- Das Verhalten der für einen Kraftfahrzeughersteller (hier: die Daimler AG) handelnden Personen ist nicht schon deshalb als sittenwidrig i. S. von § 826 BGB zu qualifizieren, weil sie einen Motortyp (hier: OM 651) aufgrund einer grundlegenden unternehmerischen Entscheidung mit einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems („Thermofenster“) ausgestattet und in den Verkehr gebracht haben. Hierfür bedarf es vielmehr weiterer Umstände. Diese können dann gegeben sein, wenn das Thermofenster bewusst auf die Bedingungen des Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) abgestimmt worden ist, sodass – ohne dass die für den Schutz des Motors erforderlich ist – die Abgasrückführungsrate dann vergleichsweise hoch und der Stickoxidausstoß dann vergleichsweise niedrig ist, wenn das Fahrzeug auf einem Prüfstand einen Emissionstest absolviert, und wenn dieser Umstand im Typgenehmigungsverfahren verschwiegen wurde.
- Ein Käufer, der substanziiert behauptet, in seinem Fahrzeug komme ein Thermofenster zum Einsatz, das exakt auf die Bedingungen des Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) abgestimmt sei, ohne dass dies zum Schutz des Motors erforderlich sei, und der auf einen vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) angeordneten, sein Fahrzeug betreffenden Rückruf sowie Rückrufe verweist, die vergleichbar ausgestattete Fahrzeuge betreffen, trägt hinreichend zum Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung i. S. von Art. 3 Nr. 10, Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 vor. Gleichzeitig erlaubt der entsprechende Vortrag den Schluss, dass die für den Kraftfahrzeughersteller handelnden Personen in dem Bewusstsein gehandelt haben, in Gestalt des Thermofensters eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden.
OLG Schleswig, Urteil vom 19.02.2021 – 1 U 91/20
Sachverhalt: Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen der Verwendung einer angeblich unzulässigen Abschalteinrichtung.
Er erwarb von der G-GmbH am 27.07.2015 für 39.900 € einen gebrauchten Pkw Mercedes-Benz GLK 220 CDI. Dieses Fahrzeug ist mit einem OM 651-Motor (Schadstoffklasse Euro 5) ausgestattet. Die Stickoxid(NOX)-Emissionen werden reduziert, indem ein Teil der Abgase in den Verbrennungskreislauf zurückgeführt wird (Abgasrückführung – AGR). Dabei geht eine hohe Abgasrückführungsrate zwar mit geringeren NOX-Emissionen einher, doch fördert eine hohe Abgasrückführungsrate auch die Bildung von Rußpartikeln während der Verbrennung. Wie hoch die Abgasrückführungsrate ist, hängt unter anderem von der jeweiligen Außentemperatur ab („Thermofenster“).
Das Fahrzeug des Klägers war von einem vom Kraftfahrt-Bundesamt angeordneten Rückruf betroffen; der entsprechende Bescheid ist nicht bestandskräftig.
Der Kläger hat behauptet, er habe einen umweltfreundlichen Pkw mit geringem Kraftstoffverbrauch kaufen wollen. wollen. Er hätte das streitgegenständliche Fahrzeug nicht erworben, wenn er gewusst hätte, dass – wie der Kläger behauptet – der Stickoxidausstoß reduziert werde, sobald das Fahrzeug auf einem Prüfstand den Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) unterzogen werde, und die NOX-Emissionen im realen Fahrbetrieb weit höher seien als auf dem Prüfstand. Die Abgasrückführung werde bei bestimmten – auf dem Prüfstand herrschenden – Außentemperaturen intensiviert, das heißt, das „Thermofenster“ sei auf die auf die Prüfbedingungen abgestimmt, ohne dass es dafür eine plausible technische Erklärung gebe. Vielmehr sei das Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung, die die Beklagte im Typgenehmigungsverfahren nicht offengelegt und von der ihr Vorstand Kenntnis gehabt habe.
