1. Der Widerruf eines mit einem Kaufvertrag verbundenen Darlehensvertrags hat nicht zur Folge, dass alle Ansprüche auf Rückabwicklung an dem Ort zu erfüllen sind, an dem sich die Kaufsache zum Zeitpunkt des Widerrufs vertragsgemäß befindet. Ein einheitlicher besonderer Gerichtsstand am Wohnsitz des Verbrauchers gemäß § 29 I ZPO ist daher nicht begründet.
  2. Hat das erstinstanzliche Gericht seine Zuständigkeit zu Recht verneint und die Klage daher als unzulässig abgewiesen, kann der Kläger noch im Berufungsverfahren hilfsweise die Verweisung an das zuständige Gericht erster Instanz beantragen. In diesem Fall ist der Rechtsstreit unter Aufhebung des – rechtsfehlerfrei ergangenen – klageabweisenden Urteils an das sachlich und örtlich zuständige Gericht erster Instanz zu verweisen.

OLG Braunschweig, Urteil vom 03.05.2022 – 4 U 525/21

Sachverhalt: Der Kläger, der seinerzeit bereits in B. wohnte, erwarb im Oktober 2015 in einem Autohaus einen Pkw. Auf den Kaufpreis in Höhe von 21.609,80 € leistete er eine Anzahlung in Höhe von 4.500 €. Um den restlichen Kaufpreis zu finanzieren, trug der Kläger der Beklagten mithilfe des Autohauses unter dem 23.10.2015 den Abschluss eines Darlehensvertrags über einen Nettodarlehensbetrag von 17.109,80 € mit einer Laufzeit von 48 Monaten und einem effektiven Jahreszinssatz von 3,99 % an. Die vom Autohaus zur Verfügung gestellten Vertragsunterlagen beinhalteten eine Widerrufsinformation und die Darlehensbedingungen. Die Beklagte nahm den Antrag des Klägers an und zahlte die Darlehensvaluta an das Autohaus aus.

Mit E-Mail vom 20.08.2020 widerrief der Kläger seine auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung. Die Beklagte akzeptierte diesen Widerruf nicht.

Mit seiner Klage begehrte der Kläger erstinstanzlich die Rückzahlung der von ihm geleisteten Zins- und Tilgungsraten sowie der Anzahlung nach Rückgewähr des streitgegenständlichen Fahrzeugs sowie die Feststellung, dass die Beklagte mit der Annahme des Pkw in Verzug sei.

Das Landgericht Göttingen hat die Klage mit Urteil vom 26.07.2021 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass es unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt örtlich zuständig sei. Die Zuständigkeit ergebe sich nicht aus § 29 I ZPO. Der Kläger begehre nach vollständiger Tilgung des Darlehens die Rückzahlung seiner Zahlungen. Erfüllungsort hierfür sei allein der Sitz der Beklagten. In der Regel befinde sich der Erfüllungsort dort, wo der Schuldner der jeweils in Rede stehenden Leistung bei Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Sitz gehabt habe. Ein gemeinsamer Erfüllungsort sei die Ausnahme. Eine solche Ausnahme sei für die Rückabwicklung eines Kaufvertrags nach Ausübung eines gesetzlichen Rücktrittsrechts anerkannt. Ob ein Ausnahmfall auch dann gegeben sei, wenn es um die Rückabwicklung eines widerrufenen und mit einem Kaufvertrag verbundenen Darlehensvertrags gehe, werde hingegen in der Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt. Insoweit schließe sich das Landgericht den Erwägungen des Oberlandesgerichts Brandenburg in dessen Urteil vom 20.01.2021 an, wonach ein gemeinsamer Erfüllungsort nicht anzunehmen sei.

Mit seiner dagegen gerichteten Berufung hat der Kläger unter Verweis auf Entscheidungen diverser Oberlandesgerichte geltend gemacht, das Landgericht Göttingen sei für den Rechtsstreit örtlich zuständig, weil ein mit einem Kaufvertrag verbundener Verbraucherdarlehensvertrag nach einem Widerruf einheitlich am Wohnsitz des Verbrauchers rückabzuwickeln sei.

Nach einem Hinweis des Berufungsgericht hat der Kläger beantragt, den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Landgericht zu verweisen.

