1. Der Vor­trag ei­ner Par­tei, dass ein Ge­stal­tungs­recht (hier: Wi­der­ruf ge­mäß §§ 312b, 312g, 355 f. BGB) erst nach Schluss der erst­in­stanz­li­chen münd­li­chen Ver­hand­lung aus­ge­übt wor­den sei, ist in der Be­ru­fungs­in­stanz grund­sätz­lich un­ab­hän­gig von den Vor­aus­set­zun­gen des § 531 II ZPO zu be­rück­sich­ti­gen. Hier­auf ist oh­ne Ein­fluss, ob die Er­klä­rung des Ge­stal­tungs­rechts als sol­che von der Ge­gen­sei­te be­strit­ten wird oder (was der Re­gel ent­spre­chen dürf­te) zwi­schen den Par­tei­en un­strei­tig ist.
  2. Wenn ei­ne Par­tei zu­läs­si­ger­wei­se erst nach Schluss der erst­in­stanz­li­chen münd­li­chen Ver­hand­lung von ei­nem Ge­stal­tungs­recht Ge­brauch macht, be­grün­det es kei­ne Nach­läs­sig­keit i. S. von § 531 II 1 Nr. 3 ZPO, dass sie zu den (wei­te­ren) tat­be­stand­li­chen Vor­aus­set­zun­gen des be­tref­fen­den Ge­stal­tungs­rechts erst­mals in der Be­ru­fungs­in­stanz vor­trägt.
  3. Ein Wohn­mo­bil ist wie je­des an­de­re Kraft­fahr­zeug un­ter an­de­rem dann nicht mehr fa­brik­neu, wenn zwi­schen der Her­stel­lung des Fahr­zeugs und dem Ab­schluss des Kauf­ver­trags mehr als zwölf Mo­na­te lie­gen.

BGH, Ur­teil vom 17.10.2018 – VI­II ZR 212/17

Sach­ver­halt: Der Be­klag­te kauf­te von der kla­gen­den Händ­le­rin am 16.01.2015 ein zu­vor als „in­te­grier­tes Neu­fahr­zeug“ im In­ter­net zum Kauf an­ge­bo­te­nes Wohn­mo­bil (Con­cor­de Car­ver 841 L) zum Preis von ins­ge­samt 177.900 €. Den Kauf­preis, auf den der Be­klag­te 1.000 € an­zahl­te, hat­te der Be­klag­te in Hö­he von 71.500 € in bar und in Hö­he des Rest­be­trags durch die In­zah­lung­ga­be sei­nes Wohn­mo­bils Hy­mer Star­li­ne zu ent­rich­ten.

Am Fol­ge­tag, al­so noch vor Über­ga­be der ge­nann­ten Fahr­zeu­ge, er­litt das Wohn­mo­bil Hy­mer Star­li­ne des Be­klag­ten ei­nen Un­fall (Heck­scha­den). Die Klä­ge­rin ver­wei­ger­te dar­auf­hin die In­zah­lung­nah­me die­ses Fahr­zeugs.

Das Land­ge­richt hat den Be­klag­ten an­trags­ge­mäß zur Zah­lung des Rest­kauf­prei­ses in Hö­he von 176.900 € nebst Zin­sen, Zug um Zug ge­gen Über­ga­be und Über­eig­nung des Wohn­mo­bils Con­cor­de Car­ver 841 L, ver­ur­teilt und sei­nen An­nah­me­ver­zug fest­ge­stellt.

Nach Er­lass des erst­in­stanz­li­chen Ur­teils er­klär­te der Be­klag­te erst­mals mit an die Klä­ge­rin ge­rich­te­tem Schrei­ben vom 29.09.2015 den Wi­der­ruf des streit­ge­gen­ständ­li­chen Kauf­ver­trags, da er die­sen als Ver­brau­cher au­ßer­halb der Ge­schäfts­räu­me der Klä­ge­rin ge­schlos­sen ha­be, und hilfs­wei­se den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag, weil – wie er erst jetzt er­fah­ren ha­be – das Wohn­mo­bil Con­cor­de Car­ver 841 L be­reits am 07.10.2013 an ei­nen Ver­trags­händ­ler aus­ge­lie­fert wor­den und da­mit ent­ge­gen den ge­trof­fe­nen Ver­ein­ba­run­gen kein Neu­fahr­zeug mehr ge­we­sen sei.

Auf die Be­ru­fung des Be­klag­ten, der au­ßer­dem wi­der­kla­gend die Rück­zah­lung der An­zah­lung (1.000 €) be­gehrt hat, hat das Ober­lan­des­ge­richt die Kla­ge ab­ge­wie­sen und der Wi­der­kla­ge statt­ge­ge­ben. Die Re­vi­si­on der Klä­ge­rin, die da­mit die Wie­der­her­stel­lung der erst­in­stanz­li­chen Ent­schei­dung und die Ab­wei­sung der Wi­der­kla­ge er­rei­chen woll­te, hat­te in dem Sin­ne Er­folg, dass das Ur­teil des Ober­lan­des­ge­richts auf­ge­ho­ben und die Sa­che an das Be­ru­fungs­ge­richt zu­rück­ver­wie­sen wur­de.

Aus den Grün­den: [4]    I. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat zur Be­grün­dung sei­ner Ent­schei­dung, so­weit für das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren von In­ter­es­se, im We­sent­li­chen aus­ge­führt:

[5]    Der Klä­ge­rin ste­he ein An­spruch auf Zah­lung des (Rest-)Kauf­prei­ses für das Wohn­mo­bil Con­cor­de aus § 433 II BGB, Zug um Zug ge­gen Über­ga­be und Über­eig­nung des Fahr­zeugs, nicht (mehr) zu, da der Be­klag­te sich wirk­sam von dem über das Wohn­mo­bil ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trag ge­löst ha­be. Auf­grund des­sen kom­me es – an­ders als noch in ers­ter In­stanz – nicht mehr dar­auf an, ob der Be­klag­te nach dem mit dem Alt­fahr­zeug er­lit­te­nen Ver­kehrs­un­fall noch be­rech­tigt ge­we­sen sei, ei­nen Teil des ver­ein­bar­ten Kauf­prei­ses durch die In­zah­lung­ga­be die­ses Fahr­zeugs zu er­brin­gen (§ 364 BGB).

