1. Der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen und deshalb jedenfalls ursprünglich mangelhaften Neuwagens kann vom Verkäufer grundsätzlich auch dann noch mit Erfolg die Ersatzlieferung (§ 439 I Fall 2 BGB) eines mangelfreien Fahrzeugs verlangen, wenn das vom VW-Abgasskandal betroffene Fahrzeug bereits ein Softwareupdate erhalten hat. Denn es besteht der begründete Verdacht, dass die Installation des Softwareupdates schon deshalb keine (ausreichende) Nachbesserung i. S. des §439 I Fall 1 BGB ist, weil sie zu einem deutlich höheren Verschleiß von Motorteilen führt. Angesichts dieser in der Öffentlichkeit umfangreich und kontrovers diskutierten Befürchtung haftet dem Fahrzeug trotz des Softwareupdates auf unabsehbare Zeit ein deutlicher merkantiler Minderwert an.
  2. Der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen VW Tiguan der ersten Generation (VW Tiguan I) kann vom Verkäufer grundsätzlich die Ersatzlieferung (§ 439 I Fall 2 BGB) eines mangelfreien Fahrzeugs verlangen. Denn die Lieferung eines mangelfreien VW Tiguan I ist zwar i. S. des § 275 I BGB unmöglich, doch kann der Verkäufer den Nacherfüllungsanspruch des Käufers ohne Weiteres durch Lieferung eines mangelfreien Neuwagens der zweiten Generation (VW Tiguan II) erfüllen. Dies gilt erst recht, wenn der Kaufvertrag über den VW Tiguan I einen Änderungsvorbehalt i. S. des § 308 Nr. 4 BGB enthält.
  3. Bei der Beurteilung, ob der Verkäufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Neuwagens eine Ersatzlieferung (§ 439 I Fall 2 BGB) gemäß § 439 IV BGB verweigern darf, weil sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist, ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass auf eine Nachbesserung (§ 439 I Fall 1 BGB) nicht ohne erhebliche Nachteile für den Käufer zurückgegriffen werden könnte. Denn derzeit ist unklar, ob die technische Überarbeitung eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs durch die Installation eines Softwareupdates auf lange Sicht technische Nachteile mit sich bringt. Deshalb ist offen, ob die Installation des Updates als (ausreichende) Nachbesserung i. S. des § 439 I Fall 1 BGB angesehen werden kann.

LG Hamburg, Urteil vom 07.03.2018 – 329 O 105/17
(nachfolgend: OLG Hamburg, Urteil vom 21.12.2018 – 11 U 55/18)

Sachverhalt: Der Kläger, ein Verbraucher, erwarb von der Beklagten Kfz-Händlerin mit Kaufvertrag vom 02.04.2015 einen VW Tiguan 2.0 TDI BMT Sport & Style 4Motion mit 7-Gang-DSG und einer Motorleistung von 103 kW (140 PS).

In den Kaufvertrag wurden die Neuwagen-Verkaufsbedingungen der Beklagten einbezogen, in deren Abschnitt IV es unter anderem heißt:

„6. Konstruktions- oder Formänderungen, Abweichungen im Farbton sowie Änderungen des Lieferumfangs seitens des Herstellers bleiben während der Lieferzeit vorbehalten, sofern die Änderungen oder Abweichungen unter Berücksichtigung der Interessen des Verkäufers für den Käufer zumutbar sind. Sofern der Verkäufer oder der Hersteller zur Bezeichnung der Bestellung oder des bestellten Kaufgegenstandes Zeichen oder Nummern gebraucht, können allein daraus keine Rechte hergeleitet werden.“

Das Fahrzeug des Klägers ist mit einem EA189-Dieselmotor ausgestattet und folglich vom VW-Abgasskandal betroffen. Eine Software erkennt, ob der Pkw auf einem Prüfstand einen Emissionstest absolviert oder er regulär im Straßenverkehr betrieben wird. In einer Testsituation aktiviert sie einen Betriebsmodus („Modus 1“), in dem die Abgasrückführungsrate höher ist und in dem deshalb die Stickoxid(NOX)-Emissionen geringer sind als in dem Modus, in dem das Fahrzeug normalerweise betrieben wird („Modus 0“).