Mit seiner Klage hat der Kläger die Zahlung von 37.538,32 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs, und außerdem die Feststellung verlangt, dass die Beklagte mit der Annahme des Pkw in Verzug ist. Außerdem hat der Kläger den Ersatz vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten begehrt.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie behauptet, dass die Abgasrückführung bei niedrigen Temperaturen reduziert – aber nie ganz deaktiviert – werde, um einer Versottung von Motorbauteilen vorzubeugen. Höhere Temperaturen zögen bei unveränderter Abgasrückführung eine erhöhten Rußpartikelbildung nach sich; zudem bestehe die Gefahr, dass der Motor überhitze. Dass die Abgasrückführung bei dem streitgegenständlichen Pkw temperaturabhängig sei, sei dem Kraftfahrt-Bundesamt bekannt. Demgegenüber sei die Annahme, dass ihr – der Beklagten – Vorstand Kenntnis von Einzelheiten bezüglich der Motorsteuerung habe, angesichts der Vielzahl von Parametern unrealistisch.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch gegen die Beklagte aus § 826 BGB. Er habe nicht schlüssig dargelegt, dass die Beklagte ihn in sittenwidriger Weise vorsätzlich geschädigt habe. Insbesondere habe der Kläger nicht hinreichend substanziiert dargelegt, dass in seinem Pkw eine unzulässige Abschalteinrichtung zum Einsatz komme. Zwar habe er vorgetragen, dass der Stickoxidausstoß nur auf dem Prüfstand – innerhalb eines „Thermofensters“ – optimiert werde. Diese Behauptung habe der Kläger indes „ins Blaue hinein“ aufgestellt, sodass eine Beweisaufnahme nicht in Betracht gekommen sei. Denn ein Sachverständiger hätte das Fahrzeug des Klägers nur untersucht, damit der Kläger zu einer unzulässigen Abschalteinrichtung vortragen könne, obwohl es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass das Thermofenster auf den Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) abgestimmt sei. Die Abgasreinigung erfolge vielmehr trotz des Thermofensters dann, wenn das Fahrzeug den Neuen Europäischen Fahrzyklus durchfahre, grundsätzlich ebenso wie im normalen Fahrbetrieb. Es könne daher nicht unterstellt werden, dass die Verantwortlichen der Beklagten in dem Bewusstsein agiert hätten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. Dies gelte umso mehr, als ein Thermofenster nicht evident unzulässig sei und weder das Kraftfahrt-Bundesamt noch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur seine Verwendung grundsätzlich beanstandeten. Die Beklagte – so das Landgericht weiter – treffe keine sekundäre Darlegungslast. Es sei ihr nicht zuzumuten, auf die bloße Behauptung des Klägers, dass sein Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet sei, darzulegen, welche Abschalteinrichtungen vorhandenen und warum diese notwendig seien. Dies könne der Kläger vielmehr selbst etwa mithilfe eines Sachverständigen herausfinden.
Mit seiner dagegen gerichteten Berufung hat der Kläger im Wesentlichen geltend gemacht, die Verwendung eines Thermofensters sei dann sittenwidrig, wenn das Thermofenster – wie hier – exakt auf den Neuen Europäischen Fahrzyklus abgestimmt sei. In einem solchen Fall liege in der – planmäßigen – Verwendung des Thermofensters eine Täuschung des Kraftfahrt-Bundesamtes. Dafür, dass die temperaturgesteuerte Abgasreinigung auf den Prüfstand abgestimmt sei, spreche mit Blick darauf, dass die Beklagte Fahrzeuge mit OM 651-Motoren habe zurückrufen müssen, ein Anscheinsbeweis; jedenfalls aber sei das Gutachten eines Sachverständigen einzuholen.
Die Beklagte hat das angefochtene Urteil verteidigt und geltend gemacht, die Berufung des Klägers sei unzulässig, weil sie sich nicht mit dem Urteil des Landgerichts auseinandersetze und keine entscheidungserheblichen Fehler des Landgerichts nachvollziehbar aufzeige. Das Fahrzeug des Klägers enthalte keine unzulässige Abschalteinrichtung. Insoweit sei den Zivilgerichten eine Prüfung wegen der Tatbestandswirkung der EG-Typgenehmigung verwehrt; das gelte selbst dann, wenn sie – die Beklagte – im Typgenehmigungsverfahren unzureichende Angaben gemacht haben sollte. Dass das Kraftfahrt-Bundesamt die Typgenehmigung ohne Weiteres erteilt habe, zeige, dass es nähere Angaben zur temperaturgesteuerten Abgasreinigung nicht für erforderlich gehalten habe. Sie, die Beklagte, habe indes weder getäuscht noch irgendetwas verheimlicht, sondern im Typgenehmigungsverfahren darauf hingewiesen, dass die Abgasrückführungsrate unter anderem von der Lufttemperatur abhänge. Deshalb habe sie darauf vertrauen dürfen, dass das nicht beanstandete Emissionskontrollsystem den gesetzlichen Vorgaben entspreche.
Die Abgasrückführungsrate hänge unter anderem von der Ladelufttemperatur ab, um Ablagerungen im Motorraum und dadurch drohende Schäden und Ausfälle zu vermeiden. Sie betrage bei Temperaturen von 20 bis 30 °C maximal 30 %, zum Teil unter 20 %. Die Abgasrückführungsrate hänge von einer Vielzahl von Faktoren ab; sie könne zum Beispiel bei 25 °C, niedriger Drehzahl und niedriger Last 40 %, bei 25 °C, mittlerer Drehzahl und niedriger Last 30 %; bei 5 °C, niedriger Drehzahl und niedriger Last 32 % und bei 5 °C, mittlerer Drehzahl und niedriger Last 30 % betragen. Die maximale Abgasrückführungsrate von 50 % werde nur selten erreicht. In der Regel sei die Abgasrückführungsrate bei Temperaturen von 10 bis 25 °C nicht niedriger als bei Temperaturen von 20 bis 30 °C. Deaktiviert werde die Abgasrückführung nie. Ab einer Ladelufttemperatur von 35 °C werde die Abgasrückführung aber zurückgefahren, um eine vermehrte Partikelbildung und zu verhindern, dass Kraftstoff in das Motoröl gelange.
