Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Kraftfahrzeughändler, der ein Fahrzeug verkauft und den Gebrauchtwagen des Käufers „in Zahlung nimmt“, den zu diesem Zweck abgeschlossenen Agenturvertrag mit dem Käufer kündigen kann.
BGH, Urteil vom 31.03.1982 – VIII ZR 65/81
Sachverhalt: Die Klägerin verlangt von dem Beklagten die Zahlung des Restkaufpreises für einen Pkw.
Am 07.09.1979 kaufte der Beklagte im Geschäftslokal der Klägerin einen Pkw Mercedes 200 D, einen sogenannten Jahreswagen zum Preis von 19.950 DM. Aus dem Formularvertrag geht hervor, dass die Klägerin „im Auftrag des Herrn Boris S“ handelte. Der Beklagte bestellte den Wagen „unter Ausschluss jeder Gewährleistung“.
In den für die Zahlungsbedingungen vorgesehenen Spalten vermerkte der Angestellte der Klägerin U Folgendes:
„Bei der Übergabe 4.450 DM. Zur Verrechnung kommt ein Pkw Mercedes, pol. Kennzeichen MS – ED 766, ca. 57.500 km, 2. Hand, (Fahrzeug hatte Unfallschaden am Vorderwagen) mit SSD und Radio, zum Preis von 15.550 DM, Baujahr 6/77, Zulassung zu Lasten des Käufers.“
Am 10.09.1979 erschien der Beklagte wieder bei der Klägerin, um das gekaufte Fahrzeug abzuholen und seinen Wagen abzuliefern. Hierbei unterzeichnete er einen vorbereiteten „Auftrag zur Vermittlung eines Kraftfahrzeug-Verkaufs“. Darin heißt es auszugsweise:
"I. Gegenstand des Vertrages
1. Der Vermittler wird beauftragt und ermächtigt, das ihm zu übergebende, dem Auftraggeber gehörende Fahrzeug Pkw, Daimler Benz Type 200 […], im Namen und für Rechnung des Auftraggebers unter Ausschluss jeder Gewährleistung zu verkaufen und zu übereignen. […]
III. Verkaufsbedingungen
1. Für den Verkauf durch den Vermittler wird zwischen den Parteien eine untere Preisgrenze von 15.500 DM (ohne Umsatzsteuer) vereinbart. Diese Preisgrenze darf vom Vermittler ohne ausdrückliche schriftliche Zustimmung des Auftraggebers nicht unterschritten werden.
IV. Provision
1. Für die Verkaufsvermittlung des Fahrzeugs entsprechend den vorstehenden Bedingungen erhält der Vermittler als Provision einen etwaigen Mehrerlös ganz. […]
VI. Dauer des Vertrages
1. Dieser Vertrag wird auf die Dauer von sechs Monaten geschlossen. Ist er nach Ablauf von sechs Monaten von keinem Teile gekündigt worden, so verlängert er sich, ohne dass es einer besonderen Vereinbarung bedarf, auf unbestimmte Zeit. Der Vertrag kann von beiden Teilen mit einer Frist von einer Woche, frühestens jedoch nach einem Monat gekündigt werden.“
Unter II ist zum Zustand des Kraftfahrzeugs handschriftlich vermerkt, dass der Wagen einen Unfallschaden hatte, und zwar einen Blechschaden am Vorderwagen und an der Fahrertür.
Wenige Tage nach Übernahme stellte die Klägerin fest, dass das ihr vom Beklagten überlassene Fahrzeug erhebliche Schäden aufwies; der gesamte Vorderwagen war verzogen, und es ließen sich weder die Spur noch der Sturz der Vorderachse einstellen. Die Schäden sind nur mit einem Kostenaufwand von etwa 5.000 DM zu beheben.
Mit Schreiben vom 07.11.1979 erklärte die Klägerin durch den von ihr beauftragten Rechtsanwalt, sie fechte den Vertrag wegen arglistiger Täuschung an.
Die Klägerin verlangt Zahlung von 15.500 DM zuzüglich Zinsen, Zug um Zug gegen Rückgabe des ihr vom Beklagten überlassenen Wagens.
Die Klage blieb in beiden Vorinstanzen erfolglos. Auch die Revision der Klägerin, mit der sie ihren Klageantrag weiterverfolgte, hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: I. Soweit die Klägerin ihren Anspruch auf Zahlung des Restkaufpreises aus Kaufvertrag (§ 433 BGB) herleitet, ist ihre Aktivlegitimation nach ihrem bisherigen Vorbringen nicht zweifelsfrei, denn der Kaufvertrag über den Jahreswagen kam unmittelbar zwischen dem Voreigentümer und dem Beklagten zustande. Die Frage, ob die Klägerin hier in Prozessstandschaft für den Verkäufer handelte, kann indessen dahinstehen, weil die Revision aus anderen Gründen zurückzuweisen ist.
