1. Erklärt der private Verkäufer eines Gebrauchtwagens im – einen allgemeinen Gewährleistungsausschluss enthaltenden – Kaufvertrag, das Fahrzeug sei unfallfrei, so bezieht sich diese Erklärung mangels eindeutiger gegenteiliger Anhaltspunkte nur auf die Besitzzeit des Verkäufers und trägt der Käufer das Risiko, dass das Fahrzeug zuvor bei einem – dem Verkäufer nicht bekannten – Unfall erheblich beschädigt wurde.
  2. Zur Auslegung des Begriffs „unfallfrei“ in einem unter Privatleuten geschlossenen Kaufvertrag über einen Gebrauchtwagen.

LG München I, Urteil vom 02.10.2003 – 32 O 11282/03

Sachverhalt: Der Kläger begehrt die Rückabwicklung eines Kfz-Kaufvertrags.

Er kaufte unter dem 21.02.2003 von dem Beklagten, der über schlechte Deutschkenntnisse verfügt, einen gebrauchten Pkw (VW Sharan) mit einer Laufleistung von 115.000 km unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung. In dem von den Parteien verwendeten Formularkaufvertrag heißt es vorgedruckt: „☐ Das Kfz ist unfallfrei.“ Das dafür vorgesehene Kästchen ist nicht angekreuzt, doch findet sich neben dem vorgedruckten Text die handschriftliche Bemerkung „Ja“. In der Rubrik „Besondere Vereinbarungen“ ist nichts eingetragen.

Der Beklagte hatte das streitgegenständliche Fahrzeug am 01.03.2002 von H unter Verwendung des gleichen Formulars erworben. Auch in diesem Kaufvertrag findet sich neben dem vorgedruckten Text „☐ Das Kfz ist unfallfrei.“ die handschriftliche Einfügung „Ja“, die der Beklagte in den Kaufvertrag vom 21.02.2003 übernommen hat.

Mit Anwaltsschreiben vom 07.05.2003 erklärte der Kläger gegenüber dem Beklagten den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte ihn auf, den Pkw bis zum 21.05.2003 gegen Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 11.200 € zurückzunehmen. Der Beklagte lehnte eine Rückabwicklung des Kaufvertrags mit Anwaltsschreiben vom 16.05.2003 ab.

Der Kläger macht geltend, der Beklagte habe im Kaufvertrag (vom 21.02.2003) zugesichert, dass das streitgegenständliche Fahrzeug unfallfrei sei. Tatsächlich weise der Pkw indes einen erheblichen Unfallschaden auf. Ein von ihm – dem Kläger – eingeschalteter Sachverständiger habe festgestellt, dass die Lackstärke am hinteren linken Kotflügel darauf schließen lasse, dass das Fahrzeug gespachtelt und nachlackiert worden sei. Überdies ergebe sich aus dem schriftlichen Gutachten des Dipl.-Ing. S vom 02.09.2003, dass das Fahrzeug einen weiteren Unfallschaden erlitten habe, bei dem die Heckklappe, der Heckscheibenwischer sowie die Antriebswelle des Motors beschädigt worden seien.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Dem Kläger stehen gewährleistungsrechtliche Ansprüche gegen den Beklagten nicht zu, nachdem der vertraglich vereinbarte Haftungsausschluss i. S. von § 444 BGB vorliegend zum Tragen kommt.

Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte die klägerseits behaupteten Beschädigungen arglistig verschwiegen hat, sind nicht erkennbar, zumal aufgrund des beiderseitigen Sachvortrags wie auch der Beweisaufnahme mögliche Beschädigungen nicht während der Besitzzeit des Beklagten entstanden sind und diesem auch nicht bekannt waren. Der Sachvortrag des Beklagten, wonach dieser die Angaben des Erstbesitzers aus dem Kaufvertrag lediglich übernommen hat, wurde klägerseits nicht bestritten.

Ebenso wenig hat der Beklagte … eine Garantie im Sinne einer Zusicherung einer bestimmten Eigenschaft übernommen, die sich als unzutreffend herausgestellt hat.

Erklärungen des Verkäufers zum Thema „Unfall“ können grundsätzlich geeignet sein, eine sogenannte „Beschaffenheitsgarantie“ darzustellen, wobei es in diesem Zusammenhang entscheidend darauf ankommt, ob der Verkäufer ein professioneller Händler oder eine Privatperson ist.