Die Entscheidung über die technische Ausgestaltung der Motorsteuerung – so die Beklagte – sei auf Mitarbeiterebene getroffen worden. Ihr Vorstand kenne angesichts der Vielzahl von Parametern keine Einzelheiten. Aufgaben würden ihren Mitarbeitern mit Blick auf ihre fachliche Qualifikation, ihr Erfahrung und ihre zu erwartende Zuverlässigkeit zugeteilt; wesentliche Entscheidungen müssten die Mitarbeiter mit ihren Vorgesetzten absprechen. Diese seien verpflichtet, sich laufend über die Tätigkeit untergeordneter Mitarbeiter zu informieren und bei Anhaltspunkten für Rechtsverstöße einzugreifen.
Auf die Berufung des Klägers wurde das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen.
Aus den Gründen: II. 1. Die Berufung ist zulässig. Insbesondere hat der Kläger sie in zulässiger Weise begründet.
Die Anforderungen an den Inhalt der Berufungsbegründung, die auf eine Rechtsverletzung gestützt wird, nach § 520 III 2 Nr. 2 ZPO sind nicht hoch. Es reicht, wenn sie, zugeschnitten auf den jeweiligen Fall, erkennen lässt, aus welchen rechtlichen oder tatsächlichen Gründen der Berufungsführer das angefochtene Urteil für unrichtig hält (BGH, Beschl. v. 21.07.2020 – VI ZB 7/20, juris Rn. 7). Weitere besondere Anforderungen bestehen nicht. Insbesondere reicht es aus, wenn sich die Entscheidungserheblichkeit der Rügen unmittelbar aus dem angefochtenen Urteil ergibt (BGH, Beschl. v. 10.03.2015 – VI ZB 28/14, juris Rn. 8).
Die Berufungsbegründung lässt deutlich erkennen, dass der Kläger den geltend gemachten Anspruch aus § 826 BGB weiterverfolgen will. Es ist unschädlich, dass sie weitgehend aus Zitaten aus einem Urteil des LG Stuttgart besteht. In der Regel reicht es zwar nicht aus, nur auf ein anderes Urteil Bezug zu nehmen. Das kann allerdings anders sein, wenn der Sachverhalt im Wesentlichen identisch ist (BGH, Beschl. v. 21.07.2020 – VI ZB 7/20, juris Rn. 10). Es kommt hier nicht darauf an, ob das Urteil ein baugleiches Fahrzeug wie das des Klägers betrifft. Der Kläger macht sich nämlich die Auffassung zu eigen, dass der Einsatz eines Thermofensters unzulässig sei und eine sittenwidrige Schädigung darstelle. Auch die Motorsteuerung seines Fahrzeugs verfügt über ein Thermofenster, wobei dahingestellt bleiben kann, ob die Funktionsweise identisch ist.
Es wird jedenfalls im ersten Teil der Berufungsbegründung hinreichend deutlich, dass der Kläger der Auffassung ist, das Landgericht habe seinen Vortrag missachtet, das Thermofenster sei auf den Neuen Europäischen Fahrzyklus zugeschnitten. Das Landgericht habe eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten hinsichtlich des Inhalts des Antrags auf Typgenehmigung beim Kraftfahrt-Bundesamt annehmen müssen. Das Landgericht habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt und hätte jedenfalls auf der Basis seines Vortrags Beweis erheben müssen.
2. Dem Kläger kann ein Anspruch aus § 826 BGB wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung zustehen.
a) Der Kläger kann einen Schaden erlitten haben, indem er zur Eingehung einer nicht gewollten Verbindlichkeit veranlasst wurde. Das Fahrzeug kann für seine Zwecke nicht voll brauchbar sein, weil die Stilllegung möglich wäre.
aa) Auch bei der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung liegt nach normativer Wertung ein Schaden vor, wenn die eingegangene Verbindlichkeit für den Käufer ungewollt ist, weil die gekaufte Sache für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist. Die Vorschrift des § 826 BGB schützt insoweit nicht allein das Vermögensinteresse des Geschädigten, sondern auch die Willensfreiheit (BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 = juris Rn. 45 ff.).
bb) Das Fahrzeug kann mit einer unerlaubten Abschalteinrichtung ausgerüstet sein, die zum Rückruf durch das Kraftfahrt-Bundesamt führen kann.
(1) Eine Abschalteinrichtung ist nach Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/20071Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.06.2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge, Abl. 2007 L 171, 1). ein Konstruktionsteil, das bestimmte Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird. Nach Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ist die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, unzulässig, wenn nicht bestimmte Ausnahmen vorliegen.
