1. Art. 18 I, Art. 26 I und Art. 46 der Richtlinie 2007/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 05.09.2007 zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge (Rahmenrichtlinie) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 385/2009 der Kommission vom 07.05.2009 geänderten Fassung sind in Verbindung mit Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.06.2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge dahin auszulegen, dass sie im Rahmen einer vom Käufer eines Kraftfahrzeugs erhobenen Klage auf Ersatz des durch das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne dieses Art. 5 II verursachten Schadens den Hersteller des Fahrzeugs daran hindern, sich zu seiner Entlastung auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum hinsichtlich der Unzulässigkeit dieser Abschalteinrichtung zu berufen, der darauf zurückzuführen sein soll, dass für diese Abschalteinrichtung oder das damit ausgerüstete Fahrzeug von der zuständigen Behörde eine EG-Typgenehmigung erteilt wurde oder diese Behörde, wenn sie von diesem Hersteller dazu befragt worden wäre, seine rechtliche Beurteilung bezüglich der angeblichen Zulässigkeit der betreffenden Abschalteinrichtung bestätigt hätte.
  2. Art. 4 I und Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 sowie Art. 10 I der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 der Kommission vom 18.07.2008 zur Durchführung und Änderung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 in der durch die Verordnung (EU) Nr. 566/2011 der Kommission vom 08.06.2011 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass sie verlangen, dass der Erwerber eines Fahrzeugs gegen den Fahrzeughersteller einen Anspruch auf Schadensersatz hat, wenn dem Erwerber wegen einer im Sinne dieses Art. 5 II unzulässigen Abschalteinrichtung, die vom Hersteller nach der EG-Typgenehmigung für dieses Fahrzeug mittels eines Softwareupdates installiert wurde, ein Schaden entstanden ist.
  3. Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass es zum einen nicht daran hindert, auf den Schadensersatzbetrag, der dem Erwerber eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ausgestatteten Fahrzeugs geschuldet wird, dem durch diese Abschalteinrichtung ein Schaden entstanden ist, einen Betrag anzurechnen, der dem Vorteil der Nutzung dieses Fahrzeugs entspricht, und zum anderen einer Begrenzung dieser Entschädigung auf einen Betrag, der 15 % des Kaufpreises des Fahrzeugs entspricht, nicht entgegensteht, sofern diese Entschädigung eine angemessene Wiedergutmachung für den erlittenen Schaden darstellt.

EuGH (Fünfte Kammer), Urteil vom 01.08.2025 – C-666/23 (CM, DS/​Volkswagen AG)

Das vorliegende Urteil betrifft die Auslegung von Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.06.2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl. 2007 L 171, 1). Es ergeht im Rahmen von zwei Rechtsstreitigkeiten zwischen CM beziehungsweise DS auf der einen Seite und der Volkswagen AG auf der anderen Seite über den Ersatz Schadens, den CM und DS dadurch erlitten haben, dass sie von gewerblichen Verkäufern gebrauchte, von der Volkswagen AG hergestellte Fahrzeuge erworben haben, die mit unzulässigen Abschalteinrichtungen ausgerüstet sind.

Sachverhalt: Gemäß Bestellung vom 14.03.2016 erwarb CM für 49.950 € ein Fahrzeug der Marke Volkswagen, das mit einem Dieselmotor des Typs EA288 ausgestattet war. Zum Zeitpunkt des Erwerbs war dieses Fahrzeug mit einer – am 10.10.2017 durch ein Update der entsprechenden Software entfernten – Prüfstandserkennung sowie mit einer weiteren Motorsteuerungssoftware ausgerüstet, die die Abgasrückführung verringert, wenn die Außentemperaturen unter einer gewissen Schwelle liegen, was eine Erhöhung der NOX-Emissionen zur Folge hat. Die Abgasrückführung ist somit nur dann voll wirksam, wenn die Außentemperatur nicht unter diese Schwelle sinkt (im Folgenden: Thermofenster).

Wegen des Vorhandenseins dieser beiden – angeblich unzulässigen – Abschalteinrichtungen meint CM, Opfer einer vorsätzlichen und sittenwidrigen Schädigung im Sinne von § 826 BGB zu sein, die der Volkswagen AG zuzurechnen sei. Mit seiner beim Landgericht Ravensburg (Deutschland) – dem vorlegenden Gericht – erhobenen Klage begehrt er zum Ersatz seines Schadens die Zahlung von 8.938 €, was 20 % des Kaufpreises des Fahrzeugs entspricht, und hilfsweise eine in das Ermessen des vorlegenden Gerichts gestellte Entschädigung, mindestens jedoch 6.703,50 €, was 15 % des Kaufpreises entspricht.

Gemäß dem Vorlagebeschluss räumt die Volkswagen AG ein, dass das System der Prüfstandserkennung zu einer Software gehöre, die dazu genutzt werde, die Abgasrückführungsrate außerhalb des Neuen Europäischen Fahrzyklus bei Erreichen einer Betriebstemperatur von 200 °C zu reduzieren. Ab dieser Betriebstemperatur trage das SCR1SCR = selective catalytic reduction (selektive katalytische Reduktion), eine Technik zur Reduktion von Stickoxiden (NOX in Abgasen von Verbrennungsmotoren.-System zur Reduktion der NOX-Emissionen bei, sodass die Grenzwerte trotzdem eingehalten würden. In Bezug auf das Thermofenster trägt die Volkswagen AG vor, dass eine Reduzierung der Abgasrückführungsrate unterhalb einer Umgebungstemperatur von +12 °C stattfinde. Dieses Thermofenster sei zulässig, da es zum sicheren Fahrzeugbetrieb notwendig sei. Hilfsweise macht die Volkswagen AG zu ihrer Entlastung einen unvermeidbaren Verbotsirrtum in Bezug auf die Unzulässigkeit der Abschalteinrichtungen geltend. Sie stützt sich dabei auf eine „hypothetische“ Genehmigung durch das Kraftfahrt-Bundesamt (Deutschland), und zwar auf die Tatsache, dass ihre fehlerhafte rechtliche Bewertung, wonach die Abschalteinrichtung zulässig sei, von dieser für die EG-Typgenehmigung zuständigen Behörde bei einer entsprechenden Nachfrage bestätigt worden wäre (im Folgenden: hypothetische Genehmigung).

