- Ein vom VW-Abgasskandal betroffener Neuwagen – hier: ein Škoda Octavia II – ist schon deshalb mangelhaft (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB), weil das Fahrzeug im Rahmen einer vom Kraftfahrt-Bundesamt angeordneten Rückrufaktion zwingend ein Softwareupdate erhalten muss. Denn daraus, dass es dem Käufer nicht freisteht, ob er das Update installieren lässt, kann geschlossen werden, dass das Fahrzeug ohne das Update mangelhaft ist.
- Der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen und deshalb mangelhaften Škoda Octavia II hat gegen den Verkäufer keinen Anspruch auf Lieferung eines mangelfreien Fahrzeugs (§ 439 I Fall 2 BGB), sondern nur einen Anspruch auf Beseitigung des Mangels (§ 439 I Fall 1 BGB). Denn zum einen ist dem Verkäufer die Lieferung eines nicht vom VW-Abgasskandal betroffenen fabrikneuen Škoda Octavia II mit einem 1,6-Liter-Dieselmotor i. S. des § 275 I BGB unmöglich, weil Fahrzeuge der zweiten Generation nicht mehr hergestellt werden und die bereits hergestellten Fahrzeuge vom VW-Abgasskandal betroffen sind. Zum anderen kann der Käufer nicht erfolgreich die Lieferung eines Fahrzeugs der dritten Generation (Škoda Octavia III) verlangen, und zwar auch dann nicht, wenn der Kfz-Kaufvertrag einen Änderungsvorbehalt i. S. des § 308 Nr. 4 BGB enthält.
LG Stuttgart, Urteil vom 12.01.2018 – 19 O 66/17
Sachverhalt: Der Kläger nimmt die Beklagte gestützt auf §§ 437 Nr. 1, 439 I Fall 2 BGB auf Lieferung eines mangelfreien Neuwagens in Anspruch.
Er bestellte am 15.08.2010 bei der Beklagten, einer von der Škoda Auto, a.s. – einer hundertprozentigen Tochter der Volkswagen AG – autorisierten Kfz-Händlerin, einen fabrikneuen Škoda Octavia Combi 1.6 TDI mit Dieselpartikelfilter und einer Leistung von 77 kW (105 PS). In der verbindlichen Bestellung des Klägers ist der Bestellschlüssel „1Z5221“ angegeben; ihr lagen die Neuwagen-Verkaufsbedingungen der Beklagten zugrunde, die in Abschnitt IV bestimmen:
„6. Konstruktions- oder Formänderungen, Abweichungen im Farbton sowie Änderungen des Lieferumfangs seitens des Herstellers bleiben während der Lieferzeit vorbehalten, sofern die Änderungen oder Abweichungen unter Berücksichtigung der Interessen des Verkäufers für den Käufer zumutbar sind.“
Am 19.08.2010 lieferte die Beklagte dem Kläger ein der Bestellung entsprechendes Fahrzeug. Dieses ist mit einem 1,6-Liter-Dieselmotor des Typs EA189 (Euro 5) ausgestattet und deshalb vom VW-Abgasskandal betroffen. Sobald eine Software zur Steuerung des Motors erkennt, dass das Fahrzeug auf einem Prüfstand einen genormten Fahrzyklus (NEFZ) durchfährt, wird ein bestimmter Betriebsmodus („Modus 1“) aktiviert. In diesem Modus ist die Abgasrückführungsrate höher und sind deshalb die Stickoxidemissionen geringer als in dem Modus, in dem das Fahrzeug normalerweise betrieben wird („Modus 0“).
Das Kraftfahrt-Bundesamt betrachtet die Software als unzulässige Abschalteinrichtung i. S. von Art. 3 Nr. 10, 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.06.2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge.
Seit Januar 2013 produziert die Škoda Auto, a.s. Fahrzeuge des Typs Skoda Octavia Combi 1.6 TDI mit dem Bestellschlüssel „1Z5221“ nicht mehr. Produziert werden mittlerweile stattdessen Fahrzeuge der dritten Generation. Sie bauen auf dem „modularen Querbaukasten“ (MQB) des VW-Konzerns auf und sind bis zu 100 kg leichter sowie länger und breiter als Fahrzeuge der zweiten Modellgeneration; außerdem haben die neueren Fahrzeuge mehr Innenraumvolumen und ein anderes – klarer und schärfer geschnittenes – Design. Sie sind mit 1.6-TDI-Motoren des Typs EA288 (85 kW/115 PS; Euro 6) ausgestattet.