In diesem Zusammenhang geht es zum einen um die Frage, welche Schäden mit der Zusicherung/Garantie „unfallfrei“ zu vereinbaren sind, inwieweit also der Begriff „Unfall“ weit oder eng auszulegen ist.

Der Definition des Unfalls unterfällt in diesem Zusammenhang nur ein Schaden von bestimmter Erheblichkeit, über die dann die Verkehrsauffassung entscheidet. Anders als im gewerblichen Kfz-Handel ist mangels bestehender Aufklärungsmöglichkeiten und -pflichten der weite juristische Unfallbegriff privaten Verkäufern zumeist fremd. Dementsprechend ist Umfang und Tragweite der Beschaffenheitsgarantie im Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln und dabei darauf abzustellen, ob der Verkäufer nach Treu und Glauben und nach der Verkehrssitte eine vertragsmäßige Gewähr für das Vorhandensein der betreffenden Eigenschaften übernehmen wollte und wie der Käufer die Erklärung des Verkäufers verstehen musste und durfte.

In diesem Zusammenhang ist bei der Beurteilung des streitgegenständlichen Kaufvertrags vom 21.02.2003 bereits fraglich, ob die formularmäßig verwendete Feststellung „Das Kfz ist unfallfrei.“ überhaupt eine Zusicherung/Beschaffenheitsgarantie darstellt. Es könnte sich vielmehr auch um eine reine Wissenserklärung handeln, zumal das Wort Zusicherung oder Versicherung im Rahmen dieses Kaufvertrags nicht verwendet wird und sich auch unter der Spalte „Besondere Vereinbarungen“ keinerlei Eintragungen finden.

Ob die fragliche Unfallinformation aus Sicht des Käufers Garantiecharakter hat oder nicht, bemisst sich danach, welche Bedeutung der Käufer ihr unter Berücksichtigung aller sonstigen Verkäufererklärungen und Begleitumstände des Kaufs beimessen durfte. Damit ist entscheidend zu berücksichtigen, dass es sich vorliegend um Privatpersonen handelt und ein Kaufvertrag unter Gewährleistungsausschluss geschlossen wurde. Entscheidungserheblich ist überdies, dass es sich bei dem Beklagten nicht um den Erstbesitzer des Fahrzeugs gehandelt hat.

Ausgehend von den beiderseitigen Parteiinteressen gilt Folgendes: Es liegt grundsätzlich im verständlichen Interesse eines Käufers, dass ihm der Verkäufer die Unfallfreiheit des Fahrzeugs zusichert oder ihn über Unfallschäden des Fahrzeugs aufklärt. Umgekehrt liegt es im berechtigten Interesse des Verkäufers, im Falle einer Zusicherung eine solchen nur insoweit abzugeben, als er die Unfallfreiheit aus eigener Anschauung oder aufgrund sonstiger Informationen tatsächlich zusichern kann. Eine weitergehende, ins Blaue hinein abgegebene Zusicherung wird der Käufer redlicherweise von dem Verkäufer auch nicht erwarten können (vgl. insoweit LG Zweibrücken, Urt. v. 17.11.1998 – 3 S 105/98, MDR 1999, 159). Dies gilt umso mehr, als im Gegensatz zum gewerblichen Verkäufer den privaten Verkäufer keine Untersuchungsobliegenheit … trifft und er in der Regel auch nicht über die technischen Voraussetzungen verfügt, ein Kfz gründlich zu überprüfen. Zudem fehlt es den Privaten zumeist an einer besonderen Sachkunde. Demzufolge wird einem privaten Verkäufer auch nicht das Maß an Vertrauen entgegengebracht werden können, wie es gegenüber einem gewerblichen Verkäufer angebracht erscheint. Etwas anderes könnte für eine zugesicherte Unfallfreiheit nur dann gelten, wenn der private Verkäufer zugleich Erstbesitzer des Pkw ist. Dann kennt er die Beschaffenheit des Kfz seit der Inbetriebnahme und kann vertrauensbildend auf die Verkaufsverhandlungen einwirken, sodass der Käufer eine umfassende Zusicherung erwarten darf (vgl. LG Leipzig, Urt. v. 23.02.1999 – 01 S 10761/98, DAR 1999, 366). Ist der Verkäufer – wie hier – nicht selbst erster Halter eines Kfz, will er erkennbar für den Käufer die Gewähr für die Freiheit von Vorschäden jedenfalls nicht unbedingt und unbeschränkt übernehmen. Ein privater Verkäufer kann nicht ohne Weiteres überblicken, ob der Wagen beim Vorbesitzer bereits einen Unfallschaden erlitten hat.