[6]    Al­ler­dings sei es dem Be­klag­ten ver­wehrt, die Zah­lung des ver­ein­bar­ten Kauf­prei­ses be­reits un­ter Be­ru­fung auf den erst­mals mit Schrift­satz vom 29.09.2015 er­klär­ten Wi­der­ruf (§§ 312b I, 312g I, 355 ff. BGB) zu ver­wei­gern, da sein hier­zu ge­hal­te­ner Vor­trag ge­mäß § 529 I Nr. 2, § 531 II ZPO nicht zu­zu­las­sen sei. Zwar sei die Tat­sa­che, dass der Be­klag­te nach Ein­le­gung der Be­ru­fung ge­gen das an­ge­foch­te­ne Ur­teil recht­zei­tig den Wi­der­ruf sei­ner zum Kauf­ver­trag füh­ren­den Wil­lens­er­klä­rung(en) aus­ge­spro­chen ha­be, für sich ge­nom­men un­strei­tig und ha­be des­halb auch im Be­ru­fungs­rechts­zug Be­rück­sich­ti­gung zu fin­den. Die Um­stän­de, die der Be­klag­te zur Be­grün­dung des Wi­der­rufs­rechts her­an­ge­zo­gen ha­be – ins­be­son­de­re be­tref­fend sein Han­deln als Ver­brau­cher, den Ort und den Zeit­punkt des Ver­trags­schlus­ses so­wie die feh­len­de Wi­der­rufs­be­leh­rung – sei­en hin­ge­gen über­wie­gend von der Klä­ge­rin be­strit­ten wor­den, so­dass er sich auf die­se nur dann hät­te be­ru­fen kön­nen, wenn er An­halts­punk­te vor­ge­tra­gen hät­te, die ih­re Zu­las­sung nach der hier al­lein in Be­tracht kom­men­den Re­ge­lung in § 531 II 1 Nr. 3 ZPO hät­ten recht­fer­ti­gen kön­nen. Dar­an feh­le es je­doch, denn dem Be­klag­ten sei es auf­grund voll­stän­di­ger Tat­sa­chen­kennt­nis oh­ne Wei­te­res mög­lich ge­we­sen, be­reits in ers­ter In­stanz den auf die §§ 312b, 312g, 355 BGB ge­stütz­ten Wi­der­ruf zu er­klä­ren. Dass dies un­ter­blie­ben sei, be­ru­he auf ei­ner Ver­let­zung der dem Be­klag­ten ob­lie­gen­den Pro­zess­för­de­rungs­pflicht.

[7]    Nicht präk­lu­diert ge­mäß § 529 I Nr. 2, § 531 II BGB sei der Be­klag­te hin­ge­gen mit sei­nem Sach­vor­trag zur Be­grün­dung des ver­trag­li­chen Rück­tritts­rechts, da er durch Vor­la­ge von Schrei­ben be­legt ha­be, dass er erst­mals im Sep­tem­ber 2015 und da­mit erst nach der Ent­schei­dung des Land­ge­richts in Er­fah­rung ge­bracht ha­be, dass das Wohn­mo­bil Con­cor­de kein Neu­fahr­zeug sei. Der Rück­tritt sei auch wirk­sam. Denn nach den in­so­weit man­gels Über­ga­be des Fahr­zeugs ein­schlä­gi­gen Vor­schrif­ten des all­ge­mei­nen Leis­tungs­stö­rungs­rechts in § 326 V, §§ 275, 323 BGB wei­se das Wohn­mo­bil Con­cor­de ei­nen er­heb­li­chen und nicht zu be­he­ben­den Man­gel auf, da es ent­ge­gen der (still­schwei­gen­den) Ver­ein­ba­rung der Par­tei­en im Zeit­punkt des Kauf­ver­trags­schlus­ses im Ja­nu­ar 2015 kein Neu­fahr­zeug (mehr) ge­we­sen sei. Nach der Recht­spre­chung des BGH sei ein Kraft­fahr­zeug nur dann (fa­brik-)neu, wenn un­ter an­de­rem zwi­schen Her­stel­lung und Ab­schluss des Kauf­ver­trags nicht mehr als zwölf Mo­na­te lä­gen. Hier aber sei das Wohn­mo­bil be­reits am 07.10.2013 an ei­nen Händ­ler aus­ge­lie­fert wor­den; ge­kauft ha­be der Be­klag­te es erst rund 15 Mo­na­te spä­ter. Ob das Wohn­mo­bil au­ßer­dem auch des­halb nicht mehr als Neu­fahr­zeug an­zu­se­hen sei, weil – was strei­tig ist – im Jahr 2014 ein Mo­dell­wech­sel er­folgt sei oder weil die Klä­ge­rin mit dem Fahr­zeug zu­vor be­reits ei­ne nicht un­er­heb­li­che Fahrt­stre­cke ab­sol­viert ha­be, be­dür­fe in­so­fern kei­ner Ent­schei­dung.

[8]    Auf die Er­fül­lung des Kauf­ver­trags ha­be die Klä­ge­rin kei­nen An­spruch mehr. In­fol­ge des wirk­sa­men Rück­tritts des Be­klag­ten ha­be die­ser die ihm an­ge­bo­te­ne Ab­nah­me des Wohn­mo­bils Con­cor­de ver­wei­gern dür­fen. Die Klä­ge­rin sei im Üb­ri­gen ver­pflich­tet, im Rah­men der Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags die von dem Be­klag­ten ge­leis­te­te An­zah­lung in Hö­he von 1.000 € zu­rück­zu­er­stat­ten.

