1. Ein vom VW-Abgasskandal betroffener Neuwagen, dessen Stickoxidausstoß softwaregesteuert nur reduziert wird, sobald das Fahrzeug auf einem Prüfstand einen Emissionstest absolviert, ist i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB mangelhaft. Denn der Durchschnittskäufer eines Neuwagens darf erwarten, dass die Prozesse, die für eine Verringerung von Schadstoffemissionen sorgen, nicht nur in einer Testsituation, sondern auch beim regulären Betrieb des Fahrzeugs im Straßenverkehr aktiv sind.
  2. Eine Nachbesserung (§ 439 I Fall 1 BGB) ist dem Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Neuwagens i. S. des § 440 Satz 1 Fall 3 BGB unzumutbar, wenn ungewiss ist, ob und gegebenenfalls wann der seinem Fahrzeug anhaftende Mangel beseitigt werden kann, ohne dass sich etwa der Kraftstoffverbrauch des Fahrzeugs erhöht und ohne dass ein merkantiler Minderwert verbleibt.
  3. Die Lieferung eines mangelfreien Fahrzeugs (§ 439 I Fall 2 BGB) ist dem Verkäufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen – mangelhaften – VW Passat der sechsten Generation („B6“) nicht unmöglich i. S. des § 275 I BGB, wenn er den Nacherfüllungsanspruch des Käufers durch die Lieferung eines – mangelfreien – VW Passat der siebten Generation („B7“) erfüllen kann und erfüllen darf. Ob das der Fall ist, ist nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Willen der Vertragsparteien bei Abschluss des Kaufvertrages zu beurteilen (§§ 133, 157 BGB). Dabei ist zu berücksichtigen, ob der Kaufvertrag einen Änderungsvorbehalt i. S. des § 308 Nr. 4 BGB enthält und dass ein VW Passat B7 lediglich ein „aktualisierter“ VW Passat B6 und kein gänzlich anderes Fahrzeug ist.
  4. Der Verkäufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs kann gemäß § 439 III BGB berechtigt sein, die Lieferung eines mangelfreien Fahrzeugs (§ 439 I Fall 2 BGB) als die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung zu verweigern, wenn der Käufer das nach §§ 439 IV, 346 ff. BGB zurückzugebende – mangelhafte – Fahrzeug intensiv genutzt hat und er dem Verkäufer als Verbraucher keine Nutzungsentschädigung schuldet (§ 474 I, II, V 1 BGB). Von einer in diesem Sinne intensiven Nutzung ist auszugehen, wenn der Käufer mit dem mangelhaften – rund sechs Jahre alten – Fahrzeug bereits circa 140.000 km zurückgelegt hat und folglich etwa die Hälfte der zu erwartenden Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs von 250.000 km erreicht ist. In einem solchen Fall kann sich der Käufer seinen Anspruch auf Ersatzlieferung aber dadurch erhalten, dass er sich zur Zahlung einer – an sich nicht geschuldeten – Nutzungsentschädigung bereit erklärt.

LG Arnsberg, Urteil vom 24.03.2017 – 2 O 375/16

Sachverhalt: Der Kläger bestellte bei der Beklagten, einer freien Kfz-Händlerin, am 08.06.2010 einen VW Passat Variant 2.0 TDI BMT zum Preis von 33.500 €. Der Bestellung lagen die Neuwagen-Verkaufsbedingungen der Beklagten zugrunde, die in Abschnitt IV folgende Regelung enthalten:

„6. Konstruktions- oder Formänderungen, Abweichungen im Farbton sowie Änderungen des Lieferumfangs seitens des Herstellers bleiben während der Lieferzeit vorbehalten, sofern die Änderungen oder Abweichungen unter Berücksichtigung der Interessen des Verkäufers für den Käufer zumutbar sind. Sofern der Verkäufer oder der Hersteller zur Bezeichnung der Bestellung oder des bestellten Kaufgegenstandes Zeichen oder Nummern gebraucht, können allein daraus keine Rechte abgeleitet werden.“

Das bestellte Fahrzeug wurde am 23.07.2010 erstzugelassen und dem Kläger übergeben; es wird seitdem von dem Kläger genutzt.

Im November 2010 stellte die Volkswagen AG die Produktion des VW Passat Variant der sechsten Generation (intern als „B6“ bezeichnet) ein und begann mit der Produktion des Nachfolgemodells, das intern als „B7“ bezeichnet wird. Dieses Nachfolgemodell unterscheidet sich von dem Modell B6 dahin gehend, dass es als eines der ersten Fahrzeugmodelle auf dem neuen modularen Querbaukasten des VW-Konzerns basiert. Es unterscheidet sich daher hinsichtlich Baureihe, Typ, Karosserie und Motor von dem Vorgängermodell. Dazu ist das Nachfolgemodell mit der Euro-6-Typgenehmigung ausgestattet.

