- Ein vom VW-Abgasskandal betroffener Neuwagen ist zwar i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB mangelhaft. Einem auf diesen Mangel gestützten Rücktritt des Käufers steht aber § 323 V 2 BGB entgegen, weil er mit einem im Verhältnis zum Kaufpreis geringen Kostenaufwand durch Aufspielen eines Softwareupdates behoben werden kann und das Aufspielen des Updates einen Zeitaufwand von nicht einmal einer Stunde erfordert.
- Es widerspricht der Lebenserfahrung, dass für die Kaufentscheidung einer natürlichen Person eine Rolle spielt, wie viel Stickoxid ein Neuwagen unter Testbedingungen ausstößt. Für einen Neuwagenkäufer ist allenfalls wichtig, welcher Schadstoffklasse das Fahrzeug angehört.
- Bei einem „Montagsauto“ kann dem Käufer eine (weitere) Nacherfüllung i. S. des § 440 Satz 1 Fall 3 BGB unzumutbar sein. Ein Neuwagen ist dann als „Montagsauto“ zu qualifizieren, wenn der bisherige Geschehensablauf aus Sicht eines verständigen Käufers bei wertender und prognostischer Betrachtung die Befürchtung rechtfertigt, es handele sich um ein Fahrzeug, das wegen seiner auf herstellungsbedingten Qualitätsmängeln – namentlich auf schlechter Verarbeitung – beruhenden Fehleranfälligkeit insgesamt mangelhaft ist und das auch zukünftig nicht über längere Zeit frei von herstellungsbedingten Mängeln sein wird. Dafür ist es regelmäßig erforderlich, dass sich innerhalb eines kürzeren Zeitraums eine Vielzahl herstellungsbedingter – auch kleiner – Mängel zeigt, die entweder wiederholt oder erstmals auftreten und bei verständiger Würdigung das Vertrauen des Käufers in eine ordnungsgemäße Herstellung des Fahrzeugs ernsthaft erschüttern.
- Der Käufer eines mangelhaften Neuwagens, der sich für ein Fahrzeug der gehobenen Klasse mit umfangreicher technischer Ausstattung – hier: einen VW Tiguan 2.0 TDI Sport & Style – entschieden und dafür 39.636 € gezahlt hat, muss ein gewisses Maß an Geduld für Nachbesserungsmaßnahmen aufbringen, bevor er dem Verkäufer durch einen Rücktritt vom Kaufvertrag erhebliche Nachteile zufügt.
LG Bamberg, Urteil vom 19.09.2016 – 10 O 129/16
Sachverhalt: Der Kläger bestellte bei der Beklagten, einer in Bamberg ansässigen VW-Vertragshändlerin, im September 2013 einen fabrikneuen VW Tiguan 2.0 TDI Sport & Style 4MOTION mit 7-?Gang-DSG. Die Beklagte nahm die Bestellung mit Auftragsbestätigung vom 18.09.2013 an. Der Kläger holte das bestellte Fahrzeug am 20.11.2013 im Herstellerwerk in Wolfsburg ab; es wurde fortan vom Sohn des Klägers, dem Zeugen S, genutzt.
In der Folgezeit traten mehrere – teils unstreitige – Mängel an dem VW Tiguan auf. Im Januar 2014 gab es Probleme mit dem Getriebe, und der Zeuge S vernahm beim Hochschalten Geräusche. Die Beklagte tauschte das Getriebe deshalb am 17./18.03.2014 ohne Kosten für den Kläger aus. Im Juni 2015 löste sich der Heckspoiler des Fahrzeugs; außerdem schloss das Panoramadach nicht mehr richtig. Beide Mängel behob die Beklagte am 13.06.2015. Am 14.07.2015 befand sich der VW Tiguan erneut in der Werkstatt der Beklagten, weil der Heckspoiler nachgebessert werden musste.