Nach Bekanntwerden des VW-Abgasskandals beauftragte der Kläger seine jetzigen Prozessbevollmächtigten mit der vorgerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Beklagte. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers forderten die Beklagte mit Schreiben vom 30.08.2016 auf, dem Kläger bis zum 11.10.2016 einen „nach aktuellen Vorschriften zulassungsfähigen mangelfreien und vertragsgemäßen Neuwagen“ zu liefern. Für diese Tätigkeit stellten sie dem Kläger 1.899,24 € in Rechnung.
Die Beklagte wies das Nacherfüllungsbegehren des Klägers mit Schreiben vom 13.09.2016 zurück.
Der Kläger ist der Ansicht, das streitgegenständliche Fahrzeug sei wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung mangelhaft. Durch die Installation eines Softwareupdates, die die Beklagte anbiete, könne der Mangel nicht beseitigt werden. Welche Auswirkungen das Update langfristig haben werde, sei abzusehen; zu rechnen sei insbesondere mit einer Erhöhung des Kraftstoffverbrauchs und einer Verringerung der Dauerhaltbarkeit.
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: II. 1. Soweit der Kläger von der Beklagten die Lieferung eines mangelfreien fabrikneuen typengleichen Ersatzfahrzeugs aus der aktuellen Serienproduktion des Herstellers verlangt, ist die Klage … unbegründet. Der Kläger hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Lieferung eines Škoda Octavia Combi 1.6 TDI der gegenwärtig von der Škoda Auto, a.s. produzierten dritten Modellgeneration.
a) Ein Anspruch des genannten Inhalts ergibt sich insbesondere nicht aus §§ 434, 435, 437 Nr. 1, 439 I Fall 2 BGB.
aa) Die Auslegung des zuletzt gestellten Klageantrags ergibt, dass der Kläger von der Beklagten die Lieferung eines typengleichen Fahrzeugs aus der aktuellen Serienproduktion mit einer Ausstattung, die gleichwertig und gleichartig mit der des gekauften Fahrzeugs ist, verlangt. Raum für eine andere gerichtliche Auslegung anhand des Klägervortrags (BGH, Urt. v. 16.11.2016 – VIII ZR 297/15 Rn. 17) besteht nicht. Vielmehr zeigt insbesondere das prozessuale Verhalten des Klägers – auch in der mündlichen Verhandlung vom 01.12.2017 –, dass er ausschließlich die Nachlieferung eines Neuwagens aus der aktuellen Produktion wünscht.
Der Kläger hat zur Begründung seiner geltend gemachten Ansprüche pauschal vorgetragen, dass es keinen Modellwechsel bei dem vom ihm – im Jahr 2010 bestellten und an ihn gelieferten – Fahrzeug gegeben habe und dass eine aktuell produzierte Variante des Škoda Octavia Combi ein gleichartiges und gleichwertiges Ersatzfahrzeug darstelle.
Dieser pauschale Vortrag genügt nicht den Grundsätzen substanziierten Bestreitens. Weiter wurde der Vortrag der Beklagten zum Modellwechsel im Schriftsatz vom 16.11.2017 nicht bestritten. Die Beklagte hat dezidiert – und im Ergebnis unbestritten – vorgetragen, dass das streitgegenständliche Fahrzeug ein Škoda Octavia Combi 1.6 TDI der zweiten Generation mit der internen Bezeichnung „Typ 1Z“ auf Basis der PQ35-Plattform ist. Weiter wurde vonseiten der Beklagten – im Ergebnis unbestritten – vorgetragen, dass es im Januar 2013 zu einem Modellwechsel kam und seitdem der Škoda Octavia Combi in der dritten Generation mit der internen Bezeichnung „Typ 5E“ auf modularer Querbaukasten-Basis (MQB) gebaut wird. Die Škoda Octavia Combi der dritten Generation wurden zusätzlich im Zeitraum 2016/2017 einem sogenannten Facelift unterzogen.
Sofern die Beklagte Beweis durch Zeugenvernehmung und Sachverständigengutachten angeboten hat, war eine Beweisaufnahme nicht angezeigt, da ihr Vortrag im Ergebnis unbestritten geblieben ist und gerichtsbekannt der Realität entspricht. So wird der Škoda Octavia Combi 1.6 TDI der zweiten Generation seit Januar 2013 nicht mehr hergestellt (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/%C5%A0koda_Octavia_II) und der Motortyp EA189 1.6 TDI mit 77 kW (Motorkennung CAYC) auch nicht mehr gebaut (Steenbuck, MDR 2016, 185 [187]).
bb) Ein Rechtsmangel liegt nicht vor.