Dementsprechend wird man die im Formular verwendete Erklärung des Beklagten, dass das Kfz unfallfrei ist, einschränkend dahin gehend auslegen müssen, dass der Beklagte jedenfalls für die Zeit vor seinem Besitzerwerb keinerlei Beschaffenheitsgarantie übernehmen wollte. Dies musste auch für den Kläger erkennbar sein, zumal – wie die Parteien unstreitig vorgetragen haben – der Beklagte über schlechte Deutschkenntnisse verfügt und überdies in dem Vertrag in erster Linie maßgeblich der Gewährleistungsausschluss hervorgehoben wurde, während demgegenüber die Schlagwörter „Versicherung“ oder „Zusicherung“ nicht verwendet wurden und auch keinerlei „Besondere Vereinbarungen“ getroffen wurden.

Der Kläger hat im Rahmen seiner Darlegungs- und Beweislast auch keinerlei Sachvortrag zu sonstigen Umständen außerhalb des schriftlichen Kaufvertrags gebracht, die auf ein besonderes Vertrauen seinerseits auf eine umfassende Garantieerklärung des Beklagten Rückschlüsse zulassen.

Aufgrund der allgemeinen Verkehrssitte, insbesondere im privaten Gebrauchtwagenhandel, weiß ein Gebrauchtwagenkäufer vielmehr in der Regel, dass ein Fahrzeug im Laufe der vorangegangenen Nutzungszeit beschädigt worden sein kann. Sofern die Parteien im Rahmen eines Kaufvertrags, der zudem einen allgemeinen Gewährleistungsausschluss beinhaltet, Erklärungen des Verkäufers zur Unfallfreiheit aufnehmen, haben sie mangels anderweitiger und eindeutiger Anhaltspunkte jedenfalls grundsätzlich das Risiko eines dem Verkäufer nicht bekannten Unfalls in der Zeit des Vorbesitzers zulasten des Käufers, hier des Klägers, verteilt (vgl. auch insoweit OLG Hamm, Urt. v. 23.05.2000 – 28 U 213/99, MDR 2001, 87).

Unter Berücksichtigung der festgestellten obigen Umstände kommt das Gericht im Rahmen seiner Auslegung im vorliegenden Fall zu der Feststellung, dass der Beklagte jedenfalls für die Zeit, in der sich das Fahrzeug nicht in seinem Besitz befunden hat, keinerlei Beschaffenheitsgarantie i. S. des § 434 I 1 BGB abgegeben hat oder abgeben wollte und dass der Kläger aufgrund der Gesamtumstände die im schriftlichen Vertrag fixierte Erklärung des Beklagten auch nicht anders verstehen durfte.

Hinzu kommt, dass – wie oben bereits ausgeführt – auch eine Auslegung des Unfallsbegriffs veranlasst ist, je nachdem ob es sich um einen Kaufvertrag unter Beteiligung eines gewerblichen Gebrauchtwagenhändlers oder um einen solchen zwischen Privatleuten handelt.

Dementsprechend können aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme sowie unter Berücksichtigung des beiderseitigen Sachvortrags die klägerseits vorgetragenen Schäden – soweit diese substanziiert dargestellt wurden – nicht dem Unfallbegriff schlechthin zugeordnet werden.

Zwar ist dem Kläger zuzugestehen, dass auch die streitgegenständlichen Ereignisse der Legaldefinition des § 12 Abs. 1 II e AKB unterfallen, jedoch ist von der Rechtsprechung anerkannt, dass Unfallfreiheit im Rahmen eines Gebrauchtwagenkaufvertrags zum einen durch das Merkmal der Erheblichkeit und zum anderen durch die Verkehrsauffassung einzuschränken ist.

Bereits durch die Einvernahme der Zeugen … wurde verdeutlicht, dass es sich bei dem Schaden am hinteren linken Kotflügel nicht, wie klägerseits vorgetragen, um einen erheblichen und schweren Unfallschaden gehandelt hat. Die Zeugen haben glaubhaft ausgeführt und durch Vorlage der Reparaturrechnung … vom 08.11.2001 belegt, dass insoweit lediglich von einer kleineren Delle, einem Kratzer ausgegangen werden muss, der weder weitere Auswirkungen auf die Fahrtauglichkeit des Fahrzeugs noch auf dessen Werthaltigkeit befürchten lässt. Die insoweit aufgewendeten Reparaturkosten in Höhe von 240,93 DM lassen sich darüber hinaus problemlos einem Bagatellschaden zuordnen.

