II „K. Straße 37 B, 2… Hamburg“ heißt und der Kaufvertrag als Anschrift der Verkäuferin „K. Straße 278, 2… Hamburg“ nennt. Ausweislich des Kaufvertrags ist Verkäuferin des Wohnmobils eine „H. H…nn“. Eine E-Mail an den Kläger vom 21.03.2016 mit den technischen Daten des Fahrzeugs endet demgegenüber mit „MfG Familie H…n“ und wurde über die E-Mail-Adresse „mh…n@gmx.de“ versendet.

Der Kläger hat behauptet, er habe anhand des Personalausweises die Identität der Verkäuferin überprüft; die Unstimmigkeiten (Name und Adresse) seien ihm dabei nicht aufgefallen.

Nachdem er den Kaufpreis in bar gezahlt hatte, erhielt der Kläger die Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil II, die sich später als sogenannte Blankofälschungen herausstellten, und zwei Fahrzeugschlüssel. Davon ist lediglich einer ein Original; bei dem anderen Schlüssel handelt es sich um ein Imitat, mit dem das Wohnmobil nur gestartet werden kann, wenn sich der Originalschlüssel in unmittelbarer Nähe befindet.

Der Kläger meint, er habe gutgläubig das Eigentum an dem Wohnmobil erworben. Dies stellt der Beklagte auch mit Blick darauf in Abrede, dass der Kläger – unstreitig – als Serviceberater in einem Autohaus arbeitet.

Das Landgericht hat der auf Zustimmung zur Herausgabe des Wohnmobils an den Kläger gerichteten Klage stattgegeben. Hierzu – so das Landgericht – sei der Beklagte verpflichtet, weil der Kläger gemäß §§ 929 Satz 1, 932 I 1, II BGB gutgläubig Eigentümer des Fahrzeugs geworden sei. Der Kläger habe sich von der Verkäuferin alle erforderlichen Unterlagen vorlegen lassen. Dass ihm die Unstimmigkeiten nicht aufgefallen seien, sei plausibel und nachvollziehbar; zu weiteren Nachforschungen sei der Kläger nicht verpflichtet gewesen. Er habe auch nicht bemerken müssen, dass einer der Schlüssel offensichtlich kein Originalschlüssel sei, da er mit diesem Schlüssel keine vergeblichen Startversuche unternommen habe.

Die Berufung des Beklagten hatte in vollem Umfang Erfolg. Das Oberlandesgericht hat die gegen den Beklagten erhobene, auf Zustimmung zur Herausgabe des Fahrzeugs gerichtete Klage unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils abgewiesen. Auf die Widerklage des Beklagten hat es den Kläger verurteilt, der Herausgabe des Wohnmobils an den Beklagten zuzustimmen, und festgestellt, dass der Beklagte Eigentümer des Fahrzeugs ist. Dementsprechend hatte das Begehren des Klägers, sein Eigentum an dem Wohnmobil festzustellen, keinen Erfolg.

Aus den Gründen: II. … In der Sache kam es für die Frage der eigentumsrechtlichen Zuordnung des streitbefangenen Wohnmobils allein darauf an, ob der Beklagte sein ursprüngliches Eigentum durch gutgläubigen Erwerb des Klägers gemäß § 932 BGB verloren hat. Denn die anfängliche Sicherungsübereignung an die den Erwerb des Beklagten finanzierende Bank ist nach – auch vom Kläger nicht bestrittener – Rückführung des gewährten Darlehens gegenstandslos geworden, zumal die Bank mitgeteilt hat, dass sie im Falle eines Obsiegens des Beklagten in diesem Rechtsstreit die „echte“ Zulassungsbescheinigung Teil II auch an diesen herausgeben werde. Sofern nicht die Sicherungsübereignung selbst auflösend bedingt gewesen sein sollte, hätte die finanzierende Bank jedenfalls i. S. des § 931 BGB ihren Herausgabeanspruch aufschiebend bedingt abgetreten, sodass der Beklagte mit Entscheidung dieses Rechtsstreits zugleich Eigentum erwirbt; die Übergabe der Zulassungsbescheinigung wirkt ohnehin nicht als solche rechtsbegründend.

