Gerade bei der Nachbesserung eines beim Händler gekauften Kraftfahrzeugs ist – jedenfalls wenn umfangreiche Untersuchungen und Instandsetzungsmaßnahmen, die ersichtlich nur in einer Werkstatt vorgenommen werden können, erforderlich sind – regelmäßig der Betriebssitz des Händlers Leistungsort der Nacherfüllung.

OLG München, Urteil vom 20.06.2007 – 20 U 2204/07

Sachverhalt: Die Parteien streiten um die Frage, ob die Klägerin als Käuferin berechtigt ist, von einem Kaufvertrag über Kraftfahrzeug zurückzutreten, oder ob dem entgegensteht, dass sie dem Verkäufer keine Gelegenheit zur Nacherfüllung gewährt hat.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben; die dagegen gerichtete Berufung hatte Erfolg.

Aus den Gründen: II. … Die klägerseits geltend gemachten Ansprüche wegen Rückabwicklung eines Pkw-Kaufvertrags bestehen nicht, da die Klägerin nicht wirksam von diesem Kaufvertrag zurückgetreten ist.

Es kann dahinstehen, ob die Klägerin wegen Lieferung eines mangelhaften Kraftfahrzeugs gemäß § 437 Nr. 2 BGB berechtigt wäre, vom streitgegenständlichen Kaufvertrag zurückzutreten, da sie der Beklagten innerhalb der gesetzten Frist die Nacherfüllung nicht ermöglicht hat (§ 323 I BGB). Sie hat ihr das Fahrzeug nicht am Firmensitz zur Nachbesserung zur Verfügung gestellt und damit eine Mitwirkungshandlung verweigert, die das Rücktrittsrecht voraussetzt (Palandt/Grüneberg, BGB, 66. Aufl., § 323 Rn. 15).

Der Anspruch auf Nacherfüllung bzw. Nachbesserung ist nicht auf den Gattungskauf beschränkt, sondern gilt auch für einen Stückkauf wie den Gebrauchtwagenkauf. Die für das Kaufrecht in § 439 BGB geregelte Nacherfüllung besteht in der Beseitigung des Mangels oder Lieferung einer mangelfreien Sache. Der Wortlaut der Bestimmung, wonach es weder hinsichtlich der Nachbesserung noch der Ersatzlieferung darauf ankommt, ob ein Stückkauf oder ein Gattungskauf vorliegt, enthält keinen Anhaltspunkt für die Annahme, dass ein Anspruch auf Ersatzlieferung nur bei einem Gattungskauf, nicht dagegen bei einem Stückkauf gegeben sei (BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 209/05, NJW 2006, 2839). Im zur Entscheidung stehenden Fall ist die Nachbesserungsmöglichkeit evident durch das klägerische Schreiben vom 08.12.2005, in dem die Klägerin selbst Nachbesserung durch Einbau eines Austauschmotors fordert.

Diese Nachbesserung hat die Klägerin der Beklagten in der von ihr gleichzeitig gesetzten Frist nicht ermöglicht, da sie sich geweigert hat, das Fahrzeug zwecks Vornahme der eventuell erforderlichen Nacherfüllung an den Firmensitz der Beklagten zu verbringen oder verbringen zu lassen. Ein entsprechendes Angebot der Beklagten lag mit ihrem fristgemäßen Antwortschreiben vom 13.12.2005 vor. Erfüllungsort für die Nacherfüllung ist hier mangels vorrangiger Parteivereinbarung der Firmensitz der Beklagten als dem Erfüllungsort ihrer kaufvertraglichen Lieferverpflichtung (§ 269 I BGB).