Des Weiteren ist das Fahrzeug mit einem EA189-Dieselmotor ausgestattet und damit vom sogenannten VW-?Abgasskandal betroffen. Es verfügt über eine Software, die erkennt, ob sich der VW Tiguan auf der Straße befindet oder ob er auf einem Prüfstand einem Emissionstest unterzogen wird. Ist Letzteres der Fall, wird der Stickoxidausstoß unzulässigerweise reduziert, und nur deshalb hält das Fahrzeug – auf dem Prüfstand – die einschlägigen Emissionsgrenzwerte ein. Gleichwohl ist die für das Fahrzeug des Klägers erteilte EG-?Typgenehmigung unverändert wirksam; außerdem ist das Fahrzeug uneingeschränkt fahrbereit und technisch sicher.
Die Volkswagen AG hat mit dem Kraftfahrt-?Bundesamt die Überarbeitung der vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge abgestimmt. Die von der Volkswagen AG entwickelten technischen Lösungen sehen für die betroffenen 2,0-Liter-?Motoren (nur) ein Softwareupdate vor, das ohne Eingriff in die sonstige Technik aufgespielt werden kann. Dadurch soll der Stickoxidausstoß so weit reduziert werden, dass die einschlägigen Grenzwerte eingehalten werden. Der zeitliche Ablauf der Rückrufaktion steht noch nicht fest. Nach Überprüfung des ersten Fahrzeugtyps, des VW Amorak, hatte das Kraftfahrt-?Bundesamt mit Bescheid vom 27.01.2016 festgestellt, dass alle Emissionsgrenzwerte und sonstigen Anforderungen eingehalten würden. Zum anderen hatte das Kraftfahrt-?Bundesamt bestätigt, dass das Softwareupdate sich nicht negativ auf den Kraftstoffverbrauch, die CO2-?Emissionen, die Motorleistung, das Drehmoment oder die Geräuschemissionen auswirke. Am 04.04.2016 hatte das Kraftfahrt-Bundesamt dies auch für die verschiedenen Motoren der Modelle Audi A4, Audi A5, Audi A6 sowie Audi Q5 und SEAT Exeo bestätigt.
Mit Schreiben vom 10.11.2015 erklärte der Kläger aufgrund der aufgetretenen Mängel den Rücktritt vom Kaufvertrag, im Hinblick auf den sogenannten Abgasskandal vorsorglich auch die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. Er ließ sich für 12.000 mit dem streitgegenständlichen Fahrzeug zurückgelegte Kilometer eine Nutzungsentschädigung von 3.559,20 € anrechnen und forderte die Beklagte auf, ihm den verbleibenden Kaufpreis bis zum 24.11.2015 zu erstatten. Diese Frist verstrich fruchtlos.
Der Kläger behauptet, dass weitere Mängel an seinem Fahrzeug aufgetreten seien. Der Abdichtungsgummi an der Beifahrertüre habe sich gelöst, und es hätten sich weiße Streifen im Bereich der beiden Heckleuchten im roten Glas gebildet. Zwischenzeitlich sei auch Wasser in den Kofferraum gelaufen. Er meint, das streitgegenständliche Fahrzeug sei ein „Zitronenauto“, und eine weitere Nachbesserung sei ihm nicht zuzumuten. Hinzu komme, dass das Fahrzeug vom VW-Abgasskandal betroffen sei. Dieser Umstand stelle einen Mangel im Rechtssinne dar, der ihm – dem Kläger – ein Festhalten am Kaufvertrag unzumutbar mache, zumal zweifelhaft sei, ob insoweit eine Nachbesserung möglich sei.
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages nach den Vorschriften der §§ 437 Nr. 2 Fall 1, 434 I, 433 I, 346 I, II 1 Nr. 1, 323 II Nr. 3 BGB und keinen Anspruch wegen erfolgreicher Anfechtung nach den Vorschriften der §§ 123 I, II, 143 I, 142 I BGB i. V. mit § 812 I 1 Fall 1 BGB.
