Ein gutgläubiger Erwerb eines Wohnmobils kann ausgeschlossen sein, wenn der Verkäufer zwar die Zulassungsbescheinigung Teil II (Kfz-Brief) vorlegen, sonst aber keine Dokumente (Bordbuch, Wartungsheft) präsentieren und dem Käufer auch nicht sämtliche Schlüssel übergeben kann, und zudem die Fahrzeugübergabe abends auf einem Parkplatz stattfindet. Anlass zu Argwohn hat der Käufer darüber hinaus, wenn der Verkäufer angeblich Polizeibeamter ist und die Eintragungen im Vertragsformular gravierende Rechtschreibfehler aufweisen.
OLG Koblenz, Urteil vom 04.11.2010 – 5 U 883/10
Sachverhalt: Der Kläger vermietete im Rahmen seines Gewerbes am 24.03.2009 ein ihm gehörendes Wohnmobil an eine Frau, die einen auf den Namen N lautenden Personalausweis vorlegte. Wenig später wurde das Fahrzeug, das nach dem Vorbringen des Klägers einen Wert von mindestens 31.000 € hat, im Internet unter Angabe einer Handynummer für 24.500 € zum Verkauf angeboten.
Die Beklagte nahm am 01.04.2009 mit dem Anbieter telefonisch Kontakt auf und besichtigte das Wohnmobil am folgenden Abend gemeinsam mit ihrem Ehemann auf einem Moselparkplatz, auf dem weitere Wohnmobile standen. Bei einem zweiten Treffen, das am 03.04.2009 gegen 19.00 Uhr auf einem anderen nahegelegenen Parkplatz stattfand, schloss die Beklagte einen schriftlichen Kaufvertrag mit dem Anbieter. Dieser trat dabei, wie bereits zuvor, unter dem Namen des Klägers auf. Er hatte mitgeteilt, Polizeibeamter zu sein. Der Kaufpreis wurde mit 24.000 € vereinbart. Die Beklagte entrichtete ihn in bar. Sie erhielt einen Satz von Schlüsseln, mit denen sich die Zündung betätigen sowie die Toilette und das Fahrrad-Depot öffnen ließen. Der für den Safe bestimmte Schlüssel passte nicht. Außerdem händigte der Verkäufer eine Zulassungsbescheinigung II (Kfz-Brief) aus, unter deren Vorlage die Beklagte das Fahrzeug dann auf sich ummeldete. Später stellte sich heraus, dass diese Bescheinigung gefälscht war.
Der Kläger hat die Beklagte unter Hinweis auf seine Eigentümerstellung auf Herausgabe des Wohnmobils in Anspruch genommen. Die Beklagte hat gutgläubigen Erwerb eingewandt. Diese Rechtsverteidigung hat das Landgericht für stichhaltig erachtet und das Verlangen des Klägers abgewiesen. Aus seiner Sicht schien der Verkäufer durch die Schlüssel und die Zulassungsbescheinigung II hinlänglich legitimiert.
Dagegen wendet sich der Kläger in Erneuerung seines Begehrens mit der Berufung. Er meint, dass die Beklagte, getrieben von der Vorstellung, ein weit unter dem Marktwert angebotenes Fahrzeug erwerben zu können, außerordentlich unkritisch gehandelt habe. Die ihr übergebenen Schlüssel seien ersichtlich unvollständig gewesen, und übliche Dokumente wie die Zulassungsbescheinigung I (Kfz-Schein), das Bordhandbuch und das Wartungsheft hätten überhaupt gefehlt. Das Rechtsmittel hatte Erfolg.
Aus den Gründen: II. … Entgegen der Auffassung des Landgericht hat der Kläger das Eigentum an dem streitigen Fahrzeug nicht an die Beklagte verloren, sodass ihm ein in § 985 BGB begründeter Herausgabeanspruch zusteht.
1. Die erstinstanzliche Entscheidung begegnet bereits in ihrem rechtlichen Ansatz, einen Eigentumserwerb der Beklagten aus § 932 BGB herzuleiten, gewichtigen Zweifeln.
