1. Allein der Umstand, dass ein Fahrzeug nach Deutschland reimportiert wurde, stellt keinen Sachmangel dar. Für einen Sachmangel ist vielmehr erforderlich, dass die Serienausstattung des Fahrzeugs hinter der Ausstattung eines für den deutschen Markt produzierten Fahrzeugs zurückbleibt oder das Fahrzeug den deutschen Sicherheitsvorschriften nicht entspricht.
  2. Der Verkäufer eines reimportierten Gebrauchtwagens muss den Käufer nur dann darüber aufklären, dass das Fahrzeug nach Deutschland reimportiert wurde, wenn dieser Umstand zu einer deutlichen Wertminderung des Fahrzeugs geführt hat. Ob durch den Reimport eine Wertminderung eingetreten ist, ist eine nur für den jeweiligen Einzelfall zu beantwortende Frage.

LG Berlin, Urteil vom 09.05.2011 – 28 O 41/11
(nachfolgend: KG, Beschluss vom 29.08.2011 – 20 U 130/11)

Sachverhalt: Der Kläger verlangt von der beklagten Gebrauchtwagenhändlerin die Rückabwicklung eines Kaufvertrages, nachdem er die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung erklärt hat.

Er war im Internet auf einen VW Jetta 2.0 FSI aufmerksam geworden und von dessen Anbieter an die Beklagte verwiesen worden, weil diese beauftragt war, das Fahrzeug im Kundenauftrag zu verkaufen.

Der Kläger und seine Ehefrau besichtigten den Pkw am 09.10.2010 auf dem Firmengelände der Beklagten. Gegenstand des Verkaufsgesprächs, das für die Beklagte deren Geschäftsführer führte, war auch das Serviceheft des Fahrzeugs. Dieses ist in dänischer Sprache abgefasst, weil der VW Jetta aus Dänemark reimportiert wurde.

Das Fahrzeug wurde dem Kläger schließlich am 20.10.2010 auf der Grundlage eines schriftlichen Kaufvertrages und gegen Zahlung von 11.750 € übereignet.

Mit Anwaltsschreiben vom 15.11.2010 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung, nachdem er bereits am 12.11.2010 die Rückabwicklung des Kaufvertrages verlangt hatte, und forderte die Beklagte auf, ihm binnen drei Tagen einen Termin für die Rückgabe des Fahrzeugs zu nennen. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 19.11.2010 eine Rückabwicklung des mit dem Kläger geschlossenen Kaufvertrages ab und verweigerte dementsprechend die ihr am 25.11.2010 tatsächlich angebotene Rücknahme des Pkw.

Der Kläger hat behauptet, er habe erst einige Tage nach der Übergabe des Fahrzeugs bei der Durchsicht des Bordbuchs bemerkt, dass es sich um einen nach Deutschland reimportierten Pkw handelt. Hierüber habe ihn die Beklagte bei Abschluss des Kaufvertrages nicht aufgeklärt.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Der Kläger kann von der Beklagten nicht Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs verlangen.

1. Ein Anspruch besteht nicht gemäß §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB wegen schuldhafter Verletzung einer Aufklärungspflicht bei Vertragsschluss.

a) Ein Vorrang der Sachmängelhaftung, die Arglist als qualifiziertes Verschulden voraussetzen würde, besteht vorliegend nicht. Der Umstand allein, dass das verkaufte Fahrzeug nach Deutschland reimportiert wurde, stellt keinen Sachmangel dar, da es sich nicht um eine dem Fahrzeug anhaftende Beschaffenheit handelt (vgl. OLG Naumburg, Urt. v. 07.12.2005 – 6 U 24/05, DAR 2006, 327; OLG Jena, Urt. v. 23.10.2008 – 1 U 118/08, juris). Dass das Fahrzeug über eine Minderausstattung gegenüber einem für den deutschen Markt produzierten Fahrzeug verfügt oder den deutschen Sicherheitsvorschriften nicht entspricht, ist nicht vorgetragen. Danach war hier nur erforderlich, dass die Beklagte die ihr obliegende Hinweispflicht fahrlässig verletzt hat.

b) Allerdings stellt nach der Rechtsprechung der Reimport eines Gebrauchtwagens einen offenbarungspflichtigen Umstand dar, wenn der Wert des Fahrzeugs dadurch wesentlich gemindert ist (vgl. OLG Jena, Urt. v. 23.10.2008 – 1 U 118/08, juris). Hier hat die Beklagte den Vortrag des Klägers nicht bestritten, dass es sich um ein Importfahrzeug handelt und dessen Wert nach der Verkehrsauffassung aufgrund dieses Umstandes erheblich gemindert war.

c) Offenbarungspflichtig sind aber nur solche Tatsachen, die erkanntermaßen oder erkennbar für die Vertragsentschließung nach den konkreten Umständen von Bedeutung sind. Durfte der Geschäftsführer der Beklagten daher davon ausgehen, dass dem Kläger bewusst war, dass es sich um ein Importfahrzeug handelte, bedurfte es keiner besonderen Aufklärung.