I. Kein wirksamer Rücktritt vom Kaufvertrag mit Schreiben vom 10.11.2015
Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages aufgrund des erklärten Rücktritts gemäß § 346 I BGB. Nach Würdigung aller Umstände liegt kein sogenanntes „Zitronenauto“ vor. Hinsichtlich der Betroffenheit von der Abgasthematik ist bereits kein Mangel gegeben. Jedenfalls sind beide Mängel in einer Gesamtschau völlig unerheblich.
1. Das Gericht geht nach der durchgeführten Beweisaufnahme durch Inaugenscheinnahme des Fahrzeugs vor dem Gerichtsgebäude davon aus, dass zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung zwei Mängel vorliegen.
Das Gericht konnte sich davon überzeugen, dass sich am Fahrzeug an den Heckleuchten im roten Bereich jeweils ein circa 4 cm großer weißer Streifen befindet. Diese Farbauffälligkeit ist bei Sachen gleicher Art unüblich und der Käufer hat diese nicht zu erwarten (§ 434 I 3 BGB). Wohl ausgeschlossen werden kann, dass dieser Mangel bereits bei Gefahrübergang i. S. des § 446 BGB vorlag. Die zeitliche Vermutung des § 476 BGB hilft nicht weiter. Die Klägerseite trägt vor, dass die Streifen „nunmehr“ aufgetreten seien. Vor diesem Hintergrund stützt die Klägerseite ihr Rückabwicklungsbegehren auf die (abstrakte) Fehleranfälligkeit des Fahrzeugs an sich.
Hinsichtlich der Abgasthematik liegt ein Verstoß gegen § 434 I 2 Nr. 2 BGB vor. Das Fahrzeug eignet sich zwar trotz der manipulierten Abgassoftware für die gewöhnliche Verwendung im Straßenverkehr. Es weist angesichts der Manipulation aber keine Beschaffenheit auf, die bei Sachen gleicher Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten darf. Ein Durchschnittskäufer eines Neufahrzeugs kann davon ausgehen, dass die gesetzlich vorgegebenen und im technischen Datenblatt aufgenommenen Abgaswerte nicht nur deshalb eingehalten und entsprechend ausgewiesen werden, weil eine Software installiert worden ist, die dafür sorgt, dass der Prüfstandlauf erkannt und über entsprechende Programmierung der Motorsteuerung in gesetzlich unzulässiger Weise insbesondere der Stickoxidausstoß reduziert wird. Mit anderen Worten basiert die Mangelhaftigkeit darauf, dass die Vorgaben im Prüfstandlauf nur aufgrund der manipulierten Software eingehalten werden (vgl. in diese Richtung LG Bochum, Urt. v. 16.03.2016 – I-?2 O 425/15; LG Münster, Urt. v. 14.03.2016 – 011 O 341/15). Zwar ist nach allgemeiner Auffassung bei der Festlegung des Vorstellungsbildes auf den Durchschnittskunden abzustellen, doch ist auch bei ihm zu unterstellen, dass er jedenfalls davon ausgeht, dass der Realbetrieb mit dem Testbetrieb übereinstimmt (Palandt/Weidenkaff, BGB, 75. Aufl. [2016], § 434 Rn. 30).
2. Im konkreten Fall war es dem Kläger zumutbar, eine angemessene Frist zur Behebung der Mängel zu setzen (Regelfall nach § 323 I BGB).
Ob auf eine nach §§ 437 Nr. 2 Fall 1, 323 I BGB grundsätzlich erforderliche, im Streitfall aber unterbliebene Fristsetzung des Käufers zur Nacherfüllung verzichtet werden darf, richtet sich nach den Bestimmungen in § 323 II BGB und § 440 BGB, in denen die Voraussetzungen, unter denen eine Fristsetzung zur Nacherfüllung für einen Rücktritt vom Kaufvertrag ausnahmsweise entbehrlich ist, abschließend geregelt sind (vgl. BGH, Urt. v. 13.07.2011 – XIII ZR 215/10, NJW 2011, 3435 Rn. 31).
