- Ein vom VW-Abgasskandal betroffenes Fahrzeug weist einen zum Rücktritt berechtigenden Mangel auf, wenn die Kaufvertragsparteien hinsichtlich seiner Stickoxid-Emissionen eine Beschaffenheitsvereinbarung (§ 434 I 1 BGB) getroffen haben und das Fahrzeug die vereinbarten „Laborwerte“ nur deshalb einhält, weil eine Software die Abgasaufbereitung optimiert, sobald das Fahrzeug einem Emissionstest unterzogen wird.
- Der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs, der dem Verkäufer eine Frist zur Nachbesserung setzt, muss hinsichtlich der Länge dieser Frist zwar insbesondere berücksichtigen, dass der Verkäufer ohne die Hilfe der Volkswagen AG zu einer Nachbesserung gar nicht in der Lage ist. Es kann dem Käufer aber nicht zum Nachteil gereichen, dass die Volkswagen AG millionenfach Fahrzeuge manipuliert hat und es mehr als ein Jahr dauert, die Manipulationen rückgängig zu machen. Eine Nachbesserungsfrist von zwei Monaten ist deshalb ausreichend.
- Bei der Beurteilung, ob der Mangel, der einem vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeug anhaftet, erheblich ist, kann nicht nur darauf abgestellt werden, dass die eigentliche Mangelbeseitigung einen Zeitaufwand von rund einer Stunde und einen Kostenaufwand von weniger als 100 € erfordert. Vielmehr ist auch zu berücksichtigen, dass die technische Vorbereitung der beabsichtigten Mangelbeseitigung fast ein Jahr beansprucht und das Kraftfahrt-Bundesamt die beabsichtigten Maßnahmen genehmigen muss.
- Die zu erwartende Gesamtlaufleistung eines Dieselfahrzeugs eines namhaften Herstellers (hier: Volkswagen) beträgt mindestens 250.000 km.
LG Lüneburg, Urteil vom 02.06.2016 – 4 O 3/16
Sachverhalt: Der Kläger begehrt die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen Neuwagen (VW Passat 1.6 TDI), den er von der Beklagten zu 1 erworben hat und der vom VW-Abgasskandal betroffen ist. Zur Finanzierung eines Teils des Kaufpreises schloss der Kläger mit der Beklagten zu 2 einen Darlehensvertrag.
Am 31.10.2013 erstellte die Beklagte zu 1 ein „individuelles Angebot“ für den Kläger: Sie bot ihm einen – näher beschriebenen – VW Passat Variant 1.6 TDI mit BlueMotion-Technologie in der Ausstattungsvariante „Comfortline“ für 28.900 € an. In dem Angebot wird unter der Überschrift „Technische Daten“ unter anderem ausgeführt, dass das Fahrzeug der Emissionsklasse „Euro 5“ angehöre. Außerdem finden sich folgende Angaben:
Stickoxide (NOX) | 110,2 mg/km | |
CO2-Emissionen kombiniert | 116,0 g/km | |
Kraftstoffverbrauch innerorts | 5,3 l/km | |
Kraftstoffverbrauch außerorts | 4,0 l/km | |
Kraftstoffverbrauch kombiniert | 4,4 l/km |
Das Thema „Emissionswerte des Fahrzeugs“ war nicht ausdrücklich Gegenstand der Gespräche, die der Kläger und die Beklagte zu 1 im Vorfeld des Vertragsschlusses führten.
Auf der Grundlage des Angebots vom 31.10.2013 schlossen der Kläger und die Beklagte zu 1 am selben Tag einen Kaufvertrag. Den Kaufpreis zahlte der Kläger in Höhe von 3.800 € in bar, während er für 8.700 € sein Altfahrzeug bei der Beklagten zu 1 in Zahlung gab. Den restlichen Kaufpreis in Höhe von 16.400 € finanzierte der Kläger, indem er mit der Beklagten zu 2 einen – von der Beklagten zu 1 vermittelten – Darlehensvertrag schloss.
Der streitgegenständliche VW Passat wurde am 12.02.2014 an den Kläger ausgeliefert.
