1. Der Anspruch des Käufers eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Neuwagens auf Lieferung eines mangelfreien Fahrzeugs (§§ 437 Nr. 1, 439 I Fall 2 BGB) ist gemäß § 275 I BGB wegen Unmöglichkeit ausgeschlossen, wenn das Fahrzeug – hier: ein VW Tiguan 2.0 TDI BMT 4MOTION – so wie vom Käufer ursprünglich bestellt nicht mehr produziert wird, sondern nur noch ein optisch und technisch überarbeitetes Nachfolgemodell hergestellt wird. Darauf, ob die Änderungen einen „Modellwechsel“ begründen oder ob sie lediglich als „Facelift“ oder „Modellpflege“ bezeichnet werden, kommt es insoweit nicht an.
  2. In einem solchen Fall kann der Käufer auch dann nicht mit Erfolg die Ersatzlieferung eines Fahrzeugs der aktuellen Baureihe verlangen, wenn der Kaufvertrag einen Änderungsvorbehalt i. S. des § 308 Nr. 4 BGB enthält.

LG Stuttgart, Urteil vom 26.6.2017 – 2 O 26/17

Sachverhalt: Der Kläger verlangt von der Beklagten die Ersatzlieferung (§ 439 I Fall 2 BGB) eines fabrikneuen Pkw.

Er bestellte bei der Beklagten am 05.05.2015 einen VW Tiguan 2.0 TDI BMT 4MOTION zum Preis von 45.303,99 €. Die Auslieferung des Fahrzeugs erfolgte am 21.05.2015. Es ist vertragsgemäß mit einem Dieselmotor des Typs EA189 ausgestattet, der eine Leistung von 130 kW (177 PS) erbringt.

Für den Fahrzeugtyp wurde eine EG-Typgenehmigung erteilt. Voraussetzung für die Erteilung einer Typgenehmigung ist unter anderem, dass die in Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufgeführten Emissionsgrenzwerte (hier: die Euro-5-Grenzwerte) eingehalten werden. Ob das der Fall ist, wird an Testfahrzeugen unter Laborbedingungen auf einem Prüfstand geprüft. Im Fahrzeug des Klägers ist wie in anderen Fahrzeugen mit einem EA189-Dieselmotor eine Software installiert, die erkennt, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand einen Emissionstest absolviert oder ob es regulär im Straßenverkehr betrieben wird. Auf dem Prüfstand ist die Abgasrückführungsrate höher und sind deshalb die Schadstoffemissionen geringer als beim Betrieb des Fahrzeugs im Straßenverkehr mit der Folge, dass die einschlägigen Emissionsgrenzwerte zwar während eines Emissionstests eingehalten, ansonsten aber überschritten werden.

Der Kläger sieht darin einen Mangel und verlangte von der Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 15.03.2016 gestützt auf §§ 437 Nr. 1, 439 I Fall 2 BGB die Lieferung eines mangelfreien Neuwagens. Diesen Anspruch wies die Beklagte mit Schreiben vom 24.03.2016 zurück. Sie hält eine Ersatzlieferung für unmöglich, weil der VW Tiguan so, wie ihn der Kläger bestellt und erhalten habe, nicht mehr produziert werde.

Der Kläger meint demgegenüber, die Beklagte müsse ihm als Ersatz für den bereits gelieferten Pkw ein aktuelles Neufahrzeug, einen VW Tiguan 2.0 TDI BMT 4MOTION mit 140 kW (190 PS), liefern. Dieses – aus Sicht des Klägers gleichartige – Fahrzeug sei dem gelieferten Pkw gleichwertig. Ihm, dem Kläger, sei es schlicht darauf angekommen, ein Fahrzeug einer gewissen Preisklasse mit günstigen Emissions- und Verbrauchswerten und einer „PS-Zahl, welche das Fahrzeug hat“, zu erwerben. Dass das nun als Ersatz verlangte Fahrzeug über einen anderen Motor verfüge, spiele für ihn keine Rolle und hätte auch bei Abschluss des Kaufvertrages keine Rolle gespielt, wäre der VW Tiguan damals schon mit einem 190-PS-Motor ausgestattet gewesen. Insoweit – so meint der Kläger – müsse auch berücksichtigt werden, dass die Neuwagen-Verkaufsbedingungen der Beklagten in Abschnitt VI Nr. 6 einen Änderungsvorbehalt enthielten.