Allgemein anerkannt ist, dass im Einzelfall betreffend ein mit dem Schlagwort „Montagsauto“ bezeichnete Mangelhaftigkeit ein weiteres Nacherfüllungsverlangen des Käufers unzumutbar (§ 440 Satz 1 Fall 3 BGB) machen kann. Die Beurteilung, ob die Nacherfüllung den Käufer aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls unzumutbar ist, ist das Ergebnis einer wertenden Betrachtung und Berücksichtigung aller Einzelumstände. Ein Neufahrzeug ist dann als „Montagsauto“ zu qualifizieren, wenn der bisherige Geschehensablauf aus Sicht eines verständigen Käufers bei wertender und prognostischer Betrachtung die Befürchtung rechtfertigt, es handele sich um ein Fahrzeug, das wegen seiner auf herstellungsbedingten Qualitätsmängeln – namentlich auf schlechter Verarbeitung – beruhenden Fehleranfälligkeit insgesamt mangelhaft ist und das auch zukünftig nicht über längere Zeit frei von herstellungsbedingten Mängeln sein wird (OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.03.2011 – 3 U 47/10, NJW-RR 2011, 1276; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 12. Aufl., Rn. 983 f.). Regelmäßig erforderlich ist, dass sich innerhalb eines kürzeren Zeitraums eine Vielzahl herstellungsbedingter – auch kleinerer – Mängel zeigt, die entweder wiederholt oder erstmals auftreten (OLG Hamm, Urt. v. 26.02.2008 – 28 U 135/07, juris Rn. 26). Entscheidend ist aber letztlich, ob bei verständiger Würdigung aus Sicht des Käufers das Vertrauen in eine ordnungsgemäße Herstellung des Fahrzeugs durch die zutage getretene Fehleranfälligkeit ernsthaft erschüttert worden ist. Ist dies der Fall, ist dem Kunden eine Nacherfüllung regelmäßig nicht mehr zumutbar (OLG Bamberg, Urt. v. 10.04.2006 – 4 U 295/05, DAR 2006, 456). Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, kann gegebenenfalls in Verbindung mit anderen Umständen, etwa einer Unzuverlässigkeit des Verkäufers oder wegen einer (gemessen an den Bedürfnissen des Käufers) zu langen Dauer der Nacherfüllungsarbeiten, die Grenze zur Unzumutbarkeit überschritten sein.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass im Januar 2014 ein Problem mit dem Automatikgetriebe auftrat. Nach den Aufzeichnungen der Parteien ist weiter unstreitig, dass im Juni 2015 und Juli 2015 der Mangel am Heckspoiler des Fahrzeugs behoben wurde. Nach unbestrittenem Sachvortrag gab es auch Probleme mit dem Panoramadach. Das Problem mit dem Abdichtungsgummi an der Tür kann dahinstehen. Das Gericht geht selbst unter Berücksichtigung aller klägerseits vorgetragenen Mängel (einschließlich der Abgasproblematik) davon aus, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug gerade nicht um ein sogenanntes Montagsauto/Zitronenauto handelt. Trotz der Häufung der Mängel ist dem Kläger zuzumuten, eine weitere Nachbesserungsfrist zu setzen. Das Gericht lässt sich dabei von folgenden Erwägungen leiten:
a) In zeitlicher und qualitativer Hinsicht ist auszuführen, dass seit Gefahrübergang im November 2013 insgesamt sechs Mängel vorlagen, wobei die Klägerseite eine Strecke von 16.000 km zurücklegen konnte. Bis auf den Mangel mit dem Automatikgetriebe sind diese unerheblich und konnten bzw. können durch einfache technische Eingriffe und ohne großen Aufwand beseitigt werden. Bei den weißen Streifen handelt es sich um eine minimale optische Beeinträchtigung. Durch Inaugenscheinnahme konnte festgestellt werden, dass die Farbunterschiede mit einem Abstand von circa drei Metern vom Fahrzeug entfernt schon nicht mehr wahrgenommen werden konnten. Es ist ohne Weiteres davon auszugehen, dass der Mangel in kürzester Zeit in einer Fachwerkstatt behoben werden kann.
