1. Zu­min­dest in den Fäl­len, in de­nen der Kfz-Ver­käu­fer ei­ne ei­ge­ne Au­to­werk­statt be­treibt, ist da­von aus­zu­ge­hen, dass sein Be­triebs­sitz der Ort ist, an dem auf­grund der Na­tur des Schul­ver­hält­nis­ses und der Ver­kehrs­sit­te ei­ne Nach­er­fül­lung zu be­wir­ken ist (Er­fül­lungs­ort).
  2. Der Käu­fer ei­nes Fahr­zeugs, das er für man­gel­haft hält, ver­wei­gert un­be­rech­tigt ei­ne Mit­wir­kungs­hand­lung, wenn er nur ge­gen ei­ne Kos­ten­über­nah­me­er­klä­rung des Ver­käu­fers be­reit ist, die­sem das Fahr­zeug an sei­nem Be­triebs­sitz zur Nach­bes­se­rung zur Ver­fü­gung zu stel­len.

AG Ber­sen­brück, Be­schluss vom 05.03.2010 – 11 C 100/10

Sach­ver­halt: Die An­trag­stel­le­rin (nach­fol­gend: Klä­ge­rin) will die An­trags­geg­ne­rin (nach­fol­gend: Be­klag­te) ge­richt­lich auf Scha­dens­er­satz we­gen der Lie­fe­rung ei­nes an­geb­lich man­gel­haf­ten Pkw in An­spruch neh­men.

Die Klä­ge­rin er­warb im Ju­li 2009 bei der Be­klag­ten ein Fahr­zeug zu ei­nem Ge­samt­kauf­preis von 2.900 €. Sie be­haup­tet, zum Zeit­punkt der Über­ga­be des Fahr­zeugs sei des­sen Kli­ma­an­la­ge de­fekt ge­we­sen.

Mit E-Mail vom 24.08.2009 setz­te sich die Klä­ge­rin mit der Be­klag­ten in Ver­bin­dung und in­for­mier­te sie über die an­geb­lich man­gel­haf­te Kli­ma­an­la­ge so­wie die zur Re­pa­ra­tur er­for­der­li­chen Kos­ten.

Mit Schrei­ben ih­res Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten for­der­te die Klä­ge­rin die Be­klag­te auf, das Fahr­zeug bei ihr zur Er­brin­gung der Ge­währ­leis­tungs­ar­bei­ten bis spä­tes­tens 07.10.2009 ab­zu­ho­len oder schrift­lich zu be­stä­ti­gen, dass die Klä­ge­rin be­rech­tigt sei, das Fahr­zeug ent­spre­chend ei­nem vor­ge­leg­ten Kos­ten­vor­an­schlag re­pa­rie­ren zu las­sen. Mit Schrei­ben vom 01.10.2009 ant­wor­te­te die Be­klag­te auf die­ses Schrei­ben wie folgt:

„Bis­lang feh­len uns je­doch sämt­li­che Grund­la­gen für ei­ne Kos­ten­über­nah­me. Zum ei­nen müs­sen wir für ei­ne even­tu­el­le Kos­ten­über­nah­me erst ein­mal den Scha­den fest­stel­len, um dann auch nach­bes­sern zu kön­nen. (Nach­bes­se­rungs­recht).“

Mit Schrei­ben ih­res Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten vom 06.10.2009 for­der­te die Klä­ge­rin die Be­klag­ten noch­mals un­ter Frist­set­zung zum 12.10.2009 auf, ih­ren Ge­währ­leis­tungs­pflich­ten nach­zu­kom­men, und wies dar­auf hin, dass die Män­gel­fest­stel­lung ent­we­der vor Ort oder aber in der Werk­statt der Be­klag­ten er­fol­gen kön­ne. In je­dem Fall ha­be die Be­klag­te die ent­ste­hen­den Kos­ten zu tra­gen. Mit Fax vom 07.01.2010 ant­wor­te­te die Be­klag­te auf die­ses Schrei­ben wie folgt:

„1.) Wir möch­ten den an­geb­li­chen Man­gel sel­ber dia­gnos­ti­zie­ren. Da­zu ist es doch wohl lo­gisch, dass das Fahr­zeug un­se­rer Werk­statt vor­ge­führt wird. Al­so: Au­to hier hin!
2.) Nach­dem dann die Fak­ten fest­ste­hen, kön­nen wir die wei­te­re Ver­fah­rens­wei­se mit ih­rem Man­dan­ten fest­le­gen, aber nicht vor­her.
Wir be­nö­ti­gen kei­ne wei­te­ren Be­leh­run­gen durch Sie. Auch sind uns die Kos­ten­ver­tei­lun­gen durch­aus klar.“

