1. Ge­stat­tet ein Kfz-Händ­ler sei­nen Kun­den in sei­nen All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen, An­sprü­che auf Män­gel­be­sei­ti­gung auch bei an­de­ren vom Fahr­zeug­her­stel­ler/-im­por­teur an­er­kann­ten Be­trie­ben gel­tend zu ma­chen, wird da­mit die in § 377 I, III HGB sta­tu­ier­te kauf­män­ni­sche Rü­ge­pflicht nicht ab­be­dun­gen.
  2. Die Re­ge­lung in den All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen er­wei­tert auch nicht die Emp­fangs­zu­stän­dig­keit für Män­gel­an­zei­gen. Die­se ha­ben des­halb ge­gen­über dem Ver­käu­fer und nicht ge­gen­über ei­nem an­de­ren vom Fahr­zeug­her­stel­ler/-im­por­teur an­er­kann­ten Be­trieb zu er­fol­gen.

LG Kre­feld, Ur­teil vom 13.03.2014 – 3 O 311/13

Sach­ver­halt: Der Klä­ger be­gehrt die Rück­ab­wick­lung ei­nes Kfz-Kauf­ver­trags.

Er kauf­te bei der Be­klag­ten am 06.01.2011 ei­nen Pkw zu ei­nem Preis von 20.540 € und wies bei Ab­schluss des Kauf­ver­trags un­ter Vor­la­ge ei­ner Ge­wer­be­an­mel­dung dar­auf hin, dass er ein kauf­män­nisch ein­ge­rich­te­tes Ge­wer­be be­trei­be. Das ge­kauf­te Fahr­zeug wur­de dem Klä­ger am 06.01.2011 über­ge­ben.

Dem Kauf­ver­trag la­gen die Neu­wa­gen-Ver­kaufs­be­din­gun­gen der Be­klag­ten zu­grun­de. Dort heißt es un­ter VI 2a un­ter an­de­rem:

„Soll ei­ne Män­gel­be­sei­ti­gung durch­ge­führt wer­den, gilt Fol­gen­des:

An­sprü­che auf Män­gel­be­sei­ti­gung kann der Käu­fer beim Ver­käu­fer oder bei an­de­ren, vom Her­stel­ler/Im­por­teur für die Be­treu­ung des Kauf­ge­gen­stan­des an­er­kann­ten Be­trie­ben gel­tend ma­chen; im letz­te­ren Fall hat der Käu­fer den Ver­käu­fer hier­von un­ver­züg­lich zu un­ter­rich­ten, wenn die ers­te Män­gel­be­sei­ti­gung er­folg­los war.“

Im Ok­to­ber 2011 fand ei­ne Rück­ruf­ak­ti­on des Fahr­zeug­her­stel­lers statt, über die der Klä­ger von der Be­klag­ten un­ter­rich­tet wur­de und von der das Fahr­zeug des Klä­gers be­trof­fen war. In der Fol­ge­zeit brach­te der Klä­ger sein Fahr­zeug mehr­mals we­gen ei­nes be­haup­te­ten Man­gels des Schließ­me­cha­nis­mus des Kof­fer­raums und der Elek­tro­nik des Ver­decks in ei­ne Ver­trags­werk­statt in X., wo am 02.04.2012, am 16.10.2012 und am 11.12.2012 Nach­bes­se­rungs­ver­su­che statt­fan­den.

Mit an­walt­li­chem Schrei­ben vom 27.12.2013 er­klär­te der Klä­ger ge­gen­über der Be­klag­ten we­gen an­geb­li­cher Män­gel des Fahr­zeugs den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag. Ne­ben der Rück­zah­lung der bis­her ge­zahl­ten Kre­dit­ra­ten be­gehr­te er Er­satz von Zin­sen in Hö­he von 2.127,30 €, die die Be­klag­te aus dem er­hal­te­nen Kauf­preis ge­zo­gen ha­ben soll. We­gen der Nut­zung des Fahr­zeugs ließ sich der Klä­ger ei­ne Ent­schä­di­gung in Hö­he von 1.133,23 € an­rech­nen.

Er hat be­haup­tet, der Schließ­me­cha­nis­mus des Kof­fer­raums und die Elek­tro­nik bzw. die Me­cha­nik des Ver­decks sei­en feh­ler­haft. Die Män­gel sei­en je­weils spä­tes­tens am Tag nach ih­rer Ent­de­ckung bei der orts­an­säs­si­gen Ver­trags­werk­statt an­ge­zeigt wor­den. Sie sei­en be­reits bei Über­ga­be des Fahr­zeugs an­ge­legt ge­we­sen und erst nach der Rück­ruf­ak­ti­on auf­ge­tre­ten. Sämt­li­che Nach­bes­se­rungs­ver­su­che sei­en er­folg­los ge­we­sen.

Die Be­klag­te ist dem ent­ge­gen­ge­tre­ten und hat ge­meint, et­wai­ge Ge­währ­leis­tungs­rech­te sei­en ge­mäß § 377 HGB aus­ge­schlos­sen.