Der Mangel rund um den Abgasskandal ist unerheblich i. S. des § 323 V 2 BGB. Im Rahmen der Erheblichkeitsprüfung ist eine umfassende Interessenabwägung auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Bei behebbaren Mängeln ist anerkannt, dass grundsätzlich auf die Kosten der Mängelbeseitigung abzustellen ist (BGH, Urt. v. 28.05.2014 – VIII ZR 94/13, juris Rn. 17). Hier ist nach derzeitigem Erkenntnisstand der Mangel behebbar, dies wird von der Beklagtenseite [gemeint wohl: Klägerseite] auch nicht bestritten. Das Kraftfahrt-?Bundesamt hat dem von der Volkswagen AG vorgelegten Maßnahmenplan zugestimmt, sodass nach Einschätzung des Kraftfahrt-Bundesamtes eine Beseitigung des Mangels erfolgt sein wird. Von einer Geringfügigkeit eines behebbaren Mangels und damit von einer Unerheblichkeit der Pflichtverletzung ist nach dem BGH in der Regel auszugehen, wenn die Kosten der Mangelbeseitigung im Verhältnis zum Kaufpreis geringfügig sind (BGH, Urt. v. 28.05.2014 – VIII ZR 94/13, juris Rn. 17). Bei einem Mangelbeseitigungsaufwand von unter 1 % des Kaufpreises liegt dieser ohne Zweifel unterhalb der Bagatellgrenze (BGH, Urt. v. 14.09.2005 – VIII ZR 363/04, juris Rn. 43). Für eine Abweichung vom Regelfall gibt es keine Veranlassung. Der Kläger hat nichts substanziiert vorgetragen, warum das Einspielen eines Softwareupdates höhere Kosten verursachen soll.
b) Im Hinblick auf die Beeinträchtigungen des Käufers ist auszuführen: Für den Austausch des Automatikgetriebes war das Fahrzeug lediglich zwei Tage in der Werkstatt der Beklagten. Der Austausch erfolgte auf Kosten der Beklagtenseite. Der Heckspoiler wurde am Tage der Vorstellung repariert. Es ist davon auszugehen, dass die weißen Streifen und der Abdichtungsgummi innerhalb kürzester Zeit repariert werden könnten. Die Beklagtenseite trägt vor, dass das Aufspielen der Software nicht einmal eine Arbeitsstunde in Anspruch nehmen würde. Dieser Vortrag ist nachvollziehbar, und von Klägerseite wird nicht substanziiert erwidert. Mithin musste bzw. muss die Klägerseite zu keinem Zeitpunkt über einen längeren Zeitraum auf die Nutzung des Fahrzeugs verzichten. Der Kläger trägt in diesem Zusammenhang nicht vor, dass er unbedingt auf das Fahrzeug angewiesen sei und sich um Ersatz bemühen muss.
c) In technischer Hinsicht ist zu berücksichtigen: Die aufgetretenen Mängel sind unterschiedlichster Natur. Der Mangel mit dem Automatikgetriebe ist dem technischen Bereich zuzuordnen, bei den Problemen mit dem Abdichtungsgummi und dem Panoramadach handelt es sich um Feuchtigkeitsprobleme. Bei den aufgetretenen weißen Streifen handelt es sich um optische Beeinträchtigungen, die Abgasthematik betrifft wiederum einen ganz anderen Bereich. Vor diesem Hintergrund muss der Kläger eben nicht davon ausgehen, dass gleichgelagerte Probleme innerhalb kürzester Zeit wieder auftreten werden. Anhaltspunkte hierfür liegen nicht vor.
d) Das Gericht bezieht bei der Würdigung und Abwägung die Höhe des Kaufpreises von 39.636 € mit ein. Es handelt sich um ein neues Fahrzeug der gehobenen Klasse mit umfangreicher technischer Ausstattung. Das Gericht ist der Ansicht, dass gerade in diesem Fall dem Käufer ein gewisses Maß an Geduld auferlegt werden muss, bevor die erheblichen Nachteile des Rücktritts den Verkäufer treffen.