Entgegen ihrer Auffassung, so meint der Kläger weiter, könne die Beklagte eine Ersatzlieferung nicht deshalb gemäß § 439 III BGB verweigern, weil sie mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden sei. Denn jedenfalls sei ihm – dem Kläger – eine Nachbesserung durch die Installation eines Softwareupdates schon deshalb nicht zuzumuten, weil das Update von der Volkswagen AG zur Verfügung gestellt werde und man sich nicht auf eine Nachbesserung durch einen Betrüger einlassen müsse. Außerdem – so behauptet der Kläger – führe die Installation des Softwareupdates nicht zu einer Mangelbeseitigung; vielmehr habe sie unter anderem eine Verringerung der Motorleistung und einen Anstieg des Kraftstoffverbrauchs zur Folge. Davon abgesehen verbliebe trotz einer Nachbesserung durch die Installation eines Softwareupdates ein merkantiler Minderwert, da das streitgegenständliche Fahrzeug ein „Betrugsfahrzeug“ sei und bleibe. Schließlich meint der Kläger, dass die mit einer Nachbesserung seines Fahrzeugs verbundenen Kosten, anders als die Beklagte behaupte, nicht lediglich rund 100 € betrügen; vielmehr seien auch die Kosten für die Entwicklung des Softwareupdates zu berücksichtigen, die sich je Fahrzeug auf mehrere Tausend Euro beliefen.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: I. … Der Kläger hat keinen Anspruch auf Nachbesserung des gekauften Fahrzeugs in Form der Ersatzlieferung (1). Die weiteren Klageanträge bleiben ebenfalls erfolglos (2).

1. Die Voraussetzungen eines Ersatzlieferungsanspruchs aus § 439 I Fall 2 BGB liegen nicht vor, selbst wenn der Vortrag des Klägers als richtig unterstellt wird, dass das von ihm erworbene Fahrzeug mangelbehaftet ist.

Nach der genannten Vorschrift kann ein Käufer bei einem Mangel der Kaufsache als Nacherfüllung nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen. Dieser Ersatzlieferungsanspruch kann zum einen unter den Voraussetzungen des § 439 III BGB verweigert werden. Allgemein gilt zum anderen, dass eine Nacherfüllung insoweit ausscheidet, als sie in ihrer jeweiligen Form unmöglich i. S. des § 275 I BGB ist (MünchKomm-BGB/Westermann, 7. Aufl. [2016], § 439 Rn. 16). Dass diese Norm anders als § 275 II und III BGB in § 439 III BGB keine Erwähnung findet, lässt keinen gegenteiligen Rückschluss zu. Vielmehr beruht die Nichterwähnung darauf, dass der Grundsatz des impossibilium nulla obligatio generelle Geltung beansprucht.

Ist nur eine Form des Nacherfüllungsanspruchs unmöglich, beschränkt sich der Anspruch auf die andere Form der Nacherfüllung. In diesem Fall entfällt das Wahlrecht des Käufers (Jauernig/Berger, BGB, 16. Aufl. [2015], § 439 Rn. 22). So liegt die Sache hier. Die Lieferung eines Ersatzfahrzeugs ist der Beklagten unmöglich, da ein (zumal mangelfreies) Fahrzeug mit den Merkmalen, wie sie der Bestellung des Klägers zugrunde lagen, nicht mehr produziert wird (a). Ein anderes Ergebnis lässt sich auch nicht mit besonderen kaufrechtlichen Erwägungen rechtfertigen (b). Eine Vorlage an den EuGH ist nicht veranlasst (c).

a) Gemäß § 275 I BGB ist der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist. Unmöglichkeit in objektiver Hinsicht liegt vor, wenn die Leistung nach den Naturgesetzen oder nach dem Stand der Erkenntnis von Wissenschaft und Technik schlechthin nicht erbracht werden kann (BGH, Urt. v. 13.01.2011 – III ZR 87/10, juris Rn. 10). Weil das Leistungshindernis stets die geschuldete Leistung betreffen muss, hat der Bestimmung der Unmöglichkeit eine Bestimmung der geschuldeten Leistung vorauszugehen (MünchKomm-BGB/Ernst, 7. Aufl. [2016], § 275 Rn. 34).

