1. Ein Fahrzeug ist unfallfrei, wenn es keinen Schaden erlitten hat, der als erheblich anzusehen ist. Geringfügige, ausgebesserte Blechschäden und Schönheitsfehler stehen einer Unfallfreiheit nicht entgegen.
  2. Auch wenn das Wort „Garantie“ oder das Wort „Zusicherung“ nicht verwendet wird, kann eine Beschaffenheitsgarantie vorliegen, wenn ein Kfz-Händler gegenüber einem Privatkunden die Beschaffenheit eines Fahrzeugs näher bestimmt und es sich dabei um eine Beschaffenheit handelt, die – wie die Unfallfreiheit des Fahrzeugs – für den Kunden nach der Verkehrsauffassung und für den Händler erkennbar von großer Bedeutung ist. Erst recht ist in diesem Fall von einer Beschaffenheitsvereinbarung i. S. von § 434 I 1 BGB auszugehen.

LG Karlsruhe, Urteil vom 01.02.2005 – 8 O 614/04

Sachverhalt: Der Kläger kaufte am 05.06.2004 bei der beklagten BMW-Vertragshändlerin einen BMW zum Preis von 25.000 €. Das Fahrzeug finanzierte er durch ein Darlehen der B-Bank. Im schriftlichen Kaufvertrag ist im Feld „unfallfrei“ das Wort „ja“ eingedruckt. Die Beklagte nahm ein Altfahrzeug des Klägers mit 1.700 € in Zahlung.

Nachdem der Kläger festgestellt hatte, dass das Fahrzeug an der hinteren linken Seitenwand eine andere Lackierung aufweist, wandte er sich an die Beklagte. Sie bestätigte ihm, dass das Fahrzeug an der fraglichen Stelle im März 2002 repariert worden war. Bei dieser Gelegenheit hatte die Beklagte eine interne Reparaturrechnung über 798,70 € netto erstellt. Im Rahmen der Reparatur war die Seitenwand hinten links ersetzt und ebenso wie die linke vordere Tür neu lackiert worden.

Mit seiner Klage verlangt der Kläger die geleisteten Darlehensraten und den Gegenwert des in Zahlung gegebenen Fahrzeugs zurück. Er lässt sich die Gebrauchsvorteile bezogen auf eine Gesamtfahrleistung von 250.000 km und eine eigene Fahrleistung von 10.000 km anrechnen, wobei das Fahrzeug im Kaufzeitpunkt unstreitig eine Fahrleistung von 15.244 km aufgewies. Der Kläger behauptet, aufgrund seiner Fahrleistung liege der Kilometerstand mittlerweile bei ca. 32.000. Die Klage hatte weitgehend Erfolg.

Aus den Gründen: Der Kläger kann die Rückabwicklung des Kaufvertrags sowie Freistellung von der Darlehensverpflichtung verlangen, weil das Fahrzeug eine garantierte Eigenschaft nicht aufweist und darin ein erheblicher, zum Rücktritt berechtigender Umstand zu sehen ist (§ 434 I, § 437 Nr. 2, Nr. 3, §§ 323, 280, 281 BGB).

1. Indem die Beklagte in dem Feld mit der kleinen Überschrift „unfallfrei“ das Wort „ja“ einsetzte, hat sie nach den Umständen eine Garantieerklärung in dieser Hinsicht abgegeben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Wort „Garantie“ oder selbst das Wort „Zusicherung“ nicht verwendet werden muss, wenn (jedenfalls) ein Kfz-Händler gegenüber einem Privatkunden die Beschaffenheit eines Fahrzeugs näher bestimmt und es sich dabei um eine Beschaffenheit handelt, die für den Kunden nach der Verkehrsauffassung und für den Händler erkennbar von großer Bedeutung ist. Davon ist im vorliegenden Fall umso mehr auszugehen, als sich der Kläger an die Beklagte, einen angesehenen BMW-Vertragshändler, wendete, um dort zu dem nicht unerheblichen Preis von 25.000 € einen sogenannten „jungen Gebrauchten“ zu erwerben. Nach der Rechtsprechung kann es sogar genügen, dass der Verkäufer in die Vordruckzeile „Unfallschäden“ das Wort „keine“ schreibt oder „nein“ ankreuzt (OLG Frankfurt, zfs 1992, 338). Im vorliegenden Fall ist damit erst recht die Beschaffenheit der Unfallfreiheit i. S. von § 434 I 1 BGB vereinbart.