DS erwarb gemäß Bestellung vom 29.03.2016 für 32.000 Euro ein Fahrzeug der Marke Volkswagen, das mit einem Dieselmotor des Typs EA189 ausgestattet war. Zum Zeitpunkt seines Erwerbs war dieses Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet, die aus einer Prüfstandserkennung mit Umschaltlogik bestand. Nachdem das Kraftfahrt-Bundesamt der Volkswagen AG mit Anordnungen vom 14.10.2015 und vom 15.10.2015 aufgegeben hatte, diese Abschalteinrichtung in den von ihr in den Verkehr gebrachten Fahrzeugen zu beseitigen, wurde am 07.03.2017 auf das Fahrzeug von DS eine von der Volkswagen AG entwickelte und vom Kraftfahrt-Bundesamt freigegebene Software aufgespielt. Dabei wurde allerdings eine andere Abschalteinrichtung, und zwar ein Thermofenster, installiert.

Aus diesem Grund sieht sich DS von der Volkswagen AG vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt. Mit seiner beim vorlegenden Gericht am 04.03.2021 erhobenen Klage begehrt er zum einen die Zahlung eines in das Ermessen des Gerichts gestellten Schadensersatzes, mindestens jedoch 4.800 € (= 15 % des Kaufpreises) und zum anderen die Feststellung, dass die Volkswagen AG ihm die Schäden zu ersetzen hat, die ihm aus der Installation des Thermofensters entstehen.

Die Volkswagen AG hat die Einrede der Verjährung erhoben und Klageabweisung beantragt. In Bezug auf das Thermofenster behauptet sie, die Abgasrückführung werde erst unterhalb von +10 °C reduziert, was für einen sicheren Betrieb des Fahrzeugs erforderlich sei. Der Gerichtshof der Europäischen Union habe sich zwar in den Urteilen vom 14.07.2022 (C-128/20, ECLI:EU:C:2022:570 – GSMB Invest; C-134/20, ECLI:EU:C:2022:571 – Volkswagen; C-145/20, ECLI:EU:C:2022:572 – Porsche Inter Auto und Volkswagen) für mit einem identischen Thermofenster ausgestattete Volkswagen-Fahrzeuge auf einen Temperaturbereich zwischen 15 und 33 °C Außentemperatur gestützt. Dieser Ansatz liege jedoch an bindenden Tatsachenfeststellungen der nationalen Vorlagegerichte, die nicht den in den Ausgangsrechtsstreitigkeiten in Rede stehenden Umständen entsprächen. Hilfsweise macht die Volkswagen AG einen unvermeidbaren Verbotsirrtum hinsichtlich der Unzulässigkeit der Abschalteinrichtung geltend und beruft sich dabei auf eine hypothetische Genehmigung des Kraftfahrt-Bundesamtes.

Das vorlegende Gericht ist erstens der Auffassung, dass ein Anspruch von CM und DS auf Schadensersatz gemäß § 826 BGB wegen vorsätzlicher und sittenwidriger Schädigung nicht gegeben zu sein scheint. Es stellt fest, dass das Fahrzeug von CM zum Zeitpunkt seines Erwerbs mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ausgestattet gewesen sei und dass eine solche Abschalteinrichtung beim Fahrzeug von DS beim Update einer Software installiert worden sei. Bei beiden Fahrzeugen werde die Abgasrückführung ab einer Umgebungstemperatur von +10 °C reduziert, weshalb nach Ansicht des vorlegenden Gerichts in beiden Fällen ein unzulässiges Thermofenster vorliegt. In Bezug auf das Erfordernis, unmittelbare Risiken für den Motor in Form von Beschädigung oder Unfall zu vermeiden, die durch eine Fehlfunktion eines Bauteils des Abgasrückführsystems hervorgerufen würden, die derart schwerwiegend seien, dass sie eine konkrete Gefahr beim Fahren des mit diesem System ausgestatteten Fahrzeugs hervorriefen, könne das Thermofenster nicht gemäß Art. 5 II 2 lit. a der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 als zulässig erachtet werden, da eine solches konkretes Risiko im vorliegenden Fall nicht bestehen dürfte. Darüber hinaus ist das vorlegende Gericht, was CM betrifft, der Ansicht, dass das andere sich aus dieser Vorschrift ergebende Ausnahmekriterium, wonach eine Abschalteinrichtung nicht während des überwiegenden Teils des Jahres aktiv sein dürfe, in Anbetracht der sich aus dem Urteil vom 14.07.2022 (C-128/20, ECLI:EU:C:2022:570 Rn. 65 – GSMB Invest) ergebenden Rechtsprechung nicht als erfüllt angesehen werden dürfte. Die Abgasrückführung dieses Fahrzeugs werde ab einer Umgebungstemperatur von +12 °C reduziert, die jährlichen Durchschnittstemperaturen in Deutschland seien aber niedriger. Trotz dieser Gesichtspunkte sei ein vorsätzliches sittenwidriges Verhalten im Sinne von § 826 BGB in den Ausgangsrechtsstreitigkeiten nicht gegeben, da keine – gemäß dem Wortlaut der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Deutschland) – „offensichtlich unzulässigen“ Abschalteinrichtungen vorlägen.

