- Gibt der private Verkäufer eines Gebrauchtwagens bei dessen Beschreibung ohne jeden Zusatz an, für das Fahrzeug bestehe eine Garantie, kann aus der maßgeblichen Empfängersicht nur eine noch laufende Herstellergarantie gemeint sein. Gebrauchtwagengarantien, wie sie – auch über Versicherer – im gewerblichen Kfz-Handel angeboten werden, liegen bei einem Privatverkauf offensichtlich außerhalb des Erwartungshorizonts der beteiligten Verkehrskreise.
- Besteht für einen Gebrauchtwagen entgegen dem vertraglich Vereinbarten keine Herstellergarantie (mehr), liegt jedenfalls bei einem Jahreswagen mit einer Laufleistung von ca. 25.000 km, den der Käufer für rund 21.000 € erworben hat, ein erheblicher Mangel vor. Denn bei einem solchen Fahrzeug ist das Bestehen einer Herstellergarantie mit üblichem Umfang mit Blick auf die erhebliche Restlaufzeit und den Wert des Fahrzeugs sowie angesichts der für eine Reparatur üblicherweise anfallenden Kosten für den Käufer von garavierender Bedeutung.
- Ist in einem Kfz-Kaufvertrag eine bestimmte Beschaffenheit des Fahrzeugs vereinbart und wird zugleich die Haftung des Verkäufers für Sachmängel pauschal ausgeschlossen, so gilt der Haftungsausschluss regelmäßig nicht, wenn das Fahrzeug deshalb mangelhaft ist, weil es der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit nicht entspricht. Der Haftungsausschluss gilt vielmehr nur für Mängel i. S. des § 434 I 2 Nr. 1 und Nr. 2 BGB.
OLG Schleswig, Urteil vom 15.03.2012 – 5 U 103/11
Sachverhalt: Der Kläger begehrt vom Beklagten die Rückabwicklung eines Autokaufs.
Am 13.06.2010 ersteigerte der Kläger über die Internetplattform eBay auf der Grundlage der dort durch den Beklagten eingestellten Fahrzeugbeschreibung einen Pkw Kia Sorento zum Preis von 21.051,50 €. Am Folgetag vereinbarten die Parteien als Übergabetag den 26.06.2010.
An diesem Tag suchte der Kläger mit seinem Sohn den Bruder des Beklagten an dessen Privatanschrift auf, da der Beklagte selbst verhindert war. Der Bruder des Beklagten eröffnete dem Kläger, dass es sich bei dem Fahrzeug um ein Importfahrzeug aus Südkorea handele. Der Kläger – der diese Information bis dahin nicht erhalten hatte – führte ein im Wesentlichen von ihm ausgefülltes Vertragsformular des ADAC für den privaten Verkauf von Gebrauchtwagen mit. Dieses Formular, das einen Ausschluss der Sachmängelhaftung vorsah, unterzeichneten sowohl der Kläger als auch – im Auftrag – der Bruder des Beklagten im Haus, während sich der Sohn des Klägers draußen aufhielt.
Bereits auf der Heimfahrt traten erste Probleme mit dem Fahrzeug auf. Eine vom Kläger veranlasste ADAC-Gebrauchtwagenuntersuchung offenbarte neben unreparierten Schäden unter anderem, dass an dem Fahrzeug Reparaturen stattgefunden hatten. Eine Herstellergarantie bestand nicht.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 01.07.2010, das allerdings nicht zugestellt wurde, erklärte der Kläger den Rücktritt vom Vertrag. Er wiederholte diese Erklärung mit anwaltlichem Schreiben vom 26.07.2010, das zugestellt wurde.
Der Kläger hat insbesondere geltend gemacht, der Bruder des Beklagten habe ihm die Unfallfreiheit des Fahrzeugs zugesichert. Die abweichende Formulierung im Vertragsformular „nicht bekannt“ habe der Bruder erst nach Unterzeichnung in das Formular eingefügt. Auch fehle die in der Fahrzeugbeschreibung angegebene Herstellergarantie. Der Beklagte sei zudem als Unternehmer unter der Firma X-International GmbH aufgetreten mit der Folge, dass ein Widerrufsrecht nach den Regeln des Fernabsatzes bestehe. Die Rücktrittserklärung sei zugleich als Widerrufserklärung auszulegen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein Widerrufsrecht nach §§ 312b I, 355, 357 BGB scheide aus, da zum einen nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme der Verkauf durch den Beklagten als Privatmann erfolgt sei. Zum anderen fehle es an einem Fernabsatzvertrag, da der Kläger nach Begutachtung des Fahrzeugs den Vertrag bestätigt bzw. abgeändert habe. Gewährleistungsansprüche seien wirksam ausgeschlossen worden. Dass der Beklagte i. S von § 444 BGB Mängel arglistig verschwiegen oder eine Beschaffenheitsgarantie abgegeben habe, habe der Kläger nicht nachzuweisen vermocht. Soweit schließlich eine fehlende Garantie für das Fahrzeug in Frage stehe, fehle es an einer wirksamen Nachfristsetzung.
Die Berufung des Kläger hatte überwiegend Erfolg.
Aus den Gründen: II. … Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch gemäß §§ 434 I 1, 437 Nr. 2, 323, 346 BGB auf Zahlung von 20.987 € Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw Kia Sorento.
Der Pkw Kia Sorento ist mangelhaft i. S. des § 434 I 1 BGB, weil es an einer Herstellergarantie für das Fahrzeug und damit an einer vereinbarten Beschaffenheit fehlt.
Der Begriff der Beschaffenheit im Sinne vorgenannter Vorschrift erfasst – soweit zusicherungsfähig – jede Eigenschaft und jeden einer Sache anhaftenden tatsächlichen, wirtschaftlichen oder rechtlichen Umstand. Er ist insbesondere nicht auf physische Merkmale beschränkt. Ihm unterfällt mithin auch das Bestehen einer Herstellergarantie (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, § 434 Rn. 72 [Dauer der Herstellergarantie] unter Verweis auf BGH, NJW 1996, 2025).
Vereinbart ist die Beschaffenheit, wenn der Inhalt des Kaufvertrags die Pflicht des Verkäufers bestimmt, die gekaufte Sache in dem Zustand zu übereignen, wie ihre Beschaffenheit im Vertrag festgelegt ist. Insoweit genügt, anders als nach altem Recht, eine vom Vertragsinhalt erfasste hinreichend bestimmte, verbindliche Beschreibung der Sache. Eine solche ist vorliegend in der umfänglichen Beschreibung des Kaufgegenstands … zu sehen, die Grundlage der beiderseitigen auf einen Vertragsschluss über eBay gerichteten Erklärungen der Parteien gewesen ist. Soweit darin ausdrücklich auf eine Garantie verwiesen wird, kann solches aus der maßgeblichen Empfängersicht beim Kauf eines Gebrauchtfahrzeugs mit ca. 25.000 km Laufleistung von – so ausdrücklich – privat über eBay zur Überzeugung des Senats mangels anderweitiger Zusätze nur auf eine noch laufende Herstellergarantie bezogen sein. Gebrauchtwagengarantien wie beim gewerblichen Kfz-Handel, auch solche über einen Versicherer, liegen insoweit beim Privatkauf offensichtlich außerhalb des Erwartungshorizonts der beteiligten Verkehrskreise.