Allerdings wird der Beklagte vor einem gutgläubigen Erwerb nicht gemäß § 935 I BGB geschützt, weil er den unmittelbaren Besitz am Fahrzeug durch die Überlassung zu Vermietungszwecken mit seinem Einverständnis aufgegeben hatte und für einen unfreiwilligen Besitzverlust der Mieterin nichts spricht; die Weggabe durch den Besitzmittler ist kein Fall des „Abhandenkommens“ (BGH, Urt. v. 20.09.2004 – II ZR 318/02, NJW-RR 2005, 280 = juris Rn. 21).

Gleichwohl kann ein gutgläubiger Erwerb durch den Kläger nach Auffassung des Senats nicht angenommen werden. Die insoweit zu fordernden Standards an die gebotene Sorgfalt beim Erwerb eines gebrauchten Kraftfahrzeugs (1), insbesondere unter Berücksichtigung des konkreten Informationsgrades des Klägers (2), wurden von diesem nämlich ersichtlich nicht beachtet, sodass ihm der einen gutgläubigen Erwerb ausschließende Vorwurf grober Fahrlässigkeit i. S. des § 932 II BGB nicht erspart werden kann (3).

1. Bereits seit Längerem ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass beim Kauf eines gebrauchten Kraftfahrzeugs sich der Erwerber nicht allein auf den Rechtschein des vorhandenen Besitzes des Verkäufers verlassen darf, sondern das Unterlassen der Einsichtnahme in den Kraftfahrzeugschein und den Kraftfahrzeugbrief (heute: Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil II) in aller Regel einem gutgläubigen Erwerb entgegensteht (s. nur BGH, Urt. v. 05.02.1975 – VIII ZR 151/73, NJW 1975, 735 = juris Rn. 12 mit Verweis auf die frühere Rechtsprechung).

Obwohl einen Erwerber keine generelle Nachforschungspflicht trifft, ist es mit der bloßen Einsichtnahme in die vorgelegten Papiere jedoch regelmäßig nicht getan. Erforderlich ist vielmehr, und zwar als Mindestanforderung für einen gutgläubigen Erwerb, die „Übergabe und Prüfung des Kraftfahrzeugbriefes“ (BGH, Urt. v. 05.02.1975 – VIII ZR 151/73, NJW 1975, 735 = juris Rn. 18; bestätigt etwa durch BGH, Urt. v. 13.05.1996 – II ZR 222/95, NJW 1996, 2226 = juris Rn. 7; Urt. v. 01.03.2013 – V ZR 92/12, NJW 2013, 1946 Rn. 13). Dies gilt unabhängig davon, ob der Erwerber Privatmann ist oder als Händler Erfahrungen in der Vornahme von Fahrzeugankäufen gesammelt hat (KG, Urt. v. 22.05.2014 – 8 U 114/13, MDR 2015, 23 = juris Rn. 17; OLG Braunschweig, Urt. v. 01.09.2011 – 8 U 170/10, juris Rn. 34, 36).

Je nach dem Ergebnis dieser Prüfung oder auch aufgrund anderer Begleitumstände kann es zur Notwendigkeit weiterer Erkundigungen kommen, die – soll nicht vom Kauf Abstand genommen werden – bis zu einer Anfrage bei der Kraftfahrzeugzulassungsstelle oder beim Kraftfahrt-Bundesamt reichen können (BGH, Urt. v. 09.10.1991 – VIII ZR 19/91, NJW 1992, 310 = juris Rn. 13 ff., 18). Umstände, die geeignet sind, insoweit weitere Nachforschungen nahezulegen, sind etwa Ungereimtheiten im gesamten Verlauf des Geschäfts, ein sehr günstiger Verkaufspreis (s. bereits BGH, Urt. v. 01.07.1987 – VIII ZR 331/86, NJW-RR 1987, 1456 = juris Rn. 19, 24 ff.), aber auch bereits die Situation des „Straßenverkaufs“ selbst, jedenfalls bei auffälligem Verlauf (BGH, Urt. v. 01.03.2013 – V ZR 92/12, NJW 2013, 1946 Rn. 15; vgl. auch OLG Schleswig, Urt. v. 01.09.2006 – 14 U 201/05, NJW 2007, 3007 = juris Rn. 19), eine Situation, die deshalb spezifische Risiken aufweist, weil sie naturgemäß das Risiko der Entdeckung eines entwendeten Fahrzeugs mindert (BGH, Urt. v. 09.10.1991 – VIII ZR 19/91, NJW 1992, 310 = juris Rn. 14).

