1. § 476 BGB ist richtlinienkonform dahin auszulegen, dass die dort zugunsten des Käufers vorgesehene Beweislastumkehr schon dann greift, wenn dem Käufer der Nachweis gelingt, dass sich innerhalb von sechs Monaten ab Gefahrübergang eine Mangelerscheinung gezeigt hat, die – unterstellt, sie hätte ihre Ursache in einem dem Verkäufer zuzurechnenden Umstand – eine Haftung des Verkäufers begründen würde. Dagegen muss der Käufer weder darlegen und nachweisen, auf welche Ursache der mangelhafte Zustand zurückzuführen ist, noch dass diese Ursache in den Verantwortungsbereich des Verkäufers fällt (im Anschluss an BGH, Urt. v. 12.10.2016 – VIII ZR 103/15 Rn. 36).
  2. Im Anwendungsbereich des § 476 BGB hat der Verkäufer infolge der Beweislastumkehr den Beweis zu erbringen, dass die gesetzliche Vermutung, bereits bei Gefahrübergang habe ein – zumindest in der Entstehung begriffener – Sachmangel vorgelegen, nicht zutrifft. Er hat also darzulegen und nachzuweisen, dass ein Sachmangel zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs noch nicht vorhanden war, weil er seinen Ursprung in einem Handeln oder Unterlassen nach diesem Zeitpunkt hat und dem Verkäufer damit nicht zuzurechnen ist (im Anschluss an BGH, Urt. v. 12.10.2016 – VIII ZR 103/15 Rn. 55).

LG Düsseldorf, Urteil vom 04.11.2016 – 14e O 250/14

Sachverhalt: Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Rückabwicklung eines Kfz-Kaufvertrages.

Sie erwarb von der Beklagten am 22.02.2014 einen Ford Mondeo Turnier 2.0 TDCi mit Automatikgetriebe zum Preis von 8.499 € brutto. Die Laufleistung des Pkw betrug damals 160.396 km.

Anfang Mai 2014 teilte die Klägerin einer Mitarbeiterin der Beklagten telefonisch mit, dass sie das Fahrzeug in einer Werkstatt habe untersuchen lassen. Dort habe man ihr mitgeteilt, dass der Pkw einen Getriebeschaden habe. Die Mitarbeiterin der Beklagten bat die Klägerin, das Fahrzeug zur Beklagten zu bringen, damit diese es untersuchen und gegebenenfalls reparieren könne.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 09.05.2014 zeigte die Klägerin der Beklagten die folgenden Mängel an und forderte die Beklagte zu Nachbesserung bis zum 23.05.2014 auf:

  • Beim Einlegen des Rückwärtsgangs und unmittelbar anschließender Betätigung des Gaspedals setze sich das Fahrzeug nicht bestimmungsgemäß rückwärts in Bewegung. Stattdessen drehte der Motor im Leerlauf nach oben.
  • Wenn die Klägerin mit dem Fahrzeug eine Geschwindigkeit von circa 25 km/h fahre und anschließend das Gaspedal betätige, ruckele das Fahrzeug sehr stark.
  • Wenn die Klägerin bei geringer Geschwindigkeit den Fuß vom Gaspedal nehme, ruckele das Fahrzeug ebenfalls sehr stark, da die Automatik des Fahrzeugs zu spät in den erforderlichen Gang schalte.
  • Schließlich weise der Drehzahlmesser im Bereich einer Drehzahl von circ 2.000 U/min sehr starke Drehzahlschwankungen auf.

Nachdem die Beklagte auf das Schreiben nicht reagiert hatte, erklärte die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 03.06.2014 den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte die Beklagte auf, ihr den Kaufpreis Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs zu erstatten.

Die Klägerin behauptet, das Fahrzeug leide an den angezeigten Mängeln. Diese seien bereits bei der Übergabe des Fahrzeugs an die Klägerin angelegt gewesen: Sie seien bereits vorhanden gewesen, jedoch seien sie nicht offensichtlich zutage getreten. Die Beklagte habe zu keiner Zeit erklärt, dass sie die Mängel beseitigen werde.

