- Verharmlost der Verkäufer eines Gebrauchtwagens einen Unfallschaden des Fahrzeugs, indem er „ins Blaue hinein“ unzutreffende Angaben zu diesem Schaden macht, begründet dies zum einen einen Sachmangel i. S. von § 434 I 1 BGB, da das Fahrzeug nicht die von den Kaufvertragsparteien vereinbarte Beschaffenheit hat. Zum anderen muss sich der Verkäufer den Vorwurf gefallen lassen, er habe den Käufer hinsichtlich des Unfallschadens arglistig getäuscht.
- Tritt der Käufer eines Gebrauchtwagens wegen eines Mangels wirksam vom Kaufvertrag zurück, und bilden der Kaufvertrag und ein zur Finanzierung des Kaufpreises geschlossener Darlehensvertrag ein verbundenes Geschäft i. S. von § 358 III 1 und 2 BGB, so kann der Käufer von dem Verkäufer die Rückzahlung der bereits an die Bank entrichteten Darlehensraten sowie die Freistellung von künftig fällig werdenden Raten verlangen. Hinsichtlich vergeblich aufgewendeter Finanzierungskosten hat der Käufer außerdem gemäß §§ 437 Nr. 3, 284 BGB einen Anspruch auf Aufwendungsersatz.
- Bei Zahlungen an eine Bank besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Bank Nutzungen im Wert des üblichen Verzugszinses in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gezogen hat, die sie als Nutzungsersatz herausgeben muss (im Anschluss an BGH, Urt. v. 24.04.2007 – XI ZR 17/06, BGHZ 172, 147 Rn. 35).
LG Frankenthal, Urteil vom 04.06.2010 – 4 O 460/09
Sachverhalt: Die Klägerin erwarb von der Beklagten auf der Grundlage einer verbindlichen Bestellung vom 11.08.2008 und der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten einen VW New Beetle Cabriolet 2.0 zum Preis von 12.900 €. Der Pkw wurde der Klägerin am 14.08.2008 übergeben und übereignet.
Den Kaufpreis zahlte die Klägerin teilweise, in Höhe von 8.000 €, in bar an die Beklagte. Im Übrigen fianzierte die Klägerin den Kaufpreis, indem sie einen Darlehensvertrag mit der Volkswagen Bank GmbH schloss, mit der sie eine Vertragslaufzeit von 48 Monaten und die Zahlung monatlicher Raten in Höhe von jeweils 124,53 € vereinbarte. Bis November 2009 leistete die Klägerin insgesamt 13 Raten; ihre Restschuld betrug im November 2009 4.630 €.
Im Verkaufsgespräch war der Klägerin ein Unfallschaden des Fahrzeugs offenbart worden; welche Angaben der Verkaufmitarbeiter der Beklagten zu diesem Schaden im Einzelnen gemacht hat, ist streitig. In einer Anlage zu dem Kaufvertrag heißt es:
„An dem gebrauchten Fahrzeug […] bestehen zum Zeitpunkt der Fahrzeugübergabe durch den Verkäufer nachstehend aufgeführte Sachmängel:
Unfallschäden: behobener Schaden, Unfallschadenbetrag = 6.000 €“
Die Beklagte hatte das später der Klägerin verkaufte Fahrzeug am 31.03.2008 von dessen Voreigentümerin für 9.999 € erworben. Die Voreigentümerin hatte angegeben, der Pkw habe einen Unfallschaden erlitten, der mit einem Kostenaufwand von 6.000 € behoben worden sei.
Als die Klägerin ihr Fahrzeug bei einem VW-Vertragshändler in Zahlung geben wollte, stellte sich indes heraus, dass das Fahrzeug im März 2005 in erheblichem Umfang repariert worden war; insbesondere waren die Hinterachse und der Unterholm außen ersetzt worden.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 24.09.2009 ließ die Klägerin gegenüber der Beklagten den Rücktritt vom Kaufvertrag erklären und der Beklagten eine Frist zur Rückabwicklung dieses Vertrages bis zum 01.08.2008 setzen. Den Rücktritt ließ die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 07.10.2009 zurückweisen.