Die Reichweite der Garantie bzw. Beschaffenheitsvereinbarung richtet sich nach einer Auslegung des Worts „unfallfrei“. Nach dem OLG Köln bedeutet dies, dass das Fahrzeug keinen Schaden erlitten hat, der als erheblich anzusehen ist, wobei geringfügige, ausgebesserte Blechschäden und Schönheitsfehler aus dem Begriff ausgeklammert werden (DAR 1975, 327; entsprechend die Rechtsprechung anderer Obergerichte). Nach dem unstreitigen Vortrag der Parteien bzw. den Beklagtenvortrag unterstellt, ist das streitgegenständliche Kraftfahrzeug nicht unfallfrei in diesem Sinne. Die Reparaturkosten lagen netto bei knapp 800 €. Legt man zugrunde, dass nach dem Vortrag der Beklagten eine ebenso effektive günstigere Reparatur für 400–450 € hätte durchgeführt werden können, ist auch dieser Betrag nicht unerheblich. Entscheidend ist darüber hinaus im vorliegenden Fall nach Auffassung des Gerichts, dass die Reparatur offensichtlich – und insoweit auch im Rahmen der Beweisaufnahme festgestellt – nicht ganz perfekt ausgeführt wurde. Zuzugeben ist der Beklagten, dass die abweichende Lackierung bei normaler Betrachtung nicht auffällt. Dem Vorbesitzer ist sie offensichtlich während seiner zweijährigen Besitzzeit auch nicht aufgefallen. Gleichwohl war sie für das Gericht trotz mäßiger Lichtverhältnisse, und obwohl der Kläger sein Fahrzeug nicht frisch gewaschen hatte, erkennbar.

2. Der Mangel bzw. das Nichtvorliegen der garantierten Eigenschaft berechtigt den Kläger auch zum Rücktritt vom Kaufvertrag und gibt ihm einen Anspruch gegen die Beklagte, ihn im Wege des Schadenersatzes von noch zu leistenden Darlehensraten freizustellen, schließlich die außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten ersetzt zu erhalten.

Da die Rechtsfolgen der von der Beklagten übernommenen Garantie im oder anlässlich des Kaufvertrags nicht geregelt sind, ist insoweit auf das allgemeine Schuldrecht zurückzugreifen. Dabei scheitert die Rückabwicklung insbesondere nicht an einer Unerheblichkeit der Pflichtverletzung i. S von § 323 V 2 BGB. Die Erheblichkeitsprüfung erfordert eine umfassende Interessenabwägung. Zu berücksichtigen ist dabei insbesondere bei einem Prestigeobjekt wie einem BMW-Sportwagen die vom Mangel ausgehende ästhetische Beeinträchtigung und Wertminderung bei einem eventuellen Wiederverkauf, wobei eine aktuelle Wiederverkaufsabsicht nicht bestehen muss. Eine Rolle spielt auch die Schwere des Verschuldens des Schuldners (vgl. Palandt,Heinrichs BGB, 64. Aufl., § 281 Rn. 48). Hierbei ist wieder zu berücksichtigen, dass die Beklagte als Vertragshändler besonderes Vertrauen in Anspruch genommen hat, sodass das Verschweigen einer Reparatur in der Größenordnung von bis zu 800 € netto speziell bei dem streitgegenständlichen teuren Sportwagen eine erhebliche Pflichtverletzung darstellt. Dass der Verkäufer, der Mitarbeiter der Beklagten S, selbst offensichtlich von dem Unfall nichts wusste, kann die Beklagte, der der Schaden bekannt war, nicht entlasten. Die Beklagte hätte – auch wenn ihr insofern sicher keine Arglist zu unterstellen ist – auf die Reparatur hinweisen und dem Kläger von vorneherein die Wahl lassen müssen, ob er das Fahrzeug zu einem gegebenenfalls geringfügig geminderten Kaufpreis erwirbt oder lieber ein absolut „makelloses“ Fahrzeug kauft.

3. Hinsichtlich des Zahlungsantrags hat die Klage nur teilweise Erfolg, weil sich der Kläger (mittlerweile) höhere Gebrauchsvorteile anrechnen lassen muss. Das Gericht macht in diesem Zusammenhang von seiner Schätzungsbefugnis Gebrauch und hält es im Übrigen für gerichtsbekannt, dass ein Sportfahrzeug … wie das streitgegenständliche eine Gesamtfahrleistung von allemal 250.000 km erzielt. Dieser Wert stellt bei ordnungsgemäßer Handhabung des Fahrzeugs eher eine Untergrenze dar, wurde aber, weil der Kläger mit ihm rechnet, zugunsten der Beklagten zugrunde gelegt. Bei gegebener Fahrleistung im Kaufzeitpunkt und gegebenem Kaufpreis ergibt sich somit ein Gebrauchsvorteil von 0,1065 Cent pro Kilometer. Da der Kläger, wie in der Beweisaufnahme festgestellt, seit Übernahme des Fahrzeugs mit diesem 18.135 km gefahren ist, hat er sich einen Gebrauchsvorteil von 1.931,26 € anrechnen zu lassen …

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