1. Zwar handelt ein Verkäufer schon dann arglistig, wenn er zu Fragen, deren Beantwortung erkennbar maßgebliche Bedeutung für den Kaufentschluss seines Kontrahenten hat, ohne tatsächliche Grundlagen „ins Blaue hinein“ unrichtige Angaben macht. Eine Erklärung „in Blaue hinein“ liegt jedoch nicht vor, wenn der Verkaufsmitarbeiter eines Kfz-Händlers ohne Einschränkungen erklärt, ein zum Verkauf stehender Gebrauchtwagen sei unfallfrei, er sich dabei auf einen entsprechenden Eintrag im EDV-System des Händlers stützt und einem solchen Eintrag üblicherweise eine DEKRA-Untersuchung des jeweiligen Fahrzeugs zugrunde liegt.
  2. Eine erstmals im Berufungsrechtszug erhobene Verjährungseinrede ist unabhängig von den Voraussetzungen des § 531 II 1 Nr. 1 bis 3 ZPO zuzulassen, wenn die Erhebung der Verjährungseinrede und die den Verjährungseintritt begründenden tatsächlichen Umstände zwischen den Prozessparteien unstreitig sind. Das gilt auch dann, wenn die Zulassung dazu führt, dass vor einer Sachentscheidung eine Beweisaufnahme (hier: über die eine Arglist begründenden Umstände) notwendig wird.

OLG München, Urteil vom 29.09.2010 – 20 U 2761/10

Sachverhalt: Die Klägerin erwarb von der Beklagten auf der Grundlage einer verbindlichen Bestellung vom 08.06.2007 einen gebrauchten Mercedes-Benz SL 55 AMG zum Preis von 84.000 €. Das Fahrzeug wurde ihr am 17.07.2007 übergeben.

In dem von dem Geschäftsführer der Klägerin unterschriebenen Bestellformular heißt es „Zahl, Art und Umfang von Unfallschäden lt. Vorbesitzer: keine“ und „Zahl, Art und Umfang von sonstigen Schäden, technischen Mängeln und Nachlackjerungen lt. Vorbesitzer: keine“. Außerdem wird in dem Formular auf die „beigefügten Gebrauchtfahrzeug-Verkaufsbedingungen“ Bezug genommen. Danach verjähren Ansprüche des Käufers wegen eines Sachmangels in einem Jahr ab Ablieferung des Kaufgegenstandes.

Mit Schreiben vom 15.06.2009 erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten den Rücktritt vom Kaufvertrag und begründete dies damit, dass das erworbene Fahrzeug einen Unfallschaden aufweise. Die Beklagte war zu einer Rückabwicklung des Kaufvertrags nicht bereit.

Die Klägerin behauptet, bei Abschluss des Kaufvertrags habe der bei der Beklagten als Verkäufer tätige L die Unfallfreiheit ohne die Einschränkung „lt. Vorbesitzer“ zugesichert, obwohl der Pkw nicht untersucht worden sei. Tatsächlich sei aber bereits bei der Übergabe des Fahrzeugs am 17.07.2007 ein Unfallschaden vorhanden gewesen. Dies sei festgestellt worden, als das Fahrzeug nach einem Unfall am 04.04.2009 untersucht worden sei.

In erster Instanz hat die Klägerin die Beklagte im Wesentlichen auf Rückzahlung des um eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 8.316 € verminderten Kaufpreises sowie den Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten in Anspruch genommen. Außerdem hat sie die Feststellung begehrt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Pkw in Verzug befinde. Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass das streitgegenständliche Fahrzeug bei der Übergabe an die Klägerin mangelhaft gewesen sei, weil es einen Unfallschaden aufgewiesen habe, der über einen bloßen „Bagatellschaden“ hinausgegangen sei. Dieser Schaden – ein Streifschaden – sei unsachgemäß repariert worden. Eine einwandfreie Reparatur – so das Landgericht – hätte einen Kostenaufwand von 5.000 € erfordert, und es wäre ein merkantiler Minderwert von 2.100 € verblieben. Die von der Klägerin zu zahlende Nutzungsentschädigung hat das Landgericht geringfügig höher bemessen als die Klägerin, weil das Fahrzeug bis zur mündlichen Verhandlung weiter genutzt worden war.

Die Berufung der Beklagten, die im Berufungsrechtszug erstmals die Einrede der Verjährung erhob, hatte Erfolg.