Mit der Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs die Zahlung von 13.826,11 €. Dieser Betrag setzt sich wie folgt zusammen:
Kaufpreis (bar) | 8.000,00 € | |
13 Raten à 124,53 € | 1.618,89 € | |
Restschuldversicherung | 229,23 € | |
Darlehensrestverbindlichkeiten | 4.630,00 € | |
gezogene Nutzungen | − | 651,78 € |
Gesamtbetrag | 13.862,11 € |
Die Klägerin behauptet, der Verkaufsmitarbeiter der Beklagten M habe ihr erklärt, das Fahrzeug habe mit der gesamten rechten Seite eine Hecke gestreift und sei deshalb mit einem Kostenaufwand von maximal 6.000 € lackiert worden. Ausweislich der Reparaturhistorie des Fahrzeugs seien jedoch gravierende Schäden beseitigt worden und habe der kalkulierte Instandsetzungsaufwand mindestens 12.000 € betragen.
Die Klage hatte Erfolg.
Aus den Gründen: Der Klägerin steht ein Rückgewähranspruch aus dem nach erklärtem Rücktritt rückabzuwickelnden Pkw-Kaufvertrag gemäß §§ 346 I, 347, 348 BGB i. V. mit §§ 433, 434 I, 437 Nr. 2 Fall 1, 440, 323 I BGB zu.
Zwischen der Klägerin und der Beklagten ist mit Unterzeichnung der verbindlichen Bestellung am 11.08.2008 ein Kaufvertrag über einen gebrauchten Pkw New Beetle Cabriolet 2.0 zu einem Gesamtkaufpreis von 12.900 € wirksam zustande gekommen.
Die Klägerin kann von der Beklagten die Rückabwicklung des Pkw-Kaufvertrages verlangen, da die Ist-Beschaffenheit des Fahrzeugs von der vertraglich vereinbarten Soll-Beschaffenheit im Zeitpunkt der Übergabe abwich und daneben der Zeuge M als Verkäufer der Beklagten „ins Blaue hinein“ unrichtige Angaben zum Umfang des Unfallschadens gemacht hat.
Der Zeuge Z hat angegeben, dass der Zeuge M auf die konkrete Frage, was an dem Fahrzeug kaputt gewesen ist, erklärt habe, dass die Tochter des ehemaligen Geschäftsführers eine Böschung runtergefahren sei, wodurch Lackschäden entstanden seien. Der Zeuge M habe weiter erklärt, der Schaden sei bei VW in O. instand gesetzt worden. Seine Frage nach Schäden an tragenden Teilen bzw. am Rahmen habe der Zeuge M hingegen verneint. Lackunterschiede vermochte der Zeuge nach seinen Angaben nicht zu erkennen.
Die Klägerin hat bei ihrer persönlichen Anhörung gemäß § 141 ZPO bestätigt, dass der Zeuge M eine Beschädigung im Bereich des Kotflügels und der Seite angegeben habe, wobei es sich um einen Lackschaden gehandelt haben soll. Sie hat daneben nachvollziehbar geschildert, dass sie bei Kenntnis über den gesamten Umfang des instand gesetzten Schadens das Fahrzeug nicht gekauft hätte.
Der Zeuge M, der als Verkäufer das der verbindlichen Bestellung vorangegangene Gespräch geführt hat, vermochte sich zwar an Einzelheiten des Gesprächs nicht mehr zu erinnern, bestätigte aber die in der Anlage zum Kaufvertrag gemachten Angaben. Er bekundete auch, dass er sich auf die Schätzung durch einen Mitarbeiter verlassen habe, der im Hinblick auf die Instandsetzungskosten ein entsprechendes Schätzungsblatt erstellt habe; allerdings sei in dem konkreten Fall eine Abfrage der Reparaturhistorie bzw. Wartungshistorie des VW New Beetle Cabriolet nicht durchgeführt worden. Der Zeuge hat allerdings auch überzeugend bekundet, dass im Bereich des VW-Verbundes diese Reparaturhistorien abgefragt werden, er die Liste der Instandsetzungsschätzung vorliegend allerdings nicht überprüft habe.