Der Kläger hält sein Fahrzeug deshalb für mangelhaft, obwohl es am 19.07.2016 einem von der Volkswagen AG entwickelten Softwareupdate unterzogen wurde, das das Kraftfahrt-Bundesamt am 01.06.2016 freigegeben hatte. Auch ohne dieses Update wäre das Fahrzeug des Klägers fahrbereit und verkehrssicher. Die EG-Typgenehmigung wurde Fahrzeugen ohne Softwareupdate bislang nicht entzogen, obwohl das Kraftfahrt-Bundesamt die Installation des Updates, das in jeder VW-Vertragswerkstatt zur Verfügung steht, als verpflichtend ansieht.

Mit Schreiben vom 16.01.2017 forderte der Kläger die Beklagte deshalb zur Ersatzlieferung (§ 439 I Fall 2 BGB) eines mangelfreien Neuwagens auf. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 20.01.2017 ab.

Der Kläger, der seinen Anspruch auf Ersatzlieferung mit der vorliegenden Klage weiterverfolgt, macht geltend, sein Fahrzeug habe bei der Übergabe unter anderem einen Sachmangel i. S. von § 434 I 2 Nr. 2 BGB aufgewiesen. Dieser Mangel sei durch die Installation des Softwareupdates nicht beseitigt worden. Vielmehr sei die Nachbesserung (§ 439 I Fall 1 BGB) eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs unmöglich, da das dafür verwendete Softwareupdate unter anderem die Lebensdauer des Motors verringere. Jedenfalls verbleibe trotz der Installation des Updates ein merkantiler Minderwert. Darüber hinaus sei ihm – dem Kläger – eine Nachbesserung auch unzumutbar. Denn dafür müsse – unstreitig – auf ein Softwareupdate zurückgegriffen werden, das ausschließlich die Volkswagen AG zur Verfügung stelle, die ihn – den Kläger – durch die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung schon einmal arglistig getäuscht habe. Er – der Kläger – habe das Softwareupdate, das im Übrigen zu einem höheren Kraftstoffverbrauch geführt habe, vor diesem Hintergrund nur installieren lassen, weil er eine Stilllegung seines Fahrzeugs befürchtet habe.

Die Beklagte vertritt unter anderem die Auffassung, dass ihr die begehrte Ersatzlieferung i. S. des § 275 I BGB unmöglich sei, da der Kläger einen VW Tiguan der ersten Generation (VW Tiguan I) erhalten habe und entsprechende Fahrzeuge nicht mehr hergestellt würden. Die Lieferung eines Neufahrzeuges der zweiten Generation (VW Tiguan II) komme nicht in Betracht, weil ein VW Tiguan II ein aliud und zudem eine Ersatzlieferung mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden sei. Darüber hinaus weist die Beklagte darauf hin, dass die Volkswagen AG jedem Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs nach dessen technischer Überarbeitung als vertrauensbildende Maßnahme zusage, innerhalb eines Zeitraums von 24 Monaten (max. Fahrleistung 250.000 km) eventuellen Beschwerden im Zusammenhang mit der Überarbeitung des Fahrzeugs nachzugehen.

Die Klage hatte Erfolg.

Aus den Gründen: 1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf ein mangelfreies fabrikneues typengleiches Ersatzfahrzeug aus der aktuellen Serienproduktion des Herstellers mit identischer technischer Ausstattung wie das Fahrzeug VW Tiguan 2.0 TDI BMT Sport & Style 4Motion … Zug um Zug gegen Rückübereignung des mangelhaften Fahrzeugs … gemäß §§ 437 Nr. 1, 439 I Fall 2 BGB.

Der Antrag des Klägers ist gemäß §§ 133, 157 BGB dahin gehend auszulegen, dass es ihm darauf ankommt, ein gleichwertiges Fahrzeug mit der von ihm zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gewünschten Ausstattung zu erhalten. Die Beklagte kann den Nachlieferungsanspruch somit mit allen typengleichen Fahrzeugen des Models VW Tiguan 2.0 TDI mit identischer Ausstattung wie das „Altfahrzeug“ des Klägers erfüllen.

a) Das durch die Beklagte gelieferte Fahrzeug hatte bei Gefahrübergang einen Sachmangel i. S. des § 434 I BGB (so neuerdings auch OLG Köln, Beschl. v. 20.12.2017 – 18 U 112/17). Der vom Kläger erworbene Neuwagen entsprach nicht dem Leistungsversprechen des zwischen den Parteien am 12.07.2013 geschlossenen Kfz-Kaufvertrages. Das Fahrzeug war bei Gefahrübergang mangelhaft jedenfalls gemäß § 434 I 2 Nr. 2 und Satz 3 BGB.

