1. Fehlen vertragliche Vereinbarungen der Parteien eines Kfz-Kaufvertrages über den Erfüllungsort der Nacherfüllung, so ist jedenfalls der Erfüllungsort der Nachbesserung regelmäßig an dem Ort anzusiedeln, an dem der Verkäufer seine gewerbliche Niederlassung hat. Denn die Nachbesserung eines Kraftfahrzeugs erfordert in der Regel technisch aufwendige Diagnose- oder Reparaturarbeiten, die wegen der dort vorhandenen materiellen und personellen Möglichkeiten sinnvoll nur am Betriebssitz des Verkäufers vorgenommen werden können (im Anschluss an OLG München, Urt. v. 20.06.2007 – 20 U 2204/07, NJW 2007, 3214).
  2. Dass der Käufer mit dem Fahrzeug eine erhebliche Strecke zurücklegen oder es sogar zum Betriebssitz des Händlers transportieren lassen muss, befreit ihn nicht von der Obliegenheit, dem Verkäufer das Fahrzeug zur Überprüfung erhobener Mängelrügen zur Verfügung zu stellen. Ebenso ist das gegebenenfalls vom Käufer zu tragende Risiko, Aufwendungen mangels Erforderlichkeit nicht vom Verkäufer ersetzt zu bekommen, keine erhebliche Unannehmlichkeit i. S. des Art. 3 III der Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie.

AG Meppen, Urteil vom 25.07.2016 – 3 C 314/16
(nachfolgend: LG Osnabrück, Beschluss vom 13.10.2016 – 8 S 347/16)

Sachverhalt: Der Kläger erwarb von den Beklagten mit schriftlichem Kaufvertrag vom 19.12.2015 einen VW Beetle und einen Satz Winterreifen zum Preis von 50 €/Reifen.

Mit Anwaltsschreiben vom 29.02.2016 ließ er die Beklagten zur Beseitigung von ihm behaupteter und im Einzelnen aufgelisteter Mängel auffordern. Die Beklagten erwiderten, der Kläger habe das streitgegenständliche Fahrzeug zu ihnen nach Berlin zu bringen. Hierauf antworteten die späteren Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 09.03.2016, dass die Beklagten alle zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen zu tragen hätten und sich deshalb auch um den Transport des Fahrzeugs kümmern müssten.

Nachdem die Beklagten darauf nicht reagiert hatten, erklärte der Kläger mit Schreiben vom 05.04.2016 den Rücktritt vom Kaufvertrag.

Die auf die Rückabwicklung dieses Vertrages gerichtete Klage hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Die Voraussetzungen für den vom Kläger erklärten Rücktritt lagen im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung nicht vor.

Das Recht eines Käufers, wegen Mängeln der Kaufsache nach §§ 437 Nr. 2, 440, 323 BGB vom Vertrag zurückzutreten, setzt nach dem in § 323 I BGB zum Ausdruck kommenden Vorrang der Nacherfüllung grundsätzlich voraus, dass der Käufer dem Verkäufer zuvor eine angemessene Frist zur Nacherfüllung nach § 439 BGB gesetzt hat. Die Verpflichtung des Verkäufers zur Nacherfüllung ist allerdings auf die Vornahme der hierzu erforderlichen Handlungen am Erfüllungsort begrenzt (BGH, Urt. v. 13.04.2011 – VIII ZR 220/10, BGHZ 189, 196 Rn. 14).

Ausweislich des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages haben diese als Erfüllungsort den Sitz der Verkäufer, also der Beklagten, vereinbart. In dem schriftlichen Vertrag heißt es ausdrücklich … „Erfüllungsort beim Verkäufer“.

Zudem lässt die in § 439 I BGB verwendete Formulierung, wonach der Käufer im Rahmen der Nacherfüllung die „Lieferung“ einer mangelfreien Sache verlangen kann, nicht den Schluss zu, der Gesetzgeber habe hierdurch zum Ausdruck bringen wollen, dass die Nacherfüllung stets eine Bringschuld sei, deren Erfüllungsort beim Käufer liege (BGH, Urt. v. 13.04.2011 – VIII ZR 220/10, BGHZ 189, 196 Rn. 22).