[9]    II. Die­se Be­ur­tei­lung hält recht­li­cher Nach­prü­fung nicht stand. Mit der vom Be­ru­fungs­ge­richt ge­ge­be­nen Be­grün­dung kann der von der Klä­ge­rin gel­tend ge­mach­te An­spruch auf Zah­lung des rest­li­chen Kauf­prei­ses (§ 433 II BGB) nicht ver­neint und der von dem Be­klag­ten wi­der­kla­gend gel­tend ge­mach­te An­spruch auf Rück­ge­währ der An­zah­lung (§ 346 I BGB) nicht be­jaht wer­den, auch wenn es sich – wie das Be­ru­fungs­ge­richt in der Sa­che zu­tref­fend an­ge­nom­men hat – bei dem von der Klä­ge­rin an­ge­bo­te­nen Wohn­mo­bil nicht um das nach dem Kauf­ver­trag ge­schul­de­te Neu­fahr­zeug han­del­te.

[10]   1. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Be­ru­fungs­ge­richts ist die Pflicht des Be­klag­ten zur Zah­lung des Kauf­prei­ses nicht be­reits da­durch ent­fal­len, dass die­ser durch sei­ne Er­klä­rung im Schrei­ben vom 29.09.2015 wirk­sam vom streit­ge­gen­ständ­li­chen Kauf­ver­trag zu­rück­ge­tre­ten ist (§§ 323, 346 ff. BGB). Denn we­der hat­te der Be­klag­te der Klä­ge­rin zu­vor ei­ne an­ge­mes­se­ne Frist zur Leis­tung oder Nach­er­fül­lung ge­setzt (§ 323 I BGB), noch war ei­ne sol­che vor­lie­gend je­den­falls auf Grund­la­ge der bis­he­ri­gen Fest­stel­lun­gen ge­mäß § 326 V BGB ent­behr­lich.

[11]   a) Noch oh­ne Rechts­feh­ler ist das Be­ru­fungs­ge­richt al­ler­dings da­von aus­ge­gan­gen, dass die Be­klag­te dem Klä­ger ein nach dem Kauf­ver­trag ge­schul­de­tes „Neu­fahr­zeug“ (bis­lang) nicht an­ge­bo­ten hat. Denn wie das Be­ru­fungs­ge­richt von der Re­vi­si­on un­an­ge­grif­fen fest­ge­stellt hat, war das streit­ge­gen­ständ­li­che Wohn­mo­bil bei Kauf­ver­trags­ab­schluss am 16.01.2015 be­reits über 15 Mo­na­te alt und da­mit nach der ein­schlä­gi­gen Se­nats­recht­spre­chung, die auch auf den Kauf von Wohn­mo­bi­len An­wen­dung fin­det, ent­ge­gen der von den Par­tei­en ge­trof­fe­nen Ver­ein­ba­rung nicht mehr „neu“.

[12]   aa) Nach stän­di­ger Recht­spre­chung des Se­nats ent­hält der Ver­kauf ei­nes Neu­wa­gens durch ei­nen Kraft­fahr­zeug­händ­ler auch ei­ne mit dem Ver­trags­schluss kon­klu­dent ge­trof­fe­ne Ver­ein­ba­rung der Par­tei­en da­hin, dass das ver­kauf­te Fahr­zeug die Be­schaf­fen­heit „fa­brik­neu“ auf­weist (vgl. nur Se­nat, Urt. v. 16.07.2003 – VI­II ZR 243/02, NJW 2003, 2824 [un­ter II 1]; Urt. v. 15.10.2003 – VI­II ZR 227/02, NJW 2004, 160 [un­ter II 3; je­weils zu § 459 II BGB a.F.]; Urt. v. 15.09.2010 – VI­II ZR 61/09, NJW 2010, 3710 Rn. 14; Urt. v. 06.02.2013 – VI­II ZR 374/11, NJW 2013, 1365 Rn. 10; Urt. v. 29.06.2016 – VI­II ZR 191/15, NJW 2016, 3015 Rn. 44 f.; je­weils m. w. Nachw.). Ein un­be­nutz­tes Kraft­fahr­zeug er­füllt die­se Ei­gen­schaft je­doch re­gel­mä­ßig nur dann, wenn und so­lan­ge das Mo­dell die­ses Fahr­zeugs un­ver­än­dert wei­ter­ge­baut wird, wenn es kei­ne durch ei­ne län­ge­re Stand­zeit be­ding­ten Män­gel auf­weist und wenn zwi­schen Her­stel­lung des Fahr­zeugs und Ab­schluss des Kauf­ver­trags nicht mehr als zwölf Mo­na­te lie­gen (Se­nat, Urt. v. 29.06.2016 – VI­II ZR 191/15, NJW 2016, 3015 Rn. 44 m. w. Nachw.).

[13]   Maß­geb­lich für die vom Se­nat vor­ge­nom­me­ne Be­schrän­kung der Stand­zeit ei­nes Neu­wa­gens auf zwölf Mo­na­te vor des­sen Ver­kauf ist da­bei die Er­wä­gung, dass ei­ne lan­ge Stand­dau­er für ei­nen Neu­wa­gen­käu­fer ei­nen wert­min­dern­den Fak­tor dar­stellt. Je­des Fahr­zeug un­ter­liegt ei­nem Al­te­rungs­pro­zess, der mit dem Ver­las­sen des Her­stel­lungs­be­triebs ein­setzt. Grund­sätz­lich ver­schlech­tert sich der Zu­stand des Fahr­zeugs durch Zeit­ab­lauf auf­grund von Ma­te­ri­al­er­mü­dung, Oxi­da­ti­on und an­de­ren phy­si­ka­li­schen Ver­än­de­run­gen. Selbst ei­ne Auf­be­wah­rung un­ter op­ti­ma­len Be­din­gun­gen ver­mag dies nur zu ver­lang­sa­men, aber nicht zu ver­hin­dern (Se­nat, Urt. v. 15.10.2003 – VI­II ZR 227/02, NJW 2004, 160 [un­ter II 3]; Urt. v. 07.06.2006 – VI­II ZR 180/05, NJW 2006, 2694 Rn. 11 [zum Jah­res­wa­gen]; Urt. v. 29.06.2016 – VI­II ZR 191/15, NJW 2016, 3015 Rn. 44; je­weils m. w. Nachw.).