Aus den Medien erfuhr der Kläger, dass seitens des VW-Konzerns bestimmte Diesel-Fahrzeuge – unter anderem auch das Fahrzeug des Klägers – mit einer Software ausgestattet wurden, die erkennt, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand einen Emissionstest absolviert, und in diesem Fall einen speziellen Betriebsmodus aktiviert. In diesem Modus ist der Ausstoß von Stickoxid (NOX) geringer als in dem Modus, in dem das Fahrzeug normalerweise, insbesondere im regulären Straßenverkehr, betrieben wird. Nur durch den Einsatz der Software wurde erreicht, dass die betroffenen Fahrzeuge – auf dem Prüfstand – die einschlägigen Emissionsgrenzwerte für die Typzulassung einhalten.

Mit Schreiben vom 21.01.2016 forderte der Kläger die Beklagte gestützt auf §§ 437 Nr. 1, 439 I Fall 2 BGB auf, ihm bis zum 03.03.2016 ersatzweise einen mangelfreien Neuwagen zu liefern. Die Beklagte lehnte einen „Austausch“ des Fahrzeugs mit Schreiben vom 25.01.2016 ab. Gleichzeitig informierte sie den Kläger über die für sein Fahrzeug geplanten Maßnahmen, kündigte weitere Informationen an und verzichtete bis zum 31.12.2017 auf die Erhebung der Einrede der Verjährung.

Am 03.06.2016 gab das Kraftfahrt-Bundesamt das hier interessierende Fahrzeugmodell zur technischen Überarbeitung frei.

Der Kläger hält sein Fahrzeug für mangelhaft und behauptet, er habe beim Verkaufsgespräch gesagt, dass es ihm insbesondere auf einen niedrigen Stickoxidausstoß ankomme. Er sei auf der Suche nach einem umweltfreundlichen und wertstabilen Fahrzeug gewesen und habe sich gerade deshalb für ein Fahrzeug mit „BlueMotion Technology“ entschieden. Die verlangte Ersatzlieferung eines aktuellen VW Passat Variant – so meint der Kläger – sei trotz der zwischenzeitlich erfolgten „Modellpflege“ weder unmöglich, noch sei sie für die Beklagte mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden.

Die Klage hatte im Wesentlichen Erfolg.

Aus den Gründen: I. … 1. Dem Kläger steht der geltend gemachte Hauptanspruch in voller Höhe zu. Er hat einen Anspruch auf Neulieferung eines fabrikneuen VW Passat Variant … mit identischer technischer Ausstattung wie das streitgegenständliche Fahrzeug gemäß §§ 437 Nr. 1, 439 I Fall 2 BGB.

a) Die Parteien haben am 08.06.2010 einen Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug, einen VW Passat Variant, für einen Kaufpreis von 33.500 € geschlossen. Der Kläger hat den Kaufpreis gezahlt.

b) Das erfüllungshalber am 23.07.2010 gelieferte streitgegenständliche Fahrzeug war bei Gefahrübergang sachmangelhaft i. S. des § 434 I BGB. Jedenfalls weist es nicht die Beschaffenheit aus, die bei Sachen gleicher Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache gemäß § 434 I 2 Nr. 2 BGB erwarten kann (vgl. u. a. OLG Hamm, Beschl. v. 21.06.2016 – I-28 W 14/16, juris Rn. 28; OLG Celle, Beschl. v. 30.06.2016 – 7 W 26/16, juris Rn. 6).

Welche Beschaffenheit des Kaufgegenstandes ein Käufer anhand der Art der Sache i. S. von § 434 I 2 Nr. 2 BGB erwarten kann, bestimmt sich nach dem Empfängerhorizont eines Durchschnittskäufers und damit nach der objektiv berechtigten Käufererwartung (vgl. BGH, Urt. v. 20.05.2009 – VIII ZR 191/07, juris Rn. 14).

Ein Fahrzeug, welches mit einer Software ausgestattet ist, die letztendlich zur Verbesserung der Stickoxidwerte nur im Rollprüfstand führt, entspricht nicht den Erwartungen, die berechtigterweise an Fahrzeuge gleichen Standards gestellt werden dürfen. Die eingebaute Software erkennt, wann sich das Fahrzeug im Testzyklus befindet, und aktiviert während der Testphase einen Abgasrückführungsprozess, der zu einem geringeren Stickoxidausstoß führt. Ein Durchschnittskäufer darf erwarten, dass die in der Testphase laufenden stickoxidverringernden Prozesse auch im realen Fahrbetrieb aktiv bleiben und nicht durch den Einsatz einer Software deaktiviert bzw. nur im Testzyklus aktiviert werden. Andernfalls wäre die Überprüfung und Angabe von Stickoxidwerten – wenn auch nur unter Laborbedingungen – Makulatur.

c) Entsprechend konnte der Kläger im Rahmen der Nacherfüllung (§ 439 I BGB) zwischen Nachbesserung und Neulieferung wählen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Käufer grundsätzlich die freie Wahl zwischen beiden Arten der Nacherfüllung hat. Der Kläger hat sich hier für die Neulieferung gemäß § 439 I Fall 2 BGB entschieden.