Selbst wenn im vorliegenden Fall vertragliche Abreden über den Erfüllungsort gefehlt haben sollten, ist insoweit auf die Natur des Schuldverhältnisses abzustellen. Fehlen solche Anhaltspunkte, ist Erfüllungsort letztlich der Ort, an welchem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz bzw. seine gewerbliche Niederlassung hatte (BGH, Urt. v. 13.04.2011 – VIII ZR 220/10, BGHZ 189, 196 Rn. 29).

Beim Fahrzeugkauf von einem Händler erfordern Nachbesserungsarbeiten in der Regel technisch aufwendige Diagnose- oder Reparaturarbeiten des Verkäufers, die wegen der dort vorhandenen materiellen und personellen Möglichkeiten sinnvoll nur am Betriebssitz des Händlers vorgenommen werden können (BGH, Urt. v. 13.04.2011 – VIII ZR 220/10, BGHZ 189, 196 Rn. 19; OLG München, Urt. v. 20.06.2007 – 20 U 2204/07, NJW 2007, 3214 [3215]).

Die Obliegenheit eines Käufers, im vorliegenden Fall also des Klägers, vor der Geltendmachung der in § 437 Nr. 2 und Nr. 3 BGB aufgeführten Rechte ein Nacherfüllungsverlangen an den Verkäufer zu richten, beschränkt sich nicht auf eine mündliche oder schriftliche Aufforderung zur Nacherfüllung, sondern umfasst auch die Bereitschaft des Käufers, dem Verkäufer die Kaufsache zur Überprüfung der erhobenen Mängelrügen für eine entsprechende Untersuchung zur Verfügung zu stellen. Der Verkäufer ist nicht verpflichtet, sich auf ein Nacherfüllungsverlangen des Käufers einzulassen, bevor ihm dieser nicht die Gelegenheit zu einer solchen Untersuchung der Kaufsache gegeben hat (BGH, Urt. v. 10.03.2010 – VIII ZR 310/08, NJW 2010, 1448 Rn. 12; Urt. v. 01.06.2015 – VIII ZR 226/14, NJW 2015, 3455 Rn. 30).

Irrelevant ist dabei, dass der Kläger bei dieser Zurverfügungstellung des Fahrzeugs zum Zwecke der Nachbesserung mit dem Fahrzeug eine erhebliche Strecke zurücklegen müsste, gegebenenfalls das Fahrzeug sogar transportieren lassen muss. Auch das gegebenenfalls vom Käufer zu tragende Risiko, selbst verauslagte Transportkosten mangels Erforderlichkeit nicht vom Verkäufer ersetzt zu bekommen, stellt keine erhebliche Unannehmlichkeit dar. Der Käufer kann entweder einen Vorschuss auf die Transportkosten verlangen oder den Verkäufer vorab darüber informieren, welche Art des Transports er beabsichtigt und welche Kosten voraussichtlich entstehen. Bietet dann der Verkäufer keine günstigere Alternative an, so kann er einem Ersatzanspruch des Käufers später nicht entgegenhalten, die von diesem aufgewendeten Kosten seien nicht erforderlich gewesen (BGH, Urt. v. 13.04.2011 – VIII ZR 220/10, BGHZ 189, 196 Rn. 44).

Der Kläger war somit verpflichtet, den Beklagten das Fahrzeug zwecks Überprüfung der von ihm gerügten Mängel an deren Sitz in Berlin zur Verfügung zu stellen, gegebenenfalls es nach Berlin zu expedieren.

Diese vom BGH festgelegte Obliegenheit des Klägers steht auch nicht im Widerspruch zu Erwägungsgrund 10 der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.05.1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter. Nach dieser Regelung ist lediglich festgelegt, dass der Verbraucher das Recht haben muss, die unentgeltliche Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Gutes zu verlangen. Dieses Recht war dem Kläger durch den Vertrag und auch durch das Verhalten der Beklagten nicht genommen; er hätte sein Nachbesserungsrecht dadurch ausüben können und müssen, dass er das Fahrzeug zu den Beklagten nach Berlin brachte und dort die Überprüfung ermöglichte.