Nach dieser Definition handelt es sich bei dem Thermofenster um eine Abschalteinrichtung (OLG Stuttgart, Urt. v. 30.07.2019 – 10 U 134/19, juris Rn. 67 ff.; LG Stuttgart, Urt. v. 25.07.2019 – 30 O 34/19, juris Rn. 31; Urt. v. 17.01.2019 – 23 O 178/18, juris Rn. 40). Denn es wird die Lufttemperatur ermittelt. Je nach Lufttemperatur wird die Rate der Abgasrückführung verändert. Die Abgasrückführung ist Teil des Emissionskontrollsystems, weil sie Einfluss auf den Ausstoß von Stickoxiden hat. Die Veränderung der Rate geschieht bei Bedingungen, die bei normalem Fahrbetrieb zu erwarten sind, denn in Europa sind Lufttemperaturen in einer großen Bandbreite zu erwarten. Unerheblich ist, ob das System auch außerhalb des Prüfstands arbeitet, wenn ähnliche Verhältnisse wie dort vorliegen. Denn eine Abschalteinrichtung ist auch gegeben, wenn die Verbesserung der Leistung des Emissionskontrollsystems punktuell auch unter normalen Nutzungsbedingungen erfolgt (EuGH, Urt. v. 17.12.2020 – C-693/18, ECLI:EU:C:2020:1040 = juris Rn. 99, 101 f. – CLCV).
(2) Zu klären ist, ob die Abschalteinrichtung unzulässig ist oder eine Ausnahme nach Art. 5 II 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 eingreift. Nach lit. a dieser Vorschrift ist eine Abschalt einrichtung, die notwendig ist, um den Motor vor Beschädigungen oder Unfall zu schützen, zulässig. Ob das Thermofenster im Sinne der Ausnahmeregelung notwendig ist, um den Motor vor Schäden durch Versottung zu schützen, ist fraglich. Denn der Schutz vor Beschädigung und Unfall ist mit dem Schutz vor einer kontinuierlichen Verschmutzung des Motors nicht gleichzusetzen (EuGH, Urt. v. 17.12.2020 – C-693/18, ECLI:EU:C:2020:1040 = juris Rn. 103 ff. – CLCV).
Unzulässig wäre jedenfalls ein Thermofenster, das genau auf die Bedingungen des Neuen Europäischen Fahrzyklus zugeschnitten ist, zum Beispiel auf die dort herrschende Temperatur von 20 bis 30 °C, ohne dass eine solche Funktion mit dem Schutz des Motors erklärt werden könnte. Der entsprechenden Behauptung des Klägers muss durch die Einholung des von ihm angebotenen Sachverständigengutachtens nachgegangen werden. Die Behauptung ist hinreichend substanziiert, um eine Beweisaufnahme zu veranlassen.
Ein Sachvortrag ist hinreichend substanziiert, wenn er in Verbindung mit einem Rechtssatz zu der von der Partei begehrten Rechtsfolge führt. Einzelheiten, die für die Rechtsfolge nicht von Bedeutung sind, müssen nicht mitgeteilt werden, vor allem wenn die Partei keinen Einblick in den Sachverhalt haben kann. Es ist dann Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und gegebenenfalls einem Sachverständigen die Streitfragen zu unterbreiten.
Eine Partei darf auch Aufklärung über Tatsachen verlangen, über die sie kein zuverlässiges Wissen erlangen kann, die sie aber nach Lage der Dinge für möglich hält. Eine Behauptung ist erst unbeachtlich, wenn sie ohne greifbare Anhaltspunkte aufs Geratewohl oder ins Blaue hinein aufgestellt wird. Die Annahme einer solchen willkürlichen Behauptung ist zurückhaltend zu treffen. Kann die Partei mangels eigener Sachkunde keine Kenntnis von der genauen Wirkungsweise haben, kann ein greifbarer Anhaltspunkt bereits dann gegeben sein, wenn andere Modelle mit dem gleichen Motortyp einem Rückruf unterliegen (BGH, Beschl. v. 28.01.2020 – VIII ZR 57/19, juris Rn. 4, 7 ff.).
Der Kläger macht geltend, dass Fahrzeuge mit dem gleichen Motortyp und sogar sein Fahrzeug selbst von Rückrufen betroffen seien, und untermauert damit seine Behauptung, es sei eine unzulässige Abschalteinrichtung eingebaut. Dass die Beklagte ihrerseits behauptet, der Rückruf habe die temperaturabhängige Steuerung der Abgasrückführungsrate nicht betroffen, macht die Behauptung des Klägers nicht unbeachtlich. Von ihm kann nicht erwartet werden, dass er die technischen Einzelheiten der von ihm angenommenen Abschalteinrichtung darlegt. Insbesondere ist es verfehlt, die fehlende Substanz des Vortrags des Klägers daraus abzuleiten, dass er im Termin vom 23.06.2020 die ihm vom Gericht gestellten technischen Fragen nicht beantworten konnte.
Der Vortrag des Klägers hat nicht nach § 138 III ZPO als unstreitig zu gelten, weil die Beklagte einer sekundären Darlegungslast bezüglich der technischen Einzelheiten des Thermofensters nicht nachgekommen wäre.