Als Nacherfüllungsort kommt grundsätzlich in Betracht der ursprüngliche Leistungsort des durch den Kaufvertrag begründeten Primärleistungsanspruches oder aber der Belegenheitsort der mangelhaften Sache im Zeitpunkt des Nacherfüllungsverlangens. Die Entscheidung dieser Frage ist streitig. Unter Hinweis auf Art. 3 Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie geht ein Teil des Schrifttums davon aus, dass der Leistungsort der Nacherfüllung allein am momentanen Ort der bestimmungsgemäßen Belegenheit der mangelhaften Sache liegen könne; nur dies sei mit der Richtlinie vereinbar und entspreche der Entstehungsgeschichte der die Richtlinienvorgabe umsetzenden Vorschrift des § 439 BGB. Einige Entscheidungen in der Rechtsprechung haben sich dem angeschlossen (z. B. OLG München, Urt. v. 12.10.2005 – 15 U 2190/05, NJW 2006, 449; OLG Köln, Urt. v. 21.12.2005 – 11 U 46/05, NJW-RR 2006, 677; AG Menden, Urt. v. 03.03.2004 – 4 C 26/03, NJW 2004, 2171).

Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass der Nacherfüllungsanspruch der modifizierte Erfüllungsanspruch ist (Palandt/Weidenkaff, BGB, 66. Aufl., § 439 Rn. 1, 2 m. w. Nachw.). Die Lieferung einer mangelhaften Sache führt – mangels Bewirkens der im Kaufvertrag geschuldeten Leistung – nicht zur Erfüllung (§ 362 I BGB). Vielmehr verwandelt sich der ursprüngliche Lieferanspruch des Käufers in einen Nacherfüllungsanspruch nach §§ 437 Nr. 1, 439 BGB. An die Stelle des Anspruchs auf Übereignung der Kaufsache (§ 433 I 1 BGB) tritt das Wahlrecht zwischen Nachbesserung und Nachlieferung (§ 439 I BGB). Vor diesem dogmatischen Ansatz drängt es sich auf, dem dem Erfüllungsanspruch modifiziert entsprechenden Nacherfüllungsanspruch denselben Leistungsort zuzuweisen. Dies steht keineswegs in Widerspruch zu Art. 3 Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie. Dieser Vorschrift ist eine Leistungsortbestimmung gerade nicht zu entnehmen. Die Richtlinie fordert lediglich, dass die „Nachbesserung oder die Ersatzlieferung innerhalb einer angemessenen Frist und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher“ sowie „unentgeltlich“ zu erfolgen hat. Dem trägt § 439 BGB, der ebenfalls keine Bestimmung zum Leistungsort enthält, in Absatz 2 dadurch Rechnung, dass „der Verkäufer die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen hat“. Damit ist sowohl „erheblichen Unannehmlichkeiten“ für den Verbraucher weitgehend vorgebaut als auch das Gebot der Unentgeltlichkeit erfüllt. Für eine darüber hinausgehende grundsätzliche Verlegung des Leistungsorts der Nacherfüllung an den Sitz des Käufers besteht kein Bedürfnis und sie würde auch in vielen Lebensbereichen auf Unverständnis stoßen. In der Regel erfolgt im täglichen Leben nach wie vor die Reklamation selbstverständlich beim Verkäufer. Im Einzelfall mögen Verkehrssitte und Treu und Glauben ein anderes Ergebnis fordern. Jedoch gerade bei der hier anstehenden Nachbesserung eines beim Händler gekauften Kraftfahrzeugs ist auch unter Berücksichtigung der letztgenannten Argumente, jedenfalls bei Erforderlichkeit umfangreicher Fehleruntersuchungen und Instandsetzungsmaßnahmen, die ersichtlich nur in einer Werkstatt vorgenommen werden können und kostenträchtig sind – wie es vorliegend der Fall ist –, regelmäßig der Betriebssitz des Händlers Leistungsort der Nacherfüllung (so auch Palandt/Weidenkaff, a. a. O., § 439 Rn. 3a; Reinking, ZfS 2003, 57 [60]; Ball, NVZ 2004, 217 [220]; Skamel, ZGS 2006, 227).

Das verfahrensgegenständliche Fahrzeug wurde trotz eines entsprechenden Angebots der Beklagten unstreitig zu keinem Zeitpunkt an deren Firmensitz verbracht. Die Klägerin hat damit eine für die Nacherfüllung erforderliche Mitwirkungshandlung verweigert. Aus diesem Grund konnte sie nicht wirksam vom Vertrag zurücktreten (Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 323 Rn. 15). Die geltend gemachten Rückabwicklungsansprüche stehen ihr nicht zu …

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