Die Kla­ge hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: 1. Dem Klä­ger steht ge­gen die Be­klag­te kein An­spruch auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses ge­mäß §§ 437 Nr. 2, 323, 346 I BGB zu. Der Klä­ger ist nicht wirk­sam von dem am 06.01.2011 ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trag zu­rück­ge­tre­ten.

Es kann da­hin­ste­hen, ob das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug we­gen ei­nes Feh­lers am Schließ­me­cha­nis­mus des Kof­fer­raums und der Elek­tro­nik bzw. Me­cha­nik des Ver­decks im Zeit­punkt der Über­ga­be ei­nen Sach­man­gel i. S. des § 434 BGB auf­wies. Die Ge­währ­leis­tungs­rech­te des Klä­gers sind ge­mäß § 377 II und III HGB aus­ge­schlos­sen. Der Klä­ger hat et­wai­ge Sach­män­gel nicht recht­zei­tig ge­gen­über der Be­klag­ten ge­rügt. Ge­mäß § 377 I HGB hat der Käu­fer die Wa­re un­ver­züg­lich nach der Ab­lie­fe­rung durch den Ver­käu­fer, so­weit dies nach ord­nungs­ge­mä­ßem Ge­schäfts­gan­ge tun­lich ist, zu un­ter­su­chen und, wenn sich ein Man­gel zeigt, dem Ver­käu­fer un­ver­züg­lich An­zei­ge zu ma­chen, wenn der Kauf für bei­de Tei­le ein Han­dels­ge­schäft ist. Zeigt sich spä­ter ein Man­gel, so muss die An­zei­ge un­ver­züg­lich nach der Ent­de­ckung ge­macht wer­den (§ 377 II HGB). Un­ter­lässt der Käu­fer die An­zei­ge, so gilt die Wa­re nach § 377 II, III Halb­satz 2 HGB als ge­neh­migt.

a) § 377 HGB ist auf den vor­lie­gen­den Kauf­ver­trag an­wend­bar. Der Kauf­ver­trag ist für bei­de Par­tei­en ein Han­dels­ge­schäft i. S. des § 343 HGB. Da­nach sind al­le Ge­schäf­te ei­nes Kauf­manns, die zum Be­trie­be sei­nes Han­dels­ge­wer­bes ge­hö­ren, Han­dels­ge­schäf­te. Für das Vor­lie­gen ei­nes Han­dels­ge­schäfts spricht die Ver­mu­tung ge­mäß § 344 I HGB (vgl. Hopt, in Baum­bach/Hopt, HGB, 36. Aufl. [2014], § 344 Rn. 1). Der Klä­ger ist Kauf­mann i. S. des § 1 HGB und er ist als sol­cher auch ge­gen­über der Be­klag­ten auf­ge­tre­ten. Er hat bei den Ver­trags­ver­hand­lun­gen sei­ne Ge­wer­be­an­mel­dung vor­ge­legt und an­ge­ge­ben, ein kauf­män­nisch ein­ge­rich­te­tes Ge­wer­be zu be­trei­ben. An die­sem Auf­tre­ten als Kauf­mann muss sich der Klä­ger fest­hal­ten las­sen. Dass das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug zu­min­dest ur­sprüng­lich aus der in­so­weit maß­geb­li­chen Sicht der Be­klag­ten nicht zur pri­va­ten Nut­zung vor­ge­se­hen war, er­gibt sich auch dar­aus, dass sich der von der Be­klag­ten ver­mit­tel­te Dar­le­hens­ver­trag aus­weis­lich des For­mu­lars „Dar­le­hens­ver­trag (FIR­MEN)“ auf ei­nen ge­werb­li­chen Ver­wen­dungs­zweck  be­zo­gen hat. Der Klä­ger hat die Ver­mu­tung ge­mäß § 344 I HGB nicht im We­ge des Ge­gen­be­wei­ses wi­der­legt. Un­er­heb­lich ist ins­be­son­de­re, ob das Fahr­zeug sich mitt­ler­wei­le nicht mehr im Be­triebs­ver­mö­gen des Klä­gers be­fin­det oder von sei­ner Ehe­frau ge­nutzt wird.