Hiergegen kann die Beklagte sich nicht auf § 439 III BGB berufen. Die Nachbesserung war für den Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt, dem Zeitpunkt des Nacherfüllungsverlangens, jedenfalls unzumutbar … (§ 440 Satz 1 Fall 3 BGB).

Zwar ist zugunsten der beklagten Partei zu berücksichtigen, dass sie bei Vertragsschluss keine Kenntnis von der Abgasproblematik hatte und sich das entsprechende Wissen der Volkswagen AG auch nicht zurechnen lassen muss. Die beklagte Partei und die Volkswagen AG sind rechtlich selbstständig. Auch wird die Mängelbeseitigung mit dem Kraftfahrt-Bundesamt von einer staatlichen und damit vertrauenswürdigen Stelle überwacht. Allerdings hatte auch die klagende Partei keine Kenntnis von der Abgasproblematik. Aus der gemäß § 440 Satz 1 BGB allein maßgeblichen Käuferperspektive („wenn die dem Käufer zustehende Art der Nacherfüllung […] ihm unzumutbar ist“) war es für die klagende Partei zum Rücktrittszeitpunkt unzumutbar, sich auf eine Nachbesserung mit ungewisser Dauer einzulassen.

Im Einzelnen:

aa) Eine Nachbesserung hat grundsätzlich innerhalb einer „angemessenen Frist“ zu erfolgen. Diese zeitliche Grenze ist auf die hier maßgebliche Problematik aber nicht zugeschnitten. Die Angemessenheit einer Frist ist nach objektiven Kriterien zu beurteilen (BGH, Urt. v. 21.06.1985 – V ZR 134/84). Maßgeblich ist, dass dem Verkäufer eine zeitliche Grenze gesetzt wird, die aufgrund der jeweiligen Umstände des Einzelfalls bestimmbar ist und ihm vor Augen führt, dass er die Nachbesserung nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt bewirken darf (vgl. BGH, Urt. v. 13.07.2016 – VIII ZR 49/15 Rn. 27). Abweichend davon war hier zum Rücktrittszeitpunkt auch nicht für das Gericht bestimmbar, wie viel Zeit die Nachbesserung in Anspruch nehmen wird. Die Nachbesserung ist an ein behördliches Genehmigungsverfahren gebunden. Die Dauer und auch der Ausgang dieses Verfahrens standen nicht fest. So heißt es auch in dem Schreiben der Beklagten vom 25.01.2016 an den Kläger lediglich unverbindlich und vage:

„Der aktuelle Zeitplan sieht vor, dass die ersten Fahrzeuge ab Januar 2016 auf den erforderlichen technischen Stand gebracht werden. […] Bis zur konkreten Durchführung der Maßnahmen möchten wir […] um Geduld und […] Verständnis dafür bitten, dass wir alle notwendigen Schritte mit dem gebotenen Tempo, aber auch mit der Sorgfalt angehen, die Sie jetzt von uns erwarten dürfen.“

Ein Fristenlauf ist unter diesen Voraussetzungen Makulatur: Weder kann die Nachbesserung zeitlich beschleunigt werden, noch kann der Käufer absehen, wie lange er sich gedulden muss. Dies kann nicht zulasten des Käufers gehen.

bb) Ein Nachbesserungsrecht, das ex ante zeitlich nicht begrenzt werden kann, ist systemfremd und widerspricht europarechtlichen Wertungsvorgaben.

Ausweislich des Erwägungsgrundes 52 der Verbraucherrechte-Richtlinie (Richtlinie 2011/83/EU) hat der Unternehmer vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen die Ware so bald wie möglich und in jedem Fall spätestens binnen 30 Tagen nach Abschluss des Vertrages zu liefern. Diese Vorgabe setzt § 474 III 2 BGB um. Durch die Höchstfrist soll Rechtssicherheit geschaffen werden

(vgl. die Regierungsbegründung, BT-Drs. 17/12637, S. 69: „Wie der Erwägungsgrund 51 der Richtlinie zeigt, soll Art. 18 I dem Verbraucher Rechtssicherheit über den Zeitpunkt der Lieferung der Sache nach einem Kauf verschaffen.“).

Diese Wertungsvorgabe wird unterlaufen, wenn für den Unternehmer im Rahmen der Nachbesserung keine zeitlichen Grenzen gelten. Dies berücksichtigt letztlich auch § 308 Nr. 2 BGB.

Ein zeitlich nicht bestimmbarer Fristenlauf würde im Übrigen auch gegen anerkannte Auslegungsvorgaben zur Konkretisierung der Angemessenheit einer Frist verstoßen. Eine

„Nachfrist […] braucht nicht so lang zu sein, