Bei ei­nem nur op­ti­schen Man­gel ist ei­ne er­heb­li­che Pflicht­ver­let­zung i. S. des § 323 V 2 BGB re­gel­mä­ßig zu be­ja­hen, wenn ein Ver­stoß ge­gen ei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung vor­liegt. Fehlt ei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung, so ist bei ei­nem nur op­ti­schen Man­gel ein Rück­tritt aus­ge­schlos­sen, wenn nur äu­ßerst ge­ring­fü­gi­ge op­ti­sche Be­ein­träch­ti­gun­gen vor­lie­gen oder der Man­gel nur bei in­ten­si­ver Be­trach­tung in Ver­bin­dung mit be­stimm­ten Licht­ver­hält­nis­sen über­haupt wahr­ge­nom­men wer­den kann.

LG Dort­mund, Ur­teil vom 17.06.2011 – 2 O 151/10

Sach­ver­halt: Die Klä­ge­rin kauf­te von der Be­klag­ten im Ju­li 2008 ei­nen neu­en Wohn­wa­gen für 11.500 €. Der Wohn­wa­gen wies meh­re­re Män­gel auf. Er wur­de der Be­klag­ten min­des­tens fünf­mal zur Nach­bes­se­rung zur Ver­fü­gung ge­stellt, wo­bei je­den­falls ein Teil der Män­gel be­sei­tigt wur­de.

Die Klä­ge­rin be­haup­tet im Pro­zess noch fol­gen­de Män­gel: (1.) Aus­beu­lun­gen/Knick­stel­len im Front­be­reich durch Drü­cken der Un­ter­kon­struk­ti­on in das Au­ßen­blech auf ei­ner Län­ge von 1,20 m und (2.) star­ke Strei­fen­bil­dung mit Ver­fär­bun­gen im Lack im Front- und Heck­be­reich, ver­ur­sacht durch min­der­wer­ti­ge/man­gel­haf­te Dich­tungs­mas­se.

Mit Schrei­ben ih­res Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten vom 10.07.2009 for­der­te die Klä­ge­rin die Be­klag­te zur Män­gel­be­sei­ti­gung auf, und zwar un­ter an­de­rem hin­sicht­lich der be­haup­te­ten Aus­beu­lun­gen/Knick­stel­len im Front­be­reich. Mit Schrei­ben vom 31.07.2009 er­klär­te die Be­klag­te, al­le be­an­stan­de­ten Män­gel sei­en be­sei­tigt; die Beu­le vor­ne rechts im Bug­be­reich sei durch „Selbst­ver­schul­den her­bei­ge­ru­fen“ wor­den. Die Klä­ge­rin for­der­te die Be­klag­te mit Schrei­ben vom 13.01.2010 auf, das Fahr­zeug Zug um Zug ge­gen Zah­lung des Kauf­prei­ses ab­züg­lich ei­ner Nut­zungs­ent­schä­di­gung zu­rück­zu­neh­men. Hier­zu war die Be­klag­te nicht be­reit.

Mit der Kla­ge ver­folgt die Klä­ge­rin das Rück­ab­wick­lungs­be­geh­ren wei­ter. Auf den Kauf­preis in Hö­he von 11.500 € lässt sie sich ei­ne Ent­schä­di­gung für Ge­brauchs­vor­tei­le in Hö­he von 500 € an­rech­nen. Die Kla­ge hat­te Er­folg.

Aus den Grün­den: Der Klä­ge­rin steht ge­gen­über der Be­klag­ten ein An­spruch auf Rück­zah­lung des ge­zahl­ten Kauf­prei­ses Zug um Zug ge­gen Her­aus­ga­be des Wohn­wa­gens aus § 346 I BGB i. V. mit §§ 434 I, 437 Nr. 2, 440, 323 BGB zu.