e) Das Gericht lässt sich weiter bei seiner Abwägung von den Vorgaben des BGH im Urteil vom 23.01.2013 – VIII ZR 140/12 – leiten. Im dortigen Fall traten bei einem neuen Wohnmobil seit Ablieferung am 14.06.2008 innerhalb von circa 1,5 Jahren unzählige Mängel auf und der Käufer musste das Fahrzeug circa zwanzigmal in die Werkstatt der Verkäuferin verbringen. Vorliegend verhalten sich die Umstände anders: In einem Zeitraum von circa 2,5 Jahren traten vereinzelt an unterschiedlichsten Bauteilen Mängel auf, und die Klägerseite musste auf das Fahrzeug nicht länger verzichten.
Auch in einer Gesamtschau ist die im Regelfall vorgesehene Fristsetzung nicht entbehrlich. Die Klage ist diesbezüglich als derzeit unbegründet abzuweisen.
II. Hilfsweise Anfechtung wegen arglistiger Täuschung
Das Gericht geht davon aus, dass keine Kausalität zwischen einer angeblichen Täuschung und dem Abschluss des Kaufvertrages bestand.
Voraussetzung des Anspruches ist, dass der angeblich Getäuschte ohne die Täuschung überhaupt nicht, oder mit einem anderen Inhalt abgegeben hätte (BGH, Urt. v. 22.01.1964 – VIII ZR 103/62, NJW 1964, 811; Palandt/Ellenberger, BGB, 75. Aufl. [2016], § 123 Rn. 24). Dieses Kausalitätserfordernis ist nur dann erfüllt, wenn der Kläger den Kaufvertrag nicht abgeschlossen hätte, wenn er die Verwendung der Software gekannt hätte. Der Kläger trägt nicht vor, dass seine Kaufentscheidung gerade von einem bestimmten Ausstoß an Stickoxiden im Prüfbetrieb abhing. Es ist davon auszugehen, dass dieser Umstand für die Kaufentscheidung überhaupt keine Rolle spielte. Für den Endkunden kommt es im Zusammenhang mit den Emissionen eines Fahrzeugs allenfalls auf die Zertifizierung nach einer bestimmten Emissionsklasse an. Gerade diese Zertifizierung liegt bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug weiterhin vor. Es ist unstreitig, dass das Kraftfahrt-?Bundesamt die wirksame EG-?Typgenehmigung nicht aufgehoben hat. Es widerspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass die Emission von Stickoxiden im Prüfbetrieb bei der Kaufentscheidung einer natürlichen Person eine Rolle spielt.
Dies lässt sich auch zwanglos aus den vorgelegten Unterlagen ableiten. Aus der inhaltlichen Gestaltung des Schreibens vom 10.11.2015 geht hervor, dass die Abgasthematik vordergründig als Grund für den Rücktritt vom Kaufvertrag herangezogen wurde. Der Kläger trägt vor, dass es sich um ein sogenanntes „Montags- bzw. Zitronenauto“ handle und dies deshalb umso mehr, als es aller Voraussicht nach im Rahmen der Beseitigung des Mangels betreffend den Abgasskandal zu einer Leistungseinbuße verbunden mit einem Mehrverbrauch kommen werde. „Höchstvorsorglich und gleichzeitig“ wird die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung erklärt. Weitere Ausführungen hierzu finden sich nicht.
Hinzu kommt, dass zwischen den Parteien unstreitig ist, dass der Zeuge S das Fahrzeug seines Vaters (ausschließlich) nutzte. Es ist davon auszugehen, dass der Kläger sich demnach überhaupt keine Vorstellung von dem Ausstoß der Stickoxide im Prüfbetrieb bei seiner Kaufentscheidung gemacht hat. Er sollte das Fahrzeug ohnehin nicht nutzen. …