Die Beklagte tritt der auf Rückzahlung des um eine Nutzungsentschädigung verminderten Kaufpreises entgegen. Sie bestreitet die behaupteten Mängel und macht geltend, das Fahrzeug sei der Klägerin in einem einwandfreien Zustand übergeben worden. Die von der Klägerin geschilderten Symptome seien allesamt bei Übergabe weder vorhanden noch angelegt gewesen; Gegenteiliges könne angesichts der Fahrleistung der Klägerin von 17.000 km nicht gemäß § 476 BGB vermutet werden. Es sei schwer vorstellbar, dass die Klägerin seit der Übergabe des Fahrzeugs im Februar 2014 bis zum Auftreten von Mangelsymptomen im Mai 2014 – also zwei Monate lang – mit einem Getriebeschaden gefahren sei. Vielmehr sei dieser Schaden durch einen Fahrfehler der Klägerin verursacht worden. Darüber hinaus – so meint die Beklagte – sei die ihr gesetzte Frist bis zum 23.05.2014 zu kurz bemessen gewesen. Sie – die Beklagte – sei zu jedem Zeitpunkt bereit gewesen, Schäden zu beseitigen. Entsprechendes habe man bereits bei dem Telefongespräch Anfang Mai 2014 ohne jegliche Beschränkung oder Befristung geäußert.

Die Klage hatte im Wesentlichen Erfolg.

Aus den Gründen: I. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 3.165,81 € Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Pkw gemäß §§ 437 Nr. 2 Fall 1, 323, 346, 348 BGB.

1. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 03.06.2014 hat die Klägerin den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt. Nach §§ 437 Nr. 2, 323 I BGB war die Klägerin auch zum Rücktritt berechtigt, da das streitgegenständliche Fahrzeug mangelbehaftet ist.

Nach § 323 I BGB kann der Gläubiger einer Leistung vom Vertrag zurücktreten, wenn der Schuldner eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß erbringt und der Gläubiger erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat.

2. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. S steht zu der Überzeugung des Gerichts fest, dass der streitgegenständliche Pkw … mangelhaft ist. Nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung gemäß § 286 ZPO ist ein Beweis dann erbracht, wenn das Gericht unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme sowie den sonstigen Umständen und dem Akteninhalt von der Richtigkeit einer Tatsachenbehauptung derart überzeugt ist, dass vernünftigen Zweifeln Schweigen geboten ist.

Entsprechend den Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. S weist das streitgegenständliche Fahrzeug Mängel an der Kupplung auf. Diese kennzeichnen sich durch einen sporadisch fehlenden Vortrieb sowohl in der Stufe D als auch in der Stufe R sowie durch extrem harte Übertragungsstöße beim Gangwechsel. Aufgrund dieser Erscheinungen weist der streitgegenständliche Pkw nicht diejenige Beschaffenheit auf, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.

Das Sachverständigengutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. S ist in sich nachvollziehbar und schlüssig. Der Sachverständige hat das Fahrzeug in Augenschein genommen und eine Probefahrt durchgeführt. Zudem greift er im Rahmen des Sachverständigengutachtens auf die Fahrzeuginformationen sowie vorliegende Reparatur- und Wartungsbescheinigungen zurück. Nach eigener Prüfung schließt sich das Gericht den Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. S vollumfänglich an.

3. Auch ist … davon auszugehen, dass der vom Sachverständigen festgestellte Mangel bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs, nämlich bei Übergabe des Pkw an die Klägerin im Februar 2014, vorgelegen hat und nicht erst nachträglich entstanden ist. Nach § 476 BGB wird vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, wenn sich innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang ein Sachmangel zeigt, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar.

Nach der neueren Rechtsprechung des BGH ist § 476 BGB im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung dahin gehend auszulegen, dass die Vermutungswirkung bereits dann eingreift, wenn dem Käufer der Nachweis gelingt, dass sich innerhalb von sechs Monaten ab Gefahrübergang ein mangelhafter Zustand (eine „Mangelerscheinung“) gezeigt hat, der – unterstellt, er hätte seine Ursache in einem dem Verkäufer zuzurechnenden Umstand – dessen Haftung wegen Abweichung von der geschuldeten Beschaffenheit begründen würde. Dagegen muss der Käufer weder darlegen und nachweisen, auf welche Ursache dieser Zustand zurückzuführen ist, noch dass diese in den Verantwortungsbereich des Verkäufers fällt. Dem Käufer obliegt mithin entsprechend der neueren Rechtsprechung des BGH nicht mehr der Nachweis, dass ein erwiesenermaßen erst nach Gefahrübergang eingetretener akuter Mangel seine Ursache in einem latenten Mangel hat (BGH, Urt. v. 12.10.2016 – VIII ZR 103/15 Rn. 36).

