- Erklärt der Verkäufer eines Gebrauchtwagens, das Fahrzeug weise einen behobenen oder reparierten Vorschaden auf, dann kann dieser Erklärung aus der maßgeblichen Sicht des Käufers die Bedeutung zukommen, dass es sich um einen fachgerecht behoben Schaden handelt. Dass das Fahrzeug ausdrücklich als „Unfallwagen“ angeboten wird, steht einer solchen Auslegung nicht entgegen, weil diese Bezeichnung nichts über die Qualität einer Reparatur aussagt.
- Die in der Lieferung einer mangelhaften Kaufsache liegende Pflichtverletzung des Verkäufers ist in der Regel nicht nur unerheblich i. S. des § 323 V 2 BGB, wenn der Mangel darin besteht, dass der Kaufsache eine vereinbarte Beschaffenheit fehlt (im Anschluss an BGH, Urt. v. 17.02.2010 – VIII ZR 70/07, NJW-RR 2010, 1289). Auf einen solchen Mangel erstreckt sich ein allgemeiner Gewährleistungsausschluss nicht (im Anschluss an BGH, Urt. v. 29.11.2006 – VIII ZR 92/06, NJW 2007, 1346).
OLG Hamm, Urteil vom 25.02.2014 – 28 U 195/12
(vorhergehend: LG Essen, Urteil vom 30.08.2012 – 12 O 47/12)
Sachverhalt: Der Kläger ist Kfz-Meister und Inhaber einer Kfz-Werkstatt. Mit schriftlichem Kaufvertrag vom 15.09.2011 kaufte er von dem Beklagten einen gebrauchten Pkw, den der Beklagte im Internet zum Kauf angeboten hatte. Das Fahrzeug wurde dem Kläger am selben Tag gegen Zahlung des Kaufpreises (9.900 €) übergeben.
Mit Schreiben vom 28.10.2011 erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag.
Er hat behauptet, dass ein ein Seitenschaden, den das erworbene Fahrzeug erlitten hat, entgegen den Angaben des Beklagten nicht fachgerecht behoben worden sei. Außerdem sei das Fahrzeug – was unstreitig ist – als Mietwagen genutzt worden, obwohl der Beklagte im Kaufvertrag angegeben habe, dass der Pkw nicht gewerblich genutzt worden sei. Schließlich habe der Beklagte über das Baujahr des Fahrzeugs getäuscht. Denn in seinem Internetinserat habe er – unstreitig – angegeben, das Fahrzeug sei im Juni 2007 („06/2007“) erstzugelassen worden; tatsächlich sei die Erstzulassung aber bereits am 19.05.2006 erfolgt.
Das Landgericht (LG Essen, Urt. v. 30.08.2012 – 12 O 47/12) hat die im Wesentlichen auf Rückzahlung des Kaufpreises gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es hinsichtlich des Vorschadens ausgeführt:
„Unstreitig hat der Beklagte das Fahrzeug ausdrücklich als Unfallwagen verkauft und auf den Seitenschaden links/rechts hingewiesen. Dieser Schaden ist auch, wie im Kaufvertrag angegeben, behoben worden. Die Bezeichnung eines Schadens als ‚behoben‘ besagt für sich genommenen noch nichts über die Qualität der durchgeführten Reparatur. Der seinerzeitige Streifschaden links und rechts wurde beseitigt, beschädigte Teile wurden ersetzt. Auch eine Instandsetzung mit gebrauchten Teilen ist eine Behebung des Schadens. Eine Reparatur unter Verwendung von Neuteilen hat der Beklagte weder zugesichert, noch haben die Parteien eine entsprechende Beschaffenheitsvereinbarung getroffen. Die Tatsache, dass die Instandsetzung handwerklich nicht einwandfrei erfolgt sein soll, ändert nichts daran, dass der Sachschaden im Ergebnis, wie im Vertrag angegeben, behoben worden ist. Vereinbarungen über die Qualität der Reparatur haben die Parteien nicht getroffen. Vielmehr war dem Kläger nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung selbst schon bei der Übergabe des Fahrzeugs aufgefallen, dass die Lackierung nicht optimal durchgeführt worden sei. Dies und auch die vom Kläger berichtete Äußerung des Beklagten, dass dieser ebenfalls mit der Reparatur nicht so ganz einverstanden sei, haben den Kläger aber nicht davon abgehalten, das Fahrzeug zu kaufen. Damit haben die Parteien nicht nur keine fachgerechte und qualitätvolle Reparatur ausdrücklich vereinbart. Vielmehr gingen beiden Parteien bei Vertragsschluss sogar davon aus, dass die Reparatur nicht von hoher Qualität war. Dies schließt darauf gestützte Gewährleistungsansprüche des Klägers aus.“
Die Berufung des Klägers hatte Erfolg.