Da der Kläger somit seiner Verpflichtung nicht nachgekommen ist, geht der von ihm erklärte Rücktritt vom Kaufvertrag ins Leere und ist somit unwirksam. Ob bei einer erneuten Mängelrüge und Zurverfügungstellung des Fahrzeugs in Berlin dem Kläger die Gewährleistungsrechte noch zustehen, war im vorliegenden Falle nicht zu entscheiden …

Hinweis: Mit Beschluss vom 13.10.2016 – 8 S 347/16 – hat das LG Osnabrück darauf hingewiesen, dass es beabsichtige, die Berufung des Klägers nach § 522 II ZPO zurückzuweisen, da sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg habe. In dem Hinweisbeschluss heißt es unter anderem:

„Nach Auffassung der Kammer hat das Amtsgericht die Klage zu Recht abgewiesen. Begründete Zweifel an der Auffassung des Amtsgerichts, dass die Voraussetzungen für den vom Kläger erklärten Rücktritt zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung nicht Vorlagen, bestehen nicht.

Zu Recht ist das Amtsgericht unter Hinweis auf die insofern einschlägige Entscheidung des BGH (Urt. v. 13.04.2011 – VIII ZR 220/10, BGHZ 189, 196) davon ausgegangen, dass die Verpflichtung der Beklagten zur Nacherfüllung auf die Vornahme der hierzu erforderlichen Handlungen am Erfüllungsort begrenzt ist und der Erfüllungsort hier nicht der Wohnsitz des Klägers ist, sondern derjenige der Verkäufer/der Beklagten.

Da der Erfüllungsort der Nacherfüllung im Kaufrecht des BGB keine eigenständige Regelung erfahren hat, gilt für seine Bestimmung in Ansehung der zitierten Entscheidung des BGH die allgemeine Vorschrift des § 269 I BGB. Danach sind in erster Linie die von den Parteien getroffenen Vereinbarungen entscheidend. Fehlen vertragliche Abreden über den Erfüllungsort, ist auf die jeweiligen Umstände, insbesondere die Natur des Schuldverhältnisses, abzustellen. Lassen sich auch hieraus keine abschließenden Erkenntnisse gewinnen, ist der Erfüllungsort an dem Ort anzusiedeln, an welchem der Verkäufer zum Zeitpunkt der Entstehung Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz oder seine gewerbliche Niederlassung hat.

Wie der BGH ausgeführt hat, gehören zu den beim Fehlen vertraglicher Vereinbarungen maßgebenden Umständen die Ortsgebundenheit und die Art der vorzunehmenden Leistung, die Verkehrssitte, örtliche Gepflogenheiten und eventuelle Handelsbräuche. Somit kann selbst im Hinblick auf die dogmatische Verwandtschaft von Erfüllungs- und Nacherfüllungsanspruch nicht stets der Erfüllungsort des Anspruchs aus § 433 I 1 BGB auch als Erfüllungsort der Nacherfüllung angesehen werden. Umgekehrt kann der Erfüllungsort der Nacherfüllung beim Kaufvertrag nicht generell mit dem Belegenheitsort der beweglichen Sache gleichgesetzt werden. Auch ist für die Ermittlung des Erfüllungsortes nicht allein der Umstand entscheidend, dass die Kaufsache nach Abschluss des Kaufvertrags dem Käufer übergeben wurde und sich daher — für beide Vertragsparteien vorhersehbar – bestimmungsgemäß nicht mehr beim Verkäufer befindet.

Vielmehr hat die Bestimmung des Erfüllungsortes nach § 269 I BGB unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu erfolgen, um damit auch den Anforderungen von Art. 3 der Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie Genüge zu tun, wenngleich – worauf der BGH ausdrücklich hingewiesen hat – die Richtlinie es gerade nicht erfordert, als Erfüllungsort der Nacherfüllung stets den Belegenheitsort der Sache anzusehen.