Hat der Vertrag – wie hier (dazu aa) – die Lieferung einer Gattungsschuld zum Gegenstand, hängt die Feststellung der Unmöglichkeit entscheidend davon ab, ob sich die Schuld bereits auf ein bestimmtes Stück konkretisiert hat oder nicht. Wenn – wie hier (dazu bb) – eine Konkretisierung nicht vorliegt, kann Unmöglichkeit nur bei Untergang der ganzen Gattung angenommen werden. Davon ist im vorliegenden Fall auszugehen (cc).

aa) Wer keine konkrete, individualisierte Sache (Stückkauf) schuldet, sondern nur eine der Gattung nach bestimmte Sache, hat eine Sache von mittlerer Art und Güte zu leisten (§ 243 I BGB). Dabei ist eine Gattung eine Gruppe von Gegenständen, die durch gemeinschaftliche Merkmale von anderen Gegenständen abgrenzbar ist (z. B. durch Modell, Typ, Sorte, Jahrgang, nach den Umständen auch durch den Preis). Die Merkmale und damit die Grenzen der Gattung werden in erster Linie durch den Parteiwillen festgelegt (Hk-BGB/R. Schulze, 9. Aufl. [2017], § 243 Rn. 3). So liegt es hier.

Der Kläger hat kein bestimmtes, exklusiv für ihn gebautes Unikat bestellt. Er erwarb bei der Beklagten vielmehr ein Fahrzeug mit bestimmten technischen und äußerlichen Spezifikationen (vgl. die Rechnung mit den Neuwagenmerkmalen). Neben der generellen Modellbezeichnung (VW Tiguan) findet sich dort die genaue Bezeichnung der Motorisierung (2.0 TDI, 130 kW/177 PS). Hinzu kamen unter anderem die Bestimmung der Wagenfarbe, die Bestimmung der Ausstattungsdetails (z. B. Rückfahrkamera, Anhängerkupplung, Fahrassistenz-Paket).

In bestimmten Fällen wandelt sich die Gattungsschuld allerdings zu einer Stückschuld. Denn hat der Schuldner das zur Leistung einer solchen Sache seinerseits Erforderliche getan, so beschränkt sich gemäß § 243 II BGB das Schuldverhältnis auf diese Sache. Den Vortrag des Klägers zur Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs als richtig unterstellt, kann eine Konkretisierung vorliegend jedoch nicht angenommen werden. Denn eine Konkretisierung i. S. von § 243 II BGB kann allein durch Übergabe bzw. Angebot erfüllungstauglicher Sachen herbeigeführt werden (jurisPK-BGB/Toussaint, 8. Aufl. [2017], § 243 Rn. 23). Nur wenn die von dem Verkäufer ausgewählte und gelieferte Sache den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht, hat der Verkäufer auch das „zur Leistung Erforderliche“ getan (RG, Urt. v. 10.11.1908 – II 169/08, RGZ 69, 407 [409], BGH, Urt. v. 05.10.1966 – VIII ZR 98/64, juris Rn. 17 m. w. Nachw.).

Zwar kann eine Konkretisierung auch in diesen Fällen in Betracht kommen, wenn der Gläubiger Sachen von minderer Qualität als Erfüllung annimmt. Behandelt der Käufer nämlich die erhaltene Ware als Vertragserfüllung, entscheidet sich für das Behalten der Sache und macht nur auf dieser Grundlage Gewährleistungsrechte geltend, so beschränkt sich hiermit das Schuldverhältnis auf die gelieferte Ware (BGH, Urt. v. 05.10.1966 – VIII ZR 98/64, juris Rn. 17). Das gilt aber nicht, wenn der Käufer – wie hier der Kläger – mit dem Ersatzlieferungsverlangen deutlich macht, dass er die Sache gerade nicht behalten und sie nicht als Erfüllung annehmen möchte.

cc) Ist die Lieferung aus einer Gattung geschuldet, wird die Erfüllung unmöglich, wenn die gesamte Gattung untergeht bzw. auf dem Markt nicht mehr verfügbar ist (jurisPK-BGB/Seichter, 8. Aufl. [2017], § 275 Rn. 20). Diese Voraussetzungen sind gegeben.

