1. Ein Fahrzeug ist mangelhaft i. S. von § 434 I 1 BGB, wenn es als Neufahrzeug verkauft wird, tatsächlich aber zwischen der Herstellung des Fahrzeugs und dem Abschluss des Kaufvertrags mehr als zwölf Monate liegen (vgl. BGH, Urt. v. 15.10.2003 – VIII ZR 227/02, NJW 2004, 160).
  2. Bei der Auslegung der Vertragserklärungen ist eine – hier in das Portal „mobile.de“ eingestellte – Internetanzeige eines Kfz-Händlers heranzuziehen. Wird das Fahrzeug dort als „Neufahrzeug“ bezeichnet, obwohl es in Wahrheit eine Standzeit von über zwei Jahren aufweist, reicht es weder aus, dass der Verkäufer im Bestellformular auf die Eigenschaft als EU-Fahrzeug hinweist, noch dass er in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen allgemeine Angaben zu seinem Geschäftsmodell (EU-Fahrzeuge, Lagerfahrzeuge etc.) macht. Denn diese Angaben ändern nichts daran, dass er die Lieferung eines Neufahrzeugs schuldet.

LG Köln, Urteil von 20.01.2011 – 8 O 338/10

Sachverhalt: Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückabwicklung eines Pkw-Kaufvertrags in Anspruch.

Die Beklagte ist gewerbliche Autoverkäuferin. Der Kläger, ein Verbraucher, entdeckte im Internetportal „mobile.de“ ein Inserat der Beklagten, in dem diese einen Jeep zum Preis von 35.878 € anbot. In dem Angebot heißt es: „Geländewagen/Pickup, Neufahrzeug“.

Die Beklagte überließ dem Kläger unter dem 17.06.2010 ein Bestellformular zu dem in dem Inserat beschriebenen Pkw. Unter der Überschrift „Bestellung“ heißt es unter anderem: „Vielen Dank für Ihre Bestellung. Wir bieten Ihnen folgendes Fahrzeug an: Jeep  Commander 3,0 CRD … km: 0 … Erstzulassung: EU-Fahr.“

Dem Bestellformular lagen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten bei. Darin heißt es unter Nr. 2.2:

„Unsere Fahrzeugangebote bestehen aus Lagerfahrzeugen, Bestellfahrzeugen & Außenlagerbeständen unserer Lieferanten …“

und unter Nr. 4.10:

„Käufer werden darauf hingewiesen, dass wir kein klassischer Neuwagen-Vertragshändler sind und überwiegend EU-Fahrzeuge aus dem Ausland importieren, welche unter Umständen mehr als 1 Jahr nach der Produktion gestanden haben können oder eine Kurzzeit- oder Tageszulassung haben. Zwar sind es EU-Fahrzeuge mit 0 Km, aber jedoch Gebrauchtwagen nach Deutschem Recht.“

Der Kläger übermittelte das von ihm unterschriebene Bestellformular am 18.06.2010 per Fax an die Beklagte und zahlte den Kaufpreis am gleichen Tag an sie. Am 26.06.2010 holte er das am 25.06.2010 zugelassene Fahrzeug bei der Beklagten ab.

Die Ehefrau des Klägers rügte gegenüber der Beklagten unter dem 28.06.2010 Mängel des verkauften Fahrzeugs. Mit einem auf den 01.07.2010 datierten Schreiben vom 03.07.2010 rügte der Beklagte gegenüber der Klägerin diverse Mängel des Fahrzeuges, unter anderem, dass es – was unstreitig ist – laut Papieren bereits im Februar 2007 gebaut wurde und damit kein Neufahrzeug mehr sei. Am Ende des Schreibens heißt es: „Sollte ich bis 07.07.2010 nicht von Ihnen hören, möchte ich Sie darauf hinweisen, dass ich die Sache meinem Anwalt übergebe“.

Mit Anwaltsschreiben vom 14.07.2010 erklärte der Kläger den Rücktritt von dem Pkw-Kaufvertrag und forderte die Beklagte zur Rückzahlung des Kaufpreises bis zum 20.07.2010 Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs auf. Die Beklagte vertrat die Ansicht, dass der Rücktritt unwirksam sei.