Aus den Gründen: B. … I. Der Kläger hat gegen den Beklagten aus §§ 437 Nr. 2, 434, 323, 346 BGB einen Anspruch auf Rückabwicklung des am 15.09.2011 geschlossenen Kaufvertrags …
Die Voraussetzungen für einen Rücktritt lagen bei dessen Erklärung durch den Kläger am 28.10.2011 vor, sodass entgegen der Auffassung des Landgerichts die mit der Klage begehrte Rückabwicklung des Vertrages verlangt werden kann.
1. Der streitbefangene Pkw war bei Übergabe an den Kläger am 15.09.2011 mangelhaft i. S. von § 434 I 1 BGB.
a) Laut Kaufvertrag war allerdings kein unfallfreies Fahrzeug geschuldet. Denn die Parteien haben mit der in den (Formular-)Kaufvertrag ausdrücklich in den Rubriken „I.1. Der Verkäufer garantiert …“ und „I.2. Der Verkäufer erklärt …“ aufgenommenen Angabe „behobener Seitenschaden L/R“ als negative Beschaffenheit des Fahrzeugs festgelegt, dass dieses auf beiden Seiten einen (Vor-)Schaden erlitten haben sollte; zudem ist in der Vertragsbestandteil gewordenen „Sondervereinbarung“ das Fahrzeug ausdrücklich als Unfallfahrzeug („Das Fahrzeug wird als Unfallwagen mit repariertem Vorschaden verkauft [L/R Streifschaden]“) beschrieben.
Wie den vorzitierten Angaben allerdings zu entnehmen ist, sollte nach den Parteieerklärungen der Vorschaden behoben bzw repariert worden sein, was ebenfalls eine – von der Basis „Unfalleigenschaft“ wiederum positiv abweichende – Beschaffenheitsvereinbarung darstellt.
Dabei kommt dieser Erklärung – aus der maßgeblichen Sicht des Erwerbers, also des Klägers (hierzu Reinking/Eggert, Der Autokauf, 12. Aufl. [2014], Rn. 3134) – unter Berücksichtigung aller weiteren maßgeblichen Begleitumstände die Bedeutung zu, dass der Seitenschaden nicht nur behoben, sondern fachgerecht behoben worden sein sollte. Denn der Pkw ist vom Beklagten in der Internetanzeige aus September 2011 nicht als Billigangebot, sondern mit einer Preisvorstellung von 11.500 € als „scheckheftgepflegter“ VW-Vorführwagen vorgestellt worden, dem erst einen Monat zuvor eine neue „TÜV-Plakette“ erteilt worden war. In einem solchen Kontext kann ein verständiger Käufer erwarten, dass er ein voll gebrauchstüchtiges und nach erfolgter Reparatur ordnungsgemäß instand gesetztes Fahrzeug erhält (vgl. Senat, Urt. v. 10.02.2005 – 28 U 147/04, NJW-RR 2005,1220; KG, Urt. v. 01.09.2011 – 8 U 42/10, DAR 2011, 639), das keine als Sachmängel zu qualifizierenden Reparaturmängel aufweist (Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 3172).