(1) Die Frage, ob die Leistung aus der Gattung möglich ist, hängt davon ab, wie die Vertragsparteien den Umfang der Gattung bestimmt haben (Staudinger/Caspers, BGB, Neubearb. 2014, § 275 Rn. 21). Dabei steht es im Belieben der Vertragsparteien, den Umfang weit oder eng zu bestimmen.

Im vorliegenden Fall eines Autokaufs ist schon generell nicht davon auszugehen, dass – wie der Kläger vorgibt – ein Käufer quasi „irgendein“ Auto einer gewissen Preisklasse mit günstigen Umwelt- und Verbrauchswerten und einer „Mindest-PS-Zahl“ erwerben möchte. In Bezug auf die PS-Zahl widerspricht sich der Kläger selbst, wenn er in der Klage betont, es sei ihm selbst um das konkrete Fahrzeug mit der konkreten PS-Zahl gegangen. Beim Kauf nicht nur eines Gebrauchtwagens (vgl. insoweit BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 209/05, juris Rn. 24), sondern – erst recht – eines Neuwagens kommt es dem Käufer auf den bestimmten Fahrzeugtyp, eine bestimmte Ausstattung, die technischen Eigenschaften und das äußere Erscheinungsbild (Letzteres gesteht auch der Kläger zu) an. Dem entspricht die hier von den Parteien vorgenommene genaue Fahrzeugkonfiguration, die den Anforderungskatalog an das Fahrzeug beschreibt. Sie legt die Gattungsmerkmale fest. Dies gilt insbesondere für die Motorisierung des Fahrzeugs. Denn der Motor bildet schließlich ein Kernstück für das Fahrverhalten des Fahrzeugs.

(2) Das vom Kläger erworbene Fahrzeug wird mit der oben genannten Spezifikation nicht mehr hergestellt. Es ist, was zwischen den Parteien nicht in Streit steht, als Neufahrzeug nicht mehr lieferbar – schon gar nicht ohne den vom Kläger behaupteten Mangel. Soweit der Kläger zuletzt dies in Zweifel zieht und nun bestreitet, „dass das streitgegenständliche Fahrzeug nicht mehr beschafft und/oder hergestellt werden könne, ohne dass es mangelhaft ist“, ist dieser Vortrag unbeachtlich. Denn der Kläger widerspricht sich hierbei selbst, weil er an anderer Stelle betont, dass alle Fahrzeuge des streitgegenständlichen Modells mit dem Motortyp EA189 deswegen mangelhaft sind, weil eben dieser Motor mangelhaft ist und der Mangel gerade nicht nachhaltig behoben werden kann, insbesondere nicht durch ein Softwareupdate, das der Kläger für sich auch nicht akzeptieren will. Ein – ohne das vom Kläger abgelehnte Softwareupdate – mangelfreies Fahrzeug der vom Kläger erworbenen Genration ist auf dem Markt also nicht vorhanden. Die Gattung ist nach alledem untergegangen, ein Ersatzlieferungsanspruch ausgeschlossen und der Kläger – einen Mangel unterstellt – auf eine andere Art der Nacherfüllung angewiesen (i. E. ebenso LG Darmstadt, Urt. v. 27.03.2017 – 13 O 543/16, juris Rn. 34; LG Aachen, Urt. v. 21.03.2017 – 10 O 177/16, juris Rn. 26; LG Kempten, Urt. v. 29.03.2017 – 13 O 808/16, juris Rn. 52; LG Hagen, Urt. v. 07.10.2016 – 9 O 58/16, juris Rn. 41; Steenbuck, MDR 2016, 185 [187]; a. A. aber mehrere andere Landgerichte [Nachweise: Schriftsatz vom 12.06.2017, S. 2 ff.]).

(3) Die Lieferung eines Fahrzeugs aus der aktuellen Produktion des Modells VW Tiguan kann der Kläger nicht verlangen. Die heute produzierten Modelle sind nicht Teil der vorbeschriebenen Fahrzeuggattung, die dem hier streitgegenständlichen Kaufvertrag zugrunde liegt. Vor allem die Motorisierung der aktuell produzierten VW Tiguan entspricht nicht derjenigen, die die Parteien vereinbart haben. Die Parteien haben als Motorisierung vereinbart: 2.0 TDI (damalige Motorbaureihe VW EA189), Leistung: 140 kW/177 PS (Euro 5).