Der Beklagten ist nicht der Nachweis gelungen, dass der vorliegende Mangel nicht bereits zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorgelegen hat. Hierfür trägt er aber die Darlegungs- und Beweislast. Der Verkäufer hat den Nachweis zu erbringen, dass die aufgrund eines binnen sechs Monaten nach Gefahrübergang eingetretenen mangelhaften Zustands eingreifende gesetzliche Vermutung, bereits zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs habe ein – zumindest in der Entstehung begriffener – Sachmangel vorgelegen, nicht zutrifft. Er hat also darzulegen und nachzuweisen, dass ein Sachmangel zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs noch nicht vorhanden war, weil er seinen Ursprung in einem Handeln oder Unterlassen nach diesem Zeitpunkt hat und ihm damit nicht zuzurechnen ist (BGH, Urt. v. 12.10.2016 – VIII ZR 103/15 Rn. 55).

Das Sachverständigengutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dipl.-Ing. S kommt zu dem Ergebnis, dass aus technischer Sicht auszuschließen ist, dass der Mangel auf eine Fehlbedienung des Fahrzeugführers zurückzuführen ist. Aufgrund des Umstands, dass der Mangel durch die A-GmbH bereits bei einem Kilometerstand von 166.942 festgestellt wurde, kann auch eine Ursächlichkeit dessen, dass der Getriebeölwechsel nicht entsprechend den Vorgaben des Fahrzeugherstellers bei einem Kilometerstand von 180.000 durchgeführt wurde, ausgeschlossen werden.

4.Die Klägerin hat der Beklagten erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 09.05.2014 wurde die Beklagte dazu aufgefordert, die Mängel … bis zum 23.05.2014 nach vorheriger Terminabsprache einer Beseitigung zuzuführen. Das Gericht geht davon aus, dass die gesetzte Frist von 14 Tagen angemessen ist. Hierauf kommt es jedoch im Ergebnis nicht an, da eine unangemessen kurze Fristsetzung jedenfalls den Lauf einer angemessenen Frist in Gang setzt (BGH, Urt. v. 21.06.1985 – V ZR 134/84, NJW 1985, 2640).

Im Rahmen des Nacherfüllungsverlangens ist zu beachten, dass die Obliegenheit des Käufers sich nicht auf eine mündliche oder schriftliche Aufforderung zur Nacherfüllung beschränkt, sondern auch die Bereitschaft des Käufers, dem Verkäufer die Kaufsache zur Überprüfung der erhobenen Mängelrügen für eine entsprechende Untersuchung zur Verfügung zu stellen, umfasst. Der Verkäufer ist nicht verpflichtet, sich auf ein Nacherfüllungsverlangen des Käufers einzulassen, bevor dieser ihm nicht Gelegenheit zu einer solchen Untersuchung der Kaufsache gegeben hat. Denn dem Verkäufer soll es mit der ihm vom Käufer einzuräumenden Gelegenheit zur Nacherfüllung gerade ermöglicht werden, die verkaufte Sache darauf zu überprüfen, ob der behauptete Mangel besteht und ob er bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorgelegen hat, auf welcher Ursache er beruht sowie ob und auf welche Weise er beseitigt werden kann, und hierzu gegebenenfalls Beweise zu sichern. Der Verkäufer kann von der ihm zustehenden Untersuchungsmöglichkeit nur Gebrauch machen, wenn ihm der Käufer die Kaufsache zu diesem Zweck zur Verfügung stellt (BGH, Urt. v. 10.03.2010 – VIII ZR 310/08, NJW 2010, 1448 Rn. 12).