Der Kläger hat auch in der Berufungsinstanz zunächst die Rückzahlung der von ihm geleisteten Zins- und Tilgungsraten sowie der Anzahlung nach Rückgewähr des streitgegenständlichen Fahrzeugs sowie die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten begehrt. Zuletzt hat er die Feststellung begehrt, dass er von der Beklagten die Zahlung von 23.845,08 € abzüglich Wertersatz in Höhe von 4.118,79 € und nebst Rechtshängigkeitszinsen verlangen könne und dass dieser Zahlungsanspruch nach Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Pkw am Sitz des Autohauses – hilfsweise: am Sitz der Beklagte – fällig sei. Außerdem hat der Kläger den Annahmeverzug der Beklagten festgestellt haben wollen.

Die Beklagte hat die Zurückweisung der Berufung beantragt. Hilfsweise – für den Fall des auch nur teilweisen Obsiegens des Klägers – hat sie die Feststellung verlangt, dass der Kläger ihr Ersatz für den Wertverlust des Pkw leisten müsse, der auf einen Umgang mit dem Fahrzeug zurückzuführen ist, der zur Prüfung seiner Beschaffenheit, seiner Eigenschaften und seiner Funktionsweise nicht notwendig war.

Die Berufung hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: II. … Der Kläger rügt ohne Erfolg, dass das Landgericht seine örtliche Zuständigkeit rechtsfehlerhaft verneint habe (1). Auf den im Berufungsverfahren gestellten Verweisungsantrag ist das richtige Urteil des Landgerichts Göttingen jedoch aufzuheben und der Rechtsstreit an das örtlich zuständige Landgericht Braunschweig zu verweisen (2).

1. Für die – ursprünglich – klageweise geltend gemachte Rückzahlungsverpflichtung der Bank nach widerrufenem Darlehensvertrag ebenso wie für die Freistellung von vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten, über die das Landgericht Göttingen zu entscheiden hatte, bestand auch bei verbundenen Verträgen am Wohnsitz des Klägers kein Gerichtsstand. Gleiches gilt für den Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs als Annex zur Leistungsklage.

Örtlich zuständig für diese Anträge ist nach §§ 12, 17 I ZPO das Landgericht am Sitz der Beklagten, somit das Landgericht Braunschweig.

a) Die örtliche Zuständigkeit für den Feststellungsantrag als eines unselbstständigen Annexantrags folgt dabei der örtlichen Zuständigkeit für den (ursprünglichen) Zahlungsantrag zu 1 (vgl. etwa OLG Brandenburg, Urt. v. 21.04.2021 – 4 U 95/20, juris Rn. 27; OLG Stuttgart, Urt. v. 23.11.2021 – 6 U 16/21, juris Rn. 54).

Dies überzeugt, weil die Feststellung des Annahmeverzugs ohne den Zahlungsantrag in der Hauptsache keinen Sinn ergibt und deshalb nicht für sich allein stehen kann. Denn das Feststellungsinteresse für den Antrag gerichtet auf Feststellung des Annahmeverzugs besteht nur ganz ausnahmsweise.

Nach § 256 ZPO kann Gegenstand einer Feststellungsklage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses sein. Unter Rechtsverhältnis ist eine bestimmte, rechtlich geregelte Beziehung einer Person zu anderen Personen oder einer Person zu einer Sache zu verstehen. Der Annahmeverzug ist aber lediglich eine gesetzlich definierte Voraussetzung unterschiedlicher Rechtsfolgen, also lediglich eine Vorfrage für die Beurteilung dieser Rechtsfolgen. Er ist damit selbst kein Rechtsverhältnis, das nach § 256 ZPO festgestellt werden könnte.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist in den Fällen, in denen der Kläger eine Verurteilung des Beklagten zu einer Zug um Zug zu erbringenden Leistung begehrt, der weitere Antrag des Klägers, den Annahmeverzug des Schuldners hinsichtlich der ihm gebührenden Leistung festzustellen, zulässig (vgl. BGH, Urt. v. 28.10.1987 – VIII ZR 206/86, juris Rn. 21). Das Feststellungsinteresse des Klägers besteht in diesen Fällen in dem schutzwürdigen Interesse des Klägers, den für die Vollstreckung nach § 756 I, 765 Nr. 1 ZPO erforderlichen Nachweis des Annahmeverzugs bereits im Erkenntnisverfahren erbringen zu können. Daraus kann aber nicht hergeleitet werden, dass der Annahmeverzug ein zulässiger Gegenstand einer isolierten, nicht mit einem Antrag auf Verurteilung zu einer Zug-um-Zug-Leistung verbundenen Klage sein kann (vgl. BGH, Urt. v. 19.04.2000 – XII ZR 332/97, juris Rn. 16; Urt. v. 31.05.2000 – XII ZR 41/98, juris Rn. 22).

b) Für den ursprünglich gestellten Zahlungsantrag ist das Landgericht Braunschweig nach §§ 12, 17 I ZPO örtlich zuständig.