Zweitens hält das vorlegende Gericht einen Anspruch von CM und DS auf Entschädigung nach § 823 II BGB für möglich. Unter Verweis auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26.06.2023 (BGH, Urt. v. 26.06.2023 – VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245; im Folgenden: Urteil des Bundesgerichtshofs) führt das vorlegende Gericht aus, dass § 823 II BGB in Verbindung mit § 6 I und § 27 I EG-FGV die Interessen des Erwerbers eines Fahrzeugs schütze, keine Vermögenseinbuße wegen eines Verstoßes des Herstellers gegen das europäische Abgasrecht zu erleiden. In diesem Zusammenhang habe die Volkswagen AG erstens wegen des Einbaus eines unzulässigen Thermofensters in die betreffenden Fahrzeuge offenbar gegen das europäische Abgasrecht verstoßen. Zweitens setze der Schadensersatzanspruch weiter voraus, dass der Hersteller des betreffenden Fahrzeugs in Bezug auf die fragliche Abschalteinrichtung zumindest fahrlässig gehandelt habe, wobei das Verschulden des Herstellers vermutet werde. Der Hersteller könne sich jedoch von seiner Haftung entlasten, indem er außergewöhnliche Umstände darlege und beweise, die ein fehlendes Verschulden seinerseits erkennen ließen, was den Beweis eines unvermeidbaren Verbotsirrtums hinsichtlich der Unzulässigkeit der in Rede stehenden Abschalteinrichtung umfasse. Drittens führt das vorlegende Gericht zum einen aus, dass ein solcher Irrtum vorliege, wenn der Hersteller die Rechtslage unter Einbeziehung der höchstrichterlichen Rechtsprechung sorgfältig geprüft habe und er bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt mit einer anderen Beurteilung nicht habe zu rechnen brauchen. Zum anderen sei ein solcher Irrtum unvermeidbar, wenn der Hersteller eine für die in Rede stehende Abschalteinrichtung in Einklang mit Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 erteilte EG-Typgenehmigung vorlegen könne. Eine bloß hypothetische Genehmigung könne nunmehr nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs ausreichen.

Das vorlegende Gericht fragt sich, ob in Anbetracht des Unionsrechts ein Schadensersatzanspruch des Käufers eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüsteten Fahrzeugs mit der Begründung verneint werden könne, dass der betreffende Hersteller einem unvermeidbaren Verbotsirrtum hinsichtlich der Unzulässigkeit dieser Abschalteinrichtung unterlegen sei, und – falls diese Frage bejaht werde – ob die Entlastung des Herstellers auf eine tatsächliche Genehmigung des in Rede stehenden Fahrzeugs durch die zuständige nationale Behörde oder sogar auf eine hypothetische Genehmigung gestützt werden könne.

Das vorlegende Gericht stellt fest, dass im Fall von DS der Schadensersatzanspruch verjährt sei, da er auf die Abschalteinrichtung gestützt sei, die beim Erwerb des Fahrzeugs vorhanden gewesen sei (Prüfstandserkennung mit Umschaltlogik). Da das Fahrzeug seit dem von der Volkswagen AG bereitgestellten Update allerdings eine neue unzulässige Abschalteinrichtung (Thermofenster) aufweise, stelle sich die Frage, ob seinem Eigentümer nicht doch ein Schadensersatzanspruch gegen den Hersteller zustehe.

Weiter stellt das vorlegende Gericht fest, dass der Schadensersatzanspruch nach § 823 II BGB in Verbindung mit § 6 I und § 27 I EG-FGV auf den „kleinen Schadensersatz“, das heißt auf die Zahlung eines Geldbetrags abziele, der der Differenz zwischen dem Wert des Fahrzeugs mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung und dem Wert des Fahrzeugs ohne eine solche Abschalteinrichtung entspreche. Gemäß dem Urteil des Bundesgerichtshofs seien die Vorteile der Nutzung des Fahrzeugs auf den Entschädigungsbetrag anzurechnen, wenn diese zusammen mit dem Restwert des Fahrzeugs den Kaufpreis abzüglich des Schadenersatzbetrags überstiegen. Des Weiteren verlange der Bundesgerichtshof, dass der Schadensersatzbetrag aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht höher als 15 % des Kaufpreises sei.

Das vorlegende Gericht hat Zweifel an der Vereinbarkeit dieser Rechtsprechung mit dem Unionsrecht. Es hat daher beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Kann der Schadensersatzanspruch des Fahrzeugerwerbers gegen den Fahrzeughersteller wegen fahrlässigen Inverkehrbringens eines Fahrzeugs mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 mit der Begründung verneint werden,

a) dass ein unvermeidbarer Verbotsirrtum des Herstellers vorliege?

Wenn ja: b) dass der Verbotsirrtum für den Hersteller unvermeidbar sei, da die für die EG-Typgenehmigung oder für anschließende Maßnahmen zuständige Behörde die eingebaute Abschalteinrichtung tatsächlich genehmigt hat?

Wenn ja: c) dass der Verbotsirrtum für den Hersteller unvermeidbar sei, da die Rechtsauffassung des Fahrzeugherstellers von Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 bei entsprechender Nachfrage von der für die EG-Typgenehmigung oder für anschließende Maßnahmen zuständigen Behörde bestätigt worden wäre (hypothetische Genehmigung)?

2. Hat der Fahrzeughersteller, der ein Softwareupdate ausgeliefert hat, dem Fahrzeugeigentümer Schadensersatz zu leisten, wenn dieser durch eine mit dem Softwareupdate installierte unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 einen Schaden erleidet?

3. Ist es vereinbar mit Unionsrecht, wenn bei dem Schadensersatzanspruch gegen den Fahrzeughersteller wegen fahrlässigen Inverkehrbringens eines Fahrzeugs mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007

a) der Fahrzeugerwerber sich bei seinem Anspruch auf kleinen Schadensersatz auf den Schadenersatzbetrag die Vorteile der Nutzung des Fahrzeugs anrechnen lassen muss, soweit diese zusammen mit dem Restwert den gezahlten Kaufpreis abzüglich jenes Schadenersatzbetrags übersteigen;

b) der Anspruch des Fahrzeugerwerbers auf kleinen Schadensersatz auf maximal 15 % des gezahlten Kaufpreises begrenzt ist?

Der EuGH hat die Vorlagefragen wie aus dem Leitsatz ersichtlich beantwortet.