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht es nach der Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin der Beklagten auch Gelegenheit zur Nachbesserung eingeräumt hat. Die Zeugin G hat in ihrer Vernehmung in der mündlichen Verhandlung ausgesagt, die Klägerin habe am Telefon gesagt, sie wäre nicht bereit, das Fahrzeug vorbeizubringen, da sich dies nicht lohne, und sie werde ihren Rechtsanwalt einschalten. Aus dieser Aussage alleine kann noch keine endgültige Verweigerung der Klägerin in Bezug auf ihre Mitwirkungsobliegenheit entnommen werden. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass wenige Tage nach dem Telefongespräch der Beklagten das anwaltliche Schreiben vom 09.05.2014 zugestellt wurde, in welchem zur Mängelbeseitigung aufgefordert wurde. Mit diesem Schreiben wurde die Beklagte auch nicht lediglich zur Anerkennung der Nacherfüllungspflicht ohne Möglichkeit einer vorherigen Untersuchung aufgefordert, sondern vielmehr zur Durchführung der Mängelbeseitigung. Soweit zur Durchführung der Mängelbeseitigung aufgefordert wird, ist darin aber zwangsweise auch die Gelegenheit des Schuldners zur Prüfung umfasst.

Nach Erhalt dieses Schreibens hätte es der Beklagten oblegen, sich an den Klägervertreter zu wenden und das weitere Vorgehen in Bezug auf die Durchführung der Mängelbeseitigung zu besprechen. Unstreitig hat die Beklagte auf das anwaltliche Schreiben des Klägervertreters vom 09.05.2014 jedoch keine Reaktion gezeigt. Die Klägerin durfte jedoch davon ausgehen, dass sich die Beklagte in Reaktion auf das anwaltliche Schreiben ebenfalls schriftlich oder telefonisch rückäußern würde. Mangels einer solchen Rückäußerung musste die Klägerin davon ausgehen, dass die Beklagte an ihrem früheren Angebot zur Mangelerforschung nicht mehr festhalten würde. Vor diesem Hintergrund war es der Klägerin nicht zuzumuten, das Fahrzeug ohne vorherige Terminabsprache und ohne erneute Mitteilung der Beklagten, dass sie das Fahrzeug untersuchen werde, zu den Geschäftsräumen der Beklagten zu verbringen.

5. Soweit die Klägerin das Fahrzeug in dem ihr zur Verfügung stehenden Zeitraum seit Übergabe im Februar 2014 genutzt hat, hat sie entsprechende Nutzungen gezogen. Diese sind als Wertersatz gemäß § 346 II 1 Nr. 1 BGB dem Rückzahlungsanspruch der Klägerin gegenzurechnen.

Die Höhe der Nutzungsvergütung bemisst sich nach dem Umfang der tatsächlichen Nutzung im Verhältnis zur voraussichtlichen Gesamtnutzungsdauer des Fahrzeugs. Zu vergüten ist derjenige Teil des Fahrzeugwerts, der dem Anteil der Nutzungsdauer durch den Käufer an der voraussichtlichen Gesamtnutzungsdauer entspricht (lineare Teilwertabschreibung).

Die Klägerin hat den Pkw übernommen mit einem Kilometerstand von 160.396 Ausweislich der klägerischen Angaben im Schriftsatz vom 14.09.2016 weist der Pkw nunmehr einen Kilometerstand von 248.000 auf. Mithin hat die Klägerin das Fahrzeug 87.604 km genutzt.

Nach § 287 BGB legt das Gericht der Berechnung als zu erwartende Gesamtlaufleistung insgesamt … 300.000 km zugrunde. Da das Fahrzeug bei Übernahme durch die Klägerin bereits eine Laufleistung von 160.396 km aufwies, betrug die damalige noch zu erwartende Laufleistung 139.606 km.

Der Wertersatzanspruch der Beklagten berechnet sich wie folgt:

$${\frac{\text{Bruttokaufpreis}\times\text{gefahrene Kilometer}}{\text{zu erwartende Laufleistung}}} = {\frac{\text{8.499 €}\times\text{87.604 km}}{\text{139.606 km}}} = \text{5.333,19 €.}$$

6. Der Anspruch hinsichtlich der Zinsen beruht auf §§ 291, 288 I BGB. …

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