Bei der Rückabwicklung eines mit einem Kaufvertrag verbundenen Darlehensvertrags ist ein einheitlicher Gerichtsstand am Wohnsitz des Verbrauchers gemäß § 29 I nicht begründet. Vielmehr verbleibt es bei der separaten Zuständigkeitsbestimmung für jeden einzelnen Antrag.

(1) Zwar nehmen einige Oberlandesgerichte einen einheitlichen Gerichtsstand für sämtliche Ansprüche aus der Rückabwicklung nach Widerruf eines mit einem Kaufvertrag verbundenen Verbraucherdarlehensvertrags an (OLG Hamm, Urt. v. 27.11.2019 – 31 U 114/18, juris Rn. 75 ff.; OLG Köln, Urt. v. 08.07.2020 – 13 U 20/19, juris Rn. 49; OLG Celle, Urt. v. 22.07.2020 – 3 U 3/20, juris Rn. 64 ff.; OLG Saarbrücken, Urt. v. 13.08.2020 – 4 U 100/19, juris Rn. 174 ff.; OLG Dresden, Urt. v. 05.11.2020 – 8 U 1084/20, juris Rn. 51 ff. [allerdings differenzierend zwischen vertraglichen Rückzahlungsansprüchen und solchen aus ungerechtfertigter Bereicherung]; OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 20.01.2021 – 17 U 492/19, juris Rn. 44 ff.; OLG Braunschweig, Urt. v. 21.06.2021 – 11 U 67/20, juris Rn. 109 ff.; vgl. auch LG Ravensburg, Urt. v. 03.12.2021 – 2 O 95/21, juris Rn. 15–21).

Diese Ansicht wird im Wesentlichen damit begründet, dass die kreditgewährende Bank gemäß § 358 IV 5 BGB nach erfolgreichem Widerruf in die Position des Verkäufers eintrete (unter Hinweis auf BGH, Urt. v. 26.03.2019 – XI ZR 228/17, juris Rn. 22, und Urt. v. 18.01.2011 – XI ZR 356/09, juris Rn. 25), sodass sich die Rückabwicklung zwischen Darlehensnehmer und -geber auch hinsichtlich des Kaufvertrags nach § 358 IV 1, § 355 III BGB richte (OLG Hamm, Urt. v. 27.11.2019 – 31 U 114/18, juris Rn. 78; OLG Braunschweig, Urt. v. 21.06.2021 – 11 U 67/20, juris Rn. 111). Auch für die Konstellation des Rücktritts von einem Kaufvertrag sei anerkannt, dass ein einheitlicher Ort für die Rückabwicklung bestehe, nämlich an dem Ort, an dem sich die Kaufsache vertragsgemäß befinde, damit regelmäßig am Ort des Wohnsitzes des Verbrauchers. Die Argumentation, die örtliche Zuständigkeit bei Rückabwicklung eines Kaufvertrags über bewegliche Sachen und Darlehensverträge unterschiedlich zu beurteilen, überzeuge nicht und sei mit dem Zweck des § 358 BGB kaum zu vereinbaren. Gemäß § 358 I und II BGB ergebe sich kein Unterschied danach, ob der Verbraucher den Kaufvertrag oder den verbundenen Finanzierungsvertrag widerrufe. In beiden Fällen sei er auch an den jeweils anderen Vertrag nicht mehr gebunden. Der Verbraucher solle dadurch vor den Risiken, die durch eine Aufspaltung von Erwerbs- und Finanzierungsgeschäft drohten, geschützt werden. Bei einer Rückabwicklung des Kaufvertrags außerhalb der Regelung des § 358 BGB könne der Verbraucher dort klagen, wo sich die Kaufsache befinde, was typischerweise mit seinem Wohnsitz einhergehe. Eine unterschiedliche Beurteilung der örtlichen Zuständigkeit im Fall der verbundenen Verträge mit der Folge, dass der Verbraucher im Fall der Rückabwicklung nicht mehr am Gerichtsort der belegenen Kaufsache klagen könne, würde diesem Zweck widersprechen (OLG Celle, Urt. v. 22.07.2020 – 3 U 3/20, juris Rn. 66). Daher sei die Annahme eines einheitlichen Gerichtsstands auch prozessökonomisch sinnvoll.