[14]   bb) Die von der Re­vi­si­on an­ge­grif­fe­ne Be­ur­tei­lung des Be­ru­fungs­ge­richts, die­se Recht­spre­chung des Se­nats sei hier – na­ment­lich in Be­zug auf die ma­xi­ma­le Stand­zeit von zwölf Mo­na­ten – nicht nur auf Pkw, son­dern glei­cher­ma­ßen auf Wohn­mo­bi­le an­wend­bar, ist recht­lich nicht zu be­an­stan­den.

[15]   (1) Zwar mag bei Wohn­mo­bi­len, ins­be­son­de­re bei – wie hier – sol­chen der Lu­xus­klas­se, an­ge­sichts der Art ih­rer Ver­wen­dung mit län­ge­ren Stand­zei­ten als bei Pkw bis zum Ver­kauf zu rech­nen sein. Hier­von ist auch das Be­ru­fungs­ge­richt aus­ge­gan­gen. Zu Recht hat es je­doch dar­auf ab­ge­stellt, dass auch der Käu­fer ei­nes sol­chen Neu­fahr­zeugs be­rech­tig­ter­wei­se er­war­ten darf, dass die­ses zwi­schen Her­stel­lung und Kauf nicht mehr als ein Jahr lang un­be­nutzt ge­stan­den hat und des­halb nicht we­sent­lich äl­ter ist, als die Be­zeich­nung „fa­brik­neu“ er­war­ten lässt (vgl. Se­nat, Urt. v. 15.09.2010 – VI­II ZR 61/09, NJW 2010, 3710 Rn. 20). Da auch Wohn­mo­bi­le Kraft­fahr­zeu­ge im Sin­ne der Stra­ßen­ver­kehrs­ord­nung sind, die üb­li­cher­wei­se im Stra­ßen­ver­kehr ge­nutzt wer­den und für die­se Nut­zung auch vor­ge­se­hen sind, gibt es für ei­nen Käu­fer ei­nes als Neu­fahr­zeug ge­kenn­zeich­ne­ten Wohn­mo­bils kei­nen Grund, ei­ne län­ge­re Stand­zeit zu er­war­ten. Auch ein Wohn­mo­bil un­ter­liegt, ge­nau­so wie je­des an­de­re Kraft­fahr­zeug, ei­nem Al­te­rungs­pro­zess und ei­ner Ver­schlech­te­rung des Zu­stands des Fahr­zeugs durch in­fol­ge des Zeit­ab­laufs ein­tre­ten­de Ma­te­ri­al­er­mü­dung, Oxi­da­ti­on und an­de­re phy­si­ka­li­sche Ver­än­de­run­gen.

[16]   (2) Oh­ne Er­folg rügt die Re­vi­si­on, das Be­ru­fungs­ge­richt ha­be bei sei­ner recht­li­chen Be­ur­tei­lung die of­fen­kun­di­gen Tat­sa­chen (§ 291 ZPO) nicht be­rück­sich­tigt, dass es dem Käu­fer ei­nes Wohn­mo­bils (an­ders als dem Käu­fer ei­nes Pkw) im Re­gel­fall we­ni­ger auf die Fahr­ei­gen­schaf­ten als viel­mehr auf den ge­bo­te­nen Wohn­kom­fort an­kom­me, und dass Wohn­mo­bi­le ei­ne er­heb­lich hö­he­re Lauf­leis­tung als Pkw hät­ten, wo­mit zwangs­läu­fig ei­ne län­ge­re Nut­zungs­dau­er und „Le­bens­er­war­tung“ ver­bun­den sei. Denn zum ei­nen liegt es auf der Hand, dass ein Wohn­mo­bil nicht nur zur Wohn­nut­zung, son­dern vor­nehm­lich zum Rei­sen kon­zi­piert und ge­baut ist. Zum an­de­ren än­der­ten die­se Be­haup­tun­gen nichts dar­an, dass ein als Neu­fahr­zeug ver­kauf­tes Wohn­mo­bil, das zwi­schen Her­stel­lung und Kauf mehr als ein Jahr un­be­nutzt ge­stan­den hat, be­rech­tig­ter­wei­se vom Käu­fer nicht mehr als „neu“ an­ge­se­hen wird.