Nach § 434 I 2 Nr. 2 BGB ist der Kaufgegenstand nicht frei von Sachmängeln, wenn er sich nicht für die gewöhnliche Anwendung eignet oder nicht eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.

Mangelhaft ist der Wagen im Echtbetrieb schon deshalb, weil sich der Hersteller eines unzulässigen Abschaltmechanismus für die Messung der Stickoxidwerte unter Prüfbedingungen bedient hat. Der Käufer eines Fahrzeugs kann im Rahmen der üblichen und zu erwartenden Beschaffenheit eines Neuwagenkaufs in jedem Fall davon ausgehen, dass die rechtlichen Voraussetzungen für eine Zulassungsfähigkeit seines Fahrzeugs auf rechtmäßigem Wege eingehalten werden ohne die Verwendung einer manipulierenden Software, die im Rahmen eines Prüfstandlaufs einen Modus aktiviert, der nicht dem üblichen Betriebsmodus entspricht und in dem der Stickoxidausstoß reduziert wird (hierzu wie zum Folgenden LG Neuruppin, Urt. v. 24.05.2017 – 1 O 170/16 – unter Verweis u. a. auf LG Regensburg, Urt. v. 04.01.2017 – 7 O 967/16; LG Münster, Urt. v. 14.03.2016 – 011 O 341/15; LG Oldenburg, Urt. v. 01.09.2016 – 16 O 790/16; LG Aachen, Urt. v. 18.05.2016 – 9 O 269/16). Dass im Fahrzeug des Klägers wie in allen mit dem entsprechenden Aggregat EA189 ausgestatteten Fahrzeugen, eine solche manipulierende Software installiert wurde, ist unstreitig. Dass diese auch unzulässig ist, steht zur Überzeugung des Gerichts ausweislich der zur Akte gereichten Dokumente des Kraftfahrt-Bundesamtes fest, das den Hersteller verpflichtet hat, diese unzulässige Abschalteinrichtung unter Einhaltung der entsprechenden Einzelrechtsakte der Richtlinie 2007/46/EG zu entfernen.

Dieser Mangel lag als produktionsbedingter auch bei Gefahrübergang vor, hier bei der Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger (§§ 434 1 1, 446 BGB).

Der Durchschnittskäufer kann bei einem Autokauf erwarten, dass das von ihm erworbene Fahrzeug die Abgaswerte einhält, und zwar nicht nur durch eine beigefügte Software für den Prüfstand. Er kann erwarten, dass alle laufenden Prozesse auf dem Prüfstand auch im normalen Fahrbetrieb aktiv bleiben und der Prüfstand somit die reale Fahrsituation nachbildet. Dass, wie die Beklagte vorbringt, der Abgasausstoß zwischen Prüfstand und Straßenbetrieb auf natürliche Weise variiert, ist dabei bekannt, aber insoweit unerheblich.

b) Ferner liegt ein Rechtsmangel vor.

Nach § 435 Satz 1 BGB ist eine Sache frei von Rechtsmängeln, wenn Dritte in Bezug auf die Sache keine oder nur die im Kaufvertrag übernommenen Rechte gegen den Käufer geltend machen können. Auch auf öffentlichem Recht beruhende Eingriffsbefugnisse, Beschränkungen und Bindungen, die die Nutzung der Kaufsache beeinträchtigen, können einen Rechtsmangel begründen (BGH, Urt. v. 18.01.2017 – VIII ZR 234/15 Rn. 18). So liegt es auch hier.