Inwieweit welche Umstände tatsächlich aussagekräftig zu Nachforschungen veranlassen müssen, ist allerdings eine Frage des Einzelfalls. Entscheidend ist stets, ob der Erwerber deshalb die erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich groben Maße außer Acht gelassen hat, weil er dasjenige unbeachtet gelassen hat, was in gegebenem Falle jedem hätte einleuchten müssen (BGH, Urt. v. 09.10.1991 – VIII ZR 19/91, NJW 1992, 310 = juris Rn. 13 m. w. Nachw.). Hierbei liegt es in der Natur der Sache, dass auf den Wahrnehmungshorizont des Erwerbers abzustellen ist, also eine Ex-ante-Betrachtung vorzunehmen ist und nicht auf die Ex-post-Sicht nach späteren Ermittlungen.

2. Insoweit kommt es naturgemäß nicht allein auf die objektiven Umstände des Erwerbsgeschäfts an, sondern gerade auch auf Vorkenntnisse und Erfahrungen des Erwerbers. Aus diesem Grund hat die Rechtsprechung zu Recht bisher von Fahrzeughändlern eine entschieden intensivere Prüfung und Nachforschung verlangt als von Privatpersonen (so ausdrücklich etwa KG, Urt. v. 22.05.2014 – 8 U 114/13, MDR 2015, 23 = juris Rn. 17, 21; OLG Braunschweig, Urt. v. 01.09.2011 – 8 U 170/10, juris Rn. 36). Fälschungen von Zulassungsbescheinigungen etwa, die einem im Umgang mit derartigen Papieren vertrauten Händler ohne Weiteres auffallen oder zumindest als Ungereimtheiten zu weiteren Nachforschungen veranlassen, müssen einem Privatkäufer nicht ohne Weiteres ins Auge fallen. Ähnlich liegt es bei anderen Ungereimtheiten. Allerdings muss auch ein Privatkäufer sich jedenfalls in wohlverstandenem Eigeninteresse darüber hinreichende Sicherheit verschaffen, ob etwa Serviceintervalle eingehalten sind oder eine Werksgarantie noch besteht, und deshalb das Serviceheft vorlegen lassen (hiervon geht ersichtlich auch das OLG München, Urt. v. 26.05.2011 – 23 U 434/11, juris Rn. 33, aus).

Vorliegend ist der Kläger – Serviceberater in einem Autohaus – nicht einem selbstständigen Händler oder wenigstens einem im Ankauf tätigen Mitarbeiter eines Autohauses gleichzusetzen, wenn auch zweifelsohne fahrzeugkundig, also im Umgang mit Kraftfahrzeugen generell erfahren. Wie er vor dem Senat erläutert hat, führt er Kundendienstaufträge sowie die Abwicklung von Versicherungsschäden durch und sieht in dieser Eigenschaft ein bis zwei Zulassungsbescheinigungen täglich. Er war auch in der Lage, dem Senat die zum Teil nicht ganz leserlichen Rubriken in der Kopie der vorgelegten Fahrzeugbescheinigung Teil II im Hinblick auf die im Feld K angesprochene EU-Konformitätsbescheinigung zu erläutern. Dies veranschaulicht, dass der Kläger im Umgang mit solchen Papieren und den einzutragenden Daten jedenfalls deutlich erfahrener ist als ein durchschnittlicher Privaterwerber.

Auch daraus folgt für den Senat keineswegs, dass der Kläger gleichwohl einem Händler gleichzustellen wäre, ist es doch ein Unterschied, ob in primärer Verantwortung täglich der An- und Verkauf von Kraftfahrzeugen vorgenommen wird oder ob ein Mitarbeiter eines Autohauses lediglich am Rande das eine oder andere über An- und Verkäufe erfahren mag, sich aber als Serviceberater vorrangig auf die technische Seite zu konzentrieren hat. Andererseits wird bei einem Erwerber wie dem Kläger im Verhältnis zu einem durchschnittlichen Privaterwerber ein generell leicht erhöhtes und in technischen Fragen deutlich erhöhtes Niveau von Vorkenntnissen angenommen werden können, was den von einem derartigen Erwerber zu beachtenden Sorgfaltsstandard mitdefinieren muss.