Das Fahrzeug verfügt über einen Dieselmotor des Typs VW EA189. Diesen hat die Fahrzeugherstellerin, die Volkswagen AG, mit einer Software kombiniert, die erkennt, ob sich das Fahrzeug zur Ermittlung der Emissionswerte auf einem Prüfstand befindet. Dann ist der Stickoxid-Ausstoß geringer als im Normalbetrieb, und ohne die Software, die eine Prüfsituation erkennt, wären die Stickoxid-Emissionen auf dem Prüfstand höher als im Angebot vom 31.10.2013 angegeben.
In die betroffenen Fahrzeuge – die ein Softwareupdate erhalten sollen – will die Volkswagen AG sogenannte Strömungstransformatoren einbauen, um das Problem der zu hohen Abgaswerte zu beheben. Die Entwicklung ist allerdings für das streitgegenständliche Fahrzeugmodell noch nicht abgeschlossen. Gleichwohl ist das Fahrzeug ohne Einschränkungen fahrbereit und verkehrssicher, und auch die EG-Typgenehmigung wurde nicht entzogen.
Mit Anwaltsschreiben vom 09.11.2015 forderte der Kläger die Beklagte zu 1 auf, mit ihm bis zum 19.11.2015 einen Termin zur Nachbesserung zu vereinbaren und die Nachbesserung bis zum 30.11.2015 abzuschließen.
In einem Schreiben vom 19.11.2015 lehnte die Beklagte zu 1 eine Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs ab und teilte dem Kläger unter anderem Folgendes mit:
„Zudem werden Fahrzeuge mit den Dieselmotoren des Typs EA189 nach Abstimmung mit dem Kraftfahrt-Bundesamt auf Kosten von Volkswagen eine technische Lösung erhalten. Volkswagen hat am 07.10.2015 dem Kraftfahrt-Bundesamt einen Maßnahmenplan vorgelegt. Dieser sieht vor, dass die notwendigen technischen Lösungen entwickelt werden. Die Volkswagen AG wird so bald wie möglich näher über den Zeitplan und die erforderlichen Maßnahmen informieren. Wir versichern Ihrem Mandanten, dass Volkswagen mit Hochdruck an diesen Lösungen arbeitet und Sie schnellstmöglich über die geplanten Maßnahmen unterrichtet werden. In der Zwischenzeit bitten wir Ihren Mandanten um Geduld und Verständnis dafür, dass Volkswagen alle notwendigen Schritte mit dem gebotenen Tempo, aber auch mit der Gründlichkeit angeht, die er jetzt erwarten darf.“
Mit anwaltlichem Schreiben vom 25.11.2015 erklärte der Kläger daraufhin den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte die Rückzahlung von 12.176 € [richtig: 12.416 €] Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs. Den verlangten Betrag errechnete der Kläger wie folgt:
Kaufpreis (bar gezahlter Betrag) | 3.800 € | |
Wert des in Zahlung gegebenen Altfahrzeugs | + | 8.700 € |
geleistete Darlehensraten (März 2014 bis Dezember 2015) | + | 5.280 € |
Nutzungsentschädigung | − | 5.364 € |
Gesamtforderung | 12.416 € |
Die Höhe der Nutzungsentschädigung ermittelte der Kläger, indem er die bisherige Laufleistung des Fahrzeugs (45.000 km) ins Verhältnis zu einer angenommenen Gesamtlaufleistung von 250.000 km setze. Damit ergab sich, dass er eine Nutzungsentschädigung von 5.364 € [richtig: 5.202 €] schuldete.
Der Kläger behauptet, er habe das streitgegenständliche Fahrzeug gekauft, weil es ein besonders umweltfreundliches Dieselfahrzeug sei. Zudem seien neben den Stickoxidwerten, die auch im Realbetrieb höher als angegeben seien, „wohl auch“ die CO2-Werte deutlich höher als in dem Angebot der Beklagten zu 1 angegeben. Außerdem würden sich die Entwicklungskosten des nötigen Softwareupdates auf einen mindestens zweistelligen Millionenbetrag belaufen, und der „VW-Skandal“ habe zu einem Vertrauensverlust der Bevölkerung geführt. Dadurch sei ein Weiterverkauf des Fahrzeugs selbst mit Softwareupdate nur mit finanziellen Einbußen möglich.
Die Klagte hatte größtenteils Erfolg.