Mit wei­te­ren Schrei­ben ih­res Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten for­der­te die Klä­ge­rin die Be­klag­te un­ter Frist­set­zung zumn 13.10.2009 auf, ihr ge­gen­über zu be­stä­ti­gen, dass sie die Kos­ten für die Ver­brin­gung des Fahr­zeugs zum Be­triebs­sitz der Be­klag­ten über­neh­me. Ei­ne Re­ak­ti­on der Be­klag­ten auf die­ses Schrei­ben er­folg­te nicht mehr.

Der An­trag auf Ge­wäh­rung von Pro­zess­kos­ten­hil­fe für ei­ne Scha­dens­er­satz­kla­ge hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: Der Pkh-An­trag … war ab­zu­wei­sen, da die Kla­ge nach dem bis­he­ri­gen Sach- und Streit­stand … kei­ne Aus­sicht auf Er­folg hat.

Da­bei kann da­hin­ste­hen, ob die Klä­ge­rin auf­grund ei­nes De­fekts der Kli­ma­an­la­ge des Pkw ge­mäß § 437 Nr. 3 BGB zur Gel­tend­ma­chung von Scha­dens­er­satz be­rech­tigt wä­re, da sie der Be­klag­ten in­ner­halb der ge­setz­ten Frist die Nach­er­fül­lung nicht er­mög­licht hat (§ 281 I BGB).

Die Klä­ge­rin hat der Be­klag­ten das Fahr­zeug nicht am Fir­men­sitz zur Nach­bes­se­rung zur Ver­fü­gung ge­stellt und da­mit ei­ne Mit­wir­kungs­hand­lung ver­wei­gert, die das Recht auf Gel­tend­ma­chung von Scha­dens­er­satz vor­aus­setzt (vgl. Pa­landt/Hein­richs, BGB, 67. Aufl., § 281 Rn. 11). Die Mit­wir­kungs­hand­lung war er­for­der­lich, da die Be­klag­te in ih­rem Schrei­ben zum Aus­druck ge­bracht hat, dass sie den von der Klä­ge­rin be­haup­te­ten Scha­den über­prü­fen und ge­ge­be­nen­falls ei­ne Nach­bes­se­rung vor­neh­men woll­te. In ih­rem Fax vom 07.10.2009 for­der­te die Be­klag­te die Klä­ge­rin auf, das Fahr­zeug in ih­rer Werk­statt vor­zu­füh­ren.

Ob Er­fül­lungs­ort für die Vor­nah­me von Nach­bes­se­rungs­ar­bei­ten der ur­sprüng­li­che Leis­tungs­ort des durch den Kauf­ver­trag be­grün­de­ten Pri­mär­leis­tungs­an­spruchs oder aber der Be­le­gen­heits­ort der man­gel­haf­ten Sa­che im Zeit­punkt des Nach­er­fül­lungs­ver­lan­gens ist, ist in der Recht­spre­chung um­strit­ten.

Ein Teil der Recht­spre­chung geht un­ter Hin­weis auf Art. 3 der Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­nie da­von aus, dass der Leis­tungs­ort der Nach­er­fül­lung al­lein am mo­men­ta­nen Ort der be­stim­mungs­ge­mä­ßen Be­le­gen­heit der man­gel­haf­ten Sa­che lie­gen kön­ne; nur dies sei mit der Richt­li­nie ver­ein­bar und ent­spre­che der Ent­ste­hungs­ge­schich­te der die Richt­li­ni­en­vor­ga­be um­set­zen­den Vor­schrift des § 439 BGB (vgl. OLG Köln, NJW-RR 2006, 677). Ge­gen die­se Auf­fas­sung spricht je­doch, dass es sich bei dem Na­h­er­fül­lungs­an­spruch um den mo­di­fi­zier­ten Er­fül­lungs­an­spruch han­delt (vgl. Pa­landt/Wei­den­kaff, BGB, 67. Aufl., § 439 Rn. 1, 2 m. w. Nachw.). Die Lie­fe­rung ei­ner man­gel­haf­ten Sa­che führt nicht zur Er­fül­lung ge­mäß § 362 BGB, da die im Kauf­ver­trag ge­schul­de­te Leis­tung nicht be­wirkt wird. Die ur­sprüng­li­che Lie­fe­ran­spruch des Käu­fers wan­delt sich viel­mehr in ei­nen Nach­er­fül­lungs­an­spruch nach den §§ 437 Nr. 1, 439 BGB um. Ge­mäß § 439 I BGB tritt das Wahl­recht zwi­schen Nach­bes­se­rung und Nach­lie­fe­rung an die Stel­le des An­spruchs des Käu­fers auf Über­eig­nung der Kauf­sa­che. Es ent­spricht da­her der Ge­set­zes­the­ma­tik, dem Er­fül­lungs­an­spruch mo­di­fi­ziert ent­spre­chen­den Nach­er­fül­lungs­an­spruch den­sel­ben Leis­tungs­ort zu­zu­wei­sen.