In der von der Klägerin vorgelegten Reparaturhistorie des Fahrzeugs lassen sich umfangreiche Instandsetzungsarbeiten, insbesondere der Austausch der Hinterachse und des Unterholms außen sowie Karosseriearbeiten, finden. Die Schwere dieses Vorschadens hat der Zeuge M als Verkäufer der Beklagten, was diese sich zurechnen lassen muss, gegenüber der Klägerin bzw. dem Zeugen Z nicht offenbart, sondern vielmehr ohne weitere Prüfung Angaben „ins Blaue hinein“ gemacht und nach der überzeugenden Schilderung des Zeugen Z und der Klägerin lediglich die Durchführung von Lackierungsarbeiten angegeben. Der Zeuge M hat auch eingeräumt, weder die Instandsetzungskostenschätzung überprüft noch die Reparaturhistorie eingesehen zu haben, obwohl dies im VW-Verbund üblich sei.
Danach ist nach den nachvollziehbaren Bekundungen des Zeugen Z und der Klägerin auch in Ansehung der Angaben des Zeugen M nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme die Soll-Beschaffenheit des VW New Beetle Cabrio zwar als Unfallfahrzeug, jedoch zumindest konkludent lediglich mit einem durch Lackierungsarbeiten instandgesetzten Lackschaden vereinbart worden. Darauf, ob der Instandsetzungsaufwand wesentlich höher war als angegeben (BGH, Urt. v. 10.10.2007 – VIII ZR 330/06, NJW 2008, 53), kam es danach nicht an, ebenso, dass falsche Angaben des Verkäufers „ins Blaue hinein“ nach ständiger Rechtsprechung den Arglistvorwurf i. S. von § 444 BGB begründen.
Das Fahrzeug hat nach dem Vorgenannten daher am 14.08.2008 bei Übergabe und damit bei Gefahrübergang (§ 446 BGB) einen die Gebrauchstauglichkeit beeinträchtigenden Sachmangel i. S. des § 434 I BGB aufgewiesen.
Eine Fristsetzung zur Nacherfüllung nach § 323 I BGB war entbehrlich, die Beklagte hat jegliche Ansprüche durch ihren Prozessbevollmächtigten zurückweisen lassen. Daneben ist eine Nacherfüllung durch Lieferung einer mangelfreien Sache wie auch eine Nachbesserung in Gestalt einer Reparatur ausgeschlossen (OLG Naumburg, Urt. v. 12.01.2007 – 10 U 42/06 m. w. Nachw.).
Die Klägerin kann bei der Rückabwicklung des Kaufvertrages bei dem vorliegenden Verbundgeschäft aus einem Gebrauchtwagenkaufvertrag und einem Finanzierungsdarlehen von dem Verkäufer Freistellung von den Nettokreditraten aus dem Finanzierungsdarlehen verlangen, vermindert um die Nutzungsvergütung aus dem Gebrauch der Sache. Die Kosten einer nutzlosen Finanzierung können daneben vom Verkäufer als vergeblicher zusätzlicher Kostenaufwand gemäß § 284 BGB i. V. mit §§ 437 Nr. 3, 440 BGB erstattet verlangt werden.