Aus den Gründen: A. Die Klage ist zulässig.
Insbesondere besteht … das gemäß § 256 I ZPO erforderliche Feststellungsinteresse hinsichtlich der Feststellungsklage gegen die Beklagte zu 2. Zwar ist es zutreffend, dass es sich bei dem Kaufvertrag und dem Darlehensvertrag um ein verbundenes Geschäft handelt, sodass der Kläger gegenüber der Beklagten zu 2 gemäß § 359 BGB ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen kann. Dies schließt jedoch nicht das Interesse des Klägers an der Feststellung aus, dass der Beklagten zu 2 aus dem Darlehensvertrag keine Zahlungsansprüche gegen den Kläger zustehen. Denn nur durch eine Feststellungsklage kann der Kläger erreichen, dass mit Rechtskraft auch gegenüber der Beklagten zu 2 festgestellt wird, dass dieser keine Zahlungsansprüche aus dem Darlehensvertrag zustehen. Anderenfalls ist es nicht ausgeschlossen, dass die Beklagten zu 2 den Kaufvertrag weiterhin als wirksam ansieht und den Kläger auf Zahlung der Darlehensraten in Anspruch nimmt.
Soweit die Beklagte zu 2 in der Klageerwiderung erklärt hat, es sei nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen, dass die Beklagte zu 2 eine rechtskräftige Entscheidung im Verhältnis des Klägers zu der Beklagten zu 1 nicht akzeptieren wird, entfällt durch diese Erklärung nicht das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers. Denn es handelt sich insoweit nicht um eine rechtsverbindliche Erklärung der Beklagten zu 2.
B. Die … Klage hat bis auf einen geringen Teil der Nebenforderungen auch in der Sache Erfolg.
1. Dem Kläger steht ein Anspruch gegen die Beklagte zu 1 auf Rückzahlung von 12.416 € Zug um Zug gegen Rückübereignung des Fahrzeugs nebst Zubehör gemäß §§ 346 I, 437 Nr. 2, 434 I 1, 440, 323 BGB zu.
Nach diesen Vorschriften kann ein Käufer vom Kaufvertrag zurücktreten, wenn die Kaufsache bei Gefahrübergang einen Sachmangel aufwies, der Käufer dem Verkäufer erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat und der Mangel nicht unerheblich ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
a) Sachmangel
Das von dem Kläger von der Beklagten zu 1 erworbene Fahrzeug wies zum Zeitpunkt der Übergabe an den Kläger am 12.02.2014 einen Sachmangel auf, da jedenfalls die Stickoxidwerte (NOX) negativ von den vereinbarten Schadstoffwerten abweichen.
Die Parteien haben vertraglich vereinbart, dass das Fahrzeug lediglich 110,2 mg/km an Stickoxiden ausstößt. Dies ergibt sich aus dem individuellen Angebot, das die Beklagte zu 1 für den Kläger erstellt hat. Dieses Angebot haben die Parteien zur Grundlage des Kaufvertrages gemacht. Dabei ist es unerheblich, dass bei den Gesprächen zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1 im Vorfeld des Vertragsabschlusses das Thema Emissionswerte nicht ausdrücklich Gegenstand der Erörterung gewesen ist. Denn die Beklagte zu 1 hat in das für den Kläger individuell erstellte Angebot nicht nur die konkrete Beschreibung der Ausstattung des Fahrzeugs aufgenommen, sondern auch die konkreten Emissionswerte. Dieses Angebot hat der Kläger angenommen.
Dass das Angebot der Beklagten zu 1 auch ausdrücklich zum Vertragsbestandteil gemacht worden ist, ergibt sich daraus, dass in der „Verbindlichen Volkswagen-Bestellung“ vom 31.10.2013 auf das Angebot … Bezug genommen wird. Es handelt sich daher bei den Angaben der technischen Daten in dem individuellen Angebot für den Kläger entgegen der Auffassung der Beklagten zu 1 nicht um eine bloße Darstellung des Herstellers in Prospekten, Werbung oder Ähnlichem, sondern um eine vertragliche Beschaffenheitsvereinbarung i. S. des § 434 I 1 BGB.