Der Kläger, der für das Vorliegen einer schuldhaften Vertragsverletzung beweispflichtig ist, musste daher hier den Vortrag der Beklagten widerlegen, dass er bereits in einem Telefonat am 08.10.2011 über die Importeigenschaft des Fahrzeugs informiert wurde und ihm dieser Umstand erneut bewusst wurde, als er bei dem Verkaufsgespräch das in dänischer Sprache abgefasste Serviceheft durchblätterte. Diesen Beweis hat der Kläger nicht geführt.

Hinsichtlich der Aufklärung in einem Telefonat vom 08.10.2011 hat der Kläger bereits keinen Beweis angeboten. Er hat lediglich bestritten, dass es ein solches Telefonat gegeben habe. Dieses Bestreiten ist bereits zweifelhaft, denn erfahrungsgemäß war vor der Besichtigung eine vorherige Terminsabsprache erforderlich. Zudem hat die Ehefrau des Klägers bei ihrer Vernehmung ein vorheriges Telefonat zur Terminsabsprache bestätigt.

Der Geschäftsführer der Beklagten hat bei seiner Anhörung auch sehr detailliert über den Inhalt dieses Telefonats berichtet. Dabei und auch bei seiner ersten Anhörung im Termin am 01.04.2011 hat er auf mich den Eindruck gemacht, dass er sich tatsächlich noch sehr gut an die Vorgänge erinnert. Auch wenn eine sehr genaue Detailkenntnis früherer Vorgänge häufig Anlass für die Annahme gibt, dass der Betreffende unwahr aussagt, hatte ich diesen Eindruck bei [dem Geschäftsführer] nicht. Das mag auch damit zu tun gehabt haben, dass das Verkaufsgespräch erst etwa ein halbes Jahr zurücklag und [der Geschäftsführer] bereits kurze Zeit nach dem Gespräch, mit Schreiben vom 12.11.2011, von der Anfechtung und ihrer Begründung erfahren hat. Sein Vortrag zum Inhalt des Gesprächs ist auch plausibel. Es entspricht der Erfahrung, dass ein potenzieller Käufer nicht nur einen Besichtigungstermin vereinbart, sondern gleichzeitig Fragen zu dem Fahrzeug stellt.

Da die Beklagte das Fahrzeug selbst reimportiert hatte, es sich also gewissermaßen um „ihr“ Fahrzeug handelte, ist auch plausibel, dass dieser Umstand bei der Beschreibung des Fahrzeugs zur Sprache kam. Damit handelt es sich um einen erheblichen Vortrag, der nicht bereits für sich genommen unglaubwürdig war mit der Folge, dass er zugunsten der Beklagten nicht zu berücksichtigen wäre.

Dieser Vortrag ist auch nicht als verspätet zurückzuweisen …

Danach ist davon auszugehen, dass der Kläger bereits zu Beginn des Verkaufsgesprächs über die Tatsache, dass es sich um einen sogenannten EU-Wagen handelte, informiert war und hierüber nicht nochmals informiert werden musste.

Unabhängig hiervon ist auch die weitere Behauptung des Klägers nicht zur Überzeugung des Gerichts widerlegt, er habe das Serviceheft nur über den Tisch hinweg kopfüber gesehen, sodass ihm nicht aufgefallen sei, dass es in dänischer Sprache abgefasst ist. Zwar hat die Ehefrau des Klägers diesen Vortrag als Zeugin bestätigt. Jedoch bin ich nicht davon überzeugt, dass diese Aussage objektiv richtig war. Die Aussage war deutlich weniger detailreich als die Angaben des Geschäftsführers der Beklagten. An einzelnen Stellen, etwa wenn es um Inspektionen oder den Kraftfahrzeugbrief ging, konnte sich die Zeugin nicht mehr genau erinnern. Es spricht einiges dafür, dass die Zeugin zu der Besichtigung nur mitgegangen ist, die Klärung der Details aber ihrem Mann überlassen hat, sodass sie insgesamt eine weniger genaue Erinnerung an die Vorgänge hatte. Ich schließe es insbesondere nicht aus, dass die Zeugin aufgrund von Gesprächen mit ihrem Mann sich die Überzeugung gebildet hat, das Serviceheft sei nur „kopfüber“ eingesehen worden, obwohl sie eigentlich keine genaue Erinnerung mehr an dieses für sie zum Zeitpunkt des Geschehens unwichtige Detail hatte. Es kommt hinzu, dass die Schilderung des Klägers, er habe bewusst auf eine Einsichtnahme in das Serviceheft verzichtet, zumindest ungewöhnlich wäre, und wiederum der Geschäftsführer der Beklagten bei seiner Anhörung einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen hat.