Eine abweichende Bewertung ist auch nicht etwa deshalb geboten, weil der Pkw in der Sondervereinbarung zum Kaufvertrag ausdrücklich als „Unfallwagen“ bezeichnet worden ist. Auch ein sach- und fachgerecht repariertes Unfallfahrzeug ist und bleibt ein Unfallfahrzeug, worüber aufgeklärt werden muss; zur Qualität der Reparatur ist mit der Bezeichnung „Unfallwagen“ nichts gesagt.
Der Umstand, dass der Beklagte den ursprünglich angegebenen Kaufpreis in den Vertragsverhandlungen um 1.600 € auf 9.900 € reduzierte, bot angesichts der erstmals telefonisch bzw vor Ort offenbarten Unfalleigenschaft und weiterer kleinerer Unzulänglichkeiten (Airbags außer Betrieb, defekte Feder auf der Beifahrerseite) ebenfalls keine Veranlassung für den Kläger, mit einem darüber hinausgehenden Defizit in Form einer technisch nicht fachgerechten Reparatur des Unfallschadens rechnen zu müssen.
Dem Beklagten hilft entgegen der Auffassung des Landgerichts auch nicht, dass der Kläger unstreitig vor Vertragsschluss auf Unregelmäßigkeiten im Lack aufmerksam geworden ist und der Beklagte ihm insoweit zugab, er sei selber mit der Reparatur nicht ganz zufrieden. Hierdurch mögen etwaige äußerliche Negativabweichungen bei der Qualität der Lackierung des Fahrzeuges klägerseits in Kauf genommen und toleriert worden sein. Darüber hinausgehende Sachmängel bei der Durchführung der Reparatur – insbesondere aus technischer Sicht unfachmännisch vorgenommene Arbeiten „in der Tiefe“, also an der Karosserie – musste ein verständiger Käufer nach Treu und Glauben bei dem Fahrzeug aber deshalb nicht erwarten.
b) Der also von den Parteien dem Kaufvertrag zugrunde gelegten Beschaffenheitsvereinbarung („fachgerecht repariert“) entsprach der Pkw bei Übergabe an den Kläger nicht.
Wie nach dem Ergebnis des vom Senat eingeholten Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. V vom 11.07.2013 feststeht, ist der C gerade nicht fachgerecht instand gesetzt worden. Der Sachverständige hat … festgestellt, dass insgesamt eine nicht sachgerechte und unvollständige Reparatur vorliege; die Kotflügel seien nicht – wie es angesichts des Beschädigungsgrades erforderlich gewesen wäre – ausgetauscht, sondern nur großzügig verspachtelt worden, die Türgrundkörper wiesen Restverformungen auf, und die Türaußenbleche zeigten Spaltunregelmäßigkeiten. Insgesamt entsprächen – so der Sachverständige – die Arbeiten weder den Regeln der Handwerkskunst noch den Herstellervorgaben.
Anhaltspunkte, die Anlass bieten könnten, an der Richtigkeit der sorgfältig begründeten und durch Lichtbilder untermauerten Feststellungen des Sachverständigen zu zweifeln, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Ausführungen des Sachverständigen sind auch von keiner Partei angegriffen worden.
2. Eine Frist zur Nacherfüllung (§ 323 I BGB) musste der Kläger dem Beklagten nicht mehr setzen, nachdem dieser mit Schreiben vom 03.11.2011 seine Einstandspflicht ernsthaft und endgültig verweigert hatte (§ 323 II Nr. 1 BGB).
3. Dem klägerseits erklärten Rücktritt vom Kaufvertrag stehen auch keine Ausschlussgründe entgegen.
Fehlt einem Kaufgegenstand wie hier eine vereinbarte Beschaffenheit, wird hierdurch in der Regel die Erheblichkeit der Pflichtwidrigkeit indiziert (BGH, Urt. v. 17.02.2010 – VIII ZR 70/07, NJW-RR 2010, 1289), sodass der Rückabwicklung § 323 V 2 BGB nicht entgegengehalten werden kann.