II. 1. Das Berufungsgericht lässt die Anfechtung des Vertrags nicht durchgreifen. Es sei, so führt es aus, nicht erwiesen, dass der Beklagte der Klägerin gegenüber den Unfallschaden und die Reparatur bagatellisiert und sie arglistig getäuscht habe. Vielmehr habe er angegeben, dass sich die Reparaturkosten auf circa 4.000 DM belaufen hätten. Seine Behauptung, nach der Reparatur des Fahrzeugs sei ihm erklärt worden, der Schaden sei ordnungsgemäß behoben, sei unwiderlegt geblieben. Die Klägerin selbst habe nicht vorgetragen, dass dem Beklagten das tatsächliche Ausmaß des Unfallschadens bekannt gewesen sei.
2. Hiergegen wendet sich die Revision ohne Erfolg. Wenn sie vorträgt, der Beklagte habe durch die Angabe, das Fahrzeug weise Schäden an dem Vorderwagen und am Kotflügel auf, den wahren Umfang des Unfallschadens verschwiegen und er habe zumindest offenbaren müssen, dass er über das tatsächliche Ausmaß der Schäden im Unklaren war, so übersieht sie die entgegenstehenden Feststellungen des Berufungsgerichts.
Danach war dem Beklagten das tatsächliche Ausmaß des Unfallschadens nicht bekannt, und ihm war seitens des Reparaturunternehmens erklärt worden, der Schaden sei ordnungsgemäß behoben. Diese Feststellungen stehen der Annahme entgegen, der Beklagte habe Erklärungen „ins Blaue hinein“ abgegeben (vgl. dazu Senat, Urt. v. 29.01.1975 – VIII ZR 101/73, BGHZ 63, 382, 388; Urt. v. 16.03.1977 – VIII ZR 283/75, WM 1977, 584 = NJW 1977, 1055; Urt. v. 18.03.1981 – VIII ZR 44/80, WM 1981, 560 = NJW 1981, 1441); denn er hat sich nicht auf Verdacht hin und ohne tatsächliche Anhaltspunkte über den Zustand seines Fahrzeugs geäußert, sondern durfte sich auf die Angaben eines Fachunternehmens verlassen.
Im Übrigen hat er nach den Feststellungen des Berufungsgerichts den Angestellten U der Klägerin auf den Unfallschaden hingewiesen, ohne ihn zu bagatellisieren, und der Klägerin das Fahrzeug zur Untersuchung überlassen. Damit hat er den Anforderungen des redlichen Geschäftsverkehrs genügt (vgl. Senat, Urt. v. 21.10.1964 – VIII ZR 151/63, NJW 1965, 35). Die Klägerin war nicht gehindert, den Geschäftsabschluss von einer eingehenden Untersuchung des Fahrzeugs des Beklagten abhängig zu machen. Anders als im Regelfall der Kunde eines Gebrauchtwagenhändlers war sie aufgrund ihrer Fachkenntnisse nicht auf seine Angaben angewiesen.
III. 1. Das Berufungsgericht führt weiter aus, die Klägerin habe keine Gewährleistungsansprüche gegen den Beklagten; denn der im Kaufvertrag vereinbarte Gewährleistungsausschluss beziehe sich nicht nur auf das vom Beklagten gekaufte, sondern auch auf das von ihm hingegebene Fahrzeug.
2. Diese Ausführungen halten zwar nicht in der Begründung, wohl aber im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Das Berufungsgericht ordnet allerdings die zwischen den Parteien begründeten Vertragsbeziehungen nicht zutreffend ein: Der Kaufvertrag vom 07.09.1979 sieht hinsichtlich der Zahlungsbedingungen eine „Verrechnung“ mit dem Fahrzeug des Beklagten vor. Er besagt nichts darüber, in welcher rechtlichen Ausgestaltung diese Verrechnung erfolgen sollte. Das Berufungsgericht nimmt – offensichtlich in Anlehnung an das Senatsurteil vom 18.01.1967 – VIII ZR 209/64, BGHZ 46, 338 – an, die Parteien hätten einen Vertrag geschlossen und der Beklagte habe den Kaufpreis zu einem vertraglich festgelegten Teil durch Hingabe eines Gebrauchtwagens tilgen dürfen (Ersetzungsbefugnis). Diese Betrachtungsweise berücksichtigt nicht den nachfolgenden Vermittlungsauftrag vom 10.09.1979, der nach der ausdrücklichen Feststellung des Berufungsgerichts den drei Tage zuvor abgeschlossenen Kaufvertrag nicht ändern sollte, sondern die darin enthaltene Absprache hinsichtlich der Zahlungsbedingungen lediglich ausfüllte. Danach haben die Parteien – und zwar ersichtlich zur Vermeidung eines umsatzsteuerpflichtigen Vorgangs – ergänzend zu dem Kaufvertrag über den Jahreswagen einen selbstständigen Vermittlungsvertrag geschlossen. Er hatte zum Inhalt, dass der Kaufpreis für den Jahreswagen bis zur Beendigung des Vermittlungsauftrags gestundet war und eine Verrechnung des Kaufpreises mit dem Erlös aus der Veräußerung des vom Beklagten hingegebenen Gebrauchtwagens erfolgen sollte (vgl. Senat, Urt. v. 05.04.1978 – VIII ZR 83/77, WM 1978, 756 = NJW 1978, 1482; Urt. v. 28.05.1980 – VIII ZR 147/79, WM 1980, 1010 = NJW 1980, 2190; Espenhain, WM 1978, 1107).
