1. Erklärt der Verkäufer eines Gebrauchtwagens, das Fahrzeug habe „lt. Vorbesitzer“ keinen Unfall erlitten, liegt keine Beschaffenheitsvereinbarung vor; das heißt, es ist weder die Unfallfreiheit des Fahrzeugs noch deren Fehlen vereinbart. Der Verkäufer gibt vielmehr lediglich die Angaben des Vorbesitzers wieder (Wissensmitteilung) und haftet deshalb (nur) dafür, dass dies vollständig und richtig geschieht.
  2. Der Käufer eines Gebrauchtwagens kann mangels besonderer Umstände erwarten, dass das Fahrzeug keinen Unfall erlitten hat, bei dem es zu mehr als „Bagatellschäden“ gekommen ist.
  3. Insbesondere beim Verkauf eines Oldtimers ist ein gewerblicher Gebrauchtwagenhändler nur dann verpflichtet, das Fahrzeug besonders auf Unfälle zu untersuchen, wenn der Käufer durch Nachfragen klar zum Ausdruck bringt, dass die Unfallfreiheit für ihn entscheidend ist, oder der Gebrauchtwagenhändler auffällige Anhaltspunkte für einen Unfallschaden hat, die nicht im Alter des Fahrzeugs oder der höheren Zahl von Voreigentümern wurzeln.

LG Düsseldorf, Urteil vom 09.11.2011 – 18b O 16/11

Sachverhalt: Der Kläger, der sich selbst als Liebhaber bezeichnete, erwarb von der Beklagten zum Preis von 8.500 € einen 26 Jahre alten Mercedes-Benz 200 (Erstzulassung 1981) mit einer angegebenen Kilometerleistung von 36.800. Bei der Besichtigung und dem Kauf des Fahrzeugs war der Kläger in Begleitung des Kfz-Meisters M, der das Fahrzeug vor Abschluss des Kaufvertrags untersuchte.

In dem Kaufvertrag vom 20.11.2007 heißt es unter anderem: „Tat. Laufleistung (km): 36.800; Unfall lt. Vorbesitzer: Nein“.

Mit dem Fahrzeug erhielt der Kläger ein von der Mercedes-Niederlassung W. erstelltes Serviceheft. In dieses Heft wurden seitens der Niederlassung nach dem Tod der ursprünglichen Kfz-Eigentümerin alle von ihr, der Niederlassung, durchgeführten Wartungsarbeiten nachträglich eingetragen. Es handelt sich also nicht um das originale Serviceheft, in das im Anschluss an jede Maßnahme ein Eintrag erfolgte, sondern um ein nachträglich erstelltes Heft.

Aus den Rechnungen der Mercedes-Niederlassung W. aus den Jahren 1998 bis 2001 ergeben sich folgende Tachometerstände des streitgegenständlichen Mercedes: 1998: 36.153 km, 1999: 36.386 km, 2000: 36.461 km, 2001: 36.489 km.

Einige Tage nach Abschluss des Kaufvertrags und der Übergabe des Fahrzeugs stellte der Kläger fest, dass er kein originales Serviceheft erhalten hatte.

Der Kläger behauptet, der Zeuge K habe ihm bei Abschluss des Kaufvertrags gesagt, dass auf dem Tacho der tatsächliche Kilometerstand abzulesen, das Fahrzeug unfallfrei sowie – trotz des Ersatz-Servicehefts – „scheckheftgepflegt“ und an beiden Kotflügeln instand gesetzt worden sei. Erst im Laufe des Rechtsstreits habe er, der Kläger, erfahren, dass er ein Fahrzeug mit wertmindernden Reparaturschäden erworben habe.

Der Kläger meint, dem Fahrzeug hätten zugesicherte Eigenschaften gefehlt. Das Fahrzeug habe lediglich einen Marktpreis von 4.100 € und ohne das „Originalscheckheft“ nur noch einen Wert von 500 €.