Aus den Gründen: II. Die zulässige Berufung ist begründet, da die Gewährleistungsansprüche der Klägerin wegen des festgestellten Unfallschadens verjährt sind und die Berufung der Beklagten auf die vereinbarte einjährige Verjährungsfrist nicht wegen arglistigen Verschweigens des Unfallschadens oder Übernahme einer Beschaffenheitsgarantie ausgeschlossen ist.

1. Die erstmals in der Berufungsinstanz seitens der Beklagten erhobene Verjährungseinrede ist nicht verspätet. Denn diese Einrede ist unabhängig von den Voraussetzungen des § 531 II 1 Nr. 1 bis 3 ZPO zuzulassen, wenn ihre Erhebung und die den Verjährungseintritt begründenden tatsächlichen Umstände zwischen den Parteien unstreitig sind (BGH, Beschl. v. 23.06.2008 – GSZ 1/08, BGHZ 177, 212 = NJW 2008, 3434 Rn. 9 ff.). Dies ist hier der Fall.

Die Gebrauchtfahrzeug-Verkaufsbedingungen, auf die unstreitig in der … Bestellung vom 08.06.2007 Bezug genommen wird, regeln in Abschnitt VII Nr. 1 I wirksam die Verjährung von Sachmängelansprüchen innerhalb eines Jahres ab Ablieferung des Kaufgegenstandes. Die Übergabe des Pkw erfolgte unstreitig am 17.07.2007, die auf den Unfallschaden gestützte Rücktrittserklärung seitens der Klägerin am 15.06.2009.

Auf den streitigen Umstand, ob die Gebrauchtfahrzeug-Verkaufsbedingungen der Bestellung beigefügt waren, kommt es nicht an. Denn gemäß § 310 I 1 BGB findet die Regelung des § 305 II BGB über die Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer verwendet werden, keine Anwendung. Selbst wenn also der Geschäftsführer der Klägerin, die Unternehmerin i. S. des § 14 I BGB ist, entgegen seiner ausdrücklichen Bestätigung in der Bestellung die Bedingungen nicht erhalten und diese auch sonst nicht gekannt habe sollte, sind sie dennoch Vertragsbestandteil geworden, weil er jedenfalls die Möglichkeit der Kenntnisnahme gehabt hätte (Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl. [2010], § 305 Rn. 51, 54 m. w. Nachw.); so hätte er beispielsweise die Aushändigung der Bedingungen verlangen können.

Für die Zulassung der Verjährungseinrede in der Berufungsinstanz ist es auch unerheblich, dass in deren Folge andere Tatsachen – wie hier die eine Arglist begründenden Umstände – entscheidungserheblich werden, die streitig sind und über die deshalb Beweis erhoben werden muss (BGH, Urt. v. 18.11.2004 – IX ZR 229/03, BGHZ 161, 138 [144]).

2. Die Erhebung der Verjährungseinrede durch die Beklagte hat gemäß §§ 438 IV 1, 218 I 2 BGB zur Folge, dass der nach Ablauf der einjährigen Verjährungsfrist erfolgte, auf § 437 Nr. 2 Fall 1 BGB gestützte Rücktritt der Klägerin vom Kaufvertrag unwirksam ist, ein Anspruch auf Rückabwicklung deshalb nicht besteht.

3. Die Berufung der Beklagten auf die vereinbarte einjährige Verjährungsfrist ist auch nicht wegen arglistigen Verschweigens des Unfallschadens oder Übernahme einer Beschaffenheitsgarantie durch die Beklagte ausgeschlossen.

a) Hat der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen, so verjähren die Mängelansprüche innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist, also innerhalb von drei Jahren (§ 438 III 1 BGB i. V. mit § 195 BGB). Eine Verkürzung dieser Frist wäre als Beschränkung der Mängelrechte des Käufers gemäß § 444 Fall 1 BGB unwirksam, ist aber ausweislich Abschnitt VII Nr. 1 III der Gebrauchtfahrzeug-Verkaufsbedingungen, wonach weitergehende Ansprüche bei Arglist unberührt bleiben, auch nicht erfolgt.

Ein Fall der Arglist seitens der Beklagten liegt jedoch nicht vor.