Zwar ist es richtig, dass der Kläger sein Fahrzeug (noch) bestimmungsgemäß nutzen kann. Der Käufer eines neuen Kraftfahrzeugs kann jedoch erwarten, dass dieses in vollem Umfang den aktuellen gesetzlichen Bestimmungen entspricht. Denn das den jeweils geltenden Abgasvorschriften entsprechende Emissionsverhalten des Motors stellt eine Eigenschaft dar, welche für die geschuldete Beschaffenheit i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB maßgeblich ist (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 21.06.2016 – 28 W 14/16, juris Rn. 28; OLG Celle, Beschl. v. 30.06.2016 – 7 W 26/16, juris Rn. 6; LG Hagen, Urt. v. 18.10.2016 – 3 O 66/16, juris Rn. 24, 32 ff.; jeweils m. w. Nachw.). Das Emissionsverhalten des streitgegenständlichen Motors entspricht diesen Vorschriften jedoch nicht, was unstreitig ist. Auch erwartet ein Durchschnittskäufer nicht, dass die gesetzlich vorgegebenen Abgaswerte nur deshalb eingehalten und entsprechend attestiert werden, weil eine Software installiert ist, die dafür sorgt, dass der Prüfstandlaufs erkannt und über entsprechende Programmierung der Motorsteuerung nur für diesen Fall der Stickoxidausstoß reduziert wird (LG Braunschweig, Urt. v. 12.10.2016 – 4 O 202/16, juris Rn. 19; LG Regensburg, Urt. v. 04.01.2017 – 7 O 967/16, juris Rn. 30).

Da der Kläger das Softwareupdate aber hat durchführen lassen, droht jedenfalls nach derzeitiger Sachlage kein Entzug der Betriebserlaubnis und keine Stilllegung, dies beseitigt aber letztlich den Mangel nicht (s. dazu weiter unten).

Nach allem hat der Kläger Anspruch auf Nacherfüllung gemäß § 439 I BGB und hat insoweit Nachlieferung verlangt. Dies zu Recht.

c) Die gewählte Nacherfüllung durch Neulieferung eines Fahrzeugs ist nicht unverhältnismäßig.

Die Beklagte kann die Einrede der Unverhältnismäßigkeit der Nachlieferung im Verhältnis zur Nachbesserung gemäß § 439 IV BGB nicht mit Erfolg geltend machen. Denn auf das Aufspielen des von VW bereitgestellten Softwareupdates im Wege der Nachbesserung kann der Kläger nicht verwiesen werden, da auf diese nicht ohne erhebliche Nachteile für den Käufer zurückgegriffen werden kann (§ 439 IV 2 letzter Halbsatz BGB) und die gebotene Interessenabwägung im Rahmen des § 439 IV BGB daher zugunsten des Klägers ausfällt.

Nach § 439 IV BGB kann der Verkäufer die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist, wobei insbesondere der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand, die Bedeutung des Mangels und die Frage zu berücksichtigen ist, ob auf die andere Art der Nacherfüllung ohne erhebliche Nachteile für den Käufer zurückgegriffen werden kann.

Selbst unter der Annahme zugunsten der Beklagten, die Kosten der Entwicklung des Softwareupdates seien – etwa als „sowieso“ aufgrund der Anforderungen des Kraftfahrt-Bundesamtes und der die Nachbesserung wünschenden Kunden anfallende Kosten – bei der Bemessung der Kosten, die für die Nachbesserung anfallen, nicht zu berücksichtigen und es stünden daher Nachbesserungskosten in Höhe von etwa 100 € den vielfachen Kosten für die Neulieferung eines Fahrzeugs gegenüber, fällt die Interessenabwägung zugunsten des Klägers aus.

Zunächst ist der Mangel von erheblicher Bedeutung. Selbst unter der Annahme, dass eine Verwendungseinschränkung des Fahrzeugs derzeit nicht besteht und die Mangelbeseitigung lediglich 100 € kosten würde, ist der Mangel erheblich. Denn im Rahmen dieser indiziellen Bedeutung müsste neben den Kosten für die Entwicklung auch der erhebliche für die Entwicklung und Zulassung des Softwareupdates erforderliche zeitliche Aufwand von mehr als einem Jahr berücksichtigt werden, der schon für sich eine Unerheblichkeit ausschließt (so auch LG Hamburg (1. Zivilkammer), Urt. v. 16.11.2016 – 301 O 96/16).