Während der er ursprünglich die Erstattung des Minderungsbetrags von 4.400 € verlangt hat, weil er das streitgegenständliche Fahrzeug im Jahre 2007 umfassend aufbereitet hatte, verlangt der Kläger nunmehr Schadenersatz in Höhe des gezahlten Kaufpreises von 8.500 € sowie Erstattung der notwendigen Reparaturkosten Zug um Zug gegen Herausgabe des streitgegenständlichen Pkw.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Die Klage auf Zahlung von 8.500 € und Aufwendungsersatz in Höhe von 1.810 € ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keine Gewährleistungsansprüche.

I. 1. Es kann dahinstehen, ob der Kläger von der Beklagten Zahlung von 8.500 € Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Mercedes oder Zahlung eines Minderungsbetrags nach § 434 Nr. 2 BGB verlangen kann.

Gegen einen Zahlungsanspruch des Klägers in Höhe von 8.500 € aus § 437 Nr. 2 Fall 1 BGB wegen Rücktritts vom Kaufvertrag spricht schon, dass der Kläger nicht befugt war, mit Schriftsatz vom 16.03.2010 statt der Minderung nunmehr den Rücktritt vom Vertrag zu erklären. Soweit der Kläger ausdrücklich mit der Klagschrift vom 09.05.2008 sein nach § 441 I BGB bestehendes Gestaltungsrecht, statt zurückzutreten, von dem Verkäufer Minderung des Kaufpreises zu verlangen, dahingehend ausgeübt hat, dass er gem. §§ 437 Nr. 2 Fall 2, 441 BGB Minderung verlangt hat, war sein Gestaltungsrecht verbraucht (siehe Palandt/Ellenberger, BGB, 69. Aufl. [2010], Überbl. v. § 104 Rn. 17). Mit wirksamer Minderung entfällt das Rücktrittsrecht (Palandt/Weidenkaff, BGB, 69. Aufl. [2010], § 437 Rn. 31).

2. Jedenfalls besteht kein Zahlungsanspruch – weder aus Rücktritt vom Vertrag noch wegen Minderung des Kaufpreises gem. §§ 437 Nr. 2 Fall 2, 441 I und III BGB –, weil der vom Kläger erworbene Mercedes 200 nicht mangelhaft i. S. von § 434 BGB ist.

Eine Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat (§ 434 I 1 BGB). Der Kläger hat weder mit der Klage dargetan noch aufgrund der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts bewiesen, dass der verkaufte 26 Jahre alte Mercedes 200 mangelhaft war.

Im Streitfall erwarb der Kläger den streitgegenständlichen Mercedes ausdrücklich als sogenanntes Youngtimer-Fahrzeug, das erstmals am 13.05.1981 zugelassen worden war, eine tatsächliche Laufleistung von 36.800 km und laut Vorbesitzer keinen Unfall hatte.

a) Hinsichtlich der Laufleistung liegt kein Sachmangel vor.

Der Kläger hat die Richtigkeit der im Vertrag vom 20.11.2007 angegebenen Laufleistung von 36.800BGB, 69. Aufl. [2010]km schon nicht substanziiert bestritten. Im Übrigen ist die Richtigkeit dieser Angabe jedoch bestätigt worden durch den Sachverständigen S, der eine Laufleistung von 36.790 km festgestellt hat. Darüber hinaus hat auch der Sachverständige G im Hinblick auf das Erscheinungsbild, den Erhaltungszustand und insbesondere die nur geringen Gebrauchsspuren an der Pedalerie, dem Lenkrad und dem Schalthebel des Automatikgetriebes bestätigt, dass die auf dem Tachometer des Fahrzeugs angegebene Laufleistung von 36.800 km der tatsächlichen Laufleistung des Fahrzeugs entspricht.

b) Ein Sachmangel liegt auch nicht insoweit vor, als die Beklagte in dem Kaufvertrag vom 20.11.2007 erklärt hat „Unfall lt. Vorbesitzer: Nein“.

