1. Bei der kraftfahrzeugsteuerlichen Einordnung von Pick-up-Fahrzeugen mit Doppelkabine ist typisierend davon auszugehen, dass diese Fahrzeuge nicht vorwiegend der Lastenbeförderung zu dienen geeignet und bestimmt sind, wenn ihre Ladefläche oder ihr Laderaum nicht mehr als die Hälfte der gesamten Nutzfläche ausmacht. In die Berechnung der Ladefläche oder des Laderaums sind alle Flächen einzubeziehen, die geeignet sind, eine Ladung zu transportieren. Dazu gehören regelmäßig auch Ausbeulungen in den Laderaum (z. B. für Radkästen), die aufgrund ihres Abstands zum oberen Rand der Ladekante und bei gegebener Belastbarkeit noch als Ladefläche (z. B. für Schüttgut oder für flache Gegenstände) genutzt werden können (im Anschluss an BFH, Urt. v. 29.08.2012 – II R 7/11, BStBl. II 2013, 93).
  2. Ist die Ladefläche eines Pick-up-Fahrzeugs nur unwesentlich größer als die für die Personenbeförderung vorgesehene Fläche, spricht dies eher dafür, dass das Fahrzeug nicht vorwiegend der Lastenbeförderung zu dienen geeignet und bestimmt ist (im Anschluss an BFH, Urt. v. 29.08.2012 – II R 7/11, BStBl. II 2013, 93).
  3. Ein Dodge Ram 2500 mit einer rundum verglasten viertürigen Doppelkabine mit sechs Sitzplätzen, der eine Höchstgeschwindigkeit von 171 km/h erreichen kann und bei dem die für die Personenbeförderung vorgesehene Fläche (3,457 m2) ungefähr so groß ist wie die maximal zur Verfügung stehende offene Ladefläche (3,510 m2), ist kraftfahrzeugsteuerlich als Pkw einzuordnen.

FG München, Urteil vom 24.06.2015 – 4 K 1478/13

Sachverhalt: Der Kläger ist Eigentümer eines am 08.03.2005 erstzugelassenen Dodge Ram 2500. Das Fahrzeug wurde am 12.04.2012 auf ihn zugelassen. Sein Leergewicht beträgt 2.370 kg, das zulässige Gesamtgewicht 3.490 kg. Das Fahrzeug ist laut Zulassungsbescheinigung Teil I 5,80 m lang und 2,00 m breit. Die Leistung des Selbstzündungsmotors entspricht 227 kW (309 PS) bei einem Hubraum von 5.880 cm3 und ermöglicht eine Höchstgeschwindigkeit von 171 km/h. Der Dodge Ram verfügt über eine rundum verglaste viertürige Doppelkabine mit sechs Sitzplätzen sowie über eine offene Ladefläche und wurde von der Zulassungsstelle als „Lkw offener Kasten“ eingestuft.

Mit Bescheid vom 01.08.2012 setzte das Finanzamt die Kraftfahrzeugsteuer ab dem Zeitpunkt der Zulassung auf den Kläger (12.04.2012) nach § 9 I Nr. 2a bb KraftStG in der für den Streitfall geltenden Fassung mit 16,05 € je angefangene 100 cm3 Hubraum und damit eine Jahressteuer von 946 € fest.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Telefax vom 17.08.2012 Einspruch ein. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens wurde sein Fahrzeug am 07.02.2013 seitens des Finanzamts mit folgendem Ergebnis vermessen: Der Fahrgastraum hat eine Fläche von 3,457 m2. Die Ladefläche ist ohne Berücksichtigung der in den Laderaum hineinragenden Radkästen 3,002 m2 (ohne Ausbuchtung) bzw. 3,510 m2 (mit Ausbuchtung) groß. Unter Berücksichtigung der Radkästen verringert sich die Ladefläche um 0,342 m2 auf 2,660 m2 bzw. 3,168 m2.