Aus den Gründen: Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

[59]   Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist es im Rahmen der durch Art. 267 AEUV geschaffenen Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof dessen Aufgabe, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits zweckdienliche Antwort zu geben. So gesehen kann der Gerichtshof veranlasst sein, unionsrechtliche Vorschriften zu berücksichtigen, die das nationale Gericht in seiner Frage nicht angeführt hat. Der Umstand, dass ein nationales Gericht eine Vorlagefrage ihrer Form nach unter Bezugnahme auf bestimmte Vorschriften des Unionsrechts formuliert hat, hindert den Gerichtshof nämlich nicht daran, diesem Gericht alle Auslegungshinweise zu geben, die ihm bei der Entscheidung über die bei ihm anhängige Rechtssache von Nutzen sein können, und zwar unabhängig davon, ob es bei der Formulierung seiner Fragen darauf Bezug genommen hat oder nicht. Der Gerichtshof hat insoweit aus allem, was das nationale Gericht vorgelegt hat, insbesondere aus der Begründung der Vorlageentscheidung, diejenigen Elemente des Unionsrechts herauszuarbeiten, die unter Berücksichtigung des Gegenstands des Rechtsstreits einer Auslegung bedürfen (EuGH, Urt. v. 26.09.2024 – C-403/23 und C-404/23, ECLI:EU:C:2024:805 Rn. 47 m. w. N. – Luxone und Sofein).

[60]   Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Ausgangsrechtsstreitigkeiten den Schadensersatzanspruch von CM und DS gegen Volkswagen wegen des Schadens, den sie infolge des Vorhandenseins unzulässiger Abschalteinrichtungen im Sinne von Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 in ihren Fahrzeugen erlitten haben, sowie die Frage betreffen, ob sich der Fahrzeughersteller zur Entlastung von seiner Haftung auf die hypothetische Genehmigung der Fahrzeuge berufen kann, was den Tatbestand eines unvermeidbaren Verbotsirrtums hinsichtlich der Unzulässigkeit dieser Abschalteinrichtung erfüllen könnte.

[61]   Nach der sich aus dem Urteil vom 21.03.2023 (EuGH, Urt. v. 21.03.2023 – C-100/21, ECLI:EU:C:2023:229 Rn. 91 – Mercedes-Benz Group [Haftung der Hersteller von Fahrzeugen mit Abschalteinrichtungen]) ergebenden Rechtsprechung hat der Käufer eines mit einer Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs einen Anspruch auf Schadensersatz durch den Hersteller dieses Fahrzeugs aus Art. 18 I, Art. 26 I und Art. 46 der Richtlinie 2007/46/EG in Verbindung mit Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, wenn dem Käufer durch diese Abschalteinrichtung ein Schaden entstanden ist.

[62]   Es ist daher davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht mit seiner ersten Frage im Wesentlichen wissen möchte, ob Art. 18 I, Art. 26 I und Art. 46 der Richtlinie 2007/46/EG in Verbindung mit Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 dahin auszulegen sind, dass sie im Rahmen einer vom Käufer eines Kraftfahrzeugs erhobenen Klage auf Ersatz des durch das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne dieses Art. 5 II verursachten Schadens den Hersteller des Fahrzeugs daran hindern, sich zu seiner Entlastung auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum hinsichtlich der Unzulässigkeit dieser Abschalteinrichtung zu berufen, der darauf zurückzuführen sein soll, dass für diese Abschalteinrichtung oder das damit ausgerüstete Fahrzeug von der zuständigen Behörde eine EG-Typgenehmigung erteilt wurde oder diese Behörde, wenn sie von diesem Hersteller dazu befragt worden wäre, seine rechtliche Beurteilung bezüglich der angeblichen Zulässigkeit der betreffenden Abschalteinrichtung bestätigt hätte.

[63]   Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass Art. 18 I, Art. 26 I und Art. 46 der Richtlinie 2007/46/EG in Verbindung mit Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 die Einzelinteressen des individuellen Käufers eines Kraftfahrzeugs gegenüber dessen Hersteller schützen, wenn dieses Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 II dieser Verordnung ausgestattet ist (EuGH, Urt. v. 21.03.2023 – C-100/21, ECLI:EU:C:2023:229 Rn. 88 – Mercedes-Benz Group).

[64]   Aus diesen Bestimmungen geht somit hervor, dass ein individueller Käufer eines Kraftfahrzeugs gegen den Hersteller dieses Fahrzeugs einen Anspruch darauf hat, dass dieses Fahrzeug nicht mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 II dieser Verordnung ausgestattet ist (EuGH, Urt. v. 21.03.2023 – C-100/21, ECLI:EU:C:2023:229 Rn. 89 – Mercedes-Benz Group).

[65]   Es ist daher nach Art. 46 der Richtlinie 2007/46/EG Sache der Mitgliedstaaten, die Sanktionen festzulegen, die im Fall der Nichtbeachtung der Richtlinie anwendbar sind. Die verhängten Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Ebenso legen die Mitgliedstaaten gemäß Art. 13 I der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 für Verstöße gegen die Vorschriften dieser Verordnung Sanktionen fest. Diese Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein (EuGH, Urt. v. 21.03.2023 – C-100/21, ECLI:EU:C:2023:229 Rn. 90 – Mercedes-Benz Group).

[66]   Wie in Randnummer 61 des vorliegenden Urteils ausgeführt wurde, ergibt sich unter diesen Umständen aus Art. 18 I, Art. 26 I und Art. 46 der Richtlinie 2007/46/EG in Verbindung mit Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, dass die Mitgliedstaaten vorsehen müssen, dass der Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 II dieser Verordnung ausgestatteten Fahrzeugs einen Anspruch auf Schadensersatz durch den Hersteller dieses Fahrzeugs hat, wenn dem Käufer durch diese Abschalteinrichtung ein Schaden entstanden ist (EuGH, Urt. v. 21.03.2023 – C-100/21, ECLI:EU:C:2023:229 Rn. 91 – Mercedes-Benz Group).

[67]   In Ermangelung unionsrechtlicher Vorschriften über die Modalitäten für die Erlangung eines solchen Ersatzes durch die Käufer eines solchen Fahrzeugs ist es Sache jedes einzelnen Mitgliedstaats, diese Modalitäten festzulegen (EuGH, Urt. v. 21.03.2023 – C-100/21, ECLI:EU:C:2023:229 Rn. 92 – Mercedes-Benz Group).