Die Vorschrift des § 932 BGB regelt die Veräußerung durch einen Nichtberechtigten. Sie hat die Situation im Auge, in der ein Nichtberechtigter vortäuscht, Eigentümer einer Sache zu sein, und aus dieser Stellung heraus verfügt. Davon weicht der vorliegende Fall ab. Allerdings war der Verkäufer des Wohnmobils nicht zur Eigentumsübertragung befugt, sodass er als Nichtberechtigter handelte. Aber er tat das unter dem Namen des Klägers, indem er vorgab K zu heißen und damit diejenige Person zu sein, auf die die Zulassungsbescheinigung II ausgestellt war. Das gibt dem Fall ein besonderes Gepräge:
Freilich ist die Benutzung eines fremden Namens belanglos, wenn dem Geschäftsgegner der Name gleichgültig ist und es ihm grundsätzlich nur darauf ankommt, mit der Person zu kontrahieren, der sich gegenübersieht. Anders liegen die Dinge jedoch dort, wo er daran interessiert ist, das Rechtsgeschäft mit dem Namensträger abzuschließen. In diesem Fall gelangen vertretungsrechtliche Regeln zur Anwendung, sodass der Handelnde nicht, wie es § 932 BGB voraussetzt, ein Eigengeschäft vornimmt, sondern als bloßer Vertreter auftritt, obwohl ihm der Vertretungswille fehlt (BGHZ 45, 193 [195]; BGH, WM 1990, 1450 [1451]; Erman/Palm, BGB, 12. Aufl., § 164 Rn. 8).
Eben das war die Situation, in der sich die Beklagte befand. Für sie war wesentlich, mit demjenigen einen Übereignungsvertrag zu schließen, auf den die Zulassungsbescheinigung II lautete, weil allein er hinreichend als Eigentümer legitimiert war und der Erwerb von einer anderen Person in seiner Rechtsgültigkeit fragwürdig sein musste (BGH, Urt. v. 13.09.2006 – VIII ZR 184/05, NJW 2006, 3488 [3489]). Deshalb gab der Verkäufer seine Willenserklärung im Namen des Klägers ab (OLG Düsseldorf, NJW 1985, 2484; Palandt/Ellenberger, BGB, 69. Aufl., § 164 Rn. 11; a. A. OLG Düsseldorf, NJW 1989, 906 f.; MünchKomm-BGB/Oechsler, 5. Aufl., § 932 Rn. 63), sodass ein Eigentumsübergang dessen Vollmacht voraussetzte (§ 164 I BGB). Eine Vollmacht ist jedoch nie erteilt worden, und sie lässt sich auch nicht nach Duldungs- oder Anscheinsregeln herstellen. Insofern scheidet ein Rechtsübergang auf die Beklagte von vornherein aus.
2. Wählt man einen anderen Blickwinkel und geht – indem man der Beklagten konzediert, dass sie nicht in erster Linie von der in der Zulassungsbescheinigung II eingetragenen Person, sondern von demjenigen erwerben wollte, der ihr als Verkäufer gegenübertrat – von der grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 932 BGB aus, ist ein Eigentumsübergang indessen ebenfalls zu verneinen. Die Beklagte war nämlich nicht gutgläubig, weil ihre Auffassung, der Verkäufer sei Eigentümer des Wohnmobils, auf grober Fahrlässigkeit beruhte. Es gab handfeste Indizien, die gegen die Meinung der Beklagten sprachen.