Der Beklagte vermag sich demgegenüber nicht darauf zu berufen, dass der nachfolgend geschlossene schriftliche Vertrag eine entsprechende Fahrzeugbeschreibung nicht enthält. Dabei kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben, ob dieser spätere Vertragsschluss den früheren über eBay vollumfänglich ersetzt. Der Beklagte wäre auch in diesem Falle an seinen fortgeltenden früheren Angaben als für den späteren Vertragsschluss maßgebend festzuhalten, solange er nicht in für den Vertragspartner unmissverständlicher Weise deutlich macht, dass und von welchen Beschaffenheitsangaben aus der Fahrzeugbeschreibung er abrücken will. Letzteres aber ist nicht festzustellen. Insbesondere ist insoweit der Hinweis auf die Importfahrzeugeigenschaft aus Anlass der Besichtigung und Fahrzeugübergabe unzureichend. Zwar mag sich im Tatsächlichen mit der Importfahrzeugeigenschaft zumeist das Fehlen einer Herstellergarantie für das Bundesgebiet verbinden, zwingend ist dieses indessen nicht. Jedenfalls gegenüber einem nicht gewerblichen Käufer bedurfte es im vorliegenden Fall zur Überzeugung des Senats eines ausdrücklichen Hinweises. Dies gilt umso mehr, als das Fehlen des Servicehefts als regelmäßiger Voraussetzung von Garantieleistungen des Herstellers ausweislich der Einfügungen im schriftlichen Kaufvertrag ausdrücklich Gegenstand von Erörterungen gewesen ist.
Unstreitig besteht eine entsprechende Herstellergarantie nicht. Der Beklagte ist in diesem Zusammenhang auch nicht mit seinem seitens des Klägers bestrittenen, erstmalig in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erfolgten Vortrag zu hören, es habe eine der Herstellergarantie gleiche Versicherung für das Fahrzeug bestanden. Es sind keine Gesichtspunkte i. S. von § 531 II ZPO ersichtlich, aus denen heraus dieser Vortrag in zweiter Instanz zuzulassen wäre. Nachdem die Garantiefrage bereits erstinstanzlich Verfahrensgegenstand war, hätte der in der abschließenden mündlichen Verhandlung persönlich angehörte Beklagte spätestens zu diesem Zeitpunkt mit seinem Vorbringen hervortreten müssen. Auf die Frage einer tatsächlichen, nicht hinreichend dargelegten Vergleichbarkeit kommt es mithin nicht an.
Dieser Mangel ist auch erheblich i. S. von § 323 V 2 BGB. Bei einem Jahreswagen der streitgegenständlichen Preiskategorie mit ca. 25.000 km Laufleistung ist das Bestehen der Herstellergarantie im üblichen Umfang im Hinblick auf die erhebliche Restlaufzeit eines solchen Fahrzeugs, auf den Fahrzeugwert und auf die im Falle eines Reparaturbedarfs an dem Garantieanspruch üblicherweise unterfallenden Fahrzeugteilen anfallenden Kosten für den Gebrauchtwagenkäufer von gewichtiger Bedeutung. In gebotener Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalls wie insbesondere auch der ausdrücklichen Werbung mit einer Garantie ist daher im Ergebnis von einem wesentlichen Mangel auszugehen.
Im Weiteren war vorliegend eine grundsätzlich gebotene Fristsetzung i. S. von § 323 I BGB gemäß § 323 II Nr. 3 BGB aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls unter Abwägung der beiderseitigen Interessen entbehrlich. Solches folgt zur Überzeugung des Senats aus dem Umstand, dass eine derartige Fristsetzung sich als bloße Förmlichkeit dargestellt hätte, da die bei dem Fahrzeug nicht vorhandene Herstellergarantie nicht nachträglich durch den Beklagten hat herbeigeführt werden können. Ebenso schied die Ersatzlieferung eines anderen Fahrzeugs aus, war doch insbesondere beim Privatverkauf jedenfalls nach erfolgter Besichtigung und nachfolgender ausdrücklicher Bestätigung des Vertragswillens bzw. Neuabschluss des Vertrags die Leistungspflicht auf das streitgegenständliche Fahrzeug konkretisiert. Auch in diesem Zusammenhang ist der Beklagte mit seinem Vortrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zu einer der Herstellergarantie entsprechenden Versicherungsmöglichkeit bereits unter Verspätungsgesichtspunkten nicht zu hören. Spätestens auf das Drängen des Klägers auf nähere Konkretisierung im Schriftsatz vom 04.01.2011 wäre es Sache des Beklagten gewesen, eine der Herstellergarantie entsprechenden Versicherung bzw. ihm als Privatverkäufer offenstehende diesbezügliche – nachträgliche – Versicherungsmöglichkeit konkret darzulegen. Dessen ungeachtet greifen die Ausführungen im Termin vor dem Senat – ihre Glaubhaftigkeit dahingestellt – aber auch in der Sache nicht durch. Die Ausführungen des Beklagten zu einer der Neuwagengarantie gleichen Versicherungsmöglichkeit beim Neuwagenimport durch Kfz-Händler und diesbezügliche frühere Geschäftsverbindungen laufen offensichtlich leer. Ein derartiger Neuwagenimport und eine entsprechende Versicherbarkeit stehen unstreitig ebenso wenig in Rede wie – der Vollständigkeit halber zu ergänzen – eine Händler-Gebrauchtwagenversicherung.