Den Einspruch des Klägers hat das Finanzamt am 15.04.2013 als unbegründet zurückgewiesen. Die ursprünglich gegen das Finanzamt, an dessen Stelle später das Hauptzollamt getreten ist, gerichtete Klage hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: 2. Die … Klage ist unbegründet. Das Finanzamt hat das Fahrzeug des Klägers zu Recht als Pkw im Sinne des KraftStG eingestuft und eine jährliche Steuer von 946 € festgesetzt.

a) Das KraftStG enthält keine eigenständigen Definitionen der Kraftfahrzeugarten. Aus diesem Grund ist der Begriff des Pkw von der Rechtsprechung entwickelt und im Laufe der Zeit immer weiter präzisiert worden (vgl. BFH, Urt. v. 21.08.2006 – VII B 333/05, BStBl. II 2006, 721; Urt. v. 29.08.2012 – II R 7/11, BStBl. II 2013, 93; Beschl. v. 22.10.2014 – II B 111/13, BFH/NV 2015, 357). Die Abgrenzung zwischen Pkw und Lkw ist danach anhand der objektiven Beschaffenheit des Fahrzeugs, mithin seiner Bauart und Einrichtung, zu beurteilen. Als für die Einstufung relevante Merkmale zu berücksichtigen sind zum Beispiel die Zahl der Sitzplätze, die verkehrsrechtlich zulässige Zuladung, die Größe der Ladefläche, die Ausstattung mit Sitzbefestigungspunkten und Sicherheitsgurten, die Verblechung der Seitenfenster, die Beschaffenheit der Karosserie und des Fahrgestells, die Motorisierung und die damit erreichbare Höchstgeschwindigkeit, das äußere Erscheinungsbild und bei Serienfahrzeugen die Konzeption des Herstellers (BFH, Urt. v. 26.11.1991 – VII R 88/90, BFH/NV 1992, 414; Urt. v. 05.05.1998 – VII R 104/97, BStBl. II 1998, 489; Urt. v. 26.06.1997 – VII R 12/97, BStBl. II 2001, 72). Dabei kann kein Merkmal von Bauart und Einrichtung des Fahrzeugs als von vornherein allein entscheidend angesehen werden, mag auch einzelnen Merkmalen ein besonderes Gewicht zukommen und eine Zuordnung als Pkw oder Lkw nahelegen (BFH, Urt. v. 05.05.1998 – VII R 104/97, BStBl. II 1998, 489).

Der Eignung und Bestimmung zur Personenbeförderung steht es nicht entgegen, dass Fahrzeuge neben der Beförderung von Personen auch dem Transport von Gepäck oder anderer Güter im privaten oder gewerblichen Bereich dienen oder zu dienen bestimmt sind, wie dies zum Beispiel bei Kombinationskraftwagen der Fall ist. Bestandteil des Regelungsplans des historischen Gesetzgebers ist es nämlich gewesen, unter bestimmten Voraussetzungen auch solche Kraftfahrzeuge als Pkw zu bezeichnen, die nach ihrer Bauart und Einrichtung geeignet und bestimmt gewesen sind, nicht nur Personen (einschließlich ihres üblichen Gepäcks) zu befördern, sondern einem weiteren Hauptzweck zu dienen (BFH, Urt. v. 24.02.2010 – II R 6/08, BStBl. II 2010, 994 m. w. Nachw.).

Bei Pick-up-Fahrzeugen, zu denen auch das klagegegenständliche Fahrzeug gehört, kommt neben den anderen technischen Merkmalen der Größe der Ladefläche eine besondere Bedeutung zu. Die Größe der Ladefläche lässt nämlich den Schluss zu, ob die Möglichkeit einer Nutzung des Fahrzeugs zur Lastenbeförderung gegenüber seiner Eignung zur Personenbeförderung Vorrang hat. Im Interesse praktikabler Zuordnungsmaßstäbe und der um der Rechtssicherheit willen geforderten Vorhersehbarkeit kraftfahrzeugsteuerrechtlicher Zuordnungen hat die Rechtsprechung es für gerechtfertigt erachtet, typisierend davon auszugehen, dass Fahrzeuge nicht vorwiegend der Lastenbeförderung zu dienen geeignet und bestimmt sind, wenn ihre Ladefläche oder ihr Laderaum nicht mehr als die Hälfte der gesamten Nutzfläche ausmacht (BFH, Urt. v. 29.08.2012 – II R 7/11, BStBl. II 2013, 93 m. w. Nachw.). In die Berechnung der Ladefläche sind dabei alle Flächen einzubeziehen, die geeignet sind, eine Ladung zu transportieren. Dazu gehören regelmäßig auch Ausbeulungen in den Laderaum, z. B. für Radkästen, die aufgrund ihres Abstandes zum oberen Rand der Ladekante und bei gegebener Belastbarkeit noch als Ladefläche (z. B. für Schüttgut oder für flache Gegenstände) genutzt werden können (BFH, Urt. v. 29.08.2012 – II R 7/11, BStBl. II 2013, 93). Überwiegt die Ladefläche die Fläche zur Personenbeförderung nur unwesentlich, spricht dies ebenfalls eher dafür, dass das Fahrzeug nicht vorwiegend der Lastenbeförderung zu dienen geeignet und bestimmt ist (BFH, Urt. v. 29.08.2012 – II R 7/11, BStBl. II 2013, 93).