Die aktuell produzierten und am Markt verfügbaren Fahrzeuge verfügen demgegenüber über einen Dieselmotor aus der neuen sogenannten modularen TDI-Generation von Volkswagen (Motortyp EA288), die allesamt die Euro-6-Norm erfüllen. Die Leistungen der nun verbauten Motoren sind mit denen der früheren Motoren nicht vergleichbar. Während die bisherigen Modelle 2.0 TDI unter anderem mit 177 PS (Klägerfahrzeug) oder niedriger motorisiert waren, ist nun kein Dieselmodell mehr mit 177 PS verfügbar. Es stehen Modelle von 115, 150, 190 und 240 PS zur Verfügung. Wie der von der Beklagten vorgelegte unbestrittene tabellarische Vergleich zeigt, unterscheiden sich die Motoren nicht nur in der Leistung selbst, sondern auch in weiteren Spezifikationen wie Verbrauch und Abgaswerten. Insgesamt handelt es sich bei der neuen Motorengeneration nicht lediglich um eine Überarbeitung der bisherigen Motoren, sondern um eine gänzlich neu entwickelte Baureihe (vgl. LG Darmstadt, Urt. v. 27.03.2017 – 13 O 543/16, juris Rn. 34). Die konkrete Motorisierung des Fahrzeugs ist in der neuen Produktpalette nicht mehr verfügbar. Die geänderten Motoreigenschaften haben Einfluss auf das Fahrverhalten, aber auch auf die mit dem Halten des Fahrzeugs verbundenen Kosten.

(4) Hinzu kommen Änderungen des äußeren Erscheinungsbildes – also der Karosserie – des Fahrzeugs wie zum Beispiel

  • um bis zu 6 cm veränderte Außenmaße, um 8 cm vergrößerter Radstand
  • erheblich (um ca. 30 %) verändertes Kofferraumvolumen
  • neu gestaltete Leuchten; anderes, „schärferes“ Aussehen (breitere Schweller und Schürzen)
  • veränderter Kühlergrill

Es mag sein, dass diese Änderungen keinen eigentlichen „Modellwechsel“ darstellen und alternativ als „Facelift“ oder „Modellpflege“ bezeichnet werden. Entscheidend ist nicht die Bezeichnung, sondern die Qualität der Änderungen. Und jedenfalls ist mit den Änderungen ein Impuls auf die Verkaufszahlen beabsichtigt. Damit ist zugleich gesagt, dass der Markt auf die abgeänderten Produkte reagiert, sie von den Vorgängerversionen unterscheidet und anders kategorisiert (vgl. zur Marktwahrnehmung … den Pressebericht …, wo der Begriff „Nachfolger“ gebraucht wird). Und im Übrigen gibt schließlich selbst der Kläger an, dass für den Durchschnittskäufer die Optik des Fahrzeugs, die hier im Vergleich zum Vorgängerfahrzeug verändert wurde, bei der Kaufentscheidung mit entscheidend ist.

(5) Die … Klausel zum Leistungsbestimmungsrecht für den Verkäufer in Abschnitt IV Nr. 6 der Neuwagen-Verkaufsbedingungen führt zu keinem anderen Ergebnis. Zwar stehen die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien über die Gattung gemäß §§ 133, 157 BGB grundsätzlich der ergänzenden Auslegung offen. Allerdings hat die genannte Klausel allein ein Leistungsbestimmungsrecht für den Verkäufer zum Gegenstand. Ein spiegelbildlicher Anspruch des Käufers auf Lieferung eines Fahrzeugs, welches von der vereinbarten Gattung abweicht, lässt sich daraus nicht herleiten. Insbesondere lässt sich daraus nicht der Schluss ziehen, dass sich der Käufer im Falle einer zwischenzeitlichen Umstellung der Produktion nicht mehr auf die Lieferung eines Fahrzeugs mit den von ihm ausdrücklich bestellten Merkmalen verweisen lassen müsste (zutreffend LG Darmstadt, Urt. v. 27.03.2017 – 13 O 543/16, juris Rn. 34). Die Neuwagen-Verkaufsbedingungen lassen Änderungen im Übrigen nur bis zum Zeitpunkt der (erstmaligen) Auslieferung zu (LG Aachen, Urt. v. 21.03.2017 – 10 O 177/16, juris Rn. 27).