Sofern der Kläger über das von ihm eingeführte Privatgutachten des Dipl.-Ing. S vom 02.09.2003 die Beschädigungen im Heckbereich anspricht, sind diese – jedenfalls, sofern der Kläger davon spricht, dass durch den Vorfall mit dem herunterfallenden Garagentor die Antriebswelle des Motors verbogen worden sein sollte und erneuert werden musste – unsubstanziiert und anhand des Gutachtens des Dipl.-Ing. S auch nicht nachvollziehbar. Aus dem Gutachten selbst lässt sich lediglich entnehmen, dass durch einen Anstoß am Heckscheibenwischer dieser sowie die Hecktüre deformiert worden seien. Eine Beschädigung der Antriebswelle des Motors ist demgegenüber nicht dargestellt.

Auch wird man unter Berücksichtigung der Zeugenaussage P den dargestellten Vorfall im Zusammenhang mit dem herabfallenden Garagentor nicht unter den Unfallbegriff im engeren Sinne subsumieren können. Unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung im Zusammenhang mit einem Gebrauchtwagenkauf zwischen Privatleuten ordnen diese regelmäßig Vorfälle, bei denen es sich aus ihrer Sicht nicht um Ereignisse von einem bedeutsamen Ausmaß handelt, nicht dem Unfallbegriff zu, für den sie gewährleistungsrechtlich einstehen wollen. Der Zeuge P hat selbst ausgeführt, dass im Zusammenhang mit dem herabfallenden Garagentor lediglich der Heckscheibenwischer verbogen und von ihm selbst wieder zurückgebogen wurde, ohne dass weitere Schäden entstanden sind. Insbesondere sind nach den Ausführungen des Zeugen keinerlei Lackschäden oder Ähnliches entstanden. Die im Gutachten angesprochene Beschädigung am hinteren Stoßfänger ist nach Ausführung des Zeugen P vielmehr auf eine falsche Einstellung der Heckklappe werkseits zurückzuführen und damit nicht im Zusammenhang mit dem Vorfall des herabfallenden Garagentors entstanden.

Letztendlich kann jedoch dahingestellt bleiben, ob die Schäden am Stoßfänger tatsächlich durch das herabfallende Garagentor verursacht wurden oder aber bereits von Anfang an bestanden, da der Begriff der Unfallfreiheit im Rahmen des Gebrauchtwagenkaufvertrags gerade nur solche Ereignisse erfassen soll und möchte, die auch aus Sicht des Käufers von einer derartigen Erheblichkeit sind, dass zu befürchten ist, dass durch sie die Gebraüchsfähigkeit oder Werthaltigkeit des Fahrzeugs erheblich beeinträchtigt wird. Anderenfalls würde dies dazu führen, dass trotz des allgemeinen Ausschlusses der Gewährleistung über einen weiten Unfallbegriff und eine insoweit übernommene Beschaffenheitsgarantie der Verkäufer gewährleistungsrechtlich für eine unüberschaubare Zahl von Schäden zur Verantwortung gezogen werden kann, sofern es sich nicht ausschließlich um technische oder betriebsbedingte Mängel handelt. Denn nahezu jeder Kratzer oder äußere Beschädigung, auch ohne Zutun des Verkäufers, unterfällt der Legaldefinition des § 12 Abs. 1 II e AKB. Dies ist jedoch im Hinblick auf eine interessengerechte Risikoverteilung nicht gewollt, zumal gerade Käufer von Gebrauchtwagen damit rechnen müssen, dass sich das Fahrzeug nicht in einem Neuzustand befindet, sondern bei einer längeren Betriebsdauer des Fahrzeugs – vorliegend nahezu sechs Jahre – das Fahrzeug die ein oder andere äußerliche Beschädigung aufweisen kann.

Diese Überlegungen können jedoch zurückgestellt werden, da in erster Linie der Beklagte jedenfalls keinerlei Beschaffenheitsgarantie für den Zeitraum vor seiner Besitzzeit hinsichtlich des streitgegenständlichen Fahrzeugs abgeben wollte und sich der Kläger hierauf auch nicht verlassen durfte. …

Es verbleibt damit beim allgemeinen Gewährleistungsausschluss, sodass der Kläger mit seinem gewährleistungsrechtlichen Rücktritt nicht durchzudringen vermag. Dementsprechend war die Klage … abzuweisen. …

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