Es kommt im Ergebnis aber auch nicht auf die wirtschaftliche Argumentation an. Zu berücksichtigen ist vielmehr, dass derzeit unklar ist, ob das Softwareupdate auch auf lange Dauer technisch keine Nachteile mit sich bringt. Allein die Behauptung, das Kraftfahrt-Bundesamt habe nach sachkundiger Überprüfung keine Bedenken gehabt, besagt dazu nichts. Denn zum einen kann sachlich nur geprüft worden sein, ob technisch nach kurzer Zeit noch keine Auswirkungen zu bemerken sind (über die langfristigen Folgen ist damit nichts gesagt und kann derzeit auch noch nichts gesagt werden, s. dazu ferner unter d). Zum anderen ist bei dieser unklaren Sachlage weiterhin offen, ob die vom Kraftfahrt-Bundesamt angeordnete Nachbesserung im kaufrechtlichen Verhältnis als ausreichend angesehen werden kann.

All dies sind letztlich Umstände, die die gewählte Art der Nacherfüllung, nämlich die Neulieferung, nicht als unverhältnismäßig erscheinen lassen. Schon der Umstand, dass eine Mangelbeseitigungsmaßnahme von der zuständigen Behörde geprüft und gefordert wird, zeigt, dass es sich nicht um einen unerheblichen Mangel handeln kann (so auch LG Aachen, Urt. v. 18.05.2016 – 9 O 269/16).

d) Die Nachbesserung durch das Softwareupdate ist für den Kläger unzumutbar, wobei es nicht darauf ankommt, dass der Kläger das Softwareupdate inzwischen hat aufspielen lassen.

Es besteht der plausible Verdacht, dass das angebotene Softwareupdate keine ausreichende Nachbesserung ist. Die von Klägerseite zitierten technischen Bedenken sind jedenfalls auch einem Laien nachvollziehbar: Wenn die Softwarenachbesserung nunmehr dazu führt, dass der Motor nur noch im Prüfstandmodus betrieben wird, das heißt, eine permanente Abgasrückführung erfolgt, so dürfte relativ klar sein, dass damit ein deutlich gesteigerter Verschleiß der betroffenen Motorteile einhergeht. Schon diese Befürchtung, die auch in der Öffentlichkeit umfangreich und kontrovers diskutiert wird, führt nach Ansicht des Gerichts zu einem deutlichen und auf unabsehbare Zeit verbleibenden Minderwert des Fahrzeugs, der auch durch eine sachverständige Überprüfung, die eigentlich nur durch Langzeittests erfolgen kann, nicht ausgeräumt werden kann.

Auch folgt hier eine Unzumutbarkeit der Nachbesserung aus der nachhaltigen Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Kläger und der Beklagten (zu den Grundsätzen: BGH, Urt. v. 20.03.2010 – VIII ZR 182/08 Rn. 19). Der Käufer eines so mangelbehafteten Fahrzeugs befürchtet, dass die Nachbesserung durch ein einfaches Softwareupdate keinesfalls ausreichend sein kann, um die Mängel zu beheben, denn es wäre dann ja nicht nachvollziehbar, warum der Hersteller dieses einfache, mit geringem Kosten verbundene Update nicht von vorneherein eingebracht hätte. Aufgrund der erfolgten herstellerbedingten Täuschung ist ein solches Verhalten nachvollziehbar.

Im Rahmen der Frage der Unzumutbarkeit der Nachbesserung durch das Softwareupdate ist das Verhalten der Herstellerin auch der Beklagten zuzurechnen, weil nur die einzige Möglichkeit besteht, dieses Softwareupdate von der Herstellerin zu erhalten (vgl. dazu LG Köln, Urt. v. 18.05.2017 – 2 O 422/16; LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 83/16; LG Aachen, Urt. v. 18.05.2016 – 9 O 269/16), denn unstreitig ist ein Softwareupdate nur unter Mitwirkung der Volkswagen AG möglich. Selbst wenn, was hier auch streitig ist, die Beklagte und die Volkswagen AG rechtlich als selbstständig zu betrachten sind, bleibt es für den Kläger auch im Rahmen des Vertragsverhältnisses mit der Beklagten unzumutbar, ein Softwareupdate als Nachbesserung zu akzeptieren, dessen Wirksamkeit nicht wissenschaftlich erwiesen ist und das jedenfalls auf unabsehbare Zeit mit einem Makel behaftet ist.