Infolge des wirksamen Rücktritts der Klägerin vom Kaufvertrag sind die Parteien danach verpflichtet, die empfangenen Leistungen nach §§ 346 ff. BGB zurückzugewähren. Danach steht der Klägerin ein unmittelbarer Rückzahlungsanspruch gegenüber der Beklagten in Höhe der von ihr an die Volkswagen Bank GmbH entrichteten Tilgungsraten neben den Aufwendungen für die Restschuldversicherung in Höhe von 229,23 € zu. Daneben kann die Klägerin von der Beklagten die Freistellung von künftig fällig werdenden Raten durch Zahlung verlangen. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Erstattung der vergeblich aufgewendeten Finanzierungskosten in Höhe des Zinsanteils gemäß §§ 437 Nr. 3, 440, 284 BGB zu, da die Kosten einer nutzlosen Finanzierung als vergeblicher, zusätzlicher Kostenaufwand, zu dem der Käufer in der Erwartung, eine mangelfreie Sache zu erhalten, veranlasst worden ist, unter § 284 BGB i. V. mit §§ 437 Nr. 3, 440 BGB fallen und daher von der Klägerin ersetzt verlangt werden können.
Von dem zu erstattenden Nettokreditbetrag ist die Nutzungsvergütung für die mit dem Fahrzeug zurückgelegte Fahrtstrecke in Abzug zu bringen. Denn gemäß § 347 Abs. 1 BGB hat die rücktrittsberechtigte Klägerin die aus der Kaufsache gezogenen Gebrauchsvorteile herauszugeben bzw. Wertersatz für die gezogenen Nutzungen zu leisten. In Anwendung der in der Rechtsprechung anerkannten Berechnungsansätze (vgl. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 9. Aufl., Rn. 466) ergeben sich von der Klägerin gezogene Nutzungen in Höhe von 651,78 € (§ 287 ZPO), die die Beklagte auch nicht in Abrede stellt.
Gemäß § 348 BGB schuldet die Beklagte die Rückgewähr der um die Nutzungsvergütung reduzierten Nettokreditraten nebst Restschuldversicherung sowie die Freistellung von den Ansprüchen der Volkswagen Bank GmbH-Bank nur Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Pkw VW New Beetle Cabriolet 2.0 …
Schließlich ist auch festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Gebrauchtfahrzeugs in Annahmeverzug nach §§ 293 ff. BGB befindet. Der Anspruch der Klägerin auf Rückgewähr der empfangenen Leistungen ist nach Rücktritt von dem Kaufvertrag gemäß § 346 I BGB erfüllbar gewesen. Da die Beklagte der Klägerin mit Blick auf ihr Anschreiben vom 07.10.2009 erklärt hat, der Rücktritt sei unwirksam, hat für die Begründung des Annahmeverzuges ein wörtliches Angebot der Rückgabe des Pkws i. S. des § 295 BGB ausgereicht, das die Klägerin der Beklagten spätestens mit ihrer Klage unterbreitet hat. Die Klägerin ist überdies unstreitig zur Leistung bereit und imstande (§ 297 BGB).
Die Klägerin kann auch die vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten gemäß § 280 I BGB in Höhe von 899,40 € brutto ersetzt verlangen.
Die Klägerin hat daneben einen Anspruch auf Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz. Der Anspruch folgt aus §§ 346 I, 347 BGB. Zwar sind nach § 346 I BGB nur tatsächlich gezogene Nutzungen herauszugeben. Bei Zahlungen an eine Bank besteht aber eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Bank Nutzungen im Wert des üblichen Verzugszinses in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gezogen hat, die sie als Nutzungsersatz herausgeben muss (BGH, Urt. v. 24.04.2007 – XI ZR 17/06, BGHZ 172, 147 Rn. 35 m. w. Nachw.). Daneben sind die Kaufpreisanzahlung und die geleistete Restschuldversicherung gemäß § 288 I 2 BGB ab dem Zeitpunkt der Leistung an die Beklagte sowie der Restkreditbetrag und die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ab Zustellung der Klageschrift am 30.12.2009 (§ 291 BGB) zu verzinsen. Der weitergehende Zinsanspruch war hingegen unbegründet und unterlag der Abweisung. …