Der Beklagte vermag sich demgegenüber auch nicht auf einen Gewährleistungsausschluss – sei es im Rahmen des eBay-Kaufes durch den Passus „Keine Rücknahme. Dies ist ein Privatverkauf.“, sei es aus dem schriftlichen Kaufvertrag vom 26.06.2010 – zu berufen.
Zwar geht der Senat grundsätzlich vom Vorliegen eines wirksamen Gewährleistungsausschlusses aus. Sind in einem Kaufvertrag jedoch zugleich eine bestimmte Beschaffenheit der Kaufsache und ein pauschaler Ausschluss der Sachmängelhaftung vereinbart, so ist dies im Rahmen der gebotenen nach beiden Seiten interessengerechten Auslegung regelmäßig dahin auszulegen, dass der Haftungsausschluss nicht für das Fehlen der vereinbarten Beschaffenheit, sondern nur für Mängel gem. § 434 I 2 Nr. 1 und Nr. 2 BGB gelten soll (vgl. BGH, Urt. v. 29.11.2006 – VIII ZR 92/06, NJW 2007, 1346). Anhaltspunkte für eine abweichende Beurteilung bestehen vorliegend nicht.
Der Kläger hat mit Schreiben vom 26.07.2010, dem Beklagten per Gerichtsvollzieher zugestellt, das ihm danach zustehende Rücktrittsrecht ausgeübt.
In der Folge sind gemäß § 346 BGB die empfangenen Leistungen einander zurückzugewähren. Der Beklagte hat danach – Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw – dem Kläger den tatsächlich gezahlten Kaufpreis in Höhe von 21.050 € zurückzuerstatten. Davon in Abzug zu bringen sind die vom Kläger gezogenen Nutzungen. Ausgehend von einer Fahrleistung von 523 km (423 km Heimfahrt gemäß Routenplaner zzgl. geschätzte 100 km, etwa Fahrten aus Anlass des Gutachtens, bis zur Stilllegung) und einer geschätzten Gesamtlaufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs von 200.000 km errechnet sich nach der Formel
$$\text{Gebrauchsvorteil} = {\frac{\text{Bruttokaufpreis}\times\text{Fahrleistung}}{\text{Restlaufleistung}}}$$
ein Wertersatz von 63 € (§ 287 ZPO). Damit reduziert sich der vom Beklagten an den Kläger zu entrichtende Betrag auf 20.987 €. Hinsichtlich des überschießenden Betrags ist die Klage unbegründet.
Soweit der Kläger eine Verzinsung des Kaufpreises mit 3 % p. a. ab dem 26.06.2010 unter dem Gesichtspunkt entgangener Anlagezinsen begehrt, ist ein entsprechender Anspruch hinsichtlich einer ersatzweisen Anlage nicht hinreichend dargelegt. Entsprechendes gilt für einen Anspruch nach § 347 I BGB. Jedoch ist unter Verzugsgesichtspunkten ausgehend von der mit Rücktrittschreiben vom 26.07.2010 gesetzten Zahlungsfrist ab dem 05.08.2010 bis zum 08.09.2010 eine Verzinsung mit 3 % vorzunehmen; für eine Verzinsung in gesetzlicher Höhe fehlt es für diesen Zeitraum an einem entsprechenden Klagantrag. Ab dem 09.09.2010 sind sodann Rechtshängigkeitszinsen in gesetzlicher Höhe zuzusprechen …