(6) Die Lieferung aus der dem Vertrag zugrundeliegenden Gattung ist nach alledem wegen Einstellung der Produktion des von dem Kläger ursprünglich bestellten Fahrzeug dauerhaft objektiv nicht mehr möglich (vgl. insoweit auch OLG Nürnberg, Urt. v. 15.12.2011 – 13 U 1161/11, juris Rn. 49).

b) Nichts anderes ergibt sich aus kaufrechtlichen Besonderheiten. Richtig ist zwar, dass der Ersatzlieferungsanspruchs aus § 439 I Fall 2 BGB selbst bei Stückschulden möglich sein soll, sofern eine Kaufsache nach den Vorstellungen der Parteien durch eine „in jeder Hinsicht gleichartige und gleichwertige“ ersetzt werden kann (BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 209/05, juris Rn. 23 mit Hinweis auf die Gesetzgebungsgeschichte in Rn. 21). Und im vorliegenden Fall kann auch dahinstehen, ob im Falle einer entsprechenden Auslegung einer Parteivereinbarung dahin gehend, dass auch eine andere Sache dem Leistungsinteresse genügen können soll, in Wirklichkeit nicht eine Gattungsschuld vorliegt (in diese Richtung krit. BeckOK-BGB/Faust, 42. Edition [2017], § 439 Rn. 35). Denn in keinem Fall kann das vom Kläger verlangte Fahrzeug mit einem 190 PS starken Motor der aktuellen Produktion als „in jeder Hinsicht gleichartig und gleichwertig“ bezeichnet werden.

Ein Pkw wird im Wesentlichen durch Marke, Baureihe, Typ, Karosserie und Motor charakterisiert. Neben dem äußeren Erscheinungsbild des Fahrzeugs kommt gerade seiner Motorisierung besonderes Gewicht zu. Der Motor ist gewissermaßen das Herz des Fahrzeugs, prägt sein Leistungsvermögen und seine Wertschätzung. Ein Fahrzeug mit einer deutlich geringeren Motorisierung ist daher einem ansonsten baugleichen Fahrzeug mit erheblich stärkerer Motorisierung objektiv nicht vergleichbar. Der Käufer müsste – und würde – ein solches Fahrzeug deshalb auch nicht als Erfüllung annehmen (OLG Nürnberg, Urt. v. 15.12.2011 – 13 U 1161/11, juris Rn. 53 f.).

Dass im vorliegenden Fall es nur um ein Fahrzeug mit einer höheren – nach Ansicht des Klägers „besseren“ – Motorisierung gehen kann, ist erstens nicht richtig (aa) und macht zweitens keinen Unterschied (bb).

aa) Der Kläger verlangt aus der aktuellen Fahrzeugproduktpalette ein Fahrzeug VW Tiguan 2.0 TDI mit 190 PS. Es bleibt das Geheimnis des Klägers, weswegen nur dieses eine Fahrzeug dem ursprünglich erworbenen gleichartig und gleichwertig sein soll – und nicht etwa ein Modell mit weniger PS seinem Leistungsinteresse entsprechen soll –, zumal es dem Kläger angeblich auf ein besonders umweltfreundliches Fahrzeug angekommen sein soll.