 3. Diesen Anforderungen ist der Kläger beim konkreten Erwerbsvorgang nicht gerecht geworden. Vielmehr sind ihm berechtigte Zweifel an der Verfügungsbefugnis der ihm gegenübergetretenen Verkäuferin und damit der Anlass zu weiteren Nachforschungen infolge von grober Fahrlässigkeit verborgen geblieben.

a) Insoweit sind bereits eine Reihe von Unstimmigkeiten auffällig, die jedenfalls in der Gesamtschau dem Kläger Veranlassung zu Nachfragen hätten geben müssen.

Dies betrifft in geringerem Maß die textlichen Unstimmigkeiten in der Zulassungsbescheinigung Teil II selbst, die durchaus eine gekonnte Fälschung darstellt. Auf Originalpapier und mit qualifizierter Drucktechnik ausgeführt, darf bezweifelt werden, ob ein Laie etwa hätte erkennen können, dass die Siegelung nicht als echte Klebesiegelung, sondern lediglich mit einem Tintenstrahldrucker angebracht worden ist (Behördengutachten des LKA Hamburg vom 02.06.2016). Ebenso hätten die unterschiedlichen Angaben in der Postleitzahl der Anschrift der Verkäuferin in der Zulassungsbescheinigung Teil I einerseits und Teil II andererseits zwar bei peniblem Vergleich auffallen können, aber nicht zwingend müssen. Schon auffälliger ist der Unterschied zwischen der in der Zulassungsbescheinigung angegebenen Hausnummer bei der Anschrift der Verkäuferin und der entsprechenden Hausnummer im Kaufvertrag, auch wenn grundsätzlich ein Umzug in einer gleichen Straße möglich sein mag. Deutlich schwerer ins Gewicht fällt daher das im Kaufvertrag mit 20.05.2015 – offenbar nach „Verbesserung“ – angegebene Erstzulassungsdatum, das mit dem in der Zulassungsbescheinigung Teil II angegebenen Datum in der Zeile betreffend die EU-Konformitätsbescheinigung harmoniert, nicht aber mit dem weiter oben im Feld B angegebenen Erstzulassungsdatum vom 08.10.2015.

Es erstaunt, dass der im Umgang mit derartigen Unterlagen erfahrene Kläger ersichtlich nicht einen Abgleich zwischen diesen Daten untereinander vorgenommen hat, obwohl hierdurch doch zum einen Rückschlüsse auf den Lauf der typischerweise mit der Erstzulassung beginnenden Werksgarantie möglich sind und zum anderen natürlich auf die Vertrauenswürdigkeit der Angaben der Verkäuferin.

Eine weitere und auffällige Unstimmigkeit betrifft die Schreibweise des Nachnamens „H…n“ (Kaufvertrag, Zulassungsbescheinigungen) oder „H…n“ der Verkäuferin (E-Mail betreffend die Serienausstattung vom 21.03.2016). Ist es schon bemerkenswert, dass eine Verkäuferin eher südländischen Aussehens sich mit einem typisch deutschen Vor- und Familiennamen nennt, dürften – von Schreibfehlern einmal abgesehen – in aller Regel die meisten Menschen sich ihres Namens und seiner Schreibweise sicher sein. Um einen bloßen Schreibfehler kann es sich bei der Angabe „H…nn“ aber schon deshalb nicht handeln, weil auch die E-Mail-Adresse derart lautete, nämlich „mh…n@gmx.de“. Es verwundert, dass der Kläger und seine Ehefrau auch dies übersehen haben wollen, obwohl diese E-Mail mit den technischen Spezifikationen doch am Vorabend des Ankaufs gekommen war und annehmbar der Kläger diese Mail am nächsten Tag auch bei sich führte, um einen technischen Abgleich vornehmen zu können. Jedenfalls jetzt wäre eine genauere Nachprüfung angezeigt gewesen.

b) Dass aber der Kläger ersichtlich mit einem abgesenkten Aufmerksamkeitsniveau – welches nicht zu seinen als Serviceberater in einem Autohaus erworbenen Vorkenntnissen passt – den Erwerbsvorgang abwickelte, wird auch am Umgang mit Zweitschlüsseln und Serviceheft deutlich.