Es spricht einiges dafür, dass der eigentliche Anlass für die Anfechtung der Umstand war, dass es nach dem Verkauf wegen eines anderen Details zu Unstimmigkeiten zwischen den Parteien gekommen ist und der Kläger … erfahren hat, dass die Tatsache, dass es sich bei dem Fahrzeug um einen sogenannten EU-Wagen handelt, ihn möglicherweise zum Rücktritt berechtigen könnte.

2. Da ein Anspruch bereits wegen einfacher Fahrlässigkeit nicht gegeben ist, scheiden erst recht Ansprüche unter dem Aspekt der arglistigen Täuschung gemäß §§ 823 II BGB i. V. mit § 263 StGB, § 826 BGB bzw. §§ 812 I, 818 II BGB aus …

Hinweis: Das Kammergericht hat mit Beschluss vom 06.10.2011 – 20 U 130/11 – die Berufung des Klägers zurückgewiesen, nachdem es mit Beschluss vom 29.08.2011 auf diese Absicht hingewiesen hatte. In dem Hinweisbeschluss heißt es:

„Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht einen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages nach Anfechtung wegen arglistiger Täuschung zurückgewiesen.

Dabei hat das Landgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte (OLG Hamm, Urt. v. 13.05.2003 – 28 U 150/02, NJW-RR 2003, 1360; OLG Jena, Urt. v. 23.10.2008 – 1 U 118/08, juris) zutreffend angenommen, dass die Eigenschaft des Fahrzeugs als ‚Reimport‘ keinen Sachmangel darstellt.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts handelt es sich dabei jedoch auch nicht um einen aufklärungspflichtigen Sachverhalt, dessen Verschweigen eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach § 123 I BGB gestattet. Denn es ist entgegen der Ansicht des Landgerichts zwischen den Parteien nicht unstreitig, dass der Wert des Fahrzeugs aufgrund des Umstandes, dass es sich um einen Reimport handelt, nach der Verkehrsauffassung erheblich gemindert ist. Dies hat der Kläger schon nicht substanziiert dargetan, jedenfalls hat es die Beklagte spätestens mit Schriftsatz vom 04.04,2011 implizit bestritten.

Es ergibt sich auch nicht aus der von allen Seiten zitierten Rechtsprechung der Oberlandesgerichte, dass der Status eines Fahrzeugs als (Re-)Importwagen auch 2010 noch zu einer Wertminderung des Fahrzeugs in Deutschland führt. Vielmehr hat das OLG Hamm (Urt. v. 13.05.2003 – 28 U 150/02, NJW-RR 2003, 1360) bereits daran gezweifelt, ob diese Verkehrsauffassung zum Entscheidungszeitpunkt noch bestand. Nach dem zitierten Urteil des OLG Jena ist dies jeweils eine im Einzelfall zu entscheidende Tatsachenfrage.

Der Kläger hat weder einen entsprechenden ausreichenden Sachvortrag zur behaupteten Wertminderung noch einen Beweisantritt hierzu erbracht. Angesichts dessen fehlt es bereits an einem schlüssigen Klagevorbringen.

Auf die Frage der Beweiswürdigung des Landgerichts kommt es daher nicht an. Soweit der Kläger hier die Diktion des Gerichts rügt, sei darauf hingewiesen, dass dies offensichtlich … die übliche Diktion des Einzelrichters darstellt. Rückschlüsse auf den Wert der Beweiswürdigung erlaubt diese sprachliche Fassung nicht.

Im Übrigen begegnet die Beweiswürdigung keinen rechtlichen Bedenken.

Der Kläger als Anfechtender ist darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass eine Aufklärung über eine aufklärungspflichtige Tatsache unterblieb. Die Beklagte als Verkäuferin ist – wenn ein Unterlassen gerügt wird – in sekundärer Darlegungslast verpflichtet, den Verlauf der Aufklärung darzustellen. Dies hat die Beklagte in nachvollziehbarer Wertung des Landgerichts … ausreichend und plausibel getan. Den dem Kläger obliegenden Beweis, dass diese Aufklärung nicht erfolgt ist, hat das Landgericht rechtsfehlerfrei als … nicht geführt angesehen. Die Beweiswüdigung lässt Verstöße gegen Beweisgrundsätze, Logik oder Denkgesetze nicht erkennen …“

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