Der Kläger behauptet, dass das Fahrzeug eine Vielzahl von Mängeln aufweise, und meint, dass es – entgegen der Anzeige der Beklagten – kein Neufahrzeug sei. Diesbezüglich behauptet der Kläger, er habe sich aufgrund des Internetinserats der Beklagten am 17.06.2010 entschlossen, das streitgegenständliche Fahrzeug als Neufahrzeug zu kaufen. Nachdem er sich telefonisch bei der Beklagten gemeldet habe, sei ihm per Fax ein Bestellformular übersandt worden, welches er – was unstreitig ist – unterschrieben per Fax an die Beklagte zurückgesandt habe. Erst nach Vertragsschluss habe er das Produktionsdatum des Fahrzeugs (Februar 2007) erfahren.

Die Beklagte ist demgegnüber der Ansicht, der Kläger sei nicht zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt. Sie behauptet, dass die Internetanzeige bei den Verhandlungen der Parteien nie eine Rolle gespielt habe. Der Kläger habe die Verkaufsräume der Beklagten aufgesucht und sich nach dem dort stehenden streitgegenständlichen Fahrzeug erkundigt, welches ihm sichtbar zugesagt habe. Der Mitarbeiter der Beklagten M habe dem Kläger das Bestellformular vom 17.06.2010 nebst Allgemeinen Geschäftsbedingungen übergeben und ihn darauf hingewiesen, dass er das Formular unterschrieben zurücksenden müsse, wenn er den Pkw kaufen wolle. M habe dem Kläger auch gesagt, dass das Fahrzeug vom Hersteller im Jahre 2008 zur Garantie angemeldet worden sei.

Die Klage hatte größtenteils Erfolg.

Aus den Gründen: Der Kläger hat einen Anspruch auf Rückabwicklung des Pkw-Kaufvertrags, das heißt Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs, aus § 437 Nr. 2 BGB i. V. mit §§ 323 II Nr. 3, 346 BGB. Das gelieferte Fahrzeug ist mangelhaft, da es sich nicht um ein Neufahrzeug handelt. Der Kläger war aufgrund des Mangels zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt. Auf das Vorliegen der weiteren behaupteten Mängel kommt es nicht an.

Zwischen den Parteien des Rechtsstreits ist ein Kaufvertrag über den streitgegenständlichen Pkw zustande gekommen.

Entgegen der Vereinbarung im Kaufvertrag handelt es sich bei dem verkauften Fahrzeug nicht um ein Neufahrzeug. Damit ist das gelieferte Fahrzeug mangelhaft. Gemäß § 434 I 1 BGB ist eine Sache frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Hier haben die Parteien den Verkauf eines Neufahrzeuges vereinbart.

Auszugehen ist dabei von dem Internetinserat der Beklagten. Darin wird das Fahrzeug als „Neufahrzeug“ bezeichnet. Der Kläger, ein Verbraucher (§ 13 BGB), musste die Anzeige der Beklagten so verstehen, als ob es sich bei dem Fahrzeug um ein Neufahrzeug im Sinne der deutschen Rechtsprechung handelt. Danach ist ein unbenutztes Kraftfahrzeug nur dann fabrikneu, wenn und solange das Modell dieses Fahrzeugs unverändert weitergebaut wird, wenn es keine durch längere Standzeit bedingte Mängel aufweist, und wenn zwischen Herstellung des Fahrzeugs und Abschluss des Kaufvertrags nicht mehr als zwölf Monate liegen (BGH, Urt. v. 15.10.2003 – VIII ZR 227/02, NJW 2004, 160). Unstreitig war das verkaufte Fahrzeug im Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses (Juni 2010) jedoch bereits mehr als drei Jahre alt (Baujahr 02/2007).

Der Beklagten ist darin recht zu geben, dass es sich bei dem Internetinserat nicht um ein verbindliches Angebot (§ 145 BGB), sondern lediglich um eine sogenannte invitatio ad offerendum handelt. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ist das Inserat jedoch bei der nach §§ 133, 157 BGB gebotenen Auslegung der den Vertragsschluss begründenden Willenserklärungen zu berücksichtigen.

Es kann dahinstehen, ob die Beklagte bereits durch die Überlassung des nicht unterschriebenen Bestellformulars vom 17.06.2010 ein verbindliches Angebot zum Abschluss des Kaufvertrags unterbreitet hat. Jedenfalls hat die Beklagte das in der Übersendung des unterschriebenen Bestellformulars durch den Kläger liegende Angebot gemäß § 151 BGB angenommen, wie sich an der Zulassung des Fahrzeugs auf den Kläger und der Herausgabe des Fahrzeugs zeigt.