Der tatsächliche Ausstoß von Stickoxiden weicht von dieser vertraglichen Vereinbarung von 110,2 mg/km negativ ab, wobei allein auf die Abweichung der Emissionswerte unter Laborbedingungen abzustellen ist. Denn es ist allgemein bekannt, dass Emissionswerte unter Laborbedingungen und nicht unter realen Bedingungen ermittelt werden (vgl. beispielsweise OLG Hamm, Urt. v. 08.06.2015 – I-2 U 163/14, juris). Dementsprechend ist auch die Angabe in dem Angebot der Beklagten zu 1 auszulegen.
Von der vertraglichen Vereinbarung des Klägers und der Beklagten zu 1, dass das Fahrzeug in dem Prüfstand, bei normalem – nicht manipulierten – Motorbetrieb Emissionswerte von 110,2 mg/km Stickoxiden erreicht, wich das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Übergabe ab. Bereits aufgrund des Schreibens der Volkswagen AG steht fest, dass die Stickoxidwerte durch eine Software im Prüfstandslauf optimiert werden. Lediglich durch diese in das Fahrzeug eingebaute Software konnte erreicht werden, dass die vertraglich vereinbarten Stickoxid-Emissionswerte eingehalten werden. Ohne die in das Fahrzeug eingebrachte Software, die erkennt, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand zur Ermittlung der Emissionswerte und -klasse oder im üblichen Straßenverkehr befindet, und die dann, wenn sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand befindet, ein anderes Motorprogramm abspielt, würden jedenfalls die vertraglich vereinbarten Stickoxidwerte nicht eingehalten werden. Dies begründet einen Sachmangel des Fahrzeugs.
Die Kammer folgt auch nicht der Auffassung der Beklagten zu 1, dass die derzeit im Fahrzeug des Klägers noch vorhandene Steuerungstechnik nur dann einen Sachmangel begründen könnte, wenn es sich bei ihr um eine unzulässige Abschalteinrichtung handeln würde. Auf die Frage, ob in das Fahrzeug eine Abschalteinrichtung eingebaut wurde, kommt es vorliegend nicht an. Entscheidungserheblich ist lediglich, dass das Fahrzeug ohne die verwendete Software auch im Prüfstandslauf die vertraglich vereinbarten Stickoxidwerte nicht einhalten würde und mithin nicht die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit aufweist.
b) Angemessene Nachfrist
Dem Rücktritt des Klägers steht auch nicht entgegen, dass der Kläger der Beklagten zu 1 keine – zureichende – Frist zur Leistung bzw. Nacherfüllung (§ 323 I BGB) gesetzt hätte. Der Kläger ist zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt, da die Beklagte zu 1 eine angemessene Frist zur Nachbesserung ungenutzt hat verstreichen lassen (§ 323 I BGB).
Gemäß §§ 437 Nr. 3, 323 I BGB setzt der Rücktritt des Käufers wegen eines behebbaren Mangels voraus, dass der Käufer dem Verkäufer vor dem Rücktritt erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung bestimmt hat. Sofern der Käufer eine zu kurze Frist gesetzt hat, ist diese nicht wirkungslos, sondern setzt lediglich eine objektiv angemessene Frist in Lauf (vgl. BGH, Urt. v. 21.06.1985 – V ZR 134/84, NJW 1985, 2640).
Die von dem Kläger der Beklagten zu 1 mit Schreiben vom 09.11.2015 gesetzte Frist von drei Wochen zur Nachbesserung ist unter Berücksichtigung der Gesamtumstände zu knapp bemessen.
Mangels konkreter Parteivereinbarung richtet sich die Bewertung der Angemessenheit nach objektiven Maßstäben. Die Angemessenheit der Frist bestimmt sich nach den Umständen des konkreten Vertrages, wobei die Interessen beider Vertragsparteien zu berücksichtigen sind, sowie nach der Art der zu erbringenden Leistung und der Verkehrsanschauung. Bezieht der Verkäufer seiner Waren seinerseits von einem Hersteller, so richtet sich die Angemessenheit der Frist danach, mit welchem organisatorischen Aufwand die zur Nacherfüllung erforderlichen Ersatzteile beschafft werden können. Ebenso ist im Rahmen der Angemessenheit zu berücksichtigten, ob die Reparaturdienstleistung an dem Fahrzeug nur mithilfe eines Dritten erbracht werden kann.