Der Gegner der darlegungsbelasteten Partei kann sich nicht auf einfaches Bestreiten beschränken, wenn der darlegungsbelasteten Partei der Beweis nicht möglich oder nicht zumutbar ist und sie außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen hat, während die Gegenpartei diese Kenntnis hat und ihr nähere Angaben zumutbar sind (BGH, Urt. v. 01.12.1982 – VIII ZR 279/81, BGHZ 86, 23, 29 = NJW 1983, 687, 688; Urt. v. 17.03.1987 – VI ZR 282/85, BGHZ 100, 190, 196 = NJW 1987, 2008, 2009; Urt. v. 07.12.1998 – II ZR 266/97, BGHZ 140, 156, 158 f. = NJW 1999, 579, 580; Urt. v. 14.06.2005 – VI ZR 179/04, BGHZ 163, 209, 214). Von der Gegenpartei wird dann im Rahmen des Zumutbaren ein substanziiertes Bestreiten der behaupteten Tatsachen unter Darlegung der für das Gegenteil sprechenden Tatsachen und Umstände verlangt (BGH, Urt. v. 17.01.2008 – III ZR 239/06, NJW 2008, 982 Rn. 16).
Selbst wenn man danach eine erhöhte Darlegungslast hinsichtlich der Funktion des in dem Fahrzeug des Klägers implementierten Thermofensters annehmen will, weil der Kläger keinen Einblick in sie haben kann, ist die Beklagte der erhöhten Darlegungslast jedenfalls nachgekommen. Sie hat in der Berufungserwiderung die Wirkungsweise der Abgasrückführung beschrieben und dargelegt, von welchen Faktoren die Steuerung der Abgasrückführungsrate abhängig ist und welche Raten unter welchen Verhältnissen angenommen werden können.
(3) Sollte sich herausstellen, dass eine unzulässige Abschalteinrichtung vorliegt, so könnte das Kraftfahrt-Bundesamt nach § 25 III EG-FGV die Typgenehmigung widerrufen. Die zuständige Verwaltungsbehörde könnte nach § 5 I FZV dem Halter oder Eigentümer eine Frist zur Beseitigung setzen und danach die Betriebserlaubnis entziehen.
Ob das ernsthaft droht oder stattdessen eine Nebenbestimmung erlassen wird, ist zwar ungewiss. Ein Schaden in Form einer ungewollten Verbindlichkeit liegt jedoch – wie in den Fällen des Motors EA189, in denen die Typgenehmigungen nicht widerrufen worden sind – bereits dann vor, wenn der Bestand der Typgenehmigung infrage steht.
b) Das Verhalten der Beklagten kann als sittenwidrig zu beurteilen sein.
aa) Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Es genügt regelmäßig nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (BGH, Urt. v. 28.06.2016 – VI ZR 536/15, NJW 2017, 250 Rn. 16). Die verletzte Verhaltenspflicht muss drittschützend und der Geschädigte in den Schutzbereich einbezogen sein (MünchKomm-BGB/Wagner, 8. Aufl., § 826 Rn. 23). Es reicht nicht, wenn der Schädiger gegen öffentlich-rechtliche Normen verstößt, die der Umwelt, nicht aber den wirtschaftlichen Interessen des Geschädigten dienen (OLG Koblenz, Beschl. v. 21.10.2013 – 5 U 507/13, juris Rn. 44).
bb) Unter diesen Gesichtspunkten kann ein Autohersteller, der aufgrund einer strategischen Unternehmensentscheidung und unter Täuschung des Kraftfahrt-Bundesamtes bewusst ein Fahrzeug mit einem Motor in Verkehr bringt, der mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen ist, als sittenwidrig angesehen werden (BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 = juris Rn. 16 ff.; Beschl. v. 19.01.2021 – VI ZR 433/19, juris Rn. 17). Er würde seinen Kunden bewusst einen Schaden zufügen, um seine Gewinne zu optimieren. Denn der Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung zeigt, dass der Hersteller mit anderen Mitteln Umweltvorschriften nicht einhalten kann oder die Kosten dafür nicht aufwenden will und dennoch Marktanteile behalten oder gewinnen will. Dabei ist Gewinnstreben an sich noch nicht anstößig. Anstößig ist aber die Täuschung zahlreicher Kunden über die ungestörte Nutzbarkeit des Produkts, um Marktanteile zu erhalten (OLG Koblenz, Urt. v. 12.06.2019 – 5 U 1318/18, NJW 2019, 2237 Rn. 37; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.07.2019 –17 U 160/18, juris Rn. 88 ff.).
Für die Annahme eines sittenwidrigen Verhaltens reicht es noch nicht aus, wenn das Thermofenster als unzulässige Abschalteinrichtung anzusehen sein sollte. Solange die Motorsteuerung auf dem Prüfstand im Grundsatz ebenso arbeitet wie im Straßenverkehr, kann noch keine bewusste Entwicklung einer unzulässigen Abschalteinrichtung angenommen werden (BGH, Beschl. v. 19.01.2021 – VI ZR 433/19, juris Rn. 18; OLG Schleswig, Urt. v. 18.09.2019 – 12 U 123/18, juris Rn. 46 ff.; OLG Dresden, Urt. v. 09.07.2019 – 9 U 567/19, juris Rn. 24 ff.; OLG Stuttgart, Urt. v. 20.07.2019 – 10 U 134/19, juris Rn. 81 ff.; OLG Koblenz, Urt. v. 21.10.2019 – 12 U 246/19, juris Rn. 42 ff.; OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 07.11.2019 – 6 U 119/18, juris Rn. 34 f.; OLG Köln, Urt. v. 28.11.2019 – 15 U 93/19, juris Rn. 26 ff.; OLG München, Beschl. v. 20.01.2020 – 21 U 5072/19, juris Rn. 30 ff.). Das gilt für eine Motorsteuerung, die in dem Bestreben programmiert worden ist, für bestimmte Betriebszustände schädliche Ablagerungen im Motor, mit denen tatsächlich zu rechnen ist, zu vermeiden. Es kommt dabei nicht darauf an, ob eine solche Motorsteuerung nach heutiger Auffassung zulässig wäre. Es kommt vielmehr auf die Zeit der Entwicklung der Motorsteuerung an, die jedenfalls vor der Erstzulassung des Fahrzeugs des Klägers im Jahr 2014 gelegen haben muss, also vor dem Bekanntwerden des Abgasskandals. Seinerzeit ging man davon aus, dass ein Thermofenster zum Motorschutz zulässig sei. Es wurde bei der Typzulassung vom Kraftfahrt-Bundesamt nicht beanstandet. Noch nach Bekanntwerden des Abgasskandals gingen das Kraftfahrt-Bundesamt und das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur von der Zulässigkeit aus.