[68]   Allerdings stünden nationale Rechtsvorschriften, die es dem Käufer eines Kraftfahrzeugs praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren, einen angemessenen Ersatz des Schadens zu erhalten, der ihm durch den Verstoß des Herstellers dieses Fahrzeugs gegen das in Art. 5 II dieser Verordnung enthaltene Verbot entstanden ist, nicht mit dem Grundsatz der Effektivität in Einklang (EuGH, Urt. v. 21.03.2023 – C-100/21, ECLI:EU:C:2023:229 Rn. 93 – Mercedes-Benz Group).

[69]   Insbesondere dürfen die Voraussetzungen, unter denen sich ein Fahrzeughersteller auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum hinsichtlich der Unzulässigkeit der Abschalteinrichtung berufen kann, um sich von jeder Haftung dafür zu entlasten, nicht so ausgestaltet sein, dass sie die Erlangung eines solchen Schadensersatzes durch den Käufer eines mit dieser Abschalteinrichtung ausgerüsteten Fahrzeugs praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren.

[70]   Nach dem Vorlagebeschluss hat der betreffende Automobilhersteller gemäß dem Urteil des Bundesgerichtshofs [BGH, Urt. v. 26.06.2023 – VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245] die Möglichkeit, sich von jeder Haftung zu entlasten, indem er einen unvermeidbaren Verbotsirrtum hinsichtlich der Unzulässigkeit der Abschalteinrichtung, mit dem das in Rede stehende Fahrzeug ausgerüstet ist, darlegt und beweist, was eine Fahrlässigkeit seinerseits ausschließt und damit einen Anspruch des Käufers dieses Fahrzeugs auf Schadensersatz.

[71]   Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten geht hervor, dass ein unvermeidbarer Verbotsirrtum hinsichtlich der Unzulässigkeit der Abschalteinrichtung nach der nationalen Rechtsprechung als Grund für die Entlastung von der Haftung des Automobilherstellers für Fahrlässigkeit nur ausnahmsweise in Betracht kommt.

[72]   Wie das vorlegende Gericht ferner erläutert, kann dieser unvermeidbare Verbotsirrtum hinsichtlich der Unzulässigkeit einer Abschalteinrichtung, mit denen Fahrzeuge, wie sie in den Ausgangsrechtsstreitigkeiten in Rede stehen, ausgestattet sind, vom Automobilhersteller mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn er darauf zurückzuführen ist, dass von der zuständigen Behörde eine EG-Typgenehmigung für den betreffenden Fahrzeugtyp erteilt wurde.

[73]   Als Erstes ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, unzulässig ist. Allerdings gibt es von diesem Verbot drei Ausnahmen, die eng auszulegen sind (vgl. in diesem Sinne EuGH, Urt. v. 21.03.2023 – C-100/21, ECLI:EU:C:2023:229 Rn. 60 und 61 – Mercedes-Benz Group).

[74]   Nach Art. 5 II 2 lit. a bis c der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 gilt dieses Verbot nicht, wenn „die Einrichtung notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten“ (lit. a), wenn „die Einrichtung nicht länger arbeitet, als zum Anlassen des Motors erforderlich ist“ (lit. b), oder wenn „die Bedingungen in den Verfahren zur Prüfung der Verdunstungsemissionen und der durchschnittlichen Auspuffemissionen im Wesentlichen enthalten sind“ (lit. c).

[75]   Vorliegend geht aus dem Vorlagebeschluss hervor, dass die in den Ausgangsrechtsstreitigkeiten in Rede stehenden Fahrzeuge mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ausgerüstet waren.

[76]   Sofern keine der in den Buchstaben a bis c dieser Bestimmung genannten Ausnahmen auf die in Rede stehenden Abschalteinrichtungen anwendbar ist, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat, kann sich ein Automobilhersteller, der seine Fahrzeuge mit solchen Abschalteinrichtungen ausrüstet, daher nicht auf ein in Anbetracht dieser Bestimmung zulässiges Verhalten berufen.

[77]   Als Zweites ist festzustellen, dass sich nach Art. 3 Nr. 5 der Richtlinie 2007/46/EG der Begriff „EG-Typgenehmigung“ auf das Verfahren bezieht, nach dem ein Mitgliedstaat bescheinigt, dass ein Typ eines Fahrzeugs, eines Systems, eines Bauteils oder einer selbstständigen technischen Einheit den einschlägigen Verwaltungsvorschriften und technischen Anforderungen dieser Richtlinie und der in Anhang IV oder XI dieser Richtlinie aufgeführten Rechtsakte entspricht.

[78]   Die EG-Typgenehmigung entspricht somit einem Konformitätsstandard für eine große Zahl von Fahrzeugen. Er stellt einen Hinweis darauf dar, dass die Konzeption des betreffenden Fahrzeugtyps einschließlich der installierten Abschalteinrichtung im Einklang mit den in der vorherigen Randnummer genannten anwendbaren Vorschriften und Anforderungen steht.