Die Beklagte kann hierbei auch nicht darauf verweisen, das Kraftfahrt-Bundesamt habe durch Akzeptieren der Nachbesserung durch das Softwareupdate und aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Bescheids wirksam diese Art der Nachbesserung verfügt. Denn dabei handelt es sich lediglich um öffentlich-rechtliche Vorschriften, die letztlich kleine Auswirkungen im zivilrechtlichen Vertrag haben, unabhängig davon, ob die öffentlich-rechtliche Entscheidung verwaltungsgerichtlich und auch vor dem Europäischen Gerichtshof Bestand haben wird. Gerade die „Zwickmühle“, die sich einem geschädigten Käufer bietet, zeigt, dass die Nachbesserung durch ein technisch in der sachkundigen Öffentlichkeit angezweifeltes Softwareupdate für den Verbraucher unzumutbar ist. Entweder der Kunde vertraut auf den Bescheid des Kraftfahrt-Bundesamtes mit dem Risiko, dass aufgrund Langzeittests das Softwareupdate eben doch nicht hinreichende Nachbesserung erbringt (sonst hätte der Hersteller dies sicher doch von Anfang an eingebaut und damit den gesamten Dieselabgasskandal verhindern können), oder der Kunde verweigert das Softwareupdate wegen der bestehenden Bedenken mit dem Risiko der Stilllegung des Fahrzeugs.

Bei dieser Sachlage kann dem Kläger auch nicht vorgeworfen werden, dass er das Softwareupdate hat aufspielen lassen. Er hat damit nicht die Nachbesserung im Sinne der zivilrechtlichen Vorschriften akzeptiert, sondern ist diesem Begehren lediglich aus öffentlich-rechtlichen Zwängen nachgekommen, weil er befürchtet hat, dass ansonsten das Fahrzeug aus öffentlich-rechtlichen Gründen stillgelegt wird. Ein Akzeptieren der Nachbesserung kann darin nicht gesehen werden.

Offenbleiben kann, ob nicht die Nachbesserung durch das Softwareupdate schon deswegen nicht hinreichend ist, weil es andere, erheblich bessere und nachhaltigere Nachbesserungsmöglichkeiten gibt. Immerhin lässt sich nach den aktuellen Informationen aus einer Studie des Lehrstuhlinhabers für Verbrennungskraftmaschinen an der TU München, Georg Wachtmeister, das Problem praktisch für alle streitbefangenen Fahrzeugtypen durch die sogenannte SCR-Technik lösen mit einem allerdings höheren Aufwand von mindestens rund € 1.300 € pro Fahrzeug (vgl. DER SPIEGEL 4/2018, S. 67).

Ferner kann dem Käufer in einer solchen Fallkonstellation nicht vorgeworfen werden, er handele widersprüchlich, wenn er einerseits dem Softwareupdate als Nachbesserung des Herstellers nicht vertraut, andererseits aber wiederum ein Dieselfahrzeug im Wege der Nachlieferung verlangt (so wohl LG Potsdam, Urt. v. 24.11.2017 – 6 O 36/17). Denn der maßgebliche Unterschied ist der, dass der Käufer, der sich auf ein Softwareupdate einlässt, nur noch eingeschränkte Gewährleistungsrechte hat (wenn überhaupt), bei einer Nachlieferung eines Neufahrzeugs aber wiederum die normale Neuwagengewährleistung besteht und der Käufer nach derzeitigem Sachstand ziemlich sicher sein kann, dass das Neufahrzeug ohne Mängel gerade auch der hier streitigen Art ausgeliefert werden wird. Es ist deshalb nach Ansicht des Gerichts nicht verwerflich, der höchst streitigen Nachbesserung des Herstellers im Rahmen des „Diesel-Abgasskandals“ nicht zu vertrauen, andererseits aber bei zeitlich nach dem Beginn des „Abgasskandals“ auf den Markt gekommenen Neufahrzeugen unter Berücksichtigung der neu laufenden Gewährleistungsfrist auf die Mangelfreiheit zu vertrauen.

e) Eine Nachlieferung ist auch nicht unmöglich i. S. des § 275 I BGB.

Vorliegend lag eine Gattungsschuld vor. Eine Ersatzlieferung wird erst dann unmöglich, wenn die gesamte Gattung untergegangen bzw. mangelhaft ist (Palandt/Weidenkaff, BGB, 77. Aufl., § 439 Rn. 15).

Im Streitfall ist zwar davon auszugehen, dass alle Fahrzeuge des Typs Tiguan aus der ersten Baureihe mit dem Dieselmotor EA189 mangelbehaftet sind. Die Nachlieferung ist aber durch die Überlassung eines Fahrzeugs der aktuellen Baureihe des Tiguan, also des „Tiguan II“, mit dem anderen Motor möglich.