Zu berücksichtigten ist aber, dass das Thermofenster – abhängig von dem Temperaturbereich, in dem die Rate der Abgasrückführung gesenkt wird – durchaus zu einem System der Prüfstandserkennung und des Betriebs des Fahrzeugs in zwei verschiedenen Modi führen kann. Das ist der Fall, wenn das Temperaturfenster so eingestellt ist, dass die Abgasrückführung bei den Temperaturen, die im Prüfstand herrschen, voll wirksam ist und so die Grenzwerte sicher erreicht2Gemeint ist offenbar: eingehalten. werden, im Straßenverkehr aber die Abgasrückführungsrate reduziert wird, weil dort die auf dem Prüfstand herrschenden Temperaturen häufig unterschritten werden. Das Ziel einer solchen Strategie kann es sein, Ablagerungen im Motor sicher zu vermeiden, die bei einer Abgasrückführungsrate, wie sie für die Einhaltung des Grenzwerts für Stickoxidemissionen notwendig wären, zu erwarten wären, ohne die von der Beklagten beschriebene schwierige Balance zwischen dem Motorschutz und der Optimierung der Emissionen einhalten zu müssen.
Sollte sich herausstellen, dass das Thermofenster in dem Fahrzeug des Klägers auf eine solche Weise programmiert worden ist, kann das darauf hindeuten, dass die Verantwortlichen bei der Beklagten damit gerechnet haben, dass es als unzulässig eingestuft werden und die Zulassung des Fahrzeugs dadurch in Gefahr sein könnte. Indizien für ein solches Bewusstsein können sich daraus ergeben, dass die Abschalteinrichtung unter den Bedingungen des Prüfstands anders arbeitet als im normalen Straßenverkehr und in welchem Umfang die Funktionsweise dem Kraftfahrt-Bundesamt im Typgenehmigungsverfahren offengelegt worden ist (BGH, Beschl. v. 19.01.2021 – VI ZR 433/19, juris Rn. 19 ff., 22).
Eine Täuschung des Kraftfahrt-Bundesamtes ist nicht von vornherein ausgeschlossen. Bei der Beantragung der Typgenehmigung sind Einzelheiten der Steuerung der Abgasrückführungsrate nicht mitgeteilt worden. Es ist nur mitgeteilt worden, dass sie unter anderem von der Lufttemperatur abhängig sei (Anlage BB 2). Dass das Kraftfahrt-Bundesamt nicht nach den genauen Temperaturen, die zur Absenkung der Abgasrückführungsrate führen, gefragt hat, heißt nicht, dass diese ihm gleichgültig waren. Es kann nur der Schluss gezogen werden, dass es von einer industrieüblichen Motorsteuerung zur Vermeidung von Ablagerungen ausging, nicht, dass es ein Abstellen auf die Bedingungen des Prüfstands gebilligt hätte.
Sollte sich herausstellen, dass die Motorsteuerung auf die Bedingungen des Prüfstands zugeschnitten ist, müsste die Beklagte im Rahmen der sekundären Darlegungslast dazu vortragen, welches Bewusstsein die Personen hatten, die an der Entwicklung der Motorsteuerung und an der Beantragung der Typgenehmigung beteiligt waren. Diese müssen sich notwendigerweise mit der Frage beschäftigt haben, ob die Ausgestaltung der Motorsteuerung zulässig ist. In diese Vorgänge hat der Kläger keinen Einblick. Die Beklagte kennt jedoch die Einzelheiten, und es ist ihr zumutbar, dazu weiter vorzutragen. Trägt die Beklagte weiter vor, so muss der Kläger Beweis dafür anbieten, dass die genaue Wirkungsweise des Thermofensters bewusst verheimlicht wurde beziehungsweise die Beteiligten das Bewusstsein hatten, dass sie unzulässig sei.