b) Unter Anwendung dieser vom Senat geteilten Grundsätze ist das Fahrzeug des Klägers unter Berücksichtigung der Gesamtheit aller Merkmale der objektiven Beschaffenheit als Pkw und nicht als anderes Fahrzeug i. S. von §§ 8 Nr. 2, 9 I Nr. 3 KraftStG einzustufen. Die für die Einstufung relevanten Merkmale sind vorliegend insbesondere das äußere Erscheinungsbild, die Zahl der verkehrsrechtlich zulässigen Sitzplätze sowie die Größe der Ladefläche.

Die Doppelkabine ist rundum verglast und wirkt optisch nicht kleiner als die Ladefläche. Die vorderen wie die hinteren Sitzplätze sind vollwertig ausgestattet und allesamt mit Sicherheitsgurten versehen. Die hintere Sitzbank ist – wie bei einer Limousine – über eine eigenständige Türvorrichtung zugänglich.

Das tatsächlich gemessene Größenverhältnis zwischen der Kabine und der Ladefläche bestätigt den optischen Eindruck und belegt die Bestimmung des Fahrzeugs zur Personenbeförderung. Die Fläche der Kabine ist mit 3,457 m2, die maximal zur Verfügung stehende Ladefläche mit 3,510 m2 gemessen worden. Damit sind beide Flächen in etwa gleich groß. Selbst wenn die vom Kläger angegebenen Werte (Länge: 1,96 m, Breite: 1,65 m) herangezogen werden, würde die Fläche der Kabine mit 3,234 m2 nur geringfügig kleiner als die Ladefläche ausfallen. Auch in diesem Fall wäre das Fahrzeug als nicht vorwiegend für die Lastenbeförderung bestimmt anzusehen (vgl. auch FG Düsseldorf, Urt. v. 24.04.2009 – 8 K 4063/08 Verk, EFG 2009, 1859). Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Raum für die Pedale in die Berechnung der Kabinenfläche miteinzubeziehen (BFH, Urt. v. 01.10.2008 – II R 63/07, BStBl. II 2009, 20; FG Münster, Urt. v. 15.11.2010 – 13 K 1194/08 Kfz, EFG 2011, 1739). Dies folgt bereits daraus, dass der Raum (links) neben den Pedalen erfahrungsgemäß, insbesondere während längerer Reisen, vielfach für die Ruheposition des linken Fußes genutzt wird. Soweit der Kläger auch noch die Stärke der Rückenlehne in Abzug bringen will, fehlt diesem Ansatz jegliche Begründung. Die Rückenlehne verkleinert nicht den gesamten Innenraum der Fahrzeugkabine. Insoweit folgt der Senat diesem Ansatz nicht.

Auch die für einen Pkw übliche Höchstgeschwindigkeit von 171 km/h lässt den Schluss zu, dass das Fahrzeug nicht vorwiegend zum Transport von Gütern, sondern von Personen geeignet und bestimmt ist.

Demgegenüber fallen die für einen Lkw sprechenden Punkte nicht mehr entscheidend ins Gewicht. Zwar verfügt das Fahrzeug über eine relativ hohe Zuladungsmöglichkeit von 1.120 kg, welche 32,1 % des zulässigen Gesamtgewichts des Fahrzeugs entspricht. Nach der Rechtsprechung reicht jedoch sogar eine Zuladung von 36,4 % des zulässigen Gesamtgewichts nicht aus, um allein daraus auf eine Verwendung zum Gütertransport schließen zu können (BFH, Urt. v. 08.02.2001 – VII R 73/00, BStBl. II 2001, 368). Die Frage, ab welchem Kraftstoffverbrauch eine Personenbeförderung als wirtschaftlich sinnvoll zu betrachten ist, spielt bei der Beurteilung der objektiven Eignung und Bestimmung des Fahrzeugs für die Personenbeförderung keine Rolle.