Entgegen der Auffassung des Klägers folgt auch aus der Regelung des § 439 II BGB keine Einschränkung für eine Bestimmung des Erfüllungsortes der Nacherfüllung. Denn die Regelungen über die Kostentragungspflicht sagen nichts darüber aus, an welchem Ort der Erfüllungsort für Nacherfüllungsansprüche anzusiedeln ist. Die Kostentragungspflicht des Verkäufers wird durch die Lage des Erfüllungsortes nicht berührt. Erfordert die Nacherfüllung, dass der Käufer die Kaufsache zum Verkäufer bringt oder versendet, fallen die Transport- oder Versandkosten zwar beim Käufer an. Er kann jedoch gestützt auf § 439 II BGB bei berechtigten Gewährleistungsansprüchen vom Verkäufer deren Erstattung verlangen. Angesichts des Schutzzwecks der Unentgeltlichkeit kommt zudem auch ein Vorschussanspruch des Verbrauchers aus § 439 II BGB in Betracht. Rückschlüsse auf den Nacherfüllungsort lässt dies aber gerade nicht zu.

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung kann letztlich dahinstehen, ob schon aus der einzelvertraglichen ‚besonderen‘ Vereinbarung, wonach der „Erfüllungsort beim Verkäufer“ liegen soll, folgt, dass Erfüllungsort für die Nachbesserung der Sitz der Niederlassung der Beklagten ist. Hieran bestehen insofern Zweifel, als bei Abschluss des Kaufvertrages die Parteien offensichtlich primär davon ausgingen, damit den Erfüllungsort für die beiderseitigen Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag zu regeln. Daraus kann wohl nicht ohne Weiteres geschlossen werden, dass auch für infolge von Mängeln gegebenenfalls bestehende Gewährleistungsansprüche als Erfüllungsort der Sitz der Verkäuferin vereinbart werden sollte.

Darauf kommt es aber hier letztlich nicht entscheidend an, da auch unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls die Nachbesserung an der Niederlassung der Beklagten erfolgen muss, der Kläger somit verpflichtet gewesen wäre, das Fahrzeug nach Berlin zu verbringen.

Dabei ist aufseiten des Klägers zu berücksichtigen, dass er eine größere Entfernung zu überwinden hat. Zudem kommt ein gewisser zeitlicher Aufwand auf ihn zu. Allerdings ist hierbei auch zu berücksichtigen, dass für den Abschluss des Kaufvertrages der Kläger offenbar den Weg nach Berlin auch nicht gescheut hat und auch hier sicherlich das Risiko eingegangen ist, sich nach Berlin zu begeben, ohne sicher sein zu können, das Fahrzeug auch tatsächlich zu erwerben.

Aufseiten der Beklagten ist zu berücksichtigen, dass der Kläger diverse Mängel behauptet, deren Feststellung speziell geschultes Personal und möglicherweise auch spezielle Geräte, zum Beispiel zur Diagnose von Fehlern in der Elektronik, erfordert. Sollten Mängel vorliegen, hätte dies Reparaturmaßnahmen zur Folge, die sicherlich nicht bei dem Kläger vor Ort erledigt werden können.

Zudem darf auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass es sich bei der Kaufsache um ein Kraftfahrzeug handelt, dessen Sinn gerade darin besteht, als Transportmittel verwendet zu werden. Das hat aber zur Folge, dass möglicherweise entstehende Nachbesserungsansprüche nicht allein nur am Wohnsitz des Käufers entstehen könnten, sondern praktisch überall dort, wohin man mit dem Fahrzeug fährt.

Bei einer Gesamtbetrachtung kann deshalb nach Auffassung der Kammer nicht festgestellt werden, dass die mit der Nacherfüllung verbundenen Unannehmlichkeiten aufseiten des Klägers die Erheblichkeitsschwelle der Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie überschreiten.

Zu Recht ist deshalb das Amtsgericht zu dem Schluss gekommen, dass der Kläger seiner Verpflichtung nicht nachgekommen ist und der von ihm erklärte Rücktritt des Kaufvertrages ins Leere geht bzw. somit unwirksam ist. Ob bei einer erneuten Mängelrüge und Zurverfügungstellung des Fahrzeugs in Berlin dem Kläger Gewährleistungsansprüche noch zustehen, ist in der Tat im Rahmen dieses Klageverfahrens nicht zu entscheiden.“

Die Berufung hat das Landgericht Osnabrück sodann mit Beschluss vom 08.11.2016 – 8 S 347/16 – zurückgewiesen zur Begründung auf die Ausführungen im Beschluss vom 13.10.2016 Bezug genommen.

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