[17]   (3) An­ders als die Re­vi­si­on meint, steht ei­ner Gleich­be­hand­lung von Wohn­mo­bi­len und Per­so­nen­kraft­wa­gen hin­sicht­lich der maß­geb­li­chen Kri­te­ri­en, was ein Käu­fer bei der ver­ein­bar­ten Be­schaf­fen­heit ei­nes Kraft­fahr­zeugs als „Neu­fahr­zeug“ er­war­ten darf, schließ­lich auch nicht das Se­nats­ur­teil vom 15.09.2010 (VI­II ZR 61/09, NJW 2010, 3710) ent­ge­gen. Hier­in hat­te der Se­nat ent­schie­den, dass al­lein ei­ne ge­rin­ge Lauf­leis­tung nicht aus­schließt, dass ein als „Vor­führ­wa­gen“ ver­kauf­tes Fahr­zeug (Wohn­mo­bil) zu­vor schon län­ge­re Zeit als sol­ches ge­nutzt wor­den ist, da die Nut­zung als Vor­führ­wa­gen nicht nur dar­in be­steht, mit dem Fahr­zeug kur­ze Pro­be­fahr­ten durch­zu­füh­ren, son­dern auch dar­in, das Fahr­zeug von In­ter­es­sen­ten le­dig­lich be­sich­ti­gen zu las­sen, oh­ne dass es zu Pro­be­fahr­ten kommt. Da­bei hat­te der Se­nat die An­nah­me des Be­ru­fungs­ge­richts als rechts­feh­ler­frei an­ge­se­hen, dass die­ser Be­sich­ti­gungs­as­pekt ge­ra­de bei Wohn­mo­bi­len ge­gen­über dem Pro­be­fah­ren – an­ders als bei ei­nem Pkw – be­son­ders im Vor­der­grund ste­he (Se­nat, Urt. v. 15.09.2010 – VI­II ZR 61/09, NJW 2010, 3710 Rn. 26). Hin­sicht­lich der vor­lie­gend maß­geb­li­chen Be­ur­tei­lung ei­nes Wohn­mo­bils als „neu“ ist dar­aus hin­ge­gen nichts ab­zu­lei­ten.

[18]   b) Den­noch lässt sich auf­grund der bis­lang vom Be­ru­fungs­ge­richt ge­trof­fe­nen Fest­stel­lun­gen nicht ab­schlie­ßend be­ur­tei­len, ob der Be­klag­te mit sei­ner Er­klä­rung (§ 349 BGB) im Schrei­ben vom 29.09.2015 wirk­sam vom streit­ge­gen­ständ­li­chen Kauf­ver­trag zu­rück­ge­tre­ten ist. Denn dies setzt nach § 323 I BGB grund­sätz­lich vor­aus, dass der Gläu­bi­ger dem Schuld­ner zu­nächst er­folg­los ei­ne an­ge­mes­se­ne Frist zur Leis­tung oder Nach­er­fül­lung be­stimmt hat, was vor­lie­gend in­des we­der be­haup­tet noch fest­ge­stellt ist.

[19]   aa) Das Be­ru­fungs­ge­richt hat ei­ne sol­che Frist­set­zung als ge­mäß § 326 V, § 275 BGB ent­behr­lich er­ach­tet, weil das Wohn­mo­bil Con­cor­de mit dem „nicht be­heb­ba­ren“ Man­gel der feh­len­den Neu­wa­gen­ei­gen­schaft be­haf­tet sei. Da­bei ist es of­fen­bar von der An­nah­me aus­ge­gan­gen, die kauf­ver­trag­li­che Pflicht der Klä­ge­rin zur Über­ga­be und Ei­gen­tums­ver­schaf­fung (§ 433 I 1 BGB) hät­te sich auf das zum Zeit­punkt des Ver­trags­ab­schlus­ses bei die­ser vor­han­de­ne Ex­em­plar, bei dem sich ei­ne feh­len­de Neu­wa­gen­ei­gen­schaft tat­säch­lich nicht mehr be­sei­ti­gen lie­ße, be­schränkt.

[20]   Dies be­ruht al­ler­dings auf ei­nem grund­le­gen­den recht­li­chen Fehl­ver­ständ­nis. Viel­mehr liegt es in der Na­tur der Sa­che, dass es sich beim Kauf ei­nes Neu­fahr­zeugs re­gel­mä­ßig oh­ne an­ders­lau­ten­de Ver­ein­ba­rung der Ver­trags­par­tei­en um ei­ne Gat­tungs­schuld (§ 243 I BGB) han­delt. Dem­entspre­chend ist der Ge­setz­ge­ber der Schuld­rechts­re­form da­von aus­ge­gan­gen, dass der Schuld­ner un­ter der­ar­ti­gen Um­stän­den ver­trag­lich ei­ne Be­schaf­fungs­pflicht über­nimmt (vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 132, 230). Dies war auch vor­lie­gend der Fall. Nach dem zwi­schen den Par­tei­en ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trag war die Klä­ge­rin ver­pflich­tet, dem Be­klag­ten ein zum Zeit­punkt des Ver­trags­ab­schlus­ses fa­brik­neu­es Wohn­mo­bil Con­cor­de Car­ver 841 L zu ver­schaf­fen. An­halts­punk­te da­für, dass sich die Leis­tungs­pflicht der Klä­ge­rin nach dem über­ein­stim­men­den Wil­len der Ver­trags­par­tei­en auf das zu die­ser Zeit bei ihr vor­han­de­ne und von dem Be­klag­ten be­sich­tig­te Ex­em­plar be­schrän­ken soll­te, sind nicht er­kenn­bar. Et­was an­de­res er­gibt sich na­ment­lich auch nicht dar­aus, dass die Ver­trags­par­tei­en vor­lie­gend be­stimm­te Um- und Ein­bau­ten (An­hän­ger­kupp­lung, Aus­tausch der Gas­an­la­ge) ver­ein­bar­ten. Schließ­lich wur­de die Gat­tungs­schuld nicht da­durch zur Stückschuld (§ 243 II BGB), dass die Klä­ge­rin dem Be­klag­ten die­ses (nicht ver­trags­ge­mä­ße) Fahr­zeug als Leis­tung an­ge­bo­ten hat (vgl. Se­nat, Urt. v. 09.06.1999 – VI­II ZR 149/98, BGHZ 142, 36, 38 ff.; Pa­landt/Grü­ne­berg, BGB, 77. Aufl., § 243 Rn. 6).

[21]   bb) Ob der Klä­ge­rin die Lie­fe­rung des ver­trag­lich ge­schul­de­ten Neu­fahr­zeugs aus an­de­ren Grün­den un­mög­lich (§ 275 BGB) und ei­ne Frist­set­zung des Be­klag­ten des­halb ent­behr­lich war (§ 326 V BGB), lässt sich oh­ne wei­te­re Fest­stel­lun­gen in­des nicht be­ur­tei­len.