Nach § 435 Satz 1 BGB ist die Sache frei von Rechtsmängeln, wenn Dritte in Bezug auf die Sache keine oder nur die im Kaufvertrag übernommenen Rechte gegen den Käufer geltend machen können. Auf öffentlichem Recht beruhende Eingriffsbefugnisse, Beschränkungen und Bindungen, welche die Nutzung der Kaufsache beeinträchtigen, können einen Rechtsmangel nur dann begründen, wenn das Eingreifen öffentlich-rechtlicher Normen nicht Folge eines Sachmangels ist (BGH, Urt. v. 18.01.2017 – VIII ZR 234/15 Rn. 18).
Dem Fahrzeug wurde die notwendige Typgenehmigung nach § 19 StVZO erteilt. Die Typgenehmigung ist nicht durch den Einsatz der manipulierten Software unwirksam. Zwar ist gemäß Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 Voraussetzung für die Erteilung der Typgenehmigung für ein Kraftfahrzeug, dass dessen Emissionen den Grenzwerten der Verordnung entsprechen; die Verwendung einer Manipulationssoftware führt aber nicht zur Unwirksamkeit der möglicherweise materiell nicht berechtigten Genehmigung (LG Stuttgart, Urt. v. 17.02.2017 – 26 O 106/16; LG Ansbach, Urt. v. 31.10.2016 – 2 O 226/16), weswegen das zuständige Kraftfahrt-Bundesamt von einer Fahrzeugstilllegung bis zur Durchführung der Rückrufaktion absieht.
cc) Durch die eingebaute Manipulationssoftware liegt jedoch ein Mangel nach § 434 I 2 Nr. 2 BGB vor. Zwar eignet sich das Fahrzeug trotz der manipulierten Abgassoftware für die nach dem Vertrag vorausgesetzte (§ 434 I 2 Nr. 1 BGB) und gewöhnliche Verwendung, aber der Pkw hat nicht die Beschaffenheit, die bei Fahrzeugen gleicher Art üblich ist.
Nach Art. 5 I, II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ist die Verwendung sogenannter Abschalteinrichtungen – welche die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern – prinzipiell verboten. Auch der Durchschnittskäufer eines Fahrzeugs kann davon ausgehen, dass die gesetzlich vorgegebenen Abgaswerte, die sich aus der Zulassungsbescheinigung Teil I (Schadstoffklasse) ergeben und teilweise auch im technischen Datenblatt (BGH, Urt. v. 21.12.2011 – I ZR 190/10, NJW 2012, 2276) festgehalten sind, nicht nur deshalb eingehalten werden, weil eine Software installiert worden ist, die dafür sorgt, dass der Prüfstandlauf erkannt und über entsprechende Programmierung der Motorsteuerung in gesetzlich unzulässiger Weise bezüglich des Stickoxidausstoßes manipuliert wird (LG Stuttgart, Urt. v. 17.02.2017 – 26 O 106/16).
Auch unter Berücksichtigung der Erwägung Nr. 15 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007
(„Die Kommission sollte prüfen, ob der Neue Europäische Fahrzyklus, der den Emissionsmessungen zugrunde liegt, angepasst werden muss. Die Anpassung oder Ersetzung des Prüfzyklus kann erforderlich sein, um Änderungen der Fahrzeugeigenschaften und des Fahrerverhaltens Rechnung zu tragen. Überprüfungen können erforderlich sein, um zu gewährleisten, dass die bei der Typgenehmigungsprüfung gemessenen Emissionen denen im praktischen Fahrbetrieb entsprechen. Der Einsatz transportabler Emissionsmesseinrichtungen und die Einführung des „not-to-exceed”-Regulierungskonzepts (der Hersteller muss gewährleisten, dass sein Fahrzeug in allen Betriebszuständen die Grenzwerte nicht überschreitet) sollten ebenfalls erwogen werden.“)
kann der Käufer nach dem Sinn und Zweck der Vorschriften (Art. 5 I, II, 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 etc.) erwarten, dass die Laborbedingungen die Abgaswerte bei einer durchschnittlichen Fahrweise durch Imitation bestimmter standardisierter Straßensituationen abbilden (LG Stuttgart, Urt. v. 17.02.2017 – 26 O 106/16).
