Die Bestimmung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay, dass bei vorzeitiger Beendigung einer eBay-Auktion zwischen Anbieter und Höchstbietendem ein Kaufvertrag zustande kommt, falls der Anbieter nicht „gesetzlich“ zur Rücknahme des Angebots berechtigt war, verstößt gegen § 308 Nr. 5 BGB und § 307 I 1 BGB und ist deshalb unwirksam.

LG Aurich, Urteil vom 03.02.2014 – 2 O 565/13

Sachverhalt: Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Schadensersatz wegen einer vorzeitig beendeten eBay-Auktion.

Am 10.02.2013 bot der Beklagte einen Schlepper („Steyr 9086“) über die Internetplattform eBay mit einem Startpreis von einem Euro zum Verkauf gegen Höchstgebot an. Die Klägerin gab um 22:11:24 MEZ ein Maximalgebot über 7.103,00 € ab. Zu diesem Zeitpunkt lag das nächstliegende Gebot bei 1.111,11 €. Der Beklagte beendete die Auktion 41 Sekunden später, um 22:12:05 MEZ).

Die Klägerin forderte den Beklagten im Anschluss daran – erfolglos – zur Übergabe des Schleppers gegen Zahlung eines Kaufpreises von 1.121,11 € auf. Sie meint, sie habe mit dem Beklagten einen entsprechenden Kaufvertrag geschlossen, weil sie bei Abbruch der eBay-Auktion Höchstbietende gewesen sei. Dass ein Kaufvertrag zustande gekommen sei, ergebe sich aus § 10 Nr. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedigungen von eBay. Dort heißt es unter anderem:

„Bei Ablauf der Auktion oder bei vorzeitiger Beendigung des Angebots durch den Anbieter kommt zwischen Anbieter und Höchstbietendem ein Vertrag über den Erwerb des Artikels zustande, es sei denn der Anbieter war gesetzlich dazu berechtigt das Angebot zurückzunehmen und die vorliegenden Gebote zu streichen. Nach einer berechtigten Gebotsrücknahme kommt zwischen dem Mitglied, das nach Ablauf der Auktion aufgrund der Gebotsrücknahme wieder Höchstbietender ist und dem Anbieter kein Vertrag zustande.“

Mit ihrer Klage nimmt die Klägerin den Beklagten auf Schadensersatz statt der Leistung in Höhe von 17.000 € in Anspruch, nachdem sie den Rücktritt von dem ihrer Meinung nach geschlossenen Kaufvertrag erklärt hat. Sie behauptet, der objektiven Marktwert des Schleppers betrage 18.121,11 €.

Der Beklagte behauptet, er habe den Schlepper irrtümlich namens und im Auftrag der L-GmbH, in deren Eigentum er gestanden habe, angeboten. Mit L-GmbH sei jedoch vereinbart gewesen, dass der Beklagte in eigenem Namen auftreten solle. Deshalb habe er die Auktion beendet und den Artikel sodann am gleichen Abend erneut, aber nun in eigenem Namen eingestellt. Im Rahmen dieser Auktion sei der Schlepper dann für 18.047 € verkauft worden.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Die Klägerin hat gegen den Beklagten aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Schadensersatzanspruch, weil zwischen den Parteien schon kein Kaufvertrag zustande gekommen ist. Auf die Frage einer Anfechtung kommt es daher nicht an.

Ein Kaufvertrag gemäß § 433 BGB setzt gemäß §§ 145 ff. BGB zwei in Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen voraus, Angebot und Annahme. Wird ein Kaufvertrag über die Auktionsplattform eBay abgeschlossen, richtet sich der Erklärungsinhalt der Willenserklärungen (§§ 133, 157 BGB) auch nach den Bestimmungen über den Vertragsschluss in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay, denen die Parteien jeweils bei der Anmeldung bei eBay und vor der Teilnahme an der Auktion zugestimmt haben (BGH, Urt. v. 03.11.2004 – VIII ZR 375/03, NJW 2005, 53).

Der Beklagte hat durch das Einstellen des Schleppers auf der Website von eBay zur Versteigerung mit einem Startpreis von 1 € ein verbindliches Verkaufsangebot abgegeben, das an den Bieter gerichtet war, der nach Ablauf der für die Auktion angesetzten Laufzeit von sieben Tagen (im Folgenden als „reguläre Laufzeit“ bezeichnet) das höchste Gebot abgegeben haben würde. Bei der Auslegung dieses Angebots ist besonderes Gewicht auf den Gesichtspunkt der regulären Laufzeit zu legen. Es entspricht der inzwischen nach langjähriger Existenz der Verkaufsplattform eBay gewonnenen allgemeinen Lebenserfahrung, dass die Gebote während der Laufzeit steigen und typischerweise erst in den letzten Sekunden der regulären Laufzeit mit plötzlichem Anstieg ihren Höhepunkt erreichen. Jeder Verkäufer erklärt daher nur seinen Willen, mit dem Höchstbietenden nach vollständigem Ablauf der regulären Laufzeit zu kontrahieren, nicht aber mit irgendeinem anderen Bieter mit niedrigerem Gebot zu einem früheren Zeitpunkt.