Der Senat sieht es zwar als erwiesen an, dass die Beklagte durch ihren Verkäufer, den Zeugen L, den Pkw ohne Einschränkung als unfallfrei bezeichnete. Dies haben sowohl die Zeugin O als auch der Zeuge L übereinstimmend ausgesagt; Zweifel an der Wahrheit dieser Aussagen bestehen nicht. Der Umstand, dass sodann in der schriftlichen Bestellung im Zusammenhang mit Unfallschäden die Einschränkung „lt. Vorbesitzer“ vorgenommen wurde, ändert an der tatsächlich erfolgten uneingeschränkten Vereinbarung der Unfallfreiheit nichts (vgl. BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 209/05, BGHZ 168, 64 = NJW 2006, 2839 Rn. 12). Arglist setzt jedoch voraus, dass unrichtige Erklärungen in Kenntnis ihrer Unrichtigkeit abgegeben werden, wobei bedingter Vorsatz genügt. So handelt nach ständiger Rechtsprechung des BGH ein Verkäufer arglistig, wenn er zu Fragen, deren Beantwortung erkennbar maßgebliche Bedeutung für den Kaufentschluss seines Kontrahenten hat, ohne tatsächliche Grundlagen ins Blaue hinein unrichtige Angaben macht (BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 209/05, BGHZ 168, 64 = NJW 2006, 2839 Rn. 13 m. w. Nachw.). Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Verkäufer die Unfallfreiheit eines Fahrzeugs ohne Einschränkung zusichert, obwohl das Fahrzeug nicht untersucht wurde (BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 209/05, BGHZ 168, 64 = NJW 2006, 2839 Rn. 13 ff.).

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat der für die Beklagte handelnde Zeuge L die Angaben über die Unfallfreiheit des streitgegenständlichen Pkw nicht ins Blaue hinein gemacht. Denn der Zeuge hat in jeder Hinsicht nachvollziehbar und glaubhaft dargelegt, dass seine Erklärung über die Unfallfreiheit darauf beruhte, dass ein entsprechender Vermerk in das EDV-System der Beklagten eingetragen war, und dass ein solcher Eintrag üblicherweise nur dann erfolgt, wenn zuvor die Unfallfreiheit des Pkw durch einen Gutachter der DEKRA festgestellt wurde. Da dies die übliche Vorgehensweise der Beklagten ist, durfte der Zeuge L auch bei dem Verkauf des streitgegenständlichen Pkw davon ausgehen, dass der Eintrag „unfallfrei“ auf einer gesicherten Erkenntnisgrundlage beruhte. Zweifel daran, dass die Aussage des Zeugen L der Wahrheit entspricht, hat der Senat nicht. Vielmehr spricht für die Glaubwürdigkeit des Zeugen insbesondere der Umstand, dass er unumwunden einräumte, die Erklärung über die Unfallfreiheit des Pkw ohne die Einschränkung „laut Vorbesitzer“ abgegeben zu haben.

Die Pflicht, darauf hinzuweisen, dass seine Erkenntnis über die Unfallfreiheit „nur“ auf einem entsprechenden Vermerk in der EDV beruhte, hatte der Zeuge L entgegen der Auffassung der Klägerin nicht. Dem Geschäftsführer der Klägerin musste bei verständiger Würdigung der Umstände bewusst sein, dass der im Verkauf eingesetzte Zeuge L mit großer Wahrscheinlichkeit mangels eigener Sachkunde das Fahrzeug nicht eigenhändig untersucht hatte und insofern nur das von anderen Personen festgehaltene Untersuchungsergebnis wiedergeben konnte. Der Einwand der Klägerin, der Zeuge hätte darauf hinweisen müssen, dass die Untersuchung in A. stattfand, greift schon deshalb nicht durch, weil ausweislich der Anlage B 1 die Bestellung des Pkw bei der Niederlassung A. erfolgte.

