Eine Ersatzlieferung ist bei einem mangelhaften Neuwagen (Alfa Romeo 159 2.4 JTDM 20V, 154 kW) zumindest dann unmöglich, wenn entsprechende Fahrzeuge nicht mehr hergestellt werden und fabrikneu im Handel auch nicht mehr erhältlich sind. Ein Fahrzeug mit einer deutlich geringeren Motorisierung (125 kW) kommt als Ersatz nicht in Betracht.
OLG Nürnberg, Urteil vom 15.12.2011 – 13 U 1161/11
Sachverhalt: Die Parteien streiten um Gewährleistungsansprüche aus einem am 10.03.2008 geschlossenen Pkw-Kaufvertrag.
Das LG Nürnberg-Fürth hat die Beklagte mit Endurteil vom 05.05.2008 im Wesentlichen verurteilt, dem Kläger einen (näher bezeichneten) mangelfreien Pkw der Marke Alfa Romeo 159 2.4 JTDM 20V (154 kW) des Modelljahres 2008 zu liefern, und zwar Zug um Zug gegen Übergabe eines bestimmten Pkw der Marke Alfa Romeo.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie meint ein Gewährleistungsanspruch des Klägers scheitere schon daran, dass er ihr das Fahrzeug nicht zur Untersuchung vorgestellt habe. Auch sei das Landgericht aufgrund lebensfremder Erwägungen davon ausgegangen, dass der festgestellte Mangel (Metallteile im Kraftstoffsystem) nicht auf eine Falschbetankung zurückzuführen sei, obwohl der Sachverständige dies als häufigste Ursache für derartige Schäden genannt hat.
Darüber verweist die Beklagte darauf, dass die vom Kläger verlangte Beschaffung eines Neufahrzeugs des Modelljahres 2008 unmöglich sei.
Im Laufe des Berufungsverfahrens ist unstreitig geworden, dass der Fahrzeughersteller die Produktion der kompletten Modellreihe 159 im Oktober 2011 eingestellt hat. Bereits seit November 2010 wurde diese Baureihe nicht mehr mit einem 2,4-Liter-Dieselmotor mit einer Leistung von 154 kW produziert, sondern nur noch mit Dieselmotoren mit zwei Litern Hubraum und Leistungen von 100 kW sowie 125 kW ausgestattet. Diese neuen Motoren weisen statt fünf nur noch vier Zylinder auf, haben ein geringeres Drehmoment (350 Nm bzw. 360 Nm statt 400 Nm), ermöglichen eine geringere Beschleunigung von 0 auf 100 km/h (statt 8,2 Sek. jetzt 8,8 Sek. bzw. 9,9 Sek.) und nicht mehr die Erreichung einer Höchstgeschwindigkeit von 230 km/h, sondern nur noch von 202 km/h bzw. 218 km/h. Hingegen ist der Schadstoffausstoß von 179 g/km auf 134 g/km bzw. 142 g/km gesunken.
Das Rechtsmittel hatte teilweise Erfolg.
Aus den Gründen: II. … [D]ie Nachlieferung eines gleichen oder zumindest gleichartigen und gleichwertigen Ersatzfahrzeugs ist nach den im Berufungsverfahren unstreitigen tatsächlichen Umständen unmöglich, sodass der Gewährleistungsanspruch des Klägers auf die andere Art des Nacherfüllungsanspruchs nach § 439 I BGB, die Beseitigung des Mangels, beschränkt ist (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 71. Aufl., § 439 Rn. 20). Die weitergehende Berufung der Beklagten ist unbegründet.
1. Die durch die Beklagte erhobene Rüge der örtlichen Unzuständigkeit des Erstgerichts ist im Berufungsverfahren ausgeschlossen (§ 513 II ZPO).
2. Aufgrund des Ergebnisses der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme steht unter Beachtung der Beweislastumkehr nach § 476 BGB fest, dass der streitgegenständliche Pkw bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs mangelbehaftet war, sodass der Kläger gemäß §§ 437 Nr. 1, 439 I BGB Nacherfüllung verlangen kann.
a) Ursache der Mangelerscheinung (Ruckeln und Ausgehen des Motors) sind nach den Feststellungen des Sachverständigen S in seinem erstinstanzlich schriftlich erstatteten Gutachten vom 27.12.2010 Metallspäne im Kraftstoffsystem. Solche Teile hat der Sachverständige – nachdem die Mangelerscheinungen auch bei einer von ihm durchgeführten Probefahrt aufgetreten waren – im Kraftstofffilter vorgefunden. Diese Feststellungen des Sachverständigen greift die Beklagte zu Recht nicht an.
b) Dieser Mangel ist innerhalb von sechs Monaten ab Gefahrübergang aufgetreten, denn die Übergabe erfolgte im September 2008. Am 26.02.2009, fünf Monate nach der Zulassung des Fahrzeugs am 29.09.2008, wurde dieses unstreitig erstmals wegen der bereits damals aufgetretenen Mangelerscheinungen in eine Werkstatt verbracht.
c) Deshalb findet – da ein Verbrauchsgüterkauf gemäß § 474 I BGB vorliegt – § 476 BGB Anwendung, wonach vermutet wird, dass der Mangel bereits bei Gefahrübergang vorgelegen hat, nachdem diese Vermutung mit der Art der Sache oder des Mangels nicht unvereinbar ist.