(2) Nach anderer Ansicht verbleibt es für jeden der nach Widerruf eines mit einem Kaufvertrag verbundenen Darlehensvertrags geltend gemachten Ansprüche bei einer separaten Zuständigkeitsbestimmung (OLG Stuttgart, Urt. v. 02.07.2019 – 6 U 312/18, juris Rn. 33 f. Urt. v. 28.04.2020 – 6 U 316/19, juris Rn. 38; Urt. v. 04.05.2021 – 6 U 769/20, juris Rn. 19; Urt. v. 23.11.2021 – 6 U 16/21, juris Rn. 54 f.; OLG Brandenburg, Urt. v. 24.06.2020 – 4 U 215/19, juris Rn. 52 ff.; Urt. v. 21.04.2021 – 4 U 95/20, juris Rn. 27 ff.; OLG Braunschweig, Hinweisbeschl. v. 16.06.2021 – 4 U 20/21, juris Rn. 17 ff.).

Denn der Rücktritt vom Kaufvertrag sei mit dem Widerruf eines verbundenen Darlehensvertrages gerade nicht vergleichbar. Das Rücktrittsrecht sei Folge einer Pflichtverletzung des Verkäufers, wohingegen der Verbraucher das Widerrufsrecht „nach seinem Belieben“ ausüben könne. Daher sei eine Abweichung von der Regel des § 269 I BGB in letzterem Falle nicht gerechtfertigt (OLG Brandenburg, Urt. v. 21.04.2021 – 4 U 95/20, juris Rn. 30; OLG Stuttgart, Urt. v. 04.05.2021 – 6 U 769/20, juris Rn. 18).

Darüber hinaus sei der Verbraucher bei Geltendmachung seines Zahlungsanspruchs gegen die kreditgewährende Bank hinsichtlich der Herausgabe des finanzierten Fahrzeugs vorleistungspflichtig, nicht aber seien die wechselseitigen Ansprüche durch eine Zug-um-Zug-Beziehung miteinander verbunden. Vor diesem Hintergrund sei keine Rechtfertigung dafür ersichtlich, den Wohnsitz des Verbrauchers zum Leistungsort für die Geldschuld zu bestimmen, „nur, weil sich dort das Fahrzeug einmal befand“ (OLG Stuttgart, Urt. v. 04.05.2021 – 6 U 769/20, juris Rn. 19).

Die Prozessökonomie sei vor diesem Hintergrund als Argument zu schwach (OLG Stuttgart, Urt. v. 04.05.2021 – 6 U 769/20, juris Rn. 20). Dabei könne auch nicht außer Betracht bleiben, dass der Gesetzgeber mehrere Gelegenheiten zur Anpassung und Schaffung eines einheitlichen Gerichtsstands zugunsten des Verbrauchers ungenutzt habe verstreichen lassen (OLG Brandenburg, Urt. v. 21.04.2021 – 4 U 95/20, juris Rn. 32).

(3) Der Senat schließt sich der zuletzt genannten Ansicht an.

Die Verfechter des einheitlichen Gerichtsstands, welcher aus den Besonderheiten des verbundenen Vertrages zu folgern sei, stellen darauf ab, dass die Frage zwischen Zug-um-Zug-Verhältnis einerseits und Vorleistungspflicht andererseits keinen Einfluss auf den Leistungsort habe (OLG Dresden, Urt. v. 05.11.2020 – 8 U 1084/20, juris Rn. 54; OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 20.01.2021 – 17 U 492/19, juris Rn. 50, unter Hinweis auf BGH, Urt. v. 09.03.1995 – IX ZR 134/94, juris Rn. 13). Der Käufer habe im Falle eines erfolgreichen Widerrufs nicht nur ein Recht auf Rückzahlung der von ihm geleisteten Zins- und Tilgungszahlungen, sondern auch auf Rücknahme des gekauften Fahrzeugs durch die in die Stellung der Verkäuferin eingetretene Bank. Für diesen Anspruch sei Erfüllungsort und damit Wahlgerichtsstand der Ort der belegenen Sache beziehungsweise der Wohnort des Schuldners (OLG Dresden, Urt. v. 05.11.2020 – 8 U 1084/20, juris Rn. 54; OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 20.01.2021 – 17 U 492/19, juris Rn. 50, unter Hinweis auf Staudinger/​Bittner/Kolbe, BGB, Neubearb. 2019, § 269 Rn. 31, und MünchKomm-BGB/Krüger, 8. Aufl. [2019], § 269 Rn. 48).