Den Zeugen L traf auch nicht die Pflicht, der Richtigkeit des Vermerks über die Unfallfreiheit nachzugehen, da ihm Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit dieses Vermerks nicht vorlagen. Der Zeuge ist nach seiner glaubhaften Aussage für den Verkauf von Fahrzeugen, nicht aber für die Rücknahme von Leasingfahrzeugen zuständig, sodass er keine eigenen Erkenntnisse über die Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs seitens des Vorbesitzers hatte. Ob ihm das anlässlich der Rückgabe durch den Vorbesitzer ausgefüllte Formular bei dem Verkauf des Fahrzeugs vorlag, wusste der Zeuge nicht mehr. Selbst wenn ihm aber dieses Formular vorgelegen hätte, so hätte er aufgrund des Vermerks „Aufnahme 14.03.07 DEKRA“ ebenfalls darauf schließen dürfen, dass das Fahrzeug wie üblich von der DEKRA untersucht worden war. Der Umstand, dass in dem Formular die hinteren Türen des dort skizzierten Fahrzeugs angekreuzt wurden, lässt auf die Feststellung eines Unfallschadens nicht schließen. Vielmehr leuchtet die Erklärung, die Türen seien durchgestrichen, weil sich bei dem Pkw um ein zweitüriges und nicht um ein viertüriges Fahrzeug handelt, ein. Hätte der streitgegenständliche Streifschaden gekennzeichnet werden sollen, so wäre diese Kennzeichnung in der Skizze nicht auf den nicht vorhandenen Hintertüren erfolgt, ferner nicht auf beiden Seiten des Fahrzeugs, sondern nur auf der betroffenen rechten Seite. Auch das angekreuzte „Ja“ bei „technische Mängel/Schäden“ lässt nicht auf den streitgegenständlichen Streifschaden schließen. Denn bei diesem handelt es sich typischerweise um einen Unfallschaden, in der Rubrik „Unfallfreiheit lt. Eigentümer“ ist aber ebenfalls ein „Ja“ angekreuzt. Auch hier leuchtet die Erklärung der Beklagten ein, dass es sich bei den technischen Mängeln/Schäden um diejenigen handelt, die die Stoßdämpfer und das Automatikgetriebe betreffen und die ebenfalls in dem Formular vermerkt sind. Dem Formular lässt sich demnach nicht entnehmen, dass bei Rückgabe des Fahrzeugs durch den Vorbesitzer der streitgegenständliche Streifschaden oder dessen unsachgemäße Reparatur festgestellt worden wäre, sodass bei dem Zeugen L, selbst wenn ihm das Formular vorgelegen haben sollte, keine Zweifel an der Unfallfreiheit aufkommen mussten.

Dazu, dass eine andere Person, deren Handeln und Wissen der Beklagten zuzurechnen wäre, vorsätzlich oder ins Blaue hinein unrichtige Erklärungen über die Durchführung oder das Ergebnis der Untersuchung des Pkw abgegeben hätte, hat die Klägerin nichts vorgetragen.

b) Die Erklärung des Zeugen L über die Unfallfreiheit des Pkw begründete eine Beschaffenheitsvereinbarung i. S. des § 434 I 1 BGB, nicht aber eine Beschaffenheitsgarantie i. S. des § 443 I Fall 1 BGB, aus der die Klägerin … weitergehende Rechte herleiten könnte.

Nach der Rechtsprechung des BGH setzt die Übernahme einer Garantie – wie die Zusicherung einer Eigenschaft i. S. des § 459 II BGB a.F. – voraus, dass der Verkäufer die Gewähr für das Vorhandensein der vereinbarten Beschaffenheit übernimmt und damit seine Bereitschaft zu erkennen gibt, für alle Folgen des Fehlens dieser Beschaffenheit verschuldensunabhängig einzustehen (BGH, Urt. v. 29.11.2006 – VIII ZR 92/06, BGHZ 170, 86 = NJW 2007, 1346 Rn. 20). Wie sich aus der Gesetzessystematik (§ 434 I 1 BGB einerseits und § 443 I Fall 1 BGB andererseits) ebenso wie aus dem Wortlaut des § 443 I BGB („unbeschadet der gesetzlichen Ansprüche“) ergibt, sollen anders als bei der bloßen Beschaffenheitsvereinbarung dem Käufer für den Fall des Fehlens der garantierten Beschaffenheit Rechte eingeräumt werden, die er nach dem Gesetz nicht hätte, die also über die gesetzlichen Gewährleistungsansprüche hinausgehen (MünchKomm-BGB/H. P. Westermann, 5. Aufl. [2008], § 443 Rn. 8, 15).

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war zwar die Unfallfreiheit des Pkw Thema der Vertragsverhandlungen und wurde dadurch Vertragsinhalt, dass der Zeuge L erklärte, das Fahrzeug sei unfallfrei. Dem lässt sich jedoch nicht die Zusage entnehmen, für die Unfallfreiheit unbedingt und verschuldensunabhängig einstehen zu wollen und im Falle eines Unfallschadens weitergehende Ansprüche als die Gewährleistungsansprüche einräumen zu wollen. Eine Beschaffenheitsgarantie hat die Beklagte deshalb nicht übernommen. …

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