I. Der Wohn­wa­gen weist ei­nen Man­gel nach § 434 BGB auf. Der Man­gel zu (1) ist nach dem Er­geb­nis der Be­weis­auf­nah­me ge­ge­ben und wird von der Be­klag­ten auch nicht mehr in Ab­re­de ge­stellt. Im Be­reich der Eck­run­dun­gen links und rechts der Bug­wand wa­ren kan­ti­ge Ab­kni­ckun­gen vor­han­den, wo­bei es sich um Ab­for­mun­gen der im in­ne­ren der Bug­wand be­find­li­chen Eck­leis­ten han­del­te. Un­er­heb­lich ist hier­bei, dass sich der Man­gel äu­ßer­lich erst nach der Über­ga­be des Fahr­zeugs an die Klä­ge­rin ge­zeigt ha­ben mag. Denn nach dem von den Par­tei­en nicht an­ge­grif­fe­nen Gut­ach­ten wur­de die Ur­sa­che für den nun­mehr äu­ßer­lich er­kenn­ba­ren Man­gel bei der Her­stel­lung des Fahr­zeugs ge­setzt, in­dem Eck­leis­ten oh­ne aus­rei­chend vor­ge­nom­me­ne Ab­run­dun­gen ver­baut wur­den.

II. Das Rück­tritts­recht ist hier nicht nach § 323 V 2 BGB aus­ge­schlos­sen. Die Be­ur­tei­lung, ob ei­ne Pflicht­ver­let­zung un­er­heb­lich i. S. des § 323 V 2 BGB ist, er­for­dert ei­ne um­fas­sen­de In­ter­es­sen­ab­wä­gung, wo­bei es auf die Um­stän­de des Ein­zel­falls an­kommt (BGH, Urt. v. 17.02.2010 – VI­II ZR 70/07, NJW-RR 2010, 1289 m. w. Nachw.). Da­bei kann von Be­deu­tung sein, ob der Man­gel so aus­ge­stal­tet ist, dass er für vie­le In­ter­es­sen­ten ein Grund sein wird, vom Kauf Ab­stand zu neh­men (BGH, Urt. v. 05.11.2008 – VI­II ZR 166/07, NJW 2009, 508). Bei ei­nem nur op­ti­schen Man­gel ist die Er­heb­lich­keit re­gel­mä­ßig zu be­ja­hen, wenn ein Ver­stoß ge­gen ei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung vor­liegt (BGH, Urt. v. 17.02.2010 – VI­II ZR 70/07, NJW-RR 2010, 1289 [1291]: fal­sche Wa­gen­far­be). Liegt – wie hier – ei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung nicht vor, so ist bei ei­nem nur op­ti­schen Man­gel der Rück­tritt aus­ge­schlos­sen, wenn nur äu­ßerst ge­ring­fü­gi­ge op­ti­sche Be­ein­träch­ti­gun­gen vor­lie­gen (OLG Düs­sel­dorf, Urt. v. 08.06.2005 – I-3 U 12/04, NJW 2005, 2235) oder der Man­gel nur bei in­ten­si­ver Be­trach­tung in Ver­bin­dung mit be­stimm­ten Licht­ver­hält­nis­sen über­haupt wahr­ge­nom­men wer­den kann (KG, Urt. v. 29.03.2007 – 27 U 133/06, BeckRS 2007, 08188).

An Vor­ste­hen­dem ge­mes­sen liegt kein nur un­er­heb­li­cher Man­gel vor, so­dass die Klä­ge­rin zum Rück­tritt be­rech­tigt bleibt. Hier­für spricht zum ei­nen be­reits die Re­la­ti­on zwi­schen Nach­bes­se­rungs­kos­ten in Hö­he von 1.588,65 € brut­to im Ver­hält­nis zu dem Kauf­preis von 11.500 € (= rund 14 %). Da­ne­ben strei­ten aber auch wei­te­re As­pek­te da­für, den Man­gel nicht als un­er­heb­lich an­zu­se­hen. So ist die op­ti­sche Be­schaf­fen­heit bei ei­nem Wohn­wa­gen re­gel­mä­ßig von grö­ße­rer Be­deu­tung. Denn des­sen Haupt­be­stim­mung liegt in sei­nem Wohn­zweck. An sei­nem Stand­ort ist er re­gel­mä­ßig häu­fi­ger und län­ger Ge­gen­stand der Be­trach­tung, so dass op­ti­sche Män­gel eher wahr­ge­nom­men wer­den kön­nen als bei ei­nem Pkw (vgl. zu ei­nem ähn­li­chen Ge­sichts­punkt OLG Hamm, Urt. v. 10.03.2011 – 28 U 131/10: Feuch­tig­keits­schä­den im Rei­se­mo­bil). Aber auch der Um­stand, dass die op­ti­sche Be­ein­träch­ti­gung durch ei­ne nicht aus­rei­chend vor­ge­nom­me­ne Ab­run­dung der Eck­leis­ten ver­ur­sacht wor­den ist, spricht ge­gen die An­nah­me ei­nes un­er­heb­li­chen Man­gels. Denn ein Käu­fer wird ge­neigt sein, vom Kauf Ab­stand zu neh­men, wenn er auf­grund die­ses Her­stel­ler­feh­lers wei­te­re kon­struk­ti­ve Män­gel oder Aus­füh­rungs­feh­ler be­fürch­ten muss.