Diese Beschränkung des Kontrahierungswillens muss sich auch jedem Bieter als Bestandteil der in der Angebotseinstellung liegenden Willenserklärung aufdrängen. Mangels ausreichender Willenserklärung des Verkäufers kann daher kein Bieter aus einem vorzeitigen Ende der Auktion den Abschluss eines Kaufvertrags zwischen sich und dem Verkäufer zu dem Preis seines bis dahin abgegebenen Gebotes ableiten. Dies gilt erst recht in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem der Verkäufer die eingeleitete Auktion schon am ersten Tage der auf sieben Tage befristeten Angebotsdauer abgebrochen hat. Der Abbruch enthält die Erklärung, mit niemandem mehr kontrahieren zu wollen, das Verkaufsangebot also zu widerrufen. Gegenüber diesem Widerruf kann sich kein Bieter darauf berufen, das Angebot schon angenommen zu haben, weil das Angebot unter dem ersichtlichen Vorbehalt stand, dass der Bieter bei Ablauf der regulären Laufzeit noch Höchstbietender war. Für einen zufällig Höchstbietenden im Augenblick des vorzeitigen Auktionsabbruchs hatte es nie ein annahmefähiges Angebot gegeben.

Auch unter Berücksichtigung der für die Auslegung des Erklärungsinhaltes der Willenserklärung heranzuziehenden Allgemeinen Geschäftsbedigungen von eBay, dort § 10, ist das Angebot des Verkäufers nicht vorbehaltlos abgegeben, sondern steht zumindest auch unter dem Vorbehalt einer sogenannten „berechtigten“ Angebotsrücknahme. Vorbehalte bei Verkaufsangeboten sind zulässig, weil der Anbietende gemäß § 145 BGB die Bindungswirkung seines Angebotes sowohl ausschließen als auch einschränken kann.

Die für die Auslegung der Willenserklärung heranzuziehenden ebay-AGB lassen einen Auktionsabbruch allerdings nur dann sanktionslos zu, wenn der Verkäufer „gesetzlich“ dazu berechtigt war, das Angebot zurückzunehmen. Dies kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn Unmöglichkeit eintritt, weil dem Verkäufer der Artikel zwischenzeitlich entwendet worden ist (so in BGH, Urt. v. 08.06.2011 – VIII ZR 305/10). Der Verkäufer ist ebenfalls zu einem Auktionsabbruch gesetzlich berechtigt, wenn er einem Irrtum i. S. der §§ 119 ff. BGB unterliegt. Er unterliegt dann aber der Pflicht zur unverzüglichen Anfechtungserklärung und einer eventuellen Schadensersatzpflicht gemäß § 122 BGB.

Ist der Verkäufer allerdings nicht wegen Unmöglichkeit oder Anfechtung dazu berechtigt, sein Angebot zurückzunehmen, so bestimmen die ebay-AGB, dort in § 10 Nr. 1, als Rechtsfolge des Auktionsabbruchs einen Vertragsschluss zwischen dem Verkäufer und dem zum Zeitpunkt des Abbruches der Auktion Höchstbietenden zu dessen Gebotshöhe.

Diese Regelung in den ebay-AGB hält das Gericht für ungeeignet, eine vertragliche Bindung zwischen den Parteien zu begründen:

Die Regelung in § 10 Nr. 1 der ebay AGB stellt, soweit sie einen Vertragsschluss statuiert zwischen dem Anbietenden, der eine Auktion, ohne „gesetzlich berechtigt“ zu sein, abbricht, und dem zum Zeitpunkt des Auktionsabbruches Höchstbietenden, sowohl einen Verstoß gegen § 308 Nr. 5 BGB als auch eine unangemessene Benachteiligung des Verkäufers gemäß § 307 I 1 BGB dar.

Bei den ebay-AGB handelt es sich um vorformulierte Vertragsbedingungen, die eBay als Verwender jedem Auktionsteilnehmer stellt und die Vertragsbestandteil jeweils zwischen eBay und dem potenziellen Verkäufer und eBay und dem potenziellen Käufer werden.