Bei der Auslegung der Willenserklärungen der Kaufvertragsparteien gemäß §§ 133, 157 BGB ist zu berücksichtigen, dass der Kläger das Bestellformular der Beklagten so verstehen musste, dass dieses auf die Angaben in der Internetanzeige Bezug nimmt. Denn in dem Bestellformular finden sich keine Anhaltspunkte, dass die Angaben in dem Internetinserat fehlerhaft oder zumindest missverständlich gewesen seien. Die Angaben „km 0“ und „Erstzulassung: EU-Fahr.“ musste der Kläger als Verbraucher so verstehen, als ob es sich bei dem Fahrzeug, wie in dem Inserat angegeben, um ein Neufahrzeug handelte. Die Beklagte ihrerseits musste erkennen, dass ein Verbraucher ihre Erklärung als Verkauf eines Neufahrzeugs verstehen wird. Damit haben die Parteien übereinstimmend einen Kaufvertrag über ein Neufahrzeug abgeschlossen.

Etwas anderes kann sich nicht aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ergeben, die unstreitig dem Bestellformular anlagen. Die Beklagte, die sich auf die Klauseln in 2.2 und 4.10 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen stützt, verkennt, dass die entsprechenden Klauseln nicht dazu geeignet waren, die irreführenden Angaben in dem Internetinserat richtigzustellen. Denn in den fraglichen Klauseln wird lediglich allgemein auf das Geschäftsmodell der Beklagten hingewiesen. Angaben zu dem konkret verkauften Fahrzeug finden sich dort nicht. So konnte der Beklagte anhand der Angaben in Nr. 2.2. der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht erkennen, dass das Fahrzeug bereits im Jahr 2007 gebaut wurde. Denn dort heißt es lediglich, dass die Fahrzeuge aus Lagerfahrzeugen, Bestellfahrzeugen und Außenlagerbeständen stammen. Über das Alter bzw. die Lagerzeit der Fahrzeuge wird dort nichts gesagt. Auch die Klausel in Nr. 4.10 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen vermag den durch das Inserat begründeten Irrtum des Klägers nicht zu korrigieren. Dort heißt es zwar, dass die Beklagte überwiegend EU-Fahrzeuge aus dem Ausland importiert, welche unter Umständen mehr als ein Jahr nach der Produktion gestanden haben können. Es wird jedoch nicht ausgeführt, dass es sich bei dem hier als „Neufahrzeug“ angepriesenen Fahrzeug um ein Fahrzeug im Sinne der Klausel handelt. Folgerichtig musste der Kläger auch die weitere Formulierung in Nr. 4.10 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen „Zwar sind es EU-Fahrzeuge mit 0 km, aber jedoch Gebrauchtwagen nach Deutschem Recht“ nicht auf das von ihm gekaufte Fahrzeug beziehen. Vielmehr hätte die Beklagte bereits in der von ihr aufgegebenen Internetanzeige deutlich machen müssen, dass das Fahrzeug bereits 2007 gebaut wurde und deshalb nach deutschem Recht nicht als Neufahrzeug bezeichnet werden darf …

Einer Fristsetzung zur Nachbesserung bedurfte es hier gemäß § 323 II Nr. 3 BGB nicht, da die Beklagte das verkaufte Gebrauchtfahrzeug nicht im Wege der Nachbesserung in ein Neufahrzeug verändern konnte. Im Übrigen hat die Beklagte den Mangel in Form eines Verkaufs eines Gebrauchtwagens als Neufahrzeug ernsthaft und endgültig bestritten (§ 323 II Nr. 1 BGB).

Der Rücktritt war auch nicht ausnahmsweise gemäß § 323 V 2 BGB ausgeschlossen, da die Pflichtverletzung der Beklagten nicht lediglich unerheblich war.

Die Beklagte hat dem Kläger aufgrund des erklärten Rücktritts gemäß § 346 BGB den Kaufpreis zurückzuerstatten, Zug um Zug gegen Rückübereignung des Pkw sowie abzüglich einer Entschädigung für die Nutzung des Pkw. Die Kammer schätzt die von dem Kaufpreis in Abzug zu bringende Nutzungsentschädigung im Hinblick auf die geringe Fahrleistung des Klägers von insgesamt 170 km gemäß § 287 ZPO auf 0,1 % des gezahlten Kaufpreises, mithin auf 35,88 € (35.879,00 € × 0,1 %). Damit bewegt sich die Kammer im üblichen Schätzbereich, den die Rechtsprechung zwischen 0,4 % und 1 % des Anschaffungspreises pro gefahrene 1.000 km taxiert (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, § 346 Rn. 10 m. w. Nachw.) …

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