bb) Ist es schon ein irriges Verständnis, dass ein „Mehr“ an Leistung, Außenmaßen, Design usw. immer besser ist (was sich nicht zuletzt auch an den Unterhaltungskosten eines Fahrzeugs zeigt), kommt es hierauf bei der Frage, ob das Leistungsinteresse durch eine Ersatzlieferung befriedigt werden kann, schon nicht an. Das Leistungsinteresse wird nicht durch ein objektives „Besser“, sondern durch die vertragliche Vereinbarung bestimmt – und zwar sowohl „nach oben“ als auch „nach unten“. Genauso, wie ein Fahrzeug mit geringerer Motorisierung mit einem Fahrzeug mit stärkerer Motorisierung nicht vergleichbar ist (zutreffend OLG Nürnberg, Urt. v. 15.12.2011 – 13 U 1161/11, juris Rn. 54), ist auch ein Fahrzeug mit stärkerer Motorisierung nicht mit einem Fahrzeug mit geringerer Motorisierung vergleichbar, also nicht gleichartig und gleichwertig. Die Frage, ob ein – im Vergleich zu der Parteivereinbarung – wesentlich verändertes, in der ursprünglichen Version nicht mehr verfügbares Produkt gleichartig und gleichwertig ist, hängt mit anderen Worten nicht davon ab, ob es eine Qualitätssteigerung nach oben oder nach unten erfahren hat, sondern wie weit (egal in welche „Richtung“) es sich von der Ursprungsversion entfernt hat. Denn die Vereinbarung der Parteien legt die Produktanforderung sowohl nach unten als auch nach oben fest. Wertungsmäßig entspricht dies – auch wenn es dabei um einen Stückkauf geht – der Situation bei Gebrauchtwagen. Ist beim Gebrauchtwagen auch zusätzlich der „Eindruck“ vom Gesamtzustand und der Funktionsfähigkeit des Fahrzeugs maßgebend, kommt es dem Käufer doch hier wie dort auf die technischen Eigenschaften und das äußere Erscheinungsbild eines Fahrzeugs an (vgl. zu den Kriterien BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 209/05, juris Rn. 24).

Letztlich geht es darum, dass der Käufer das erhält, was er haben wollte (so plastisch Erman/Grunewald, BGB, 14. Aufl. [2014], § 439 Rn. 6). Deswegen mag der Begriff „Austausch“, wie ihn das österreichische Recht verwendet (§ 932 II ABGB) und wie er in der Genese der Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie auftaucht (Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Verbrauchsgüterkauf und -garantien“, ABl. 1997 C 66, S. 5 [9]) passender sein (vgl. auch BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 209/05, juris Rn. 23: „austauschbar“). Eine solche Austauschbarkeit eines Fahrzeugs gegen ein solches desselben Fabrikats, desselben Modelltyps und derselben Wagenfarbe, aber mit anderen Abmessungen, einem anderen („aggressiveren“) Aussehen, einem anderen Kofferraumvolumen, anderen Verbrauchswerten, einer anderen Schadstoffklasse, einem anderen Motortyp und einer anderen Motorleistung ist zu verneinen.

c) Das Gericht hat eine Vorlage an den EuGH (Art. 267 II AEUV) zur Frage der Vereinbarkeit der vorgenannten Auslegung des nationalen Rechts mit der Auslegung des Bergriffs der „Ersatzlieferung“ in Art. 3 III der Richtlinie 1999/44/EG erwogen, im Ergebnis aber verneint. Maßgebend hierfür war zum einen, dass die Richtlinie selbst den Begriff der Ersatzlieferung nicht näher definiert und keine Vorgaben für die Auslegung der Parteivereinbarung im Hinblick auf den geschuldeten Vertragsgegenstand und damit die Bestimmung des Leistungsinteresses macht (vgl. Erwägungsgründe 8 und 9). Darüber hinaus akzeptiert die Richtlinie selbst offenkundig Einschränkungen der Ersatzlieferungspflicht, da sie ausdrücklich bestimmt, dass bei gebrauchten Sachen im Regelfall keine Ersatzlieferung verlangt werden kann – und zwar „aufgrund ihrer Eigenart“ (Erwägungsgrund 16). Weitere Vorgaben enthält die Richtlinie nicht. Ein anderes als das gefundene Ergebnis ist deswegen auch nicht etwa im Wege richtlinienkonformer Auslegung zu begründen.

d) Auch auf andere Anspruchsgrundlagen kann der Kläger seine Klage nicht mit Erfolg stützen; insbesondere steht ihm kein auf „Ersatzlieferung“ gerichteter Schadenersatzanspruch zu.

2. Die Klageanträge zu 2 und zu 3 sind ebenfalls unbegründet.

Da die Beklagte schon keine Ersatzlieferung Zug um Zug gegen Rückübereignung des vom Kläger erworbenen Fahrzeugs schuldet, ist sie mit dessen Rücknahme nicht in Annahmeverzug.

Mangels Hauptanspruchs hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen. …

Hinweis: Auf die Entscheidung hat mich freundlicherweise Herr Oliver Garcia, einer der Geschäftsführer der dejure.org Rechtsinformationssysteme GmbH, aufmerksam gemacht.

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