Der Mangel ergibt sich damit nicht daraus, dass die unter Laborbedingungen gemessenen Werte im alltäglichen Straßenverkehr nicht eingehalten werden, sondern basiert darauf, dass der Motor die Vorgaben unter Laborbedingungen nur aufgrund der manipulierten Software einhält (vgl. u. a. LG Stuttgart, Urt. v. 17.02.2017 – 26 O 106/16; LG Dortmund, Urt. v. 12.05.2016 – 25 O 6/16; LG Bochum, Urt. v. 16.03.2016 – I-2 O 425/15; LG Münster, Urt. v. 14.03.2016 – 011 O 341/15; OLG Celle, Beschl. v. 30.06.2016 – 7 W 26/16).
Ebenfalls stellt es einen Mangel dar, dass das Fahrzeug auch nach dem Vorbringen der Beklagten einem Softwareupdate unterzogen werden muss, denn wenn es dem Kläger aufgrund der Vorgaben des Kraftfahrt-Bundesamtes nicht freisteht, dem Rückruf seines Fahrzeugs Folge zu leisten, kann aus dem Fehlen des beim Rückruf aufzuspielenden Softwareupdates auch auf die Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs geschlossen werden (LG Stuttgart, Urt. v. 17.02.2017 – 26 O 106/16; LG Oldenburg, Urt. v. 01.09.2016 – 16 O 790/16).
dd) Jedoch ergibt sich ein Anspruch des genannten Inhalts bereits grundsätzlich nicht aus den §§ 437 Nr. 1, 439 I Fall 2 BGB. Der Nachlieferungsanspruch nach § 439 I Fall 2 BGB stellt einen modifizierten Erfüllungsanspruch dar und kann daher nicht weiter reichen als der ursprüngliche Erfüllungsanspruch (BGH, Urt. v. 15.07.2008 – VIII ZR 211/07, NJW 2008, 2837 Rn. 18). Der Käufer kann über die Nachlieferung nicht mehr erhalten, als er vertraglich zu beanspruchen hat. Vertraglich hatte der Kläger einen Anspruch auf Lieferung eines Neufahrzeugs des Typs Škoda Octavia Combi 1.6 TDI der zweiten Generation mit dem Modell-Bestellschlüssel „5N1044“.
Die von der Klägerseite aufgeführte und in Abschnitt VI Nr. 6 der Neuwagen-Verkaufsbedingungen der Beklagten enthaltene Regelung ändert daran nichts. Zwar stehen die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien über die Gattung gemäß §§ 133, 157 BGB grundsätzlich der ergänzenden Auslegung offen (LG Stuttgart, Urt. v. 26.06.2017 – 2 O 26/17). Allerdings hat die genannte Klausel allein ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gemäß § 315 I BGB für den Verkäufer zum Gegenstand. Ein spiegelbildlicher Anspruch des Käufers auf Lieferung eines Fahrzeugs, welches von der vereinbarten Gattung abweicht, lässt sich daraus nicht herleiten. Insbesondere lässt sich daraus nicht der Schluss ziehen, dass sich der Käufer im Falle einer zwischenzeitlichen Umstellung der Produktion nicht mehr auf die Lieferung eines Fahrzeugs mit den von ihm ausdrücklich bestellten Merkmalen verweisen lassen müsste (LG Darmstadt, Urt. v. 27.03.2017 – 13 O 543/16). Das Leistungsbestimmungsrecht des Verkäufers ist im Rahmen billigem Ermessens auszuüben, weshalb es der Beklagten auch nicht ermöglichen würde, dem Käufer eines Octavia III mit Erfüllungswirkung einen Octavia II zu liefern. Ein – unterstellter – Nacherfüllungsanspruch hat keinen weitergehenden Inhalt.
Ob die Erfüllung des Anspruchs auf Nachlieferung eines Škoda Octavia Combi 1.6 TDI der zweiten Generation als Neufahrzeug der Beklagten unmöglich ist oder jedenfalls die Berufung der Beklagten auf die Unverhältnismäßigkeit der Kosten dieser Form der Nachbesserung durchgreift, ist im Ergebnis nicht entscheidungserheblich, da der Kläger etwas anderes verlangt. Ein Octavia III ist kein Octavia II. Aus nämlichem Grund könnte die Beklagte auch Mängelansprüche von Käufern eines Octavia III nicht mit der Nachlieferung eines Octavia II erfüllen. Die Argumentation, ein Modellwechsel gehe so zulasten des Käufers, verfängt hierbei nicht. Der Käufer ist nicht schlechter gestellt, da er seine anderen Mangelrechte – die die Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung sichern – behält. Schlechter gestellt wäre nur die Beklagte, wenn sie aufgrund des Modellwechsels dem Kläger ein – regelmäßig bedeutend höherwertiges – Fahrzeug liefern müsste, ohne einen finanziellen Ausgleich erlangen zu können. Dabei gibt es keinen Grund, die Folgen eines Modellwechsels zulasten der Beklagten gehen zu lassen, die auf die Einführung einer neuen Modellgeneration durch die Herstellerin in etwa den gleichen Einfluss haben dürfte wie der Kläger.