c) Dass der Handelnde sich der Sittenwidrigkeit bewusst ist, ist nicht notwendig. Er muss jedoch die Umstände kennen, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergibt. Ist Schädigerin eine Gesellschaft, so muss dieses Wissen bei den Organen i. S. des § 31 BGB vorhanden sein. Eine Wissenszurechnung- und Zusammenrechnung wie im rechtsgeschäftlichen Verkehr findet nicht statt, weil es anders als für die Arglist um ein moralisches Unwerturteil geht (BGH, Urt. v. 28.06.2016 – VI ZR 536/15, NJW 2017, 250 Rn. 23).
aa) Organ einer Gesellschaft ist nach § 31 BGB nicht nur der Vorstand, sondern auch der verfassungsmäßig berufene Vertreter. Dieser Begriff ist weit zu verstehen. Es genügt, dass einer Person durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame wesensmäßige Funktionen der Gesellschaft zur selbstständigen eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind und sei die Gesellschaft insoweit repräsentiert, ohne dass die Tätigkeit in der Satzung vorgesehen oder die Person rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht haben muss (BGH, Urt. v. 30.10.1967 – VII ZR 82/65, BGHZ 49, 19 = juris Rn. 10 f.). Der infrage kommende Personenkreis deckt sich in etwa mit dem der leitenden Angestellten im Sinne des Arbeitsrechts (Palandt/Ellenberger, BGB, 79. Aufl., § 31 Rn. 6).
bb) Der Kläger behauptet, der Vorstand habe Kenntnis von den unerlaubten Abschalteinrichtungen gehabt. Das ergebe sich daraus, dass die Entwicklung des Motors und der Motorsteuerung bei der Entwicklung eines Fahrzeugs wesentlich sei und es Berichtspflichten gebe. Für seine Behauptung könnte der Kläger theoretisch Beweis antreten, weil die Vorstandmitglieder zur Zeit der Entwicklung des Motors ermittelbar wären. Allerdings wäre nicht zu ermitteln, wer noch an der Entwicklung des Motors beteiligt war und so als Zeuge in Betracht käme. Man kann sich nicht vorstellen, dass eine Entscheidung, eine unzulässige Abschalteinrichtung einzubauen, angesichts ihrer Tragweite von nur einem Mitarbeiter oder wenigen Mitarbeitern getroffen wird. Bei der Entwicklung eines Motors wird es entscheidend darauf ankommen, auf welche Weise er die gesetzlichen Vorgaben einhält. Gerade die Einhaltung der Vorschriften für den Schadstoffausstoß steht sei einigen Jahren im Fokus. Die technische Lösung bei der Entwicklung muss also hinterfragt worden sein. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass dabei auch Mitarbeiter Kenntnis erlangt haben, die als Repräsentanten der Beklagten i. S. des § 31 BGB anzusehen wären, etwa Abteilungsleiter.
Dem Kläger kann weiterer Vortrag dazu nicht abverlangt werden. Denn er hat keinen Einblick in die Verhältnisse bei der Beklagten. Er kann so letztlich nur das vortragen, was plausibel ist. Die Beklagte muss nach den Regeln der sekundären Darlegungslast darlegen, wer an der Entwicklung des Motors und speziell der Motorsteuerung beteiligt war und wie die Entscheidungswege in ihrem Unternehmen waren. Ihr sind nähere Angaben dazu zumutbar. Sie ist nicht gezwungen, Betriebsgeheimnisse zu offenbaren. Sie muss nur die Beteiligten an der Motorentwicklung benennen, damit der Kläger sie als Zeugen benennen kann. Da die Entwicklung bei der Beklagten dokumentiert sein muss, kann sie zu der von ihr verlangten Darlegung auf diese Dokumentation zurückgreifen.
d) Die Beklagte kann vorsätzlich gehandelt haben. Für den Vorsatz reicht es aus, wenn der Schädiger Art und Richtung des Schadens und die Schadensfolgen zumindest vorausgesehen und billigend in Kauf genommen hat, wobei bei einer Gesellschaft wiederum ihre Organe diesen Vorsatz gehabt haben müssen (BGH, Urt. v. 28.06.2016 – VI ZR 536/15, NJW 2017, 250 Rn. 24 f.). Es kommt wiederum darauf an, ob Vorstandsmitglieder oder verfassungsmäßig berufene Vertreter der Beklagten Kenntnis von dem Inverkehrbringen der Motoren mit der gegebenenfalls unzulässigen Abschalteinrichtung gehabt haben. Sollte das der Fall gewesen sein, läge Vorsatz vor. Denn dann wäre absehbar gewesen, dass das Vermögen der Käufer bedroht war, weil eine Stilllegung der Fahrzeuge drohte.
3. Eine mögliche Haftung der Beklagten aus § 831 I BGB würde den Nachweis ersparen, dass Organe der Beklagten Kenntnis von der die Sittenwidrigkeit des Verhaltens der Beklagten begründenden Umstände hatten.
Verrichtungsgehilfe i. S. von § 831 BGB ist, wem von einem anderen, in dessen Einflussbereich er sich befindet und zu dem er in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis steht, eine Tätigkeit übertragen worden ist, wobei er von den Weisungen des Geschäftsherrn abhängig ist, sodass dieser die Tätigkeit jederzeit beschränken oder entziehen und nach Zeit und Umfang bestimmen kann (BGH, Urt. v. 06.11.2012 – VI ZR 174/11, NJW 2013, 1002 Rn. 15).