[22]   2. Das Be­ru­fungs­ur­teil stellt sich auch nicht aus an­de­ren Grün­den als rich­tig dar (§ 561 ZPO).

[23]   Zwar war der Be­klag­te, wie die Re­vi­si­ons­er­wi­de­rung mit Recht rügt, ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Be­ru­fungs­ge­richts mit sei­nem Vor­brin­gen zum Wi­der­ruf ge­mäß §§ 312b, 312g, 355 f. BGB nicht des­halb nach § 531 II 1 Nr. 3 ZPO aus­ge­schlos­sen, weil er den Wi­der­ruf nicht schon in ers­ter In­stanz er­klärt hat­te. Auf­grund der bis­he­ri­gen Fest­stel­lun­gen lässt sich aber nicht be­ur­tei­len, ob dem Be­klag­ten das be­haup­te­te Wi­der­rufs­recht auch in ma­te­ri­ell-recht­li­cher Hin­sicht zu­stand.

[24]   a) Die vom Be­ru­fungs­ge­richt be­jah­te Fra­ge, ob § 531 II 1 Nr. 3 ZPO ei­ner Par­tei ab­ver­langt, ein ihr ma­te­ri­ell-recht­lich zu­ste­hen­des Ge­stal­tungs­recht bis zum Schluss der erst­in­stanz­li­chen münd­li­chen Ver­hand­lung aus­zu­üben, wenn sie nicht Ge­fahr lau­fen will, mit dem die­sem Ge­stal­tungs­recht zu­grun­de lie­gen­den Tat­sa­chen­vor­brin­gen pro­zess­recht­lich aus­ge­schlos­sen zu wer­den, ist höchst­rich­ter­lich nicht ab­schlie­ßend ent­schie­den; der BGH hat sich bis­lang mit ihr nur im We­ge ei­nes ob­iter dic­tum be­fasst oder sie aus­drück­lich of­fen­ge­las­sen (vgl. BGH, Urt. v. 10.03.2011 – IX ZR 82/10, WM 2011, 993 Rn. 18; Beschl. v. 30.06.2010 – IV ZR 229/07, VersR 2011, 414 Rn. 10; Beschl. v. 17.05.2011 – X ZR 77/10, NJW-RR 2012, 110 Rn. 14). Der Se­nat ent­schei­det die Fra­ge nun­mehr da­hin, dass sie grund­sätz­lich zu ver­nei­nen ist.

[25]   aa) Der Vor­trag ei­ner Par­tei, dass ein Ge­stal­tungs­recht erst nach Schluss der erst­in­stanz­li­chen münd­li­chen Ver­hand­lung aus­ge­übt wor­den ist – vor­lie­gend durch die Er­klä­rung des Wi­der­rufs ge­mäß § 355 I 2 BGB – ist grund­sätz­lich un­ab­hän­gig von den Vor­aus­set­zun­gen des § 531 II ZPO zu be­rück­sich­ti­gen. Denn die pro­zess­recht­li­che Präk­lu­si­ons­vor­schrift in § 531 II ZPO soll die Par­tei­en le­dig­lich da­zu an­hal­ten, zu ei­nem be­reits vor­lie­gen­den und recht­lich re­le­van­ten Tat­sa­chen­stoff recht­zei­tig vor­zu­tra­gen (vgl. BT-Drs. 14/4722, S. 102). Sie ver­folgt hin­ge­gen nicht den Zweck, auf ei­ne (be­schleu­nig­te) Ver­än­de­rung der ma­te­ri­el­len Rechts­la­ge hin­zu­wir­ken.

[26]   Aus die­sem Grund hat der BGH be­reits ent­schie­den, dass ei­ne nach der letz­ten münd­li­chen Ver­hand­lung im ers­ten Rechts­zug er­stell­te Schluss­rech­nung im Be­ru­fungs­rechts­zug eben­falls nicht auf Grund­la­ge der §§ 529 I, 531 II ZPO un­be­rück­sich­tigt blei­ben kann (BGH, Urt. v. 09.10.2003 – VII ZR 335/02, NJW-RR 2004, 167 [un­ter II 2 b; zu § 527 I ZPO a.F.]; Urt. v. 06.10.2005 – VII ZR 229/03, NJW-RR 2005, 1687 [un­ter 2 b aa]). Die­sel­ben Er­wä­gun­gen gel­ten aber auch für die ei­ner Par­tei nach ma­te­ri­el­lem Recht zu­ste­hen­den Ge­stal­tungs­rech­te (wie das vor­lie­gend vom Be­klag­ten be­haup­te­te Wi­der­rufs­recht). De­ren we­sent­li­cher Zweck ist es, dem Be­rech­tig­ten die Ent­schei­dung zu über­las­sen, in wel­chem Um­fang und zu wel­chem Zeit­punkt er von die­sen in­ner­halb der in­so­weit vom Ge­setz vor­ge­se­he­nen Frist und der ihm in­so­weit ver­lie­he­nen Ge­stal­tungs­be­fug­nis­se Ge­brauch ma­chen möch­te.

[27]   Je­dem Ge­stal­tungs­recht ist es im­ma­nent, dass es – ge­ge­be­nen­falls in vom ma­te­ri­el­len Recht ge­setz­ten zeit­li­chen Gren­zen der Aus­übung – al­lein vom Wil­len des Be­rech­tig­ten ab­hängt, mit­hin in des­sen Be­lie­ben steht, wann die von der Aus­übung des Rechts aus­ge­lös­te Rechts­fol­ge ein­tre­ten soll. Weil dem so ist, kann es ei­ne Recht­fer­ti­gung für ei­ne pro­zess­recht­li­che Be­schrän­kung ei­ner ma­te­ri­ell-recht­lich wirk­sa­men Ge­stal­tungs­be­fug­nis im We­ge des § 531 II ZPO nicht ge­ben. Denn die Nor­men des Pro­zess­rechts sol­len da­zu die­nen, das ma­te­ri­el­le Recht zu ver­wirk­li­chen und nicht des­sen Durch­set­zung ver­meid­bar zu be­hin­dern (vgl. BGH, Urt. v. 01.12.1997 – II ZR 312/96, NJW-RR 1998, 1005 [un­ter II 1]; Urt. v. 02.07.2004 – V ZR 290/03, NJW-RR 2005, 371 [un­ter II 1 a]; Urt. v. 02.12.2015 – IV ZR 28/15, NJW 2016, 708 Rn. 10; Urt. v. 21.03.2018 – VI­II ZR 68/17, WuM 2018, 373 Rn. 32 [zur Ver­öf­fent­li­chung in BGHZ be­stimmt]).