Die Neuwagen-Verkaufsbedingungen lassen Änderungen im Übrigen nur bis zum Zeitpunkt der (erstmaligen) Auslieferung zu (LG Aachen, Urt. v. 21.03.2017 – 10 O 177/16).
ee) Die vom Kläger begehrte Nachlieferung eines Fahrzeugs nach den §§ 437 Nr. 1, 439 I Fall 2 BGB, das die gesetzlichen EU-Grenzwerte, insbesondere die Euro-5-Norm, nicht überschreitet, ist überdies auch nach § 275 I BGB unmöglich, sodass sich eine etwaige Pflicht zur Nacherfüllung auf die – vom Kläger explizit nicht gewünschte und abgelehnte – Nachbesserung beschränkt.
Gemäß § 275 I BGB ist der Anspruch auf Leistung ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist. Unmöglichkeit in objektiver Hinsicht liegt vor, wenn die Leistung nach den Naturgesetzen oder nach dem Stand der Erkenntnis von Wissenschaft und Technik schlechthin nicht erbracht werden kann (BGH, Urt. v. 13.01.2011 – III ZR 87/10 Rn. 10). Hat der Vertrag – wie hier – die Lieferung einer Gattungsschuld zum Gegenstand, hängt die Feststellung der Unmöglichkeit entscheidend davon ab, ob sich die Schuld bereits auf ein bestimmtes Stück konkretisiert hat oder nicht. Wenn – wie hier – eine Konkretisierung nicht vorliegt, kann Unmöglichkeit nur bei Untergang der ganzen Gattung angenommen werden. Davon ist im vorliegenden Fall auszugehen.
Geht der Nachlieferungsanspruch des Käufers – wie hier – auf Lieferung einer neuen, den Ansprüchen an die Vertragsgemäßheit genügenden anderen Sache derselben Gattung, ist dies solange möglich, wie es Sachen mit den der Gattung beigelegten Merkmalen und in sonst vertragsgemäßer Beschaffenheit gibt; andernfalls ist eine Nachlieferung unmöglich (MünchKomm-BGB/Westermann, 7. Aufl. [2016], § 439 Rn. 12; jurisPK-BGB/Seichter, 8. Aufl. [2017], § 275 Rn. 20).
Die Frage, ob die Leistung aus der Gattung möglich ist, hängt davon ab, wie die Vertragsparteien den Umfang der Gattung bestimmt haben (LG Stuttgart, Urt. v. 26.06.2017 – 2 O 26/17; Staudinger/Caspers, BGB, Neubearb. 2014, § 275 Rn. 21). Eine Nachlieferung ist nach der Vorstellung der Kaufvertragsparteien hierbei nur möglich, wenn die Kaufsache im Falle ihrer Mangelhaftigkeit durch eine gleichartige und gleichwertige ersetzt werden kann.
aaa) Das streitgegenständliche Fahrzeug des Typs Skoda Octavia Combi 1.6 TDI der zweiten Generation mit der internen Bezeichnung „Typ 1Z“ auf Basis der PQ35-Plattform wird seit Januar 2013 nicht mehr hergestellt (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/%C5%A0koda_Octavia_II) und der Motortyp EA189 1.6 TDI mit 77 kW (Motorkennung CAYC) auch nicht mehr gebaut (Steenbuck, MDR 2016, 185 [187]).