aa) Bei dieser Erklärung handelt es sich nicht um eine Beschaffenheitsvereinbarung i. S. des § 434 I 1 BGB, sondern lediglich um eine Wissenserklärung oder Wissensmitteilung, mit der die Beklagte die Angaben des Vorbesitzers wiedergibt (BGH, Urt. v. 12.03.2008 – VIII ZR 253/05, juris). Mit der Angabe ist weder die Unfallfreiheit noch das Fehlen der Unfallfreiheit vereinbart. Vielmehr ist dieser Punkt von den Parteien schlicht offengelassen (BGH, Urt. v. 12.03.2008 – VIII ZR 253/05, juris). Die Beklagte haftet mit dieser Wissensmitteilung gemäß §§ 280 I, 241 II, 311 II BGB dafür, dass sie diese Angaben des Vorbesitzers richtig und vollständig wiedergibt. Dies hat die Beklagte zur Überzeugung des Gerichts bewiesen, weil der Zeuge Z, der das Fahrzeug … an die Beklagte verkauft hatte, bekundet hat, dass er der Beklagten auf deren Nachfrage erklärt habe, dass es sich nicht um einen Unfallwagen handele.

bb) Es liegt auch kein Sachmangel i. S. von § 434 I 2 BGB vor. Danach ist die Sache, wenn die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet (Nr. 1), sonst, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen gleicher Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (Nr. 2).

Der Käufer eines gebrauchten Fahrzeugs kann, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, i. S. des § 434 I 2 BGB zwar erwarten, dass das Fahrzeug keinen Unfall erlitten hat, bei dem es zu mehr als „Bagatellschäden“ gekommen ist (BGH, Urt. v. 12.03.2008 – VIII ZR 253/05, juris).

Als Bagatellschäden hat der BGH bei Personenkraftwagen nur ganz geringfügige, äußere (Lack-)Schäden anerkannt, nicht dagegen andere (Blech-) Schäden, auch wenn sie keine weitergehenden Folgen hatten und der Reparaturaufwand nur gering war (BGH, Urt. v. 10.10.2007 – VIII ZR 330/06, juris). Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 10.10.2007 einen Sachmangel bei einem knapp fünfeinhalb Jahre alten Fahrzeug mit einer Laufleistung von rund 54.000 km bejaht bei einem Blechschaden, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ursprünglich tiefer als die bis zu fünf Milimeter starke Schichtstärke des Spachtelauftrags war und einen Kostenaufwand bei fachgerechter Beseitigung von 1.774,67 € verursacht.

Soweit das streitgegenständliche Fahrzeug … am hinteren Kotflügel rechts instand gesetzt wurde, ergeben sich aus der Rechnung [aus dem Jahr 2000] Lackierarbeiten mit einem Kostenvolumen von insgesamt 1.441,94 DM. Im Hinblick auf die durchgeführten Lackierarbeiten handelt es sich insofern um Bagatellschäden im Sinne der Rechtsprechung. Der Rechnung [aus dem Jahr 1999] ist zu entnehmen, dass … bei einem Kilometerstand von 36.164 unfallbedingt der Vorderkotflügel rechts erneuert und lackiert wurde, was … zuzüglich Nebenarbeiten und Ersatzteilen 2.335,28 DM gekostet hat. Bei diesem Betrag ist grundsätzlich, insbesondere unter Berücksichtigung des weiteren Lackschadens, der Bereich der Bagatellschäden im Sinne der Rechtsprechung des BGH überschritten.

Aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Kaufvertrags konnte der Kläger jedoch vorliegend nicht erwarten, dass der streitgegenständliche Mercedes nicht mehr als Bagatellschäden aufweist. Denn der Kläger hat weder einen gewöhnlichen Gebrauchtwagen erworben, noch bestand für ihn die gewichtige Annahme, dass der Wagen unfallfrei war.