Unerheblich ist, dass für die Entstehung des Mangels zwei Ursachen denkbar sind, nämlich ein Produktionsfehler vor oder eine Falschbetankung nach Gefahrübergang, denn wann genau und warum der Mangel, der sich innerhalb von sechs Monaten gezeigt hat, tatsächlich entstanden ist, spielt für die Vermutung des § 476 BGB keine Rolle.
Gerade den mit der Feststellung des Zeitpunkts einer Mangelentstehung verbundenen Schwierigkeiten will die Vermutung des § 476 BGB zugunsten des Verbrauchers begegnen. Sie findet daher in den Fällen Anwendung, in denen sich ein Mangel innerhalb von sechs Monaten ab Gefahrübergang zeigt, sich der Zeitpunkt und die Ursache seiner Entstehung jedoch nicht zuverlässig feststellen lassen (BGH, Urt. v. 18.07.2007 – VIII ZR 259/06, MDR 2007, 1295; Urt. v. 11.07.2007 – VIII ZR 110/06, NJW 2007, 2619). Die – früher ergangene – Entscheidung des BGH vom 02.06.2004 (VIII ZR 329/03, BGHZ 159, 215) steht dem nicht entgegen, zumal in diesem Fall feststand, dass der Motor, der innerhalb des Sechs-Monats-Zeitraums zu Schaden kam, bei Gefahrübergang nicht mangelhaft gewesen war.
Die Beklagte hätte deshalb die gegen sie streitende Vermutung widerlegen müssen, wozu sie jedoch nicht einmal angesetzt hat. Weitere Untersuchungen durch den Sachverständigen, die einen Produktionsfehler möglicherweise ausschließen und eine Falschbetankung als Ursache belegen hätten können, hat die Beklagte nicht beantragt.
Im Übrigen ist das Landgericht durchaus auf tragfähiger Grundlage zu der Überzeugung gelangt, dass das Fahrzeug nicht falsch betankt wurde.
3. Damit stand dem Kläger als Gewährleistungsanspruch gemäß §§ 437 Nr. 1, 439 I BGB nach seiner Wahl der Nacherfüllungsanspruch auf Beseitigung des Mangels oder auf Lieferung einer mangelfreien Sache zu.
Diese Ansprüche hängen entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht davon ab, dass der Käufer dem Verkäufer Gelegenheit zur Untersuchung der Kaufsache auf die Mangelhaftigkeit hin gibt. Die von der Beklagten für ihre Auffassung herangezogene Entscheidung des BGH vom 10.03.2010 (VIII ZR 310/08, NJW 2010, 1448) befasst sich mit einem Fall des Rücktritts, der voraussetzt, dass der Verkäufer Gelegenheit zur Nacherfüllung erhalten hat.
Außerdem hat die Beklagte von der Klägerin auch gar nicht erbeten, das Fahrzeug besichtigen und untersuchen zu dürfen, sondern mit Schreiben ihrer anwaltlichen Bevollmächtigten vom 25.10.2009 verlangt, dass das Fahrzeug zum Zwecke der Nachbesserung zu ihr verbracht werde, weil die vom Kläger verlangte Ersatzlieferung – die zu diesem Zeitpunkt noch möglich gewesen wäre – unverhältnismäßig sei.
4. Die Nachlieferung einer mangelfreien Sache war jedoch zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts unmöglich, sodass ein Anspruch des Klägers auf diese Leistung gemäß § 275 I BGB nicht (mehr) besteht. Sie konnte dem Kläger deshalb auch nicht zugesprochen werden.
a) Unstreitig wird ein Fahrzeug, wie es der Kläger nach der getroffenen Konfiguration bei der Beklagten bestellt und wie diese es nach dem Kundenwunsch vom Hersteller bezogen hat, seit November 2010 nicht mehr hergestellt. Die zunächst noch weiter produzierte Modellreihe Alfa Romeo 159 wurde ab dieser Zeit nur noch mit Dieselmotoren mit zwei Litern Hubrauaum und einer Leistung von 100 kW bzw. 125 kW ausgestattet. Die Produktion des Fahrzeugs mit einem 2,4-Liter-Motor und einer Leistung von 154 kW wurde eingestellt. Seit Oktober 2011 ist die Produktion der Modellreihe 159 insgesamt eingestellt.