Die Auf­fas­sung steht auch nicht im Wi­der­spruch zu Art. 3 der Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­nie, da die­ser Vor­schrift ei­ne Leis­tungs­orts­be­stim­mung nicht zu ent­neh­men ist. In der Richt­li­nie wird ge­for­dert, dass die „Nach­bes­se­rung oder die Er­satz­lie­fe­rung in­ner­halb ei­ner an­ge­mes­se­nen Frist und oh­ne er­heb­li­che Un­an­nehm­lich­kei­ten für die Ver­brau­cher“ so­wie „un­ent­gelt­lich“ zu er­fol­gen hat. Die­sem Er­for­der­nis trägt die Vor­schrift des § 439 BGB, der eben­falls kei­ne Be­stim­mung zum Leis­tungs­ort ent­hält, in Ab­satz 2 da­durch Rech­nung, dass der Ver­käu­fer die zum Zwe­cke der Nach­er­fül­lung er­for­der­li­chen Auf­wen­dun­gen, ins­be­son­de­re Trans­port-, We­ge-, Ar­beits- und Ma­te­ri­al­kos­ten zu tra­gen hat. Da­mit ist so­wohl er­heb­li­chen Un­an­nehm­lich­kei­ten für den Ver­brau­cher weit­ge­hend vor­ge­beugt als auch das Ge­bot der Un­ent­gelt­lich­keit er­füllt (vgl. OLG Mün­chen, Urt. v. 20.06.2007 – 20 U 2204/07, NJW 2007, 3214).

Ge­gen ei­ne grund­sätz­li­che Ver­le­gung des Leis­tungs­orts der Nach­er­fül­lung … spricht ne­ben der Ge­set­zes­sys­te­ma­tik auch ei­ne Aus­le­gung der Ver­kehrs­sit­te un­ter Be­ach­tung der Grund­sät­ze von Treu und Glau­ben.

Fahr­zeug­händ­ler mit ei­ge­ner Werk­statt ver­fü­gen im All­ge­mei­nen nicht über ei­ne ma­te­ri­el­le und per­so­nel­le Aus­stat­tung, die es ih­nen er­laubt, Män­gel dort zu be­he­ben, wo sich ein Fahr­zeug ge­ra­de be­fin­det. Mit mo­bi­len Re­pa­ra­tur­ein­rich­tun­gen wie Werk­statt­wa­gen, die ei­ni­ge we­ni­ge Händ­ler im Ein­satz ha­ben, las­sen sich al­len­falls Not­fäl­le vor Ort lö­sen. Die für die Män­gel­be­sei­ti­gung er­for­der­li­chen Werk­zeu­ge, Ge­rä­te und Dia­gno­se­ein­rich­tun­gen be­fin­den sich nor­ma­ler­wei­se in der zum Be­trieb ge­hö­ren­den Werk­statt. In vie­len Fäl­len ist es au­ßer­dem tech­nisch nicht mög­lich, Nach­bes­se­rungs­ar­bei­ten wie zum Bei­spiel Ka­ros­se­rie- und La­ckier­ar­bei­ten am­bu­lant vor­zu­neh­men. Au­ßer­dem ent­spricht es üb­li­cher Ge­pflo­gen­hei­ten im Neu­wa­gen- und Ge­braucht­wa­gen­han­del, das In­stand­set­zungs­ar­bei­ten in der Werk­statt des Ver­käu­fers und nicht am je­wei­li­gen Stand­ort des Fahr­zeugs aus­ge­führt wer­den (vgl. OLG Düs­sel­dorf, MDR 1976, 496).

