Wird bei Abschluss eines Kfz-Kaufvertrags vereinbart, dass der Händler im Falle der vertragswidrigen Nichtabnahme des Fahrzeugs vom Käufer Schadensersatz in Höhe von pauschal 15 % des vereinbarten Kaufpreises verlangen kann, muss der Käufer davon ausgehen, dass diese Pauschale nur den Nichterfüllungsschaden und damit den branchenüblichen Gewinn abdecken soll. Einen – vom Nichterfüllungsschaden dogmatisch streng zu trennenden – Verzögerungsschaden erfasst die Klausel nicht.
LG Bonn, Urteil vom 11.09.2007 – 8 S 85/07
Sachverhalt: Die Parteien streiten darüber, ob außergerichtliche Anwaltskosten von einer vertraglich vereinbarten Schadenspauschale umfasst sind.
Die Parteien schlossen am 23.12.2005 einen Kaufvertrag, in dem sich der Beklagte gegenüber der Klägerin zum Kauf eines Pkw zum Preis von 16.990 € verpflichtete. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin heißt es unter anderem:
„Der Käufer bestellt das oben aufgeführte Fahrzeug bei der H-GmbH. Es wird vereinbart, dass der Käufer das Fahrzeug binnen 5 Werktagen ab Bereitstellung/Berechnung bezahlt und abholt.“
Unter Nr. VI („Abnahme/Rücknahme“) der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin heißt es unter anderem:
„2. Bleibt der Käufer mit der Abnahme des Kaufgegenstandes länger als 14 Tage ab Zugang der Bereitstellungsanzeige – auch durch Zahlungsunpünktlichkeit – im Rückstand, so kann der Verkäufer Schadensersatz statt einer Leistung verlangen und über den Kaufgegenstand frei verfügen.
3. Verlangt der Verkäufer Schadensersatz, so beträgt dieser 15 % des Kaufpreises. Der Schadensersatz ist höher oder niedriger anzusetzen, wenn der Verkäufer einen höheren oder der Käufer einen geringeren Schaden nachweist.“
Der Sohn des Beklagten teilte mit Schreiben vom 27.12.2005 im Namen des Beklagten mit, dass dieser auf das Fahrzeug aus finanziellen Gründen verzichte. Die Klägerin wies mit Schreiben vom 28.12.2005 auf die verbindliche Bestellung hin. Mit Schreiben vom 02.01.2006 erklärte der Beklagte, er habe kein Interesse mehr an dem Fahrzeug; nach der Absprache bei Vertragsschluss habe der Kaufvertrag nur Gültigkeit, wenn das Fahrzeug bei Ansicht Gefallen finde. Am 20.01.2006 erfolgte die Bereitstellungsanzeige durch die Klägerin mit der Aufforderung, das Fahrzeug binnen sieben Tagen abzuholen.
Nachdem der Beklagte durch seinen Prozessbevollmächtigten unter dem 24.01.2006 die Abnahme des Fahrzeugs verweigert hatte, bat die Klägerin mit Schreiben vom gleichen Tag, den Kaufvertrag noch einmal auf seine Wirksamkeit zu überprüfen und bis zum 27.01.2006 mitzuteilen, ob der Beklagte nunmehr seinen vertraglichen Verpflichtungen nachkommen werde; andernfalls werde sie ihren Anwalt beauftragen.
Da eine Antwort nicht erfolgte, beauftragte die Klägerin am 18.02.2006 ihren Rechtsanwalt mit der umfassenden rechtlichen Prüfung des Sachverhalts. Unter dem 06.03.06 wies der Prozessbevollmächtigte der Klägerin den Beklagten auf die Verbindlichkeit des Kaufvertrags hin und bot aus Kulanzgründen die Zahlung des pauschalierten Schadensersatzes in Höhe von 2.535 € nebst Rechtsanwaltskosten bis zum 16.03.06 an. Am 27.04.2006 zahlte der Beklagte den Betrag von 2.535 € mit dem Hinweis, dass die Rechtsanwaltsgebühren darin enthalten seien. Die Rechtsanwaltsgebühren wurden mit der Zahlung des Beklagten verrechnet.