Auch der formularmäßig vereinbarte Ausschluss der Gewährleistung hilft dem Beklagten nicht weiter: Er greift nach inzwischen ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung dann nicht, wenn dem Kaufgegenstand – wie hier – eine vertraglich vereinbarte Beschaffenheit fehlt (BGH, Urt. v. 29.11.2006 – VIII ZR 92/06, NJW 2007, 1346).
Der Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, der Rücktritt sei gemäß § 442 BGB wegen Kenntnis des Klägers ausgeschlossen.
Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger positiv wusste, dass die Reparaturarbeiten entgegen dem durch Beschreibung und Preis des Fahrzeugs erweckten Eindruck nicht sach- und fachgerecht ausgeführt worden waren, hat der Beklagte – insoweit darlegungs- und beweisbelastet (Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 3915) – nicht mit Substanz vorgetragen. Allein der Umstand, dass dem Kläger Unregelmäßigkeiten der Lackierung vor Vertragsschluss aufgefallen sind, lässt nicht darauf schließen, dass er von den weiteren schwerwiegenden Reparaturmängeln, wie sie nach dem Gutachten des Sachverständigen V vorhanden sind, Kenntnis gehabt hat.
Auf grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers – für die der Beklagte im Übrigen ebenfalls nichts von Substanz vorgetragen hat – kann der Beklagte sich ebenfalls nicht berufen. Denn er hat nach dem Wortlaut des Kaufvertrages eine Garantie für den – während seiner Besitzzeit und auf seine Veranlassung hin – behobenen Seitenschaden übernommen („ Der Verkäufer garantiert …“; § 442 I 2 BGB); das schließt eine Berufung auf grob fahrlässige Kenntnis aus.
4. In der Rechtsfolge kann der Kläger von dem Beklagten die Rückzahlung des Kaufpreises, Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des streitbefangenen Fahrzeugs, verlangen (§ 346 BGB). Ob neben dem in der unfachmännisch durchgeführten Reparatur liegenden Sachmangel weitere Sachmängel des verkauften Fahrzeugs bei Übergabe vorhanden waren (Stichwort : falsches Erstzulassungsdatum, gewerbliche Nutzung), bedarf keiner abschließenden Entscheidung mehr.
II. 1. Der Kläger kann von dem Beklagten ferner den Ersatz der im Vertrauen auf den Bestand des Vertrages getätigten Aufwendungen zur Reparatur der Airbags und der gebrochenen Feder von 400 € aus §§ 437 Nr. 3, 434, 284 BGB verlangen. Ein Verschulden des Beklagten in Bezug auf die in der Übereignung eines mangelhaften Fahrzeugs liegende Pflichtverletzung wird vermutet (§ 280 I 2 BGB; Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 3807). Anfall und Höhe der Kosten sind vom Beklagten nicht bestritten worden.
2. Die geltend gemachten Zinsen auf den Kaufpreis bzw. die zu erstattenden Aufwendungen schuldet der Beklagte aus dem Gesichtspunkt des Verzuges …
3. Abhängig vom Bestand der Hauptforderung steht dem Kläger außerdem der in der Höhe nicht zu beanstandende Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten zu, weil die Einschaltung eines Rechtsanwalts zur Verfolgung seiner Ansprüche erforderlich gewesen ist (§§ 437 Nr. 3, 280 I BGB) …
4. Der nach § 256 I ZPO zulässige Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs ist nach den §§ 293 ff. BGB begründet. Der Beklagte ist mit der Rücknahme des Pkw in Annahmeverzug geraten, als er die von dem Kläger mit Schreiben vom 28.10.2011 gesetzte Frist ungenutzt verstreichen ließ …