Das trifft auf alle Mitarbeiter zu, die an der Entwicklung des streitgegenständlichen Motors beteiligt waren. Die Mitarbeiter müssten bei der Entwicklung des Motors eine deliktische Handlung begangen haben, wobei allein eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung nach § 826 BGB in Betracht kommt. Es stellen sich dieselben Fragen wie unter 2 erörtert.
Die Benennung bestimmter Mitarbeiter, die dem Kläger auch nicht möglich wäre, ist entbehrlich. Denn die Überlegungen, die gegebenenfalls zu einer Sittenwidrigkeit des Verhaltens führen, drängen sich auf. Sie müssen jedem, der mit der Entwicklung, des Motors befasst war, bewusst gewesen sein. Es wäre Sache der Beklagten, sich zu entlasten, indem sie darlegt und beweist, dass sie die Mitarbeiter sorgfältig ausgewählt und überwacht hat. Dabei muss sie die Mitarbeiter benennen. Der allgemeine Hinweis auf die Auswahl und Überwachung der Mitarbeiter in der Berufungserwiderung reicht nicht aus.
4. Sollten die Haftungsvoraussetzungen bestehen, stünde dem Kläger Schadensersatz zu. Er könnte den Ersatz des negativen Interesses verlangen. Der Kläger wäre nach § 249 BGB so zu stellen, wie er stünde, wenn er den Kaufvertrag nicht abgeschlossen hätte. Er könnte jedenfalls den Ersatz des Kaufpreises abzüglich des Werts der Nutzung verlangen. Im Wege der Vorteilsausgleichung müsste er das Fahrzeug an die Beklagte übereignen.
5. Auf den Antrag des Klägers wird nach § 538 II 1 Nr. 1 ZPO das landgerichtliche Urteil aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen.
Das Verfahren vor dem Landgericht leidet an einem wesentlichen Mangel. Ein wesentlicher Mangel liegt vor, wenn das Gericht den Anspruch einer Partei auf rechtliches Gehör verletzt (Zöller/Heßler, ZPO, 33. Auf., § 538 Rn. 20). Der Anspruch auf rechtliches Gehör wird unter anderem dann verletzt, wenn die Anforderungen an die Substanziierung eines Vortrags überspannt werden.
Der Kläger hat bereits erstinstanzlich behauptet, das Thermofenster sei auf die Bedingungen des Prüfstands zugeschnitten, was dem Kraftfahrt-Bundesamt nicht bekannt gewesen sei. Darauf ist das Landgericht nicht eingegangen. Es hat so den Vortrag des Klägers zu einer Abschalteinrichtung und zu einer Sittenwidrigkeit des Vorgehens der Beklagten zu Unrecht als unsubstanziiert angesehen. Denn weiterer Vortrag war dem Kläger nicht möglich. Als Außenstehender konnte er zu der Wirkungsweise des von der Beklagten implementierten Thermofensters nichts weiter vortragen.
Aufgrund des Vortrags des Klägers und des Bestreitens der Beklagten ist eine umfangreiche und schwierige Beweisaufnahme notwendig. Es wird die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu den technischen Fragen notwendig werden. Gegebenenfalls werden auch Zeugen zu vernehmen sein, die an der Entwicklung der Motorsteuerung beteiligt waren. Die Beurteilung der technischen Frage wird schwierig sein. Die Vernehmung der Zeugen wird voraussichtlich umfangreich sein, da es sich um zahlreiche Personen handeln dürfte.
Bei der Entscheidung, ob das Urteil aufgehoben oder zurückverwiesen wird, ist das Interesse der Parteien an einer schnellen Entscheidung gegen das Interesse, keine Instanz zu verlieren, abzuwägen (Zöller/Heßler, a. a. O., § 538 Rn. 6). Hier überwiegt das Interesse, keine Instanz zu verlieren, da noch die gesamte Beweisaufnahme aussteht. Den Parteien würde durch die fehlende Berufungsinstanz die Möglichkeit genommen, Unzulänglichkeiten der Beweisaufnahme oder der Beweiswürdigung zu rügen.
6. Der Beklagten war kein Schriftsatznachlass zur Stellungnahme zu den rechtlichen Hinweisen im Termin zu gewähren. Ein Schriftsatznachlass ist nach § 283 ZPO nur zur Erklärung zu Tatsachenbehauptungen des Gegners vorgesehen. Rechtsausführungen kann eine Partei jederzeit bis zum Erlass des Urteils machen. Die vom Senat vertretene Rechtsauffassung war für die Beklagte zudem nicht überraschend. Der Senat hat sie bereits in der Sache 1 U 101/19 im Termin vom 26.06.2020 vertreten, in dem die Beklagte durch denselben Prozessbevollmächtigten vertreten war wie in dieser Sache, sowie im Urteil vom 28.08.2020 (1 U 137/19, juris).
7. Nach § 21 I 1 GKG werden Gerichtskosten für die Berufung nicht erhoben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO.
Die Zulassung der Revision ist nicht angezeigt, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 II 1 ZPO). Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind geklärt.