Es mag sein, dass im konkreten Fall eine Erprobung des Zweitschlüssels keine besonderen Erkenntnisse gebracht hätte, weil – solange der Erstschlüssel in der Nähe lag – ein Starten auch mit dem Zweitschlüssel möglich gewesen wäre, obwohl der notwendige Transponder in diesen gerade nicht eingebaut war. Es ist aber schon erstaunlich, dass nach eigener Bekundung der Kläger einen Startvorgang mit diesem Schlüssel noch nicht einmal probiert hatte, ist doch das Fehlen eines funktionsfähigen Zweitschlüssels – was einem Mitarbeiter eines Autohauses kaum verborgen geblieben sein kann – typisch für entwendete Fahrzeuge.

Noch erstaunlicher ist es, dass der Kläger nach eigener Bekundung sich zwar über die Existenz des Servicehefts als solches informiert, dieses aber nicht einmal aufgeschlagen hatte. Der Senat kann offenlassen, ob entsprechend dem Vortrag des Klägers – welchen der Beklagte mit Nichtwissen bestritten hat – schon die erste Seite auch des Servicehefts manipuliert war, und zwar aufgrund grober Pixelung erkennbar. Entscheidend ist vielmehr, dass durch dieses Verhalten der Kläger eine weitere sich aufdrängende Möglichkeit der Risikominimierung nicht wahrgenommen hat. Es mag sein, dass bei einem noch relativ jungen Fahrzeug die Problematik von Serviceintervallen und deren Einhaltung sich noch nicht stellen konnte, wohl aber Bestand und Beginn der Werksgarantie, die sich einem solchen Serviceheft typischerweise entnehmen lassen; möglicherweise wäre der Kläger gerade auch hierdurch erneut auf Differenzen jedenfalls hinsichtlich der angegebenen Daten der Erstzulassung aufmerksam geworden. Dieses Versäumnis ist umso gravierender, als der Kläger ersichtlich auch nicht etwa die Vorlage der Erstbestellung und des Kaufbelegs verlangt hatte, was bei einem jungen Fahrzeug noch mit Erfolg möglich sein müsste.

c) Insgesamt hat der Kläger gerade derartige Möglichkeiten der Untersuchung bzw. des Abgleichs von Daten nicht wahrgenommen, die ihm aufgrund bereits seiner Vorkenntnisse als Serviceberater in einem Autohaus in ihrer Relevanz hätten bekannt sein müssen und welche zumindest im Falle der Unstimmigkeiten in der Namensangabe und beim Zulassungsdatum auch hinreichenden Anlass zu weiteren Nachforschungen gegeben hätten. Nur auf diese Weise wäre es aber auch möglich gewesen, dem Risikopotenzial entgegen zu wirken, dass vorliegend aus den Rahmenumständen des Erwerbsgeschäfts folgte.

Diese bestanden nämlich zunächst in der Situation eines Straßenverkaufs einschließlich des eigenartigen und daher auffälligen Umstandes, dass das Fahrzeug nicht etwa auf dem Parkplatz des Supermarktes parkte, sondern fernab vor einem öffentlichen Gebäude. Hinzu kam ein gegenüber dem ursprünglichen tatsächlichen Kaufpreis von 44.000 € günstiger Zweitverkaufspreis von letztlich nur 29.500 €, der gerade deshalb auffällig ist, weil – wie aus einschlägigen Internetplattformen und der Tagespresse senatsbekannt ist – Wohnmobile länger genutzt werden und wertstabiler sind als Personenkraftwagen. Ein Phänomen, das einem in einem Autohaus tätigen Mitarbeiter kaum verborgen geblieben sein dürfte, mag er sich beruflich auch nicht speziell mit Wohnmobilen beschäftigen. Gerade diese Umstände hätten es umso mehr nahegelegt, sorgfältig zu handeln und notfalls noch einen Tag der Überprüfung einzuschieben. Wer dies nicht tut – vielleicht aus Sorge, dass der günstige Kauf dann nicht mehr gelingt, oder wegen der Entfernung zwischen eigenem Wohnort und dem Verkaufsort –, handelt aber grob fahrlässig und ist nicht gutgläubig i. S. des § 932 BGB. …

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