Die Bestimmung, wonach bei Auktionsabbruch ohne gesetzlichen Grund ein Kaufvertrag mit dem zum Abbruchzeitpunkt Höchstbietenden entstehe, fingiert eine vom wahren und erkennbaren Willen des Verkäufers abweichende Willenserklärung, resultierend aus dem Auktionsabbruch, ohne dass dem Verkäufer die Möglichkeit eingeräumt wird, seinem abweichenden Willen wirksam Ausdruck zu verleihen und dadurch die Fiktionswirkung zu vermeiden. Die Fiktionswirkung ist vielmehr zwingend. Eine solche Klausel ist gemäß § 308 Nr. 5 BGB unwirksam.

Die Klausel verstößt ferner gegen § 307 I 1 BGB.

Die Feststellung einer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessenen Benachteiligung des Vertragspartners durch die Bestimmung einer Allgemeinen Geschäftsbedingung des Verwenders i. S. des § 307 I 1 BGB setzt dabei eine alle Umstände des Falles in Betracht ziehende Ermittlung der Interessen aller Beteiligten voraus. Dabei ist zu berücksichtigen, welches Interesse der Verwender an der Aufrechterhaltung der AGB-Klausel hat und welches die Gründe sind, die umgekehrt aus der Sicht des Kunden für den Wegfall der Klausel oder für ihre Ersetzung bestehen.

Für die diskutierte Klausel in den eBay-AGB spricht, dass sie dazu geeignet ist, Verkäufer nach Auktionsbeginn davon abzuhalten, den Verkauf ihres Artikels außerhalb von eBay vorzunehmen oder sogar ganz von einem Verkauf Abstand zu nehmen, wodurch eBay die zur Finanzierung der Plattform bestimmte und benötigte prozentuale Beteiligung an dem Verkaufserlös entgehen würde. Zugleich steigert es die Attraktivität des Systems für Bieter, wenn sie in hohem Maße darauf vertrauen können, dass Angebote bis zum Ende der regulären Bietzeit bestehen bleiben und taktisch geschickt auch noch in letzter Sekunde erfolgreich beboten und ersteigert werden können.

Diese Interessen der eBay-Betreiber lassen sich aber auch durch prohibitive Vertragsstrafen, mit denen willkürliche Auktionsabbrüche sanktioniert werden, erreichen. Die an eBay zu zahlenden Vertragsstrafen könnten so an die mutmaßlichen Wertigkeiten der in die abgebrochene Auktion eingestellten Artikel angepasst werden, dass der Anreiz zum Auktionsabbruch hinreichend verringert, aber zugleich eine Verhältnismäßigkeit der Vertragsstrafe noch gewahrt bleibt.

Demgegenüber stellt sich die hier erörterte Rechtsfolge aus § 10 eBay-AGB, nämlich eine Übereignungsverpflichtung an den bei Auktionsabbruch Höchstbietenden ohne Rücksicht auf den Wert der Kaufsache, als mitunter krass unverhältnismäßige Sanktion des vorzeitigen Auktionsabbruchs dar. Der Verkäufer wird in Fällen wie dem vorliegenden gezwungen, Eigentum ohne annähernd adäquaten Gegenwert zugunsten eines zufälligen Frühbieters zu opfern. Ein solches Opfer wird auch nicht durch ein schutzwürdiges Interesse des frühen Bieters gerechtfertigt. Dieser konnte zur Zeit des Auktionsabbruches noch nicht darauf vertrauen, eine hochpreisige Ware zum Betrag eines typischerweise niedrigen Frühgebotes zu ersteigern. Er konnte nur hoffen, eventuell bei Ende der regulären Laufzeit mit seinem niedrigen Gebot zum Erfolg zu kommen, war bis dahin aber mit den erheblichen Risiken, überboten zu werden, und der allgemeinen Ungewissheit des Fortbestands sowohl des Artikels (Gefahr von Entwendung oder Zerstörung) als auch des Verkaufsangebots belastet. Es ist kein Gerechtigkeitsgesichtspunkt ersichtlich, der es gebieten würde, bei Auktionsabbruch dem letzten Höchstbietenden, der noch keine Gegenleistung erbracht hat, den Vorteil eines extrem günstigen Erwerbs zu gewähren, nur um einen Auktionsabbruch zum Vorteil des eBay-Systems zu sanktionieren.

Dies führt nach Abwägung dazu, dass das Gericht die ebay Bestimmung … auch aufgrund der unangemessenen Benachteiligung des Verkäufers gemäß § 307 I 1BGB nicht für anwendbar hält …

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