b) Damit wurde es für die Beklagte unmöglich, eine gleichartige und gleichwertige mangelfreie Sache nachzuliefern. Darauf ob am Markt bei anderen Händlern noch Neufahrzeuge der Modellreihe 159 mit der zwischen November 2010 und Oktober 2011 gebauten Motorisierung beschafft werden können, kommt es nicht an.
aa) Der Senat neigt dazu anzunehmen, dass in Fällen des Kaufs eines Neuwagens, der nach der Bestellung beim Verkäufer vom Hersteller in der vom Kunden gewünschten Ausstattung erst gebaut wird, nach der Vorstellung der Vertragsparteien der Lieferungs- (und damit auch ein eventueller Nachlieferungs-) Anspruch auf ein vom Hersteller für den Käufer so gefertigtes Fahrzeug gerichtet und entsprechend beschränkt ist, sodass eine Nachlieferung unmöglich wird, wenn der Hersteller die Produktion einstellt.
Ein Käufer, der ein fabrikneues Fahrzeug mit Herstellergarantie gekauft hat, hat regelmäßig nicht die Vorstellung, der Verkäufer könne seiner Erfüllungsverpflichtung dadurch nachkommen, dass er ein Fahrzeug mit der bestellten Ausstattung nicht – wie vereinbart – vom Hersteller bezieht, sondern über das Internet irgendwie aufspürt. Entsprechend hat ein Verkäufer die Vorstellung, eine Nachlieferung erforderlichenfalls durch eine Neubestellung beim Hersteller, nicht aber durch die Suche eines bereits hergestellten Fahrzeugs in möglicherweise vergleichbarer Ausstattung bei irgendeinem anderen europäischen Händler erfüllen zu können und auch zu müssen.
bb) Dies kann für die Entscheidung aber dahinstehen, denn ein vergleichbares Neufahrzeug mit Herstellergarantie ist schon deswegen nicht mehr auf dem Markt erhältlich, weil es bereits seit mehr als einem Jahr nicht mehr hergestellt wird.
Ein Fahrzeug mit der im letzten Jahr noch gebauten geringeren Motorisierung ist dem vom Kläger gekauften nicht gleichartig und gleichwertig.
Ein Pkw wird im Wesentlichen durch Marke, Baureihe, Typ, Karosserie und Motor charakterisiert. Neben dem äußeren Erscheinungsbild des Fahrzeugs kommt gerade seiner Motorisierung besonderes Gewicht zu. Der Motor ist gewissermaßen das Herz des Fahrzeugs, prägt sein Leistungsvermögen und seine Wertschätzung. Ein Fahrzeug mit einer deutlich geringeren Motorisierung ist daher einem ansonsten baugleichen Fahrzeug mit erheblich stärkerer Motorisierung objektiv nicht vergleichbar. Der Käufer müsste – und würde – ein solches Fahrzeug deshalb auch nicht als Erfüllung annehmen.
Auf den Umstand, dass der Käufer sich später – im Interesse, einen Neuwagen zu erhalten – auch mit einem in seiner Motorisierung nicht vergleichbaren Fahrzeug zufriedengeben würde, kommt es nicht an, weil ihm insoweit kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zusteht …
5. Dem Hilfsantrag des Klägers auf Nachbesserung des streitgegenständlichen Mangels war stattzugeben.
a) Die Stellung des Hilfsantrags war auch im Berufungsverfahren noch zulässig.
Es kann dahinstehen, ob der Hilfsantrag überhaupt eine Klageänderung i. S. von § 263 ZPO darstellt oder nicht vielmehr· dem § 264 Nr. 3 ZPO unterfällt, denn auch eine Klageänderung wäre zulässig, weil sie sachdienlich ist (§ 533 Nr. 1 ZPO) und auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat (§ 533 Nr. 2 ZPO).
Das Landgericht hat aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme den Mangel festgestellt (vgl. oben unter 2.). Der Sachverständige hat in seinem erstinstanzlich schriftlich erstatteten Gutachten auch die zur Mangelbeseitigung erforderlichen Maßnahmen, nämlich Austausch sämtlicher Komponenten des Kraftstoffsystems (Pumpe, Injektoren, Leitungen, Tank), beschrieben … Damit genügen die erstinstanzlich getroffenen Feststellungen, um positiv über den Hilfsantrag entscheiden zu können.
b) Auf den Hilfsantrag hin war die Beklagte daher zur fachgerechten Beseitigung des Mangels des verkauften Fahrzeugs, der darin besteht, dass sich Metallteile im Kraftstoffsystem befinden, zu verurteilen. Die Art der fachgerechten Beseitigung ergibt sich aus dem Gutachten des Sachverständigen vom 27.12.2010 …