[28]   Dem­entspre­chend ist auch ein erst nach Schluss der erst­in­stanz­li­chen münd­li­chen Ver­hand­lung aus­ge­üb­tes Ge­stal­tungs­recht auf ent­spre­chen­den Par­tei­vor­trag bei der Ent­schei­dung des Be­ru­fungs­ge­richts grund­sätz­lich zu be­rück­sich­ti­gen. Aus­ge­hend von den dar­ge­leg­ten Er­wä­gun­gen gilt dies un­ab­hän­gig da­von, ob die Er­klä­rung des Ge­stal­tungs­rechts als sol­che von der Ge­gen­sei­te be­strit­ten wird oder – was der Re­gel ent­spre­chen dürf­te und auch vor­lie­gend der Fall war – zwi­schen den Par­tei­en un­strei­tig ist, und da­mit ge­mäß § 529 I ZPO vom Be­ru­fungs­ge­richt sei­ner Ent­schei­dung oh­ne­hin zu­grun­de zu le­gen ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urt. v. 18.11.2004 – IX ZR 229/03, BGHZ 161, 138, 141; Urt. v. 20.05.2009 – VI­II ZR 247/06, NJW 2009, 2532 Rn. 15; Beschl. v. 23.06.2008 – GSZ 1/08, BGHZ 177, 212 Rn. 10; Beschl. v. 27.10.2015 – VI­II ZR 288/14, WuM 2016, 98 Rn. 11; je­weils m. w. Nachw.).

[29]   bb) Auch die Recht­spre­chung des BGH be­tref­fend den Ein­wen­dungs­aus­schluss bei der Voll­stre­ckungs­ab­wehr­kla­ge nach § 767 II ZPO ge­bie­tet kein an­de­res Er­geb­nis. Hier­nach ist zwar für den Aus­schluss der Gel­tend­ma­chung von ge­setz­li­chen Ge­stal­tungs­rech­ten nach § 767 II ZPO nicht auf den Zeit­punkt ih­rer Aus­übung, son­dern auf den Zeit­punkt ih­res Ent­ste­hens und der Be­fug­nis zu ih­rer Aus­übung ab­zu­stel­len (st. Rspr.; vgl. et­wa BGH, Urt. v. 08.05.2014 – IX ZR 118/12, BGHZ 201, 121 Rn. 17 [zur Auf­rech­nung]; Urt. v. 16.11.2005 – VI­II ZR 218/04, NJW-RR 2006, 229 Rn. 14 [zur Kün­di­gung]; je­weils m. w. Nachw.). Aus die­ser Recht­spre­chung lässt sich je­doch für die hier in­fra­ge ste­hen­de Pro­ble­ma­tik, ob ein erst nach Schluss der erst­in­stanz­li­chen münd­li­chen Ver­hand­lung aus­ge­üb­tes Ge­stal­tungs­recht bei der Ent­schei­dung des Be­ru­fungs­ge­richts zu be­rück­sich­ti­gen ist, nichts ab­lei­ten. Zum ei­nen un­ter­fällt ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Be­ru­fungs­ge­richts die Gel­tend­ma­chung ei­nes sol­chen Rechts, wie aus­ge­führt, von vorn­her­ein be­reits nicht dem An­wen­dungs­be­reich der pro­zess­recht­li­chen Präk­lu­si­ons­vor­schrift in § 531 II ZPO. Zum an­de­ren un­ter­schei­den sich die Re­ge­lungs­be­rei­che der Präk­lu­si­ons­vor­schrif­ten des § 531 II ZPO ei­ner­seits und des § 767 II ZPO an­de­rer­seits be­reits grund­le­gend da­durch, dass sich ein Schuld­ner mit der Voll­stre­ckungs­ab­wehr­kla­ge ge­gen ein be­reits rechts­kräf­ti­ges Ur­teil wen­det, wäh­rend § 531 ZPO die Zu­las­sung von An­griffs- und Ver­tei­di­gungs­vor­brin­gen in­ner­halb des erst auf Er­lass ei­ner rechts­kräf­ti­gen Ent­schei­dung ge­rich­te­ten Ver­fah­rens be­trifft.

[30]   cc) Ob in be­son­de­ren Aus­nah­me­fäl­len (et­wa un­ter dem Ge­sichts­punkt des Rechts­miss­brauchs) et­was an­de­res gel­ten kann, be­darf kei­ner Ent­schei­dung, da hier jeg­li­che An­halts­punk­te für ei­ne der­ar­ti­ge Kon­stel­la­ti­on feh­len.

[31]   b) Dem­ge­gen­über ist das strei­ti­ge Vor­brin­gen des Be­klag­ten zum Vor­lie­gen der wei­te­ren Vor­aus­set­zun­gen des von ihm gel­tend ge­mach­ten Wi­der­rufs nach §§ 312b, 312g, 355 f. BGB – be­tref­fend sein Han­deln als Ver­brau­cher so­wie Ort und Zeit­punkt des Ver­trags­schlus­ses – in der Be­ru­fungs­in­stanz un­ter den Vor­aus­set­zun­gen des § 531 II 1 Nr. 3 ZPO zu be­rück­sich­ti­gen.