Der Auffassung der Beklagten, dass die Fahrzeuge der aktuellen Serienproduktion des Typs Tiguan einer anderen Gattung angehören, kann nicht gefolgt werden. Eine Gattung bilden alle Gegenstände, die durch gemeinschaftliche Merkmale (Typ, Sorte, u. U. auch Preis) gekennzeichnet sind und sich dadurch von anderen Gegenständen abheben. Über die Abgrenzung entscheidet der Parteiwille (Palandt/Grüneberg, BGB, 77. Aufl., § 243 Rn. 2).

Im Streitfall ist demnach die Regelung unter IV 6 der Neuwagen-Verkaufsbedingungen der Beklagten, die unstreitig in den Kaufvertrag einbezogen waren, zu berücksichtigen. Dort heißt es unter anderem:

„Konstruktions- oder Formänderungen, Abweichungen im Farbton sowie Änderungen des Lieferumfangs seitens des Herstellers während der Lieferzeit bleiben vorbehalten, sofern die Änderungen oder Abweichungen unter Berücksichtigung der Interessen des Verkäufers für den Käufer zumutbar sind. Sofern der Verkäufer oder Hersteller zur Bezeichnung der Bestellung oder des bestellten Kaufgegenstandes Zeichen oder Nummern gebraucht, können allein daraus keine Rechte begründet werden.“

Der Motor des „Tiguan II“ hat 10 PS mehr (150 PS statt 140 PS) und erfüllt anstelle der Euro-5-Norm die Euro-6-Norm. Weiter ist der „Tiguan II“ gegenüber dem „Tiguan I“, wie aus den von der Beklagten eingereichten Unterlagen ersichtlich ist, um einige Zentimeter größer, hat mehr Ladevolumen, und die technische Ausstattung und das Design wurden leicht abgeändert. Diese Änderungen sind jedoch nicht so erheblich, dass man davon ausgehen könnte, dass der „Tiguan II“ einer eigenen Gattung angehören würde. Die Abweichungen optischer Art sind als gering zu bewerten. Auch die technischen Veränderungen sind nur leichterer Natur und letztlich nicht erheblich. Die Abweichungen zwischen den Modellen sind deshalb insgesamt als gering zu bewerten und wären dem Kunden nach IV 6 der Neuwagen-Verkaufsbedingungen zuzumuten, falls die Volkswagen AG nach der Bestellung, aber vor der Auslieferung des Fahrzeugs an den Kläger die Produktion des „Tiguan I“ eingestellt und auf den „Tiguan II“ umgestellt hätte.

Zwar ist es richtig, dass die in Bezug genommenen Neuwagenbedingungen hier eine Klausel zugunsten des Verkäufers enthalten. Daraus lässt sich aber der allgemeine Grundsatz für dieses Kaufvertragsverhältnis ableiten, dass auch im Gegenzug der Verkäufer ihm zumutbare Änderungen der Leistungen erbringen muss. Das ist hier nach obigen Erörterungen der Fall.

Soweit die Beklagte darauf verweist, der „Tiguan II“ basiere auf einem neuen modularen Querbaukasten, ist das unerheblich. Derartige technische Details sind in aller Regel für einen Verbraucher, der sich einen Pkw kauft, nicht von Bedeutung und ihm zumeist nicht einmal bekannt. Zudem verpflichtet IV 6 der Neuwagen-Verkaufsbedingungen den Käufer gerade, auch Konstruktions- und Formänderungen hinzunehmen, sofern diese für ihn zumutbar sind, was hier, wie ausgeführt, angesichts der nur geringen optischen und technischen Änderungen vorliegt (so jedenfalls entgegen der von der Beklagten zitierten umfangreichen Rechtsprechung: LG Offenburg, Urt. v. 21.03.2017 – 3 O 77/16; LG Potsdam, Urt. v. 24.11.2017 – 6 O 36/17; neuerdings wohl auch dahin tendierend: OLG Stuttgart in einem Hinweis in der Sache 3 U 133/17).

f) Der Kläger schuldet der Beklagten keinen Wertersatz für die Nutzung des Fahrzeugs.