Vorliegend ist bei der Angemessenheit der Frist zur Nacherfüllung zu berücksichtigen, dass die Beklagte zu 1 allein gar nicht in der Lage gewesen ist, den Mangel zu beseitigen, sondern dass diese darauf angewiesen ist, von der Volkswagen AG das erforderliche Softwareupdate und den Strömungstransformator zu erhalten. Ferner ist zu berücksichtigen, dass das Fahrzeug des Klägers durch die verwendete „Manipulations-Software“ in seinen Fahreigenschaften nicht beeinträchtigt und weiterhin verkehrssicher ist. Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass sich die Angemessenheit der Frist vorrangig nach dem Interesse des Käufers richtet, der gerade bei Alltagsgeschäften die kurzfristige Reparatur oder den sofortigen Austausch der mangelhaften Sache beanspruchen kann (vgl. BT-Drs. 10/6040, S. 234). Auch kann es nicht zum Nachteil des Klägers gereichen, dass der Hersteller zunächst millionenfach eine manipulative Software in seine Fahrzeuge einbaut und sich die Händler dann zum Nachteil der Käufer darauf zurückziehen, dass es Monate bzw. mehr als ein Jahr dauert, um diese Manipulation zu beheben.
Zum Zeitpunkt der Zustellung der Klage am 13.01.2016, mit der der Kläger erneut den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt hat, stand der Beklagten zu 1 eine Nachbesserungsfrist von zwei Monaten zur Verfügung, die sie ungenutzt hat verstreichen lassen. Auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Falles bedurfte es keiner längeren Nachbesserungsfrist als zwei Monate. Eine längere Frist ist nach Überzeugung der Kammer mit der gesetzgeberischen Grundentscheidung zur Kaufgewährleistung im Allgemeinen und dem Verbrauchsgüterkauf im Besonderen auch unter Berücksichtigung der hier vorliegenden besonderen Umstände nicht mehr vereinbar. Das Kaufrecht ist – gerade für Verbraucher – auf eine zeitnahe Regulierung von Gewährleistungsrechten ausgerichtet. Dies gilt auch für das Nachbesserungsrecht des Verkäufers. Der Gesetzgeber verfolgt damit sowohl die Gewährung effektiver Gewährleistungsrechte als auch die zeitnahe Herbeiführung von Rechtsfrieden. Dies zeigt sich insbesondere an der verkürzten Verjährungsfrist von zwei Jahren ab Ablieferung der Sache.
Unabhängig davon hat die Beklagte zu 1 selbst zum jetzigen Zeitpunkt, mithin über sechs Monate nach der Aufforderung des Klägers zur Mängelbeseitigung, noch immer keine Nachbesserung durchgeführt. Eine solche Nachbesserung ist der Beklagte zu 1 auch derzeit noch unmöglich, da ihr von der Volkswagen AG noch immer nicht das erforderliche Softwareupdate zur Verfügung gestellt worden ist.
Soweit die Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu 1 in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, sie gehe davon aus, dass das Fahrzeug des Klägers im Jahre 2016 nachgebessert werden soll, so handelt es sich insoweit lediglich um eine Vermutung. Einen konkreten Zeitplan gibt es insoweit jedenfalls noch nicht. Auch lässt sich den Presseveröffentlichungen entnehmen, dass die Volkswagen AG mit der Nachbesserung des 1,6-Liter-EA189-Motors erhebliche Probleme hat und das von ihr vorgelegte Sanierungskonzept für diesen Motortyp vom Kraftfahrt-Bundesamt gerade nicht gebilligt worden ist, weil nicht sichergestellt ist, dass nach der Beseitigung der Manipulations-Software keine negativen Auswirkungen auf die Emissionswerte, den Kraftstoffverbrauch und die Leistung zu erwarten sind.