c) Schließlich besteht für das vorliegend zu beurteilende und im April 2012 auf den Kläger zugelassene Fahrzeug für die Zeit bis zum 11.12.2012 keine steuerliche Bindung an die verkehrsrechtliche Eintragung in der Zulassungsbescheinigung Teil I als Lkw (BFH, Beschl. v. 21.08.2006 – VII B 333/05, BStBl. II 2006, 721). Ab dem 12.12.2012 ist zwar die verkehrsrechtliche Einstufung des Fahrzeugs für Zwecke der Kraftfahrzeugsteuer vom Gesetzgeber durch § 2 II KraftStG in der Fassung des Verkehrssteueränderungsgesetzes vom 05.12.2012 – KraftStG n.F. – (BGBl. I 2012, 2431) verbindlich gemacht worden. Da das Fahrzeug des Klägers der Personenbeförderung zu dienen bestimmt ist, ist seine Besteuerung als Pkw trotz Anwendung der geänderten Vorschriften im Ergebnis auch für die Zeit nach dem 12.12.2012 rechtmäßig. Die Voraussetzungen des § 12 II Nr. 1 KraftStG liegen nicht vor.

Nach der Neufassung des § 2 II Nr. 2 KraftStG sind nunmehr für die Einordnung eines Fahrzeugs als Pkw oder Lkw die Feststellungen der Zulassungsbehörden verbindlich mit der Folge, dass das Fahrzeug des Klägers im Hinblick auf die Bemessungsgrundlage der Steuer als anderes Fahrzeug i. S. von § 8 Nr. 2 KraftStG n.F. einzustufen und mit einem Steuersatz aus § 9 Nr. 3 KraftStG n.F. zu besteuern wäre. Führen die Feststellungen der Zulassungsbehörden hinsichtlich der Fahrzeugklassen und Aufbauarten jedoch zu einer niedrigeren Steuer als unter Berücksichtigung des § 2 IIa KraftStG in der am 01.07.2010 geltenden Fassung, ist nach § 18 XII KraftStG n.F. weiterhin der Tarif des § 9 I Nr. 2 KraftStG n.F. anzuwenden. So verhält es sich auch im vorliegenden Fall. Die Besteuerung des Fahrzeugs des Klägers als Lkw, mithin nach dem Fahrzeuggewicht, würde zu einer niedrigeren Steuer als die Besteuerung als Pkw, welche sich nach dem Hubraum richtet, führen. Aus diesem Grund kommt es gemäß § 18 XII KraftStG n.F. i. V. mit § 2 IIa KraftStG in der am 01.07.2010 geltenden Fassung weiterhin darauf an, ob das klagegegenständliche Fahrzeug anhand der oben genannten Kriterien, mithin seiner objektiven Beschaffenheit, der Lasten- oder – wie vorliegend – der Personenbeförderung zu dienen bestimmt ist (vgl. FG Köln, Urt. v. 28.06.2013 – 6 K 3384/08, EFG 2013, 1703).

d) Die Tatsache, dass das Fahrzeug beim Vorbesitzer rechtsirrtümlich als Lkw besteuert worden war, kann vorliegend nicht zugunsten des Klägers berücksichtigt werden, da der Kläger keinen Anspruch auf die Aufrechterhaltung einer rechtswidrigen kraftfahrzeugsteuerlichen Einstufung hat (vgl. BVerfG, Beschl. v. 28.06.1993 – 1 BvR 390/89, BB 1993, 2068).

Ferner liegt auch kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz vor, wenn der Kläger verkehrsrechtlich die Pflichten für einen Lkw erfüllen, die Kraftfahrzeugsteuer aber wie bei einem Pkw zahlen muss. Es besteht keine Bindung der Kraftfahrzeugsteuer an die verkehrsrechtlichen Bestimmungen. Beide Rechtsgebiete verfolgen unterschiedliche Zwecke, und diese Differenzierung ist sachgerecht. Die verkehrsrechtlichen Normen über die Zulassung von Kraftfahrzeugen sollen deren Verkehrssicherheit gewährleisten und die Insassen sowie andere Verkehrsteilnehmer vor Verletzungen schützen (vgl. § 6 I Nr. 2a StVG). Dieser Aspekt spielt für den steuerlichen Begriff des Pkw keine Rolle.

e) Die Kraftfahrzeugsteuer ist auch der Höhe nach zu Recht mit 946 € festgesetzt worden. Gemäß § 9 I Nr. 2a bb KraftStG ist das klagegegenständliche Fahrzeug, das von einem Selbstzündungsmotor angetrieben wird, mit 16,05 € pro angefangene 100 m3 Hubraum besteuert worden. …

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