[32]   aa) Neue An­griffs- und Ver­tei­di­gungs­mit­tel sind nach § 531 II 1 Nr. 3 ZPO nur zu­zu­las­sen, wenn sie im ers­ten Rechts­zug nicht gel­tend ge­macht wor­den sind, oh­ne dass dies auf ei­ner Nach­läs­sig­keit der Par­tei be­ruh­te. Nach der Recht­spre­chung des BGH liegt ei­ne Nach­läs­sig­keit i. S. von § 531 II 1 Nr. 3 ZPO vor, wenn die Par­tei ge­gen ih­re Pro­zess­för­de­rungs­pflicht ver­sto­ßen hat, auf­grund de­rer sie zu kon­zen­trier­ter Ver­fah­rens­füh­rung ge­hal­ten ist und ins­be­son­de­re Vor­brin­gen nicht aus pro­zesstak­ti­schen Er­wä­gun­gen bis zur zwei­ten In­stanz zu­rück­hal­ten darf (vgl. BGH, Urt. v. 21.12.2011 – VI­II ZR 166/11, NJW-RR 2012, 341 Rn. 17; Beschl. v. 10.06.2010 – Xa ZR 110/09, NJW-RR 2011, 211 Rn. 28; Beschl. v. 30.10.2013 – VII ZR 339/12, NJW-RR 2014, 85 Rn. 9; au­ßer­dem BVerfG [1. Kam­mer des Ers­ten Se­nats], Beschl. v. 24.01.2005 – 1 BvR 2653/03, NJW 2005, 1768, 1769; je­weils m. w. Nachw.). Je­de Par­tei hat schon im ers­ten Rechts­zug die An­griffs- und Ver­tei­di­gungs­mit­tel vor­zu­brin­gen, de­ren Re­le­vanz für den Rechts­streit ihr be­kannt ist oder bei Auf­wen­dung der ge­bo­te­nen Sorg­falt hät­te be­kannt sein müs­sen und zu de­ren Gel­tend­ma­chung sie dort im­stan­de ist (BGH, Urt. v. 19.03.2004 – V ZR 104/03, BGHZ 158, 295, 303; Urt. v. 18.10.2005 – VI ZR 270/04, NJW 2006, 152 Rn. 15; je­weils m. w. Nachw.).

[33]   bb) Ei­ne Nach­läs­sig­keit i. S. von § 531 II 1 Nr. 3 ZPO kommt je­doch von vorn­her­ein nicht in Be­tracht, wenn ei­ne Par­tei – wie hier – zu­läs­si­ger­wei­se (s. da­zu be­reits un­ter II 2 a) erst nach Schluss der erst­in­stanz­li­chen münd­li­chen Ver­hand­lung von ei­nem Ge­stal­tungs­recht Ge­brauch macht und dem­entspre­chend auch erst­mals in der Be­ru­fungs­in­stanz zu den (wei­te­ren) tat­be­stand­li­chen Vor­aus­set­zun­gen des be­tref­fen­den Ge­stal­tungs­rechts vor­trägt.

[34]   Zwar mag die An­nah­me des Be­ru­fungs­ge­richts zu­tref­fen, dem Be­klag­ten sei – die Rich­tig­keit sei­nes neu­en Vor­trags un­ter­stellt – be­reits in ers­ter In­stanz be­kannt ge­we­sen, dass der Ver­trag nicht in den Ge­schäfts­räu­men der Klä­ge­rin ge­schlos­sen und er nicht auf ein ver­meint­lich be­ste­hen­des Wi­der­rufs­recht hin­ge­wie­sen wor­den war. Aber ge­nau­so wie ei­ne Nach­läs­sig­keit stets zu ver­nei­nen ist, so­weit das in­fra­ge ste­hen­de neue An­griffs- und Ver­tei­di­gungs­mit­tel erst nach Schluss der erst­in­stanz­li­chen münd­li­chen Ver­hand­lung ent­stan­den ist (vgl. BT-Drs. 14/4722, S. 101; BGH, Beschl. v. 17.05.2011 – X ZR 77/10, NJW-RR 2012, 110 Rn. 12 m. w. Nachw.), kann es ei­ner Par­tei auch nicht als Ver­stoß ge­gen ih­re Pro­zess­för­de­rungs­pflicht an­ge­las­tet wer­den, dass sie in ers­ter In­stanz zu ei­nem bis da­hin noch gar nicht aus­ge­üb­ten Ge­stal­tungs­recht nicht nä­her vor­ge­tra­gen hat (vgl. BGH, Urt. v. 06.10.2005 – VII ZR 229/03, NJW-RR 2005, 1687 [un­ter 2 b cc]).

[35]   c) Zur Be­ur­tei­lung der Fra­ge, ob der Be­klag­te sei­ne auf den Ab­schluss des Kauf­ver­trags ge­rich­te­te Wil­lens­er­klä­rung auch in ma­te­ri­ell-recht­li­cher Hin­sicht wirk­sam wi­der­ru­fen hat, feh­len aber eben­falls wei­te­re Fest­stel­lun­gen, die das Be­ru­fungs­ge­richt – vor dem Hin­ter­grund sei­ner Rechts­auf­fas­sung al­ler­dings fol­ge­rich­tig – bis­lang noch nicht ge­trof­fen hat.

[36]   III. Nach al­le­dem kann das an­ge­foch­te­ne Ur­teil des Be­ru­fungs­ge­richts kei­nen Be­stand ha­ben; es ist auf­zu­he­ben (§ 562 I ZPO). Die Sa­che ist, da sie aus den aus­ge­führ­ten Grün­den nicht zur End­ent­schei­dung reif ist, zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Be­ru­fungs­ge­richt zu­rück­zu­ver­wei­sen (§ 563 I 1 ZPO).

PDF er­stel­len