Soweit die Beklagte zu 1 den Standpunkt vertritt, für den Kläger spiele es letztlich keine Rolle, wann das Fahrzeug von der Manipulations-Software befreit wird, da das Fahrzeug keine konkrete Gebrauchsbeeinträchtigung aufweist, und die Beklagte zu 1 mithin auch eine Nachbesserungsfrist von 15 Monaten (September 2015 bis Dezember 2016) für angemessen hält, teilt die Kammer diese Rechtsauffassung nicht. Die Beklagte zu 1 übersieht hierbei, dass eine derartig lange Nachbesserungsfrist mit dem Kaufrecht nicht vereinbar ist, zumal dem Fahrzeug eine vertraglich vereinbarte Beschaffenheit fehlt. Ferner geht die Kammer davon aus, dass das Fahrzeug derzeit – solange die Software-Manipulation nicht aus dem Fahrzeug entfernt worden ist – nur mit finanziellen Einbußen verkauft werden kann. Darüber hinaus hat der Kläger von der Beklagten zu 1 ein angeblich besonders umweltschonendes Fahrzeug erworben. Das Fahrzeug des Klägers ist mit der „BlueMotion-Technology“ ausgestattet, die in der Werbung und den Prospekten des Kfz-Herstellers als besonders umweltschonend angepriesen wird. Weil der Kläger ein besonders umweltschonendes Fahrzeug fahren wollte, hat der Kläger für die „BlueMotion-Technology“ auch einen Mehrpreis bezahlt. Auch vor diesem Hintergrund kann sich die Beklagte zu 1 nicht darauf zurückziehen, dass es für den Kläger unerheblich sei, wann das Fahrzeug die vertraglich vereinbarten Emissionswerte einhält, solange das Fahrzeug weiterhin fahrbereit ist.
c) Erhebliche Pflichtverletzung
Die Pflichtverletzung ist unter Würdigung der Umstände auch nicht unerheblich i. S. von § 323 V 2 BGB.
Die Erheblichkeitsprüfung nach § 323 V 2 BGB erfordert eine umfassende Interessenabwägung. Zu berücksichtigen sind vor allem der für die Mangelbeseitigung erforderliche Aufwand, aber auch die Schwere des Verschuldens des Schuldners, wobei der Verstoß gegen eine Beschaffenheitsvereinbarung die Erheblichkeit indiziert (Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl. [2016], § 323 Rn. 32). Die Beschaffenheitsvereinbarung hat nach der gesetzgeberischen Wertung gerade besonderes Gewicht. Zudem steht es dem Verkäufer frei, ob und in welchem Umfang er bestimmte Eigenschaften zum Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung oder Zusicherung macht und damit eine besondere Einstandspflicht übernimmt.
Vorliegend ist ein Verstoß gegen eine Beschaffenheitsvereinbarung gegeben, sodass die Erheblichkeit der Pflichtverletzung indiziert ist. Soweit die Beklagten zu 1 geltend macht, die Installation des Softwareupdates und der Einbau des Strömungstransformators dauere maximal eine Stunde und verursache Kosten in Höhe von circa 100 €, spricht dies nicht gegen die Erheblichkeit der Pflichtverletzung.
Für die Beurteilung der Frage, ob die in der Lieferung eines mangelhaften Fahrzeugs liegende Pflichtverletzung unerheblich ist und deswegen das Rücktrittsrecht des Käufers ausschließt, ist auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung abzustellen. Es nimmt dem erklärten Rücktritt nicht deshalb die Wirksamkeit, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass der zum Zeitpunkt des Rücktritts nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Aufwand behebbare Mangel mit verhältnismäßig geringem Kostenaufwand korrigiert werden kann (BGH, Urt. v. 15.06.2011 – VIII ZR 139/09, juris Rn. 9). Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe kann vorliegend nicht von einem unerheblichen Mangel ausgegangen werden.
Zum Zeitpunkt des Zugangs des Rücktritts in der Klageschrift am 13.01.2016 bestand für Beklagte zu 1 überhaupt nicht die Möglichkeit, den Mangel – mit welchem Arbeits- und Kostenaufwand auch immer – zu beheben. Denn der Beklagten 1 stand zu dieser Zeit das erforderliche Softwareupdate überhaupt nicht zur Verfügung, und sie selbst hatte auch unstreitig nicht die Möglichkeiten, ein solches zu entwickeln und dessen Zulassung zum Straßenverkehr zu erreichen.