Insbesondere bei dem Kauf eines Oldtimers besteht eine besondere Untersuchungspflicht des gewerblichen Gebrauchtwagenhändlers hinsichtlich eines Unfalls des Fahrzeugs nur dann, wenn der Käufer durch Nachfragen klar zum Ausdruck bringt, dass die Unfallfreiheit für ihn entscheidend ist, oder der Gebrauchtwagenhändler handgreifliche Anhaltspunkte für einen Mangel, einen Unfallschaden des Fahrzeugs hat, die nicht schon aufgrund des Alters des Fahrzeugs oder der höheren Zahl der Voreigentümer begründet ist (vgl. OLG München, Urt. v. 07.08.1998 – 21 U 3047/98, juris).

Der Kläger trägt nicht vor, dass er beim Kauf des Fahrzeugs besonderen Wert auf die Unfallfreiheit gelegt hat. Der Zeuge M bestätigt sogar, dass über die Unfalleigenschaft des Fahrzeugs nicht geredet wurde. Insbesondere handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug um einen 26 Jahre alten Youngtimer und damit um ein Liebhaberfahrzeug. Dass für den Käufer Unfallfreiheit nicht entscheidend war, ergibt sich daraus, dass in dem Kaufvertrag lediglich eine Wissenserklärung hinsichtlich der Unfallfreiheit abgegeben wurde und der Kläger sich die Unfallfreiheit gerade nicht hat zusichern lassen. Diese Wissenserklärung entsprach der Kenntnis der Beklagten.

Darüber hinaus bestanden für die Beklagte auch keine auffälligen Anhaltspunkte, das Fahrzeug auf seine Unfallfreiheit hin zu untersuchen. Denn das Fahrzeug war für sein Alter innen und außen in einem außergewöhnlich gepflegten Zustand, wie alle drei Sachverständige übereinstimmend bestätigen. Zudem trat der Kläger zum Zeitpunkt des Kaufs mit dem Kraftfahrzeugmeister M auf, dem es freistand, das Fahrzeug selbst zu untersuchen. Unwiderlegt kannte die Beklagte weder die Mängel und Anzeichen für einen früheren Unfall des Fahrzeugs, noch rechnete sie mit der Möglichkeit solcher Mängel. Greifbare Anhaltspunkte für einen unfallbedingten Schaden an den Kotflügeln gab es nicht. Auch im Laufe des Rechtsstreits ist der Unfallschaden im Sinne der Rechtsprechung zu normalen Gebrauchtwagen nicht durch die Untersuchungen der Sachverständigen ans Licht getreten, sondern nur durch die von der Beklagten selbst in diesem Rechtsstreit recherchierten früheren Rechnungen aus den Jahren 1999 und 2000.

c) Ein Sachmangel liegt auch nicht insoweit vor, als das mit dem Kauf des Fahrzeugs übergebene Wartungsheft nicht das Heft war, in das die Werkstatt zeitnah zur Wartung einen Eintrag getätigt hatte, sondern ein Heft war, das in den Jahren 2006/2007 erstellt worden ist. In der Übergabe dieses Hefts liegt kein Sachmangel der verkauften Sache, weil auch dieses Heft sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung i. S. von § 434 I 2 Nr. 1 BGB eignet und das übergebe Wartungsheft sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen gleicher Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.

Der Wert des Wartungshefts besteht nicht in seiner Papierbeschaffenheit; es ist nicht entscheidend, dass der Eintrag in das Heft zeitnah zur Wartung erfolgt ist. Der Wert eines Wartungshefts besteht vielmehr darin, dass die Eintragungen wahrheitsgemäß von der Firma erfolgen, die auch die Wartung durchgeführt hat. Denn damit wird dem Käufer von der die Wartung durchführenden Firma nachvollziehbar und nachprüfbar der Inhalt der Wartung bestätigt. Vorliegend hat die Mercedes-Niederlassung in W. aufgrund der von ihr selbst durchgeführten Wartungen und aufgrund der bei ihr vorliegenden Originalrechnungen eine Zweitschrift des Wartungshefts angelegt. Es liegt keine einen Sachmangel begründende Manipulation vor …

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