b) Der Klä­ger hat sei­ner Rü­ge­pflicht aus § 377 HGB nicht ge­nügt. Es kann da­hin­ste­hen, ob den Käu­fer bei dem Kauf des Fahr­zeugs ei­ne all­ge­mei­ne Un­ter­su­chungs­pflicht i. S. des § 377 I HGB traf und ob die spä­ter be­haup­te­ten Män­gel er­kenn­bar ge­we­sen wä­ren. Ge­mäß § 377 III HGB hät­te der Klä­ger et­wai­ge Män­gel zu­min­dest un­ver­züg­lich nach ih­rer Ent­de­ckung ge­gen­über der Be­klag­ten an­zei­gen müs­sen. Dies ist schon nach dem ei­ge­nen Vor­brin­gen des Klä­gers nicht er­folgt. Die be­haup­te­ten Män­gel am Schließ­me­cha­nis­mus des Kof­fer­raums und am Ver­deck wur­den nach den An­ga­ben des Klä­gers erst­mals am 02.04.2012 ge­gen­über der Ver­trags­werk­statt in X. be­an­stan­det. Spä­tes­tens zu die­sem Zeit­punkt wa­ren dem Klä­ger die streit­ge­gen­ständ­li­chen Män­gel an dem Fahr­zeug be­kannt und hät­ten der Be­klag­ten an­ge­zeigt wer­den kön­nen. Der Klä­ger hat sich je­doch erst­mals mit an­walt­li­chem Schrei­ben vom 27.12.2012 an die Be­klag­te ge­wandt und die­ser ge­gen­über Män­gel an­ge­zeigt. Die­se Män­gel­rü­ge ist nicht un­ver­züg­lich i. S. des § 377 HGB, das heißt oh­ne schuld­haf­tes Zö­gern ge­mäß § 121 BGB, er­folgt (vgl. Hopt, in: Baum­bach/Hopt, a. a. O., § 377 Rn. 35 f.).

So­weit der Klä­ger vor­bringt, er ha­be Män­gel spä­tes­tens am Tag nach der Ent­de­ckung bei der Ver­trags­werk­statt in X. an­ge­zeigt, reicht auch dies für die Er­fül­lung der Rü­ge­pflicht nicht. Die Män­gel­an­zei­ge hat nach dem Wort­laut des § 377 HGB ge­gen­über dem Ver­käu­fer zu er­fol­gen. Zif­fer VI 2a der Ver­kaufs­be­din­gun­gen ent­hält kei­ne Er­wei­te­rung der Emp­fangs­zu­stän­dig­keit für die Män­gel­rü­ge auf die für die Be­treu­ung des Kauf­ge­gen­stan­des an­er­kann­ten Be­trie­be (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 12.04.2012 – 2 U 177/11, ju­ris).

c) Die kauf­män­ni­sche Rü­ge­pflicht ge­mäß § 377 HGB ist durch Zif­fer VI 2a der Neu­wa­gen-Ver­kaufs­be­din­gun­gen der Be­klag­ten nicht ab­be­dun­gen wor­den. Der Re­ge­lungs­ge­halt der Klau­sel be­schränkt sich al­lein auf die Durch­füh­rung und Ab­wick­lung der Nach­er­fül­lung ge­mäß § 439 BGB. Sinn und Zweck der Vor­schrift ist, den Käu­fer vor Un­an­nehm­lich­kei­ten bei der Durch­füh­rung der Nach­er­fül­lung zu schüt­zen, die da­durch be­dingt sein kön­nen, dass sich der Wohn­sitz des Käu­fers in wei­ter Ent­fer­nung vom Sitz der Ver­käu­fers be­fin­det. Zu­gleich soll aber ge­währ­leis­tet sein, dass der Ver­käu­fer von ei­nem ge­schei­ter­ten ers­ten Nach­bes­se­rungs­ver­such ei­nes an­de­ren an­er­kann­ten Be­triebs Kennt­nis er­langt (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 12.04.2012 – 2 U 177/11, ju­ris). Die Vor­schrift des § 377 HGB wird durch die­se Re­ge­lung nicht be­rührt. Sie dient dem In­ter­es­se des Ver­käu­fers, im Han­dels­ver­kehr als­bald Kennt­nis von Sach­män­geln zu er­lan­gen (vgl. Hopt, in Baum­bach/Hopt, a. a. O., § 377 Rn. 1).

d) Auch ein Ver­zicht der Be­klag­ten auf den Ein­wand der Ver­spä­tung der Män­gel­rü­ge ist nicht er­folgt. Dem Vor­brin­gen des Klä­gers lässt sich nicht ent­neh­men, dass die Be­klag­te still­schwei­gend auf den Ein­wand der Ver­spä­tung der Män­gel­rü­ge ver­zich­tet hät­te. Es sind kei­ne ein­deu­ti­gen An­halts­punk­te da­für er­sicht­lich, dass der Käu­fer von ei­nem Ver­zicht auf den Ver­spä­tungs­ein­wand aus­ge­hen durf­te (vgl. BGH, Urt. v. 25.11.1998 – VI­II ZR 259/97, ju­ris).

2. Man­gels Be­grün­det­heit in der Haupt­sa­che be­ste­hen auch der gel­tend ge­mach­te Zins­an­spruch und der An­spruch auf Er­satz vor­ge­richt­li­cher Rechts­an­walts­kos­ten nicht. Auch der Fest­stel­lungs­an­trag ist un­be­grün­det. Man­gels ei­nes wirk­sa­men Rück­tritts be­fin­det sich die Be­klag­te nicht in An­nah­me­ver­zug be­züg­lich der Rück­nah­me des Fahr­zeugs …

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