Die Klägerin ist der Ansicht, die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten seien nicht in dem pauschalierten Schadensersatz enthalten. Das Amtsgericht hat ihrer Klage mit der Begründung stattgegeben, die Rechtsanwaltskosten seien erst entstanden, nachdem der Beklagte sich bereits in Verzug befunden habe. Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten blieb ohne Erfolg.
Aus den Gründen: Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung der Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 807,80 € gemäß §§ 280 I und II, 286 I und II BGB. Der Beklagte hat die Erfüllung der ihm obliegenden Pflicht zur Abnahme des Fahrzeugs ernsthaft und endgültig verweigert.
Dass entgegen dem Vertragsinhalt zwischen den Parteien vereinbart war, dass der Beklagte sich erst nach Ansicht des Fahrzeugs verbindlich für den Kauf entscheiden müsse, ist nach den zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts durch den insoweit beweispflichtigen Beklagten nicht bewiesen worden. Zwar hat der Sohn des Beklagten bekundet, der Mitarbeiter der Klägerin, der Zeuge Z, habe gesagt, dass mit der Vertragsunterschrift das Fahrzeug nur reserviert werde und „es gut wäre“, wenn das angelieferte Fahrzeug nicht gefallen sollte. Dieser Aussage steht aber nach den richtigen Erwägungen des Amtsgerichts nicht nur der eindeutige Vertragstext, sondern auch die Bekundung des Zeugen Z entgegen, der erklärt hat, dass sich der Beklagte verbindlich für den [Pkw] entschieden habe, im Übrigen ein Fahrzeug auch nur bestellt werde, wenn eine verbindliche Bestellung vorliege.
Dementsprechend hat der Beklagte die Schadenspauschale auch bezahlt.
In der Schadenspauschale sind die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten nicht enthalten.
Die Schadenspauschalierung dient der Rationalisierung der Geschäftsabwicklung. Typisch sind Klauseln wie vorliegend, in denen sich der Verkäufer für den Fall der Nichtabnahme der gekauften Ware von seinem Käufer die Zahlung eines bestimmten Prozentsatzes des Kaufpreises, der dem üblicherweise zu erwartenden Schaden entspricht, versprechen lässt. Aus dem Wortlaut der Klausel ergibt sich, dass die Schadenspauschale den Nichterfüllungsschaden und damit den branchenüblichen entgangenen Gewinn abdecken soll. Nicht von der Schadenspauschale umfasst wird damit nach der eindeutigen Formulierung der Klausel der von dem Nichterfüllungsschaden dogmatisch zu trennende Verzögerungsschaden, dessen Entstehung und Umfang im Einzelnen im Voraus regelmäßig nicht absehbar ist.
Der Beklagte konnte somit bei Zahlung der Schadenspauschale nur davon ausgehen, der Klägerin den branchenüblichen Durchschnittsschaden bzw. entgangenen Gewinn zu ersetzen, der bei einem Neuwagenkauf anhand der durchschnittlichen Händlermargen abzüglich der ersparten Aufwendungen zu ermitteln ist; demgegenüber konnte er nicht annehmen, mit der Zahlung seien sämtliche Schäden einschließlich Verzögerungsschäden abgegolten.
Zum Zeitpunkt der Einschaltung des Anwalts durch die Klägerin am 18.02.2006 befand sich der Beklagte auch in Verzug, da er durch anwaltliches Schreiben vom 24.01.2006 die Abnahme des Fahrzeugs verweigert hatte.
Bei der Beauftragung des Anwalts handelte es sich um eine zweckgerichtete, adäquate Reaktion der Klägerin. Nach mehrfacher fruchtloser Aufforderung des Beklagten zur Abnahme des Fahrzeugs war es angemessen und erforderlich, sich für die weitere Vorgehensweise rechtlichen Rat einzuholen.
Dass der Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren ein Gegenstandswert in Höhe des Kaufpreises zugrunde gelegt wurde, ist unbedenklich, da zum Zeitpunkt der Auftragserteilung die Klägerin noch ein berechtigtes Interesse an der Gesamterfüllung hatte und noch nicht absehbar war, dass statt der Leistung die Schadenspauschale gezahlt werden wird …