Gemäß § 474 II 1 BGB a.F. ist bei einem Verbrauchsgüterkauf kein Wertersatz für Nutzungen des Verbrauchers zu leisten (im Zeitpunkt des Kaufs geltende Gesetzesänderung in Folge der Entscheidung des EuGH, Urt. v. 17.04.2008 – C-404/06, NJW 2008, 1433 – Quelle AG/Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände). Eine Abweichung von dieser klaren gesetzlichen und europarechtlichen Regelung ist nicht deshalb angezeigt, weil der Kläger das zurückzugebende Fahrzeug ohne jegliche mängelbedingte Einschränkung hat nutzen können, denn im Rahmen des Verbraucherrechtschutzes ist gerade uneingeschränkt für alle Fälle geregelt, dass Nutzungen nicht herauszugeben sind.

g) Der Anspruch auf Nachlieferung ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Hersteller im Wege „vertrauensbildender Maßnahmen“ die Bescheinigung … und die Erklärung abgibt, wonach jedem Kunden für den Zeitraum von 24 Monaten (max. Fahrleistung 250.000 km) zugesagt werde, eventuellen Beschwerden im Zusammenhang mit den technischen Maßnahmen an den Dieselfahrzeugen nachzugehen. Denn die Bescheinigung … zeigt nur, dass der Fahrzeughersteller der Auffassung ist, mit dem Softwareupdate seien alle Probleme gelöst. Rechtlich verbindliche Erklärungen werden insoweit jedoch nicht abgegeben, sodass sich ein Käufer eines betroffenen Fahrzeugs hierauf nicht in zumutbarer Weise einlassen kann und muss.

2. Die Beklagte befindet sich mit der Rücknahme des Fahrzeugs im Verzug. Der Kläger hat mit Schreiben vom 16.01.2017 die Beklagte aufgefordert, ihm ein Neufahrzeug zu liefern, was nach obigen Erörterungen auch problemlos möglich wäre. Die Beklagte hätte mithin das Fahrzeug des Klägers nach Fristablauf zurücknehmen müssen.

3. Die Beklagte schuldet dem Kläger die Freistellung von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klägerpartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.613,24 € gemäß §§ 280 I, II, 286 BGB. Zum Zeitpunkt der Entstehung dieser Kosten hatte der Kläger einen fälligen und durchsetzbaren Anspruch auf Nachlieferung eines … Fahrzeugs. Eine Mahnung war entbehrlich, da die Beklagte die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert hatte. …

Hinweise: 1. Das OLG Stuttgart hat den Parteien im Verfahren 3 U 133/17 folgenden Hinweis erteilt:

„Es erscheint zweifelhaft, ob die Annahme des Landgerichts, eine Nachlieferung sei unmöglich, tragfähig begründet ist. Nach dem beiderseitigen Sachvortrag und den Feststellungen des Landgerichts ergeben sich infolge einer Änderung der Motorisierung beim Modell Škoda Yeti Abweichungen in der Ausstattung nur insofern, als nach den Änderungen ab Juni 2015 der 2,0-Liter-Motor mit 1968 cm3 nunmehr nur noch in einer Leistungsstufe mit 110 kW (150 PS) angeboten wird, Diese Änderung wurde von N von Škoda Deutschland in der mündlichen Verhandlung beim Landgericht als ‚Facelifting‘ bezeichnet. Sie haben nach seinen Angaben – was zwangsläufig ist – Folgewirkungen für die Parameter Höchstgeschwindigkeit, Verbrauch, Gewicht und& Beschleunigung. Damit zusammen hängen wohl auch die günstigeren Emissionswerte mit der Folge einer Einstufung in Euro 6. Im Tatsächlichen ist dies unstreitig. Nach vorläufiger Einschätzung des Senats handelt es sich hier bei der Leistungsänderung um 10 PS gegenüber dem gekauften Fahrzeug mit entsprechenden Auswirkungen auf die genannten Werte nicht um mehrfache Unterschiede in der Fahrzeugausstattung, sondern um eine einheitliche Veränderung, die nicht so gravierend sein dürfte, dass damit schon eine Gattungsänderung verbunden ist.“

2. Das OLG Hamburg hat der Berufung der Beklagten mit Urteil vom 21.12.2018 – 11 U 55/18 – stattgegeben und die Klage abgewiesen.

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