[79]   Nach der Rechtsprechung ist es indes nicht ausgeschlossen, dass ein Fahrzeugtyp, der über eine EG-Typgenehmigung verfügt, mit der dieses Fahrzeug auf der Straße verwendet werden kann, ursprünglich von der Typgenehmigungsbehörde genehmigt worden sein kann, ohne dass ihr das Vorhandensein einer als Thermofenster programmierten Software offenbart wurde. Die Richtlinie 2007/46/EG nimmt insoweit den Fall in den Blick, dass die Unzulässigkeit eines Bauteils eines Fahrzeugs, zum Beispiel im Hinblick auf die Anforderungen von Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, erst nach dieser Genehmigung entdeckt wird. In einem solchen Fall sieht Art. 8 VI dieser Richtlinie vor, dass diese Behörde die Typgenehmigung eines Fahrzeugs entziehen kann. Außerdem ergibt sich aus Art. 13 I 1 und I 3 der Richtlinie 2007/46/EG, dass ein Mitgliedstaat, der die EG-Typgenehmigung erteilt hat, dann, wenn ihn der Hersteller über eine Änderung der Angaben in den Beschreibungsunterlagen unterrichtet, im Benehmen mit dem Hersteller entscheiden kann, dass eine neue EG-Typgenehmigung zu erteilen ist, sofern dies erforderlich ist. Ferner sieht Art. 30 I dieser Richtlinie vor, dass ein Mitgliedstaat, der eine EG-Typgenehmigung erteilt hat, wenn er eine fehlende Übereinstimmung mit dem Fahrzeugtyp, für den er die Genehmigung erteilt hat, feststellt, die notwendigen Maßnahmen, einschließlich erforderlichenfalls eines Entzugs der Typgenehmigung, ergreift, um sicherzustellen, dass die Fahrzeuge mit dem jeweils genehmigten Typ in Übereinstimmung gebracht werden (EuGH, Urt. v. 21.03.2023 – C-100/21, ECLI:EU:C:2023:229 Rn. 83 m. w. N. – Mercedes-Benz Group).

[80]   Infolgedessen kann die nach Erteilung der EG-Typgenehmigung für dieses Fahrzeug entdeckte Unzulässigkeit einer Abschalteinrichtung, mit der ein Kraftfahrzeug ausgerüstet ist, die Gültigkeit dieser Genehmigung und daran anschließend die der Übereinstimmungsbescheinigung, mit der bescheinigt werden soll, dass dieses Fahrzeug, das zur Baureihe des genehmigten Typs gehört, zum Zeitpunkt seiner Herstellung allen Rechtsakten entsprach, infrage stellen (EuGH, Urt. v. 21.03.2023 – C-100/21, ECLI:EU:C:2023:229 Rn. 84 – Mercedes-Benz Group).

[81]   Daraus folgt, dass die EG-Typgenehmigung für ein mit einer Abschalteinrichtung ausgerüstetes Fahrzeug nicht zwangsläufig bedeutet, dass die zuständige nationale Behörde die Einschätzung des Herstellers des betreffenden Fahrzeugs bezüglich der angeblichen Zulässigkeit dieser Abschalteinrichtung bestätigt hat. Jedenfalls kann eine solche Genehmigung und noch weniger eine hypothetische Genehmigung diesen Hersteller von seiner Pflicht entbinden, den Käufer des betreffenden Fahrzeugs für einen etwaigen, durch das Vorhandensein dieser Abschalteinrichtung in seinem Fahrzeug verursachten Schaden zu entschädigen.

[82]   Würde man zulassen, dass die EG-Typgenehmigung für ein Fahrzeug mit Abschalteinrichtung einen Grund für die Entlastung von der Haftung des Fahrzeugherstellers darstellen kann, hätte dies zur Folge, dass es dem Käufer dieses Fahrzeugs unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert würde, angemessenen Ersatz für die Schäden zu erhalten, die ihm durch den Verstoß des Herstellers dieses Fahrzeugs gegen das in Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufgestellte Verbot entstanden sind, was dem Effektivitätsgrundsatz zuwiderliefe. Einen solchen Entlastungsgrund zu akzeptieren, würde nämlich bedeuten, dass das Recht auf angemessene Entschädigung in all den Fällen ins Leere liefe, in denen das betreffende Fahrzeug dem genehmigten Typ entspricht, selbst wenn feststeht, dass dieses Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüstet ist.

[83]   Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 18 I, Art. 26 I und Art. 46 der Richtlinie 2007/46/EG in Verbindung mit Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 dahin auszulegen sind, dass sie im Rahmen einer vom Käufer eines Kraftfahrzeugs erhobenen Klage auf Ersatz des durch das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne dieses Art. 5 II verursachten Schadens den Hersteller des Fahrzeugs daran hindern, sich zu seiner Entlastung auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum hinsichtlich der Unzulässigkeit dieser Abschalteinrichtung zu berufen, der darauf zurückzuführen sein soll, dass für diese Abschalteinrichtung oder das damit ausgerüstete Fahrzeug von der zuständigen Behörde eine EG-Typgenehmigung erteilt wurde oder diese Behörde, wenn sie von diesem Hersteller dazu befragt worden wäre, seine rechtliche Beurteilung bezüglich der angeblichen Zulässigkeit der betreffenden Abschalteinrichtung bestätigt hätte.

Zur zweiten Frage

Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht allgemein wissen, ob ein Fahrzeughersteller, der ein Softwareupdate ausgeliefert hat, dem Fahrzeugeigentümer Schadensersatz zu leisten hat, wenn dieser durch eine mit dem Softwareupdate installierte unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 einen Schaden erleidet.

[85]   Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten geht indes hervor, dass mit dieser Frage genauer gesagt ermittelt werden soll, ob es sich gemäß Art. 4 I und Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 sowie Art. 10 I der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 auf den im Unionsrecht vorgesehenen Schadensersatzanspruch des Erwerbers des betreffenden Fahrzeugs, der diesen Schaden erlitten hat, auswirkt, ob eine unzulässige Abschalteinrichtung bereits zu dem Zeitpunkt installiert war, zu dem die EG-Typgenehmigung für das damit ausgestattete Fahrzeug erteilt wurde, oder aber erst danach installiert wurde.

[86]   In Anbetracht dieser Klarstellungen und der in Randnummer 59 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ist die zweite Frage dahin umzuformulieren, dass das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen möchte, ob Art. 4 I und Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 sowie Art. 10 I der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 dahin auszulegen sind, dass sie verlangen, dass der Erwerber eines Fahrzeugs gegen den Fahrzeughersteller einen Anspruch auf Schadensersatz hat, wenn dem Erwerber wegen einer im Sinne von Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 unzulässigen Abschalteinrichtung, die vom Hersteller nach der EG-Typgenehmigung für dieses Fahrzeug mittels eines Softwareupdates installiert wurde, ein Schaden entstanden ist.

[87]   Weder dem Wortlaut von Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, wonach die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, vorbehaltlich bestimmter Ausnahmen unzulässig ist, noch dem Wortlaut von Art. 3 Nr. 10 dieser Verordnung, in dem der Begriff „Abschalteinrichtung“ definiert wird, lässt sich entnehmen, dass für die Beurteilung, ob die Verwendung dieser Einrichtung unzulässig ist, danach zu unterscheiden ist, ob eine Abschalteinrichtung in der Phase der Herstellung eines Fahrzeugs oder erst nach seiner Inbetriebnahme, unter anderem infolge einer Nachbesserung im Sinne von Art. 3 II der Richtlinie 1999/44/EG, eingebaut wurde (EuGH, Urt. v. 14.07.2022 – C-134/20, ECLI:EU:C:2022:571 Rn. 88 – Volkswagen).

[88]   Diese Auslegung wird durch den Kontext, in dem diese Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 stehen, und das mit dieser Verordnung verfolgte Ziel gestützt (EuGH, Urt. v. 14.07.2022 – C-134/20, ECLI:EU:C:2022:571 Rn. 89 – Volkswagen).

[89]   Zum einen ist nämlich in Bezug auf den Kontext dieser Bestimmungen darauf hinzuweisen, dass die Hersteller nach Art. 4 I Unterabs. 1 Satz 2 dieser Verordnung nachzuweisen haben, dass alle von ihnen in der Europäischen Union verkauften oder in Betrieb genommenen neuen emissionsmindernden Einrichtungen für den Austausch, für die eine Typgenehmigung erforderlich ist, über eine Typgenehmigung gemäß dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen verfügen. Nach Art. 4 I Unterabs. 2 dieser Verordnung schließt diese Verpflichtung ein, dass die in Anhang I und in den in Art. 5 der Verordnung genannten Durchführungsmaßnahmen festgelegten Grenzwerte eingehalten werden (EuGH, Urt. v. 14.07.2022 – C-134/20, ECLI:EU:C:2022:571 Rn. 90 – Volkswagen).

[90]   Wenn ein individueller Käufer ein Fahrzeug erwirbt, das zur Serie eines genehmigten Fahrzeugtyps gehört und zudem mit einer Übereinstimmungsbescheinigung versehen ist, kann er vernünftigerweise erwarten, dass die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 und insbesondere deren Art. 5 bei diesem Fahrzeug eingehalten werden (EuGH, Urt. v. 21.03.2023 – C-100/21, ECLI:EU:C:2023:229 Rn. 81 m. w. N. – Mercedes-Benz Group).

[91]   Außerdem gewährleistet der Hersteller nach Art. 10 I der Verordnung (EG) Nr. 692/2008, „dass emissionsmindernde Einrichtungen für den Austausch, die in Fahrzeuge mit einer EG-Typgenehmigung nach der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 eingebaut werden, in Übereinstimmung mit Artikel 12, Artikel 13 und Anhang XIII dieser Verordnung über eine EG-Typgenehmigung als selbstständige technische Einheiten im Sinne von Artikel 10 Absatz 2 der Richtlinie 2007/46/EG verfügen“ (EuGH, Urt. v. 14.07.2022 – C-134/20, ECLI:EU:C:2022:571 Rn. 91 – Volkswagen).

[92]   Aus diesen Bestimmungen der Verordnungen (EG) Nr. 715/2007 und (EG) Nr. 692/2008 ergibt sich, dass die emissionsmindernden Einrichtungen die Verpflichtungen aus der Verordnung (EG( Nr. 715/2007 unabhängig davon einhalten müssen, ob sie ursprünglich oder nach Inbetriebnahme eines Fahrzeugs eingebaut werden (EuGH, Urt. v. 14.07.2022 – C-134/20, ECLI:EU:C:2022:571 Rn. 92 – Volkswagen).

[93]   Zum anderen liefe es, wenn man Fahrzeugherstellern erlauben würde, nach der Inbetriebnahme eines Fahrzeugs eine Abschalteinrichtung einzubauen, die diese Verpflichtungen nicht einhält, dem Ziel der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zuwider, das darin besteht, ein hohes Umweltschutzniveau sicherzustellen und zur Verbesserung der Luftqualität und zur Einhaltung der Luftverschmutzungsgrenzwerte insbesondere die Stickstoffoxid(NOX)-Emissionen bei Dieselkraftfahrzeugen zu mindern (EuGH, Urt. v. 14.07.2022 – C-134/20, ECLI:EU:C:2022:571 Rn. 93 – Volkswagen).

[94]   Der Umstand, dass eine Abschalteinrichtung nach der Inbetriebnahme eines Fahrzeugs bei einer Nachbesserung im Sinne von Art. 3 II der Richtlinie 1999/44/EG eingebaut wurde, ist somit für die Beurteilung der Frage, ob die Verwendung dieser Einrichtung nach Art. 5 II in Verbindung mit Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 unzulässig ist, unerheblich (vgl. in diesem Sinne EuGH, Urt. v. 14.07.2022 – C-134/20, ECLI:EU:C:2022:571 Rn. 94 – Volkswagen).

[95]   Unabhängig von der Frage, ob eine Abschalteinrichtung ursprünglich, das heißt zum Zeitpunkt der EG-Typgenehmigung, eingebaut war oder danach eingebaut wurde, kann diese Abschalteinrichtung nämlich für Unsicherheit sorgen, ob das Fahrzeug angemeldet, verkauft oder in Betrieb genommen werden kann, und letztlich beim Käufer eines mit einer solchen Abschalteinrichtung ausgerüsteten Fahrzeugs zu einem Schaden führen (vgl. in diesem Sinne EuGH, Urt. v. 21.03.2023 – C-100/21, ECLI:EU:C:2023:229 Rn. 84 – Mercedes-Benz Group).

[96]   Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 4 I und Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 sowie Art. 10 I der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 dahin auszulegen sind, dass sie verlangen, dass der Erwerber eines Fahrzeugs gegen den Fahrzeughersteller einen Anspruch auf Schadensersatz hat, wenn dem Erwerber wegen einer im Sinne dieses Art. 5 II unzulässigen Abschalteinrichtung, die vom Hersteller nach der EG-Typgenehmigung für dieses Fahrzeug mittels eines Softwareupdates installiert wurde, ein Schaden entstanden ist.