Ein – ohne das vom Kläger abgelehnte Softwareupdate – mangelfreies Neufahrzeug der vom Kläger erworbenen Generation ist auf dem Markt nicht vorhanden. Die Gattung ist nach alledem untergegangen, ein Ersatzlieferungsanspruch ausgeschlossen und der Kläger auf eine andere Art der Nacherfüllung angewiesen (vgl. u. a. LG Stuttgart, Urt. v. 26.06.2017 – 2 O 26/17; LG Kempten, Urt. v. 29.03.2017 – 13 O 808/16; LG Darmstadt, Urt. v. 27.03.2017 – 13 O 543/16; LG Aachen, Urt. v. 21.03.2017 – 10 O 177/16; LG Hagen, Urt. v. 07.10.2016 – 9 O 58/16).
bbb) Die Lieferung eines Fahrzeugs aus der aktuellen Produktion des Modells kann der Kläger nicht verlangen. Die heute produzierten Modelle sind nicht Teil der Fahrzeuggattung, die dem hier streitgegenständlichen Kaufvertrag zugrunde liegt, mithin weder gleichartig noch gleichwertig. Vor allem die Motorisierung der aktuell produzierten Fahrzeuge entspricht nicht derjenigen, die zwischen den Parteien vereinbart wurde. Die Leistungswerte, Abgaswerte und die Haltbarkeit eines Motors stellen zweifelsfrei das wesentliche Kerninteresse beim Fahrzeugkauf dar, dies selbst nach klägerischem Vortrag.
Die Fahrzeuge der aktuellen, dritten Generation unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich der streitgegenständlichen Software, sondern auch in der Motorisierung, insbesondere der Motorleistung, sonstigen technischen Weiterentwicklungen und der Ausstattung. So sind Fahrzeuge aus der aktuellen Generation – mit der internen Bezeichnung „Typ 5E“ auf modularer Querbaukasten-Basis (MQB) – bis zu 100 kg leichter, in den Abmessungen länger und breiter, haben mehr Innenraumvolumen und ein neues Design. Die aktuell verbauten 1.6-TDI- Motoren des Typs EA288 erfüllen zudem die Euro-6-Norm und haben mit 85 kW (115 PS) spürbar mehr Leistung als der vom Kläger bestellte Motor. Die Neulieferung eines fabrikneuen typengleichen Ersatzfahrzeugs aus der aktuellen Produktion würde deswegen lediglich ein aliud darstellen, auf das der Kläger keinen Anspruch hat.
Die Lieferung aus der dem Vertrag zugrunde liegenden Gattung ist nach alledem wegen Einstellung der Produktion des vom Kläger ursprünglich bestellten Fahrzeug dauerhaft objektiv nicht mehr möglich (vgl. insoweit auch OLG Nürnberg, Urt. v. 15.12.2011 – 13 U 1161/11).
b) Ein Anspruch mit dem genannten Inhalt ergibt sich auch nicht aus den Grundsätzen der „Prospekthaftung im weiteren Sinn“. Selbst im tatsächlichen Anwendungsbereich der Prospekthaftung richten sich daraus resultierende Ansprüche des Anlegers darauf, so gestellt zu werden, als gebe der Prospekt die Wirklichkeit wieder, und nicht darauf, so gestellt zu werden, als entspreche die Wirklichkeit den Angaben im Prospekt. Der Kläger hat nicht schlüssig dazu vorgetragen, warum er jetzt Eigentümer eines Škoda Octavia Combi III sein sollte, wenn er vor dem Kauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs davon in Kenntnis gesetzt worden wäre, dass in diesem eine unzulässige Abschalteinrichtung i. S. von Art. 5 II, 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 installiert ist.
c) Der geltend gemachte Anspruch steht dem Kläger auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Schadensersatzanspruchs gemäß § 823 II BGB i. V. mit Art. 12, 18 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 bzw. §§ 4, 6, 25 EG-FGV zu. Die bezeichneten Rechtsvorschriften richten sich nicht an die Beklagte, die – unstreitig – weder Kraftfahrzeuge herstellt noch sich als Herstellerin von Kraftfahrzeugen geriert.
2. Soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet, ist die Klage ebenfalls unbegründet. Die Beklagte ist nicht in Annahmeverzug geraten, weil der Kläger die Herausgabe des Fahrzeugs nur für den Fall der Erfüllung eines ihm nicht zustehenden Anspruchs angeboten hat.
3. Die zulässige Klage auf Freistellung von vorgerichtlich eingegangenen Verpflichtungen des Klägers gegenüber seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten in Höhe von 1.899,24 € ist ebenso unbegründet. Der Freistellungsanspruch scheitert daran, dass die jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers vorgerichtlich eine tatsächlich nicht bestehende Forderung gegenüber der Beklagten geltend gemacht haben. Eine solche Rechtsverfolgung ist nicht erforderlich, die Beklagte daher nicht zum Ersatz der Kosten verpflichtet. …