Allerdings konnte der Verkäufer die Zulassungsbescheinigung II vorlegen. Das stellte jedoch nur eine Mindestvoraussetzung für einen gutgläubigen Erwerb dar, gewährleistete ihn aber keineswegs (BGH, WM 1956, 158 [159]; Urt. v. 13.09.2006 – VIII ZR 184/05, NJW 2006, 3488 [3489]; Staudinger/Wiegand, BGB, Neubearb. 2004, § 932 Rn. 140). Das gilt umso mehr, als die Beklagte nichts unternahm, um sich über die Identität des Verkäufers und des eingetragenen Halters des Wohnmobils zu vergewissern. Zulasten der Beklagten streiten zahlreiche Umstände, die Argwohn begründen mussten und die die Sicht, der Verkäufer sei Eigentümer und handele redlich, als im erheblichen Maße leichtfertig erscheinen lassen:
a) Über die Zulassungsbescheinigung II hinaus konnten keine Papiere zum Fahrzeug präsentiert werden. Der Beklagten wurden weder die Zulassungsbescheinigung I noch das Bordbuch noch ein Wartungsheft vorgelegt. Auch die Schlüssel waren unvollständig. Es gab grundsätzlich nur einen Satz, und der Tresor war überhaupt nicht zu öffnen.
b) Der Verkäufer teilte mit, in X. zu wohnen. Er führte das Wohnmobil aber nicht dort, sondern in Y. vor. Das war weiter von X. entfernt als der Wohnort der Beklagten. Dass das Fahrzeug auf einem nahen Campinggelände gestanden hätte, ließ sich nicht ersehen. Wäre dies so gewesen, hätte es ohne Weiteres dort gezeigt werden können, statt es auf einem Parkplatz anzubieten. Die Wahl eines wohnortfernen Treffpunkts war um so verwunderlicher, als der Verkäufer sagte, er sei Polizist und müsse alsbald arbeiten.
c) Anlass zu Argwohn gab auch der augenscheinliche Bildungsstand des Verkäufers: Von einem Polizisten wäre eigentlich zu erwarten gewesen, dass er die Grundregeln der Rechtsschreibung beherrschte. Insofern musste erstaunen, dass die wenigen handschriftlichen Formulierungen, die der Verkäufer in das Vertragsformular setzte, voller Fehler steckten. Dabei mag die Schreibweise „FAhRADTREGER“ (statt Fahrradträger) und „GESenDED“ (statt gesendet) vielleicht noch hinnehmbar gewesen zu sein. Völlig unverständlich war aber, die Zahl vierundzwanzig als „Fierundzwanzieg“ zu schreiben.
d) Trotz dieser Verdachtsmomente unternahm die Beklagte nichts, um die Angaben des Käufers in irgendeiner Weise zu verifizieren. Sie überprüfte weder die Richtigkeit der ihr mitgeteilten Adresse, noch verlangte sie nach einer Festnetztelefonnummer, bei der sie zur Kontrolle hätte anrufen können. Es gab auch keine Bankverbindung, die zur Kaufpreiszahlung zu verwenden gewesen wäre und angezeigt hätte, dass das Geld tatsächlich an die Person gelangte, die im Kaufvertrag genannt war und aus der Zulassungsbescheinigung II hervorging. Stattdessen ließ sich die Beklagte auf einen Zahlungsmodus ein, bei dem sich der Empfänger nicht zu identifizieren brauchte. Das war umso ungewöhnlicher, als es um einen sehr hohen Betrag ging.
3. Vor diesem Hintergrund kann kein guter Glaube attestiert werden. Zweifel, die sich jedem vernünftigen Kaufinteressenten aufdrängen mussten, wurden zur Überzeugung des Senats in dem Bestreben verdrängt, ein gutes Geschäft zu tätigen. Statt den – als günstig bewerteten – Kaufpreis zum Anlass zu nehmen, die Redlichkeit des Verkäufers kritisch zu beurteilen, wurden objektiv vorhandene Warnhinweise grob fahrlässig übergangen.
III. Mithin hat die Berufung Erfolg … Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht vorhanden. Die – soweit zu ersehen, bisher nicht höchstrichterlich beantwortete – Frage, ob die unberechtigte Veräußerung eines Kraftfahrzeugs unter dem Namen des in der Zulassungsbescheinigung II angegebenen Halters nach Vertretungsregeln oder in Anwendung von § 932 BGB beurteilt werden muss, ist nicht entscheidungserheblich.Rech