b) Bei dieser Vertragsgestaltung wird der gestundete Restkaufpreis erst mit der Beendigung des Vermittlungsauftrags fällig.
aa) Den Vermittlungsauftrag konnte die Klägerin nicht wegen arglistiger Täuschung anfechten; denn, wie dargelegt (oben unter II 2), hat der Beklagte die Klägerin nicht arglistig über den Umfang der Unfallschäden getäuscht.
bb) Die Klägerin war auch nicht berechtigt, den Vermittlungsauftrag zu kündigen.
Der Vertrag sieht zwar in Nr. VI ein Kündigungsrecht vor. Diese Klausel ist jedoch bei Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen dahin auszulegen, dass der Händler nicht aus Gründen kündigen darf, die ausschließlich in seinem Risikobereich liegen. Ihm ist bekannt, dass der Kunde auf die ordnungsgemäße Abwicklung des Vermittlungsauftrags angewiesen ist, weil dadurch der Restkaufpreisanspruch gegen ihn getilgt wird. Demgemäß wird der Händler auch verpflichtet, den ihm überlassenen Wagen zu veräußern. Gäbe man ihm ein Kündigungsrecht, das allenfalls durch den Ablauf einer gewissen Vertragsdauer begrenzt ist, so brauchte der Händler lediglich diese Zeit abzuwarten, könnte dann den Agenturvertrag kündigen und Zahlung des Restkaufpreises fordern. Ein derartiges unbegrenztes Kündigungsrecht will sich jedoch der Händler nicht vorbehalten.
Dementsprechend geht auch der Kunde davon aus, die ihm gegenüber bestehende Kaufpreisforderung in vollem Umfang getilgt zu haben und nur unter außergewöhnlichen Umständen zur Nachzahlung in bar verpflichtet zu sein. Demgemäß ist der Händler grundsätzlich an den Vermittlungsauftrag gebunden. Er kann ihn bei einer Vertragsgestaltung, wie sie hier vorliegt, nur dann kündigen, wenn das ihm überlassene Fahrzeug aus Gründen unverkäuflich ist, die nicht seinem Risikobereich zuzurechnen sind.
cc) Ein solches Kündigungsrecht besteht möglicherweise dann, wenn dem Fahrzeug wesentliche Eigenschaften fehlen, deren Vorhandensein der Kunde zugesichert hat; denn dann ist das Fahrzeug aus Gründen unverkäuflich, die nicht im Risikobereich des Händlers liegen. Diese Fallgestaltung kann aber vorliegend außer Betracht bleiben, weil Anhaltspunkte für eine Zusicherung des Beklagten nicht ersichtlich sind.
Übernimmt jedoch der Händler den Gebrauchtwagen ohne vorherige eingehende Untersuchung, so geht er bewusst das Risiko ein, dass der Wagen mit Mängeln behaftet sein kann, die den Wert und die Absatzchancen mindern. Der Händler kann sich daher nicht mit der Begründung von dem Vermittlungsvertrag lösen, der hingegebene Gebrauchtwagen weise Mängel auf, die er bei Annahme des Vermittlungsvertrags nicht erkannt habe. Entscheidend ist, daß der Händler das ihm angebotene Fahrzeug untersuchen kann und dies im eigenen Interesse auch im Regelfall tun wird. Diese Betrachtungsweise ist auch deshalb angebracht, weil Kunde und Händler danach gleichbehandelt werden; der Händler verkauft einen Gebrauchtwagen nämlich grundsätzlich seinerseits unter Gewährleistungsausschluss.
c) Aus dem zuvor Ausgeführten ergibt sich, dass die Klägerin den Vermittlungsauftrag nicht kündigen konnte. Solange dieser nicht beendet ist, ist die Kaufpreisforderung gegen den Beklagten nicht fällig.
IV. Die Vorinstanzen haben daher im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen. …