Der Umstand, dass die Volkswagen AG für den 1,6-Liter-EA189-Motor am 13.01.2016 bereits ein Konzept entwickelt hatte, wie die Software-Manipulation rückgängig gemacht werden kann, ist unerheblich, denn hierbei handelt es sich lediglich um eine theoretische Lösungsmöglichkeit. Jedenfalls ist bis zum heutigen Tag noch kein Softwareupdate entwickelt worden, welches in dem Fahrzeug des Klägers zur Anwendung kommen könnte, ohne dass es zu einer Erhöhung der vertraglich vereinbarten Emissionswerte und des Kraftstoffverbrauchs kommt. Das Kraftfahrt-Bundesamt hat insoweit seine Zustimmung verweigert, sodass die Nachbesserung an den Fahrzeugen mit einem 1,6-Liter-EA189-Motor auch immer weiter hinausgezögert worden ist und bis zum heutigen Tag noch nicht begonnen hat. Vor diesem Hintergrund kann mithin nicht davon ausgegangen werden, dass die Kosten der Mangelbeseitigung bereits bekannt sind.
Unabhängig davon sind nach Auffassung der Kammer die Kosten für die Entwicklung des Softwareupdates bei der Frage der Erheblichkeit der Pflichtverletzung mitzuberücksichtigen. Soweit die Beklagte zu 1 vorträgt, die Durchführung der Mangelbeseitigung werde nur circa eine Stunde dauern und weniger als 100 € kosten, kann bei der Frage des Aufwands die eigentliche Durchführung nicht isoliert betrachtet werden. Für die technische Vorbereitung der beabsichtigten Mangelbeseitigung ist vorliegend nach dem Beklagtenvortrag für das streitgegenständliche Fahrzeug ein Vorlauf von fast einem Jahr erforderlich. Erst dann soll der Mangel innerhalb einer knappen Stunde behoben werden können. Es handelt sich daher offensichtlich nicht um eine einfache technische Maßnahme, die kurzfristig und ohne weitere Vorbereitungen hätte vorgenommen werden können.
Hinzu kommt, dass die Mangelbeseitigung hier nicht im Belieben der Beklagten zu 1 stand. Vielmehr musste der Hersteller nach dem Beklagtenvortrag hierfür zunächst die Genehmigung des Kraftfahrt-Bundesamtes einholen. Eine Mangelbeseitigungsmaßnahme, die der vorherigen behördlichen Prüfung und Genehmigung bedarf, ist aber ebenfalls nicht als unerheblich anzusehen.
d) Rücktritt
Eine Rücktrittserklärung des Klägers liegt vor. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 25.11.2015 und in der Klageschrift den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt.
e) Rückabwicklung
Aufgrund des wirksamen Rücktritts sind gemäß § 346 I BGB die empfangenen Leistungen zurückzugewähren.
Die Beklagte zu 1 ist daher zur Rückzahlung des von dem Kläger geleisteten Barbetrages in Höhe von 3.800 € verpflichtet. Ferner hat die Beklagte zu 1 dem Kläger das in Zahlung gegebene Fahrzeug herauszugeben. Da das Altfahrzeug des Klägers nicht mehr im Besitz der Beklagten zu 1 ist, hat diese gemäß § 346 II 1 Nr. 2 BGB für das Altfahrzeug Wertersatz zu leisten. Die Höhe des Wertersatzes bestimmt sich dabei gemäß § 346 II 2 Halbsatz 1 BGB mangels anderer Anhaltspunkte anhand des Wertes, den die Parteien dem Altfahrzeug beigemessen haben, mithin 8.700 €. Darüber hinaus kann der Kläger von der Beklagten zu 1 die bereits geleisteten 22 Darlehensraten in Höhe von jeweils 240 €, mithin 5.280 €, verlangen.
Auf die Gesamtforderung in Höhe von 17.780 € hat sich der Kläger eine Nutzungsentschädigung anrechnen zu lassen. Da es sich bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug um ein Dieselfahrzeug eines namhaften Herstellers handelt, schätzt die Kammer die Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs auf mindestens 250.000 km (so auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.01.2008 – I-1 U 152/07, NJW-RR 2008, 1199; OLG Schleswig, Urt. v. 02.10.2015 – 17 U 43/15). Der Kläger hat mit dem Fahrzeug eine Fahrstrecke von 45.000 km zurückgelegt. Nach der Rechtsprechung des BGH hat hinsichtlich der gezogenen Nutzungen eine lineare Abwälzung stattzufinden, sodass sich der Kläger einen Abzug in Höhe von 18 % (45.000 km : 250.000 km) vom vereinbarten Kaufpreises, mithin 5.364 € [richtig: 5.202 €], entgegenhalten lassen muss.
2. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten zu 1 einen Anspruch auf die Feststellung, dass sich die Beklagte zu 1 mit der Annahme des Fahrzeugs in Verzug befindet (§ 293 BGB).
Die Beklagte zu 1 befindet sich mit der Rücknahme des Fahrzeugs im Annahmeverzug. Da Leistungsort im Falle des Rücktritts gemäß §§ 437 Nr. 2, 440 BGB der Ort ist, an dem sich die Sache vertragsgemäß befindet (BGH, Urt. v. 09.03.1983 – VIII ZR 11/82, NJW 1983, 1479; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 06.01.2005 – 5 W 306/04, NJW 2005, 906 [907]), genügte gemäß § 295 BGB das „wörtliche“ Angebot des Klägers im Schreiben vom 25.11.2015 …
Soweit der Beklagten zu 1 in dem Schreiben zugestanden wurde, sich hinsichtlich des Rückgabetermins betreffend das Fahrzeug mit dem Kläger abzustimmen, steht dies einem wörtlichen Angebot gemäß § 295 BGB nicht entgegen, sondern räumt der Beklagten zu 1 lediglich das Recht ein, einen ihr genehmen Termin für die Abholung des Fahrzeuges zu vereinbaren.
Unschädlich ist der Umstand, dass der Kläger lediglich die Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs angeboten hat. Denn dieses Angebot ist gemäß §§ 133, 157 BGB dahin gehend auszulegen, dass der Kläger die vollständige Rückabwicklung des Kaufvertrages angeboten hat, mithin auch die Rückgabe und Rückübereignung des Zubehörs und der Winterreifen. Der Umstand, dass die Kammer in der mündlichen Verhandlung darauf hingewirkt hat, dass der Kläger den Klageantrag zu 1 auf das Zubehör erweitert, steht dem nicht entgegen. Durch den Hinweis sollte lediglich dem Umstand Rechnung getragen werden, dass im Falle der Zwangsvollstreckung der Gerichtsvollzieher den Umfang der Leistung, auf die sich die Zug-um-Zug-Verurteilung bezieht, genau bestimmen kann, ohne die Vertragsunterlagen hinzuziehen zu müssen.
3. Dem Kläger steht ferner ein Anspruch gegen die Beklagte zu 1 auf Freistellung von seinen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 526,58 € gemäß §§ 437 Nr. 3, 280 I BGB zu.
Die Beklagte zu 1 hat eine Pflicht aus dem Kaufvertrag verletzt, indem sie ein mangelhaftes Kfz geliefert hat. Dem Kläger ist ein Schaden durch die Verpflichtung zur Zahlung der Rechtsanwaltskosten entstanden. Davon kann er gemäß § 257 BGB Freistellung verlangen. Der Freistellungsanspruch richtet sich jedoch nur nach einem Gegenstandswert in Höhe von 13.036,80 €, da der Kläger gegen die Beklagte zu 1 nur Ansprüche in dieser Höhe gerichtlich geltend macht …
4. Der Zinsanspruch folgt aus § 291 BGB. Ein früherer Zinsbeginn ist nicht gegeben, da erst der mit der Klageschrift erklärte Rücktritt wirksam war.
5. Dem Kläger steht gegen die Beklagte zu 2 ein Anspruch auf Feststellung zu, dass dieser keine weiteren Zahlungsansprüche gegen den Kläger aus dem Darlehensvertrag vom 31.10.2013 zustehen.
Bei dem mit der Beklagten zu 2 geschlossenen Darlehensvertrag handelt es sich um einen mit dem Kaufvertrag verbundenen Vertrag, sodass der Kläger der Beklagten zu 2 den Rücktritt vom Kaufvertrag als Einwendung entgegenhalten kann mit der Folge, dass festzustellen ist, dass der Beklagten zu 2 keine Rechte aus dem Darlehensvertrag mehr zustehen …