Aus die­sen Grün­den wird man zu­min­dest in den Fäl­len, in de­nen der Ver­käu­fer ei­ne ei­ge­ne Au­to­werk­statt be­treibt, da­von aus­ge­hen müs­sen, dass der Be­triebs­sitz des Ver­käu­fers der Ort ist, an dem auf­grund der Na­tur des Schul­ver­hält­nis­ses und der Ver­kehrs­sit­te die Män­gel­be­sei­ti­gung zu er­fül­len ist. Aus § 439 II BGB er­ge­ben sich kei­ne Hin­wei­se dar­auf, dass sich der Er­fül­lungs­ort der Er­satz­lie­fe­rung an den Ort ver­la­gert, wo sich das vom Ver­käu­fer zu­rück­zu­ge­ben­de man­gel­haf­te Fahr­zeug be­fin­det. Der Re­ge­lungs­ge­halt von § 439 II BGB be­trifft al­lein die Zu­wei­sung der Kos­ten (vgl. Rein­king, ZfS 2003, 57 ff.).

Nach Auf­fas­sung des Ge­richts durf­te die Klä­ge­rin ih­re Mit­wir­kungs­hand­lung, das Ver­brin­gen des Fahr­zeugs zur Werk­statt der Be­klag­ten, nicht von der Über­sen­dung ei­ner Kos­ten­über­nah­me ab­hän­gig ma­chen.

Die Pflicht zur Über­nah­me der zum Zwe­cke der Nach­er­fül­lung er­for­der­li­chen Auf­wen­dun­gen – ins­be­son­de­re der Trans­port­kos­ten – er­gibt sich aus dem Ge­setz, näm­lich der Vor­schrift des § 439 II BGB. Ei­ne be­son­de­re Über­nah­me­er­klä­rung der Kos­ten durch die Be­klag­te war nicht er­for­der­lich. Zu­dem hat die Be­klag­te mit Fax vom 07.10.2009 zu er­ken­nen ge­ge­ben, dass die Kos­ten­ver­tei­lung des § 439 II BGB, auf die der Pro­zess­be­voll­mäch­tig­te der Klä­ge­rin mit Schrei­ben vom 06.10.2009 hin­ge­wie­sen hat, be­kannt sei.

Das In­ter­es­se der Klä­ge­rin an der Un­ent­gelt­lich­keit von Män­gel­ge­währ­leis­tungs­ar­bei­ten ist durch die Vor­schrift des § 439 II BGB aus­rei­chend ge­si­chert. Es be­darf kei­ner zu­sätz­li­chen Kos­ten­über­nah­me­er­klä­rung durch den Ver­käu­fer. Aus die­sem Grund war die Klä­ge­rin nicht da­zu be­rech­tigt, ih­re Mit­wir­kungs­hand­lung bis zu ei­ner ge­son­der­ten Kos­ten­über­nah­me­er­klä­rung der Be­klag­ten zu ver­wei­gern.

In die­sem Zu­sam­men­hang ist zu be­rück­sich­ti­gen, dass die Kos­ten­tra­gungs­pflicht der Be­klag­ten auch nur für den Fall gilt, dass Nach­bes­se­rungs­ar­bei­ten an dem Fahr­zeug tat­säch­lich zu er­brin­gen wa­ren. Ei­ne Kos­ten­tra­gungs­pflicht der Be­klag­ten be­steht hin­ge­gen nicht, wenn die von der Klä­ge­rin be­haup­te­ten Män­gel am Fahr­zeug nicht vor­lie­gen bzw. erst nach Über­ga­be des Fahr­zeugs an die Klä­ge­rin auf­ge­tre­ten sind.

Die Auf­fas­sung der Klä­ge­rin, die For­de­rung der Kos­ten­über­nah­me sei des­halb not­wen­dig ge­we­sen, weil die Klä­ge­rin nicht, wie auch der ge­stell­te Pkh-An­trag aus­wei­se, über die fi­nan­zi­el­len Mit­tel ver­fü­ge, die Kos­ten für die Fahrt vom Wohn­ort der Klä­ge­rin zum Ge­schäfts­sitz der Be­klag­ten aus ei­ge­ner Ta­sche auf­zu­wen­den, greift nach An­sicht des Ge­richts nicht durch. Denn durch ei­ne Über­nah­me­er­klä­rung der Be­klag­ten be­tref­fend die Fahrt­kos­ten der Klä­ge­rin zum Ge­schäfts­sitz der Be­klag­ten wä­re die Klä­ge­rin nicht bes­ser ge­stellt, als sie nach dem ge­setz­li­chen Vor­schrif­ten (§ 439 II BGB) oh­ne­hin steht …

Hin­weis: Zum Er­fül­lungs­ort der Nach­er­fül­lung im Kauf­recht sie­he auch BGH, Ur­teil vom 13.04.2011 – VI­II ZR 220/10.

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