Nach al­le­dem muss das In­ter­es­se der Be­klag­ten, das Fahr­zeug nicht zu­rück­neh­men zu müs­sen und sich da­mit wirt­schaft­lich vor­aus­sicht­lich schlech­ter zu ste­hen als bei ei­ner Min­de­rung oder ei­ner Scha­dens­be­sei­ti­gung, hint­an­ste­hen. Es ist auch nicht zu­tref­fend, dass die op­ti­schen Be­ein­träch­ti­gun­gen hier et­wa äu­ßerst ge­ring­fü­gig wä­ren. Die Knick­stel­le ist ins­be­son­de­re auf dem Bild 5 des Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­tens S deut­lich und oh­ne Mü­he er­kenn­bar.

III. Es kann hier da­hin­ste­hen, ob die Klä­ge­rin dem Be­klag­ten be­züg­lich des vor­ge­nann­ten Man­gels hin­rei­chend Ge­le­gen­heit zur Män­gel­be­sei­ti­gung ge­ge­ben hat. Denn die Be­klag­te hat die Män­gel­be­sei­ti­gung in­so­weit ernst­haft und end­gül­tig ver­wei­gert (§ 323 II Nr. 1 BGB). Sie hat den Man­gel ge­leug­net und ins­ge­samt die Ab­wei­sung der Kla­ge be­an­tragt. So­weit die Be­klag­te nach Vor­lie­gen des Gut­ach­tens noch ei­ne Be­sei­ti­gung des Man­gels an­ge­bo­ten hat, so ist dies un­er­heb­lich, weil der An­spruch auf Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags be­reits ent­stan­den war.

IV. Den Nut­zungs­er­satz (§ 346 I BGB) hat die Klä­ge­rin zu­tref­fend mit 500 € an­ge­ge­ben, so­dass wei­te­re Be­trä­ge von der Kla­ge­for­de­rung nicht ab­zu­set­zen sind. Das Ge­richt schätzt die Hö­he des Nut­zungs­er­sat­zes ent­spre­chend § 287 ZPO auf die­sen Be­trag. Da­bei hat das Ge­richt zum ei­nen be­rück­sich­tigt, dass es vor­lie­gend nicht um ei­nen Pkw geht, so­dass es nicht auf das Ver­hält­nis der be­reits zu­rück­ge­leg­ten Ki­lo­me­ter zu der er­war­te­ten Ge­samt­lauf­leis­tung an­kom­men kann, son­dern ei­ne Be­wer­tung pro ra­ta tem­po­ris vor­zu­neh­men ist, weil ein Wohn­wa­gen nicht für den täg­li­chen Ver­kehr be­nutzt wird, son­dern um dar­in – ge­ge­be­nen­falls nach ei­ner Orts­ver­än­de­rung – zu woh­nen (OLG Ros­tock, Urt. v. 08.04.2008 – 1 U 65/08, DAR 2009, 204). Das Ge­richt hat fer­ner be­rück­sich­tigt, dass der Wohn­wa­gen we­gen der un­strei­ti­gen häu­fi­gen Man­gel­be­sei­ti­gungs­ar­bei­ten für die Klä­ge­rin nicht un­ein­ge­schränkt zur Ver­fü­gung stand …

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