Dagegen spricht, dass der Bundesgerichtshof klargestellt hat, dass es sich bei der Rückgabepflicht des Käufers und Darlehensnehmers um eine Bring- oder eine Schickschuld handeln kann (BGH, Urt. v. 27.10.2020 – XI ZR 525/19, juris Rn. 22–24; Urt. v. 23.02.2021 – XI ZR 73/20, juris Rn. 19–20). Die Qualifikation als Bringschuld einerseits oder Schickschuld andererseits zeitigt jedoch unterschiedliche Auswirkungen auf den Leistungsort. Bei Bringschulden ist der Wohnsitz des Gläubigers (hier der Beklagten) sowohl Leistungs- als auch Erfolgsort (Palandt/​Grüneberg, BGB, 79. Aufl. [2020], § 269 Rn. 1; MüKomm-BGB/​Krüger, a. a. O., § 269 Rn. 6). Bei der Schickschuld hingegen fallen Leistungsort und Erfolgsort auseinander: (nur) die Leistungshandlung muss der Schuldner an seinem Wohnort oder Niederlassungsort vornehmen (MüKomm-BGB/​Krüger, a. a. O., § 269 Rn. 7). Die von der „Einheitlichkeits-Theorie“ in Bezug genommenen Fundstellen (Staudinger/​Bittner/Kolbe, a. a. O., § 269 Rn. 31, und MünchKomm-BGB/Krüger, a. a. O., § 269 Rn. 48) verhalten sich jedoch lediglich zur Schick- und Holschuld, nicht aber zur Bringschuld. Wenn man andererseits auf die Rücknahmeverpflichtung der Bank abstellt, ist Leistungsort für diese stets der Ort ihres Sitzes, da sie eine Holschuld unter keinen Umständen trifft.

Bei dieser differenzierten Situation ist der Vergleich mit dem Rücktritt vom Kaufvertrag nicht mehr gerechtfertigt. Auch kommt es bei einer generellen Vergleichbarkeitsbetrachtung – wie hier – nicht auf den Einzelfall an. Insofern ist es unerheblich, dass der Kläger hier ausdrücklich zugunsten einer Schickschuld optiert, was den Leistungsort bezüglich seiner Rückgabeverpflichtung an seinem Wohnsitz lokalisiert.

Das Kammergericht führt weiter aus, dass nach der gefestigten Rechtsprechung bei der Rückabwicklung von Kaufverträgen über bewegliche Sachen aufgrund Rücktritt, Widerruf oder Anfechtung zwar ein einheitlicher Erfüllungsort und damit ein Gerichtsstand nach § 29 I ZPO an dem Ort anzunehmen sei, an dem sich die Sache zum Zeitpunkt der Rückgängigmachung des Kaufvertrags vertragsgemäß befinde („Austauschort“), was im Regelfall zu einer Zuständigkeit des Gerichts am Wohnsitz des Käufers führe. Diese Anknüpfung an den Austauschort sei aber ursprünglich damit gerechtfertigt worden, dass ein von dem Verkäufer zu vertretender Mangel zum Rücktritt geführt habe und der zurücktretende Käufer den Verkäufer nach § 346 I BGB nur in die Lage zu versetzten habe, über die Ware zu verfügen (KG, Beschl. v. 18.02.2016 – 2 AR 6/16, juris Rn. 11, unter Hinweis auf BGH, Urt. v. 09.03.1983 – VIII ZR 11/82, BGHZ 87, 104, 110 = juris Rn. 14).