Zur dritten Frage

[97]   Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass es zum einen daran hindert, auf den Schadensersatzbetrag, der dem Erwerber eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ausgestatteten Fahrzeugs geschuldet wird, dem durch diese Abschalteinrichtung ein Schaden entstanden ist, einen Betrag anzurechnen, der dem Vorteil der Nutzung dieses Fahrzeugs entspricht, und zum anderen einer Begrenzung dieser Entschädigung auf einen Betrag entgegensteht, der 15 % des Kaufpreises des Fahrzeugs entspricht.

[98]   Es ist darauf hinzuweisen, dass es gemäß der in Randnummer 67 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung in Ermangelung unionsrechtlicher Vorschriften über die Modalitäten für die Erlangung von Schadensersatz durch die Käufer eines solchen Fahrzeugs für die Schäden, die durch die Abschalteinrichtung verursacht wurden, mit der dieses Fahrzeug ausgestattet ist, Sache jedes einzelnen Mitgliedstaats ist, diese Modalitäten festzulegen.

[99]   Allerdings stünden gemäß der in Randnummer 68 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung von den Mitgliedstaaten festgelegte Modalitäten, die es dem Käufer eines Kraftfahrzeugs praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren, einen angemessenen Ersatz des Schadens zu erhalten, der ihm durch den Verstoß des Herstellers dieses Fahrzeugs gegen das in diesem Art. 5 II enthaltene Verbot entstanden ist, nicht mit dem Grundsatz der Effektivität in Einklang.

[100]  Unter diesem Vorbehalt ist festzustellen, dass die nationalen Gerichte befugt sind, dafür Sorge zu tragen, dass der Schutz der unionsrechtlich gewährleisteten Rechte, einschließlich des Rechts des Käufers eines Kraftfahrzeugs auf angemessene Entschädigung für die Schäden, die ihm durch den Verstoß des Herstellers dieses Fahrzeugs gegen das in Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufgestellte Verbot entstanden sind, nicht zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Anspruchsberechtigten führt (vgl. in diesem Sinne EuGH, Urt. v. 21.03.2023 – C-100/21, ECLI:EU:C:2023:229 Rn. 94 m. w. N. – Mercedes-Benz Group).

[101]  Das vorlegende Gericht hat somit zu prüfen, ob die Anrechnung eines Vorteils, den der betreffende Käufer im Rahmen der Nutzung der Fahrzeuge gezogen hat, oder im vorliegenden Fall die Anrechnung des Vorteils der tatsächlichen Nutzung der in den Ausgangsrechtsstreitigkeiten in Rede stehenden Fahrzeuge den betreffenden Käufern eine angemessene Entschädigung gewährleistet, soweit festgestellt wird, dass diesen im Zusammenhang mit dem Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 in diese Fahrzeuge ein Schaden entstanden ist (vgl. in diesem Sinne EuGH, Urt. v. 21.03.2023 – C-100/21, ECLI:EU:C:2023:229 Rn. 95 – Mercedes-Benz Group).

[102]  In diesem Kontext kann die Tatsache, dass ein Mitgliedstaat einen Zusammenhang zwischen dem Kaufpreis eines solchen Fahrzeugs und dem Entschädigungsbetrag herstellt, mit dem der vom Käufer des betreffenden Fahrzeugs erlittene Schaden wiedergutgemacht werden soll, insofern nicht als unionsrechtswidrig angesehen werden, als die Bewertung des Umfangs dieses Schadens, der sich unter anderem in dem Risiko materialisiert, dieses Fahrzeug nicht anzumelden, verkaufen oder in Betrieb nehmen zu können, mit dem Kaufpreis in Verbindung gebracht wird.

[103]  Hierzu geht aus dem Vorlagebeschluss hervor, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Umfang des Schadensersatzes in die Beurteilung des Tatrichters fällt, sie aber aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht weniger als 5 % und nicht mehr als 15 % des Kaufpreises betragen darf.

[104]  Gemäß der in Randnummer 66 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung kann es grundsätzlich auch nicht als unionsrechtswidrig angesehen werden, wenn ein Mitgliedstaat für die Bestimmung einer angemessenen Entschädigung, die dem Käufer des betreffenden Fahrzeugs zugutekommen muss, eine Spanne zwischen einer in Prozent ausgedrückten Unter- und Obergrenze festlegt, sofern diese Spanne nicht zu einer unangemessenen Entschädigung des Schadens führt, der dem Käufer eines Fahrzeugs mit einer Abschalteinrichtung entstanden ist.

[105]  Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass CM die Zahlung eines Betrags begehrt hat, der 20 % des Kaufpreises ausmacht oder, sollte dieser nicht gewährt werden, mindestens 15 % dieses Preises, während DS die Zahlung einer in das Ermessen dieses Gerichts gestellten Entschädigung beantragt hat, die jedoch nicht weniger als 15 % des Kaufpreises betragen dürfe.

[106]  Es ist Sache des vorlegenden Gerichts zu prüfen, ob die in Randnummer 103 des vorliegenden Urteils genannte Entschädigungsspanne es CM und DS unmöglich macht oder übermäßig erschwert, angemessenen Ersatz für die erlittenen Schäden zu erlangen.

[107]  Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass es zum einen nicht daran hindert, auf den Schadensersatzbetrag, der dem Erwerber eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ausgestatteten Fahrzeugs geschuldet wird, dem durch diese Abschalteinrichtung ein Schaden entstanden ist, einen Betrag anzurechnen, der dem Vorteil der Nutzung dieses Fahrzeugs entspricht, und zum anderen einer Begrenzung dieser Entschädigung auf einen Betrag, der 15 % des Kaufpreises des Fahrzeugs entspricht, nicht entgegensteht, sofern diese Entschädigung eine angemessene Wiedergutmachung für den erlittenen Schaden darstellt.

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