Dieser Ausgangspunkt ist tatsächlich in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes verankert. So hat der Bundesgerichtshof bei der Begründung des Belegenheitsortes der Kaufsache als Leistungsort ausgeführt:

„Denn der Käufer schuldet nach § 346 Satz 1 BGB [a.F.] nur das Zurückgewähren der Leistung und hat somit den Verkäufer nur in die Lage zu versetzen, über die Ware zu verfügen (so auch Staudinger/​Ostler, BGB, 11. Aufl., § 467 Rn. 34). Es ist dem Berufungsgericht zwar zuzugeben, daß sich hieraus ein Risiko für den Verkäufer ergibt. Der Käufer kann die Sache entsprechend dem mit dem Vertragsschluß verfolgten Zweck an einen entfernten Ort geschafft haben. Diese Risikoverteilung ist aber gerechtfertigt, weil der vom Verkäufer zu vertretende Mangel der Kaufsache zur Wandelung geführt hat (vgl. RGZ 55, 105, 110 f.; RG Recht 1918 Nr. 930; MünchKomm-BGB/​H. P. Westermann, 1980, § 467 Rn. 11). Gerade das anerkennenswerte und vom Gesetz […] auch anerkannte Interesse des Käufers, möglichst weitgehend so gestellt zu werden, als habe er sich auf den Vertrag nicht eingelassen, rechtfertigt es, ihn von den Kosten des Rücktransportes zu entlasten. Zu keinem anderen Ergebnis gelangt im vorliegenden Falle die Auffassung, die den Erfüllungsort stets bei dem Empfänger der verkauften Sache sieht (so z. B. Staudinger/​Selb, § 269 Rn. 14; Staudinger/​Honsell, § 465 Rn. 19; ebenso für den Rücktritt OLG Karlsruhe, MDR 1970, 587; OLG Nürnberg, NJW 1974, 2237). Selbst wenn man von einem für die Käufer- und die Verkäuferverpflichtungen unterschiedlichen Erfüllungsort ausgehen wollte (so z.B. OLG Oldenburg, NJW 1976, 1044; LG Krefeld, MDR 1977, 1018 f.; Staudinger/​Ostler, a. a. O., § 467 Rn. 44), wäre dies für die Rückgabe- bzw. Rücknahmeverpflichtung dennoch der Ort, an dem sich die Ware vertragsgemäß befindet ([…])“ (BGH, Urt. v. 09.03.1983 – VIII ZR 11/82, BGHZ 87, 104 = juris Rn. 14).

Bei Lektüre dieser Quelle wird deutlich, dass es im Ausgangspunkt weniger auf das Vertretenmüssen ankommt, sondern vielmehr auf die Frage, wie die Kostenlast der Rückabwicklung zu verteilen ist. Insofern verliert das Argument der Verfechter der „Einheitlichkeits-Theorie, dass es nicht zwingend sei, im Zusammenhang mit dem Erfüllungsort von Verbindlichkeiten, die ihren Ausgangspunkt in vertraglichen Abreden haben, auf den Aspekt des Vertretenmüssens oder der Verantwortung abzustellen, und dass es nicht überzeuge, für den Leistungsort danach zu fragen, ob eine der Vertragsparteien und gegebenenfalls welche „den Rücktritt zu vertreten“ oder „zu verantworten“ habe (so OLG Braunschweig, Urt. v. 21.06.2021 – 11 U 67/20, juris Rn. 113), an Gewicht.

Richtet man das Augenmerk wie der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 09.03.1983 – VIII ZR 11/82, BGHZ 87, 104, 110 = juris Rn. 14 – auf die Verteilung der Kostenlast, so stellt sich das Bild bei Widerruf eines Darlehensvertrags, der mit einem Kaufvertrag verbunden ist, so dar, dass der Verbraucher nach § 358 IV 1 BGB in Verbindung mit § 357 VI 1 BGB die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren zu tragen hat, wenn der Unternehmer den Verbraucher von dieser Pflicht unterrichtet hat (vgl. zur Problematik, dass die Unterrichtungspflicht nach Art. 246a I 2 EGBGB nicht auf einen – wie hier – im stationären Handel geschlossenen Kaufvertrag passt, BGH, Urt. v. 27.10.2020 – XI ZR 525/19, juris Rn. 31 ff.). Vor diesem Hintergrund enthält die Musterwiderrufsinformation in Anlage 7 zu Art. 247 § 6 II und § 12 I EGBGB in der Fassung vom 20.09.2013 in Gestaltungshinweis 6c auch folgende Passage:

„Bei einem verbundenen Vertrag nach § 358 BGB über die Überlassung einer Sache oder bei einem zusammenhängenden Vertrag, gerichtet auf die Überlassung einer Sache, wenn von Gestaltungshinweis [2c] Gebrauch gemacht wurde, ist hier nachstehender Unterabsatz einzufügen:

‚Der Darlehensnehmer ist nicht verpflichtet, die Sache zurückzusenden, wenn der an [einsetzen***: dem verbundenen Vertrag oder dem zusammenhängenden Vertrag] beteiligte Unternehmer angeboten hat, die Sachen abzuholen. Grundsätzlich trägt der Darlehensnehmer die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren. Dies gilt nicht, wenn der an [einsetzen***: dem verbundenen Vertrag oder dem zusammenhängenden Vertrag] beteiligte Unternehmer sich bereit erklärt hat, diese Kosten zu tragen, oder er es unterlassen hat, den Verbraucher über die Pflicht, die unmittelbaren Kosten der Rücksendung zu tragen, zu unterrichten. Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, bei denen die Waren zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zur Wohnung des Verbrauchers geliefert worden sind, ist der Unternehmer verpflichtet, die Waren auf eigene Kosten abzuholen, wenn die Waren so beschaffen sind, dass sie nicht per Post zurückgesandt werden können.‘“

Auch insoweit ist also eine Vergleichbarkeit der Situation bei Rücktritt vom Kaufvertrag einerseits und Widerruf eines mit einem Kaufvertrag verbundenen Darlehensvertrages andererseits nicht gegeben.

Vor diesem Hintergrund verfängt auch der bloße Hinweis nicht, dass „allein der Eintritt der Beklagten in den Kaufvertrag nicht dazu führen“ könne, „dass der Erfüllungsort nunmehr vom ‚Belegenheitsort‘ (also Wohnort des Verbrauchers) zum Sitz der Beklagten“ wechsele (so aber OLG Köln, Urt. v. 08.07.2020 – 13 U 20/1, juris Rn. 49; Hervorhebung des Senats).

Die von den Verfechtern des einheitlichen Leistungsortes zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 09.03.1995 – IX ZR 134/94, juris) steht der hier vertretenen Ansicht auch nicht entgegen, sondern bestätigt sie sogar.

Der vom Bundesgerichtshof entschiedene Fall betraf die Frage des Leistungsortes für die Verpflichtung eines Gläubigers gegenüber dem Bürgen, eine zur Sicherung der Hauptforderung bestellte Grundschuld Zug um Zug gegen Zahlung der Bürgschaftssumme an den Bürgen abzutreten. Der Bundesgerichtshof hat festgehalten, dass die Zug-um-Zug-Vereinbarung die Verbindung eines Gegenseitigkeitsverhältnisses bedeute, jedoch im Grundsatz keinen Einfluss auf den Leistungsort habe, sondern dieser auch bei gegenseitigen Verträgen grundsätzlich für jede Verpflichtung gesondert bestimmt werden müsse und daher nicht notwendig einheitlich sei (BGH, Urt. v. 09.03.1995 – IX ZR 134/94, juris Rn. 13).

Auch nach der hier vertretenen Ansicht wird daran festgehalten, dass der Leistungsort für jede Verpflichtung grundsätzlich gesondert bestimmt werden muss und ein einheitlicher Leistungsort nur dann in Betracht kommt, wenn die Umstände des Falls beziehungsweise die Besonderheiten des in Rede stehenden Vertrags dafür sprechen – was hier, wie gezeigt, gerade nicht der Fall ist. Nicht aber wird darauf abgestellt, dass die Vorleistungspflicht des Darlehensnehmers für den Leistungsort am Sitz der Bank spreche.

Letztlich verbleibt dann nur noch das Argument der Prozessökonomie, welches aber schwach ist. Der Hinweis auf den Verbraucherschutz und Praktikabilitätserwägungen allein vermag – ohne eine ausdrückliche Entscheidung des Gesetzgebers – keinen von den allgemeinen Regeln abweichenden Gerichtsstand zu begründen.

Dies gilt hier umso mehr vor dem Hintergrund, dass der Verbraucher das Schicksal unterschiedlicher Zuständigkeiten für unterschiedliche, aus ein- und demselben Widerruf folgende Ansprüche selbst gewählt hat und es ihm unbenommen gewesen wäre, den Rechtsstreit einheitlich für alle Ansprüche bei dem nach §§ 12, 17 ZPO zuständigen Gericht anhängig zu machen.

Die Gefahr, dass das für den Feststellungsantrag zuständige Gericht eine Entscheidung trifft, die mit der Entscheidung des für die Leistungsanträge zuständigen Gerichts in unauflösbarem Widerspruch steht, trägt der Kläger. Er nimmt diese Gefahr sehenden Auges in Kauf. Ihn davor zu schützen, indem durch Zweckmäßigkeitserwägungen, die im Gesetz keine Stütze finden, ein für alle Anträge einheitlicher Gerichtsstand "konstruiert" wird, ist nicht Aufgabe des Gerichts. Im Zivilprozess gilt die Dispositionsmaxime. Wenn der Kläger die Gefahr widerstreitender Entscheidung scheut, hat er die Möglichkeit, alle Anträge vor dem gemä&szlig § 12 ZPO zuständigen Gericht zu erheben (gleichsinnig BGH, Urt. v. 07.12.2004 – XI ZR 366/03, juris Rn. 34: "Hier hätte es dem Kläger offengestanden, durch eine Klage am Wohnsitzgericht der Beklagten […] den gesamten Streitstoff in einem Rechtsstreit zu erledigen."; ebenso OLG Brandenburg, Urt. v. 21.04.2021 – 4 U 95/20, juris Rn. 32; OLG Stuttgart, Urt. v. 04.05.2021 – 6 U 769/20, juris Rn. 20).

2. Auf den erstmals im Berufungsverfahren gestellten Verweisungsantrag des Klägers ist der Rechtsstreit insoweit gemäß § 281 I 1 ZPO an das Landgericht Braunschweig zu verweisen.

Hat das Gericht erster Instanz seine Zuständigkeit zu Recht verneint, kann der Kläger noch im Berufungsverfahren hilfsweise die Verweisung an das zuständige Gericht erster Instanz beantragen, ohne dass dafür ein Zulassungsgrund nach § 531 II ZPO erforderlich wäre. Auf den Antrag ist der Rechtsstreit gemäß § 281 I ZPO unter Aufhebung des rechtsfehlerfrei ergangenen Urteils der ersten Instanz an das sachlich und örtlich zuständige Gericht erster Instanz zu verweisen (BGH, Urt. v. 09.07.2014 – VIII ZR 376/13, BGHZ 202, 39 Rn. 52; OLG Stuttgart, Beschl. v. 13.11.2012 – 17 UF 262/12, juris Rn. 10; Urt. v. 23.11.2021 – 6 U 16/21, juris Rn. 56; OLG München, Urt. v. 9.07.2013 – 9 U 5159/12 Bau, juris Rn. 18).

Um widerstreitende Entscheidungen zu vermeiden, ist das an sich richtige Urteil der ersten Instanz aufzuheben. Die an sich durch Beschluss zulässige Verweisung kann daher in der Rechtsmittelinstanz nur durch Urteil unter gleichzeitiger Aufhebung des Urteils der Vorinstanz erfolgen (vgl. BGH, Beschl. v. 15.06.1988 – I ARZ 331/88, juris Rn. 3).

Danach ist das rechtsfehlerfreie Urteil des Landgerichts aufzuheben und der Rechtsstreit ist in diesem Umfang an das Landgericht Braunschweig zu verweisen.

Dies gilt auch, soweit der Kläger vor Schluss der Erklärungsfrist gemäß § 128 II ZPO seinen Zahlungsantrag zu 1 in einen Feststellungsantrag umgestellt hat. Denn auch für diesen Antrag ist das Landgericht Braunschweig gemäß § 29 I ZPO örtlich zuständig.Nach dieser Vorschrift ist für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis und über dessen Bestehen das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist. Die streitige Rückzahlungsverpflichtung der Beklagten nach widerrufenem Darlehensvertrag ist gemäß §§ 269, 270 IV BGB am Sitz der Beklagten in Braunschweig zu erfüllen.

3. Da der Kläger mit seinen Sachanträgen keinen Erfolg hat, ist über die Hilfswiderklage der Beklagten nicht zu entscheiden.

III. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen (§ 97 I und II ZPO).

Über die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz wird das Landgericht Braunschweig zu befinden haben. Eine Entscheidung über die Kosten des Verfahrens in erster Instanz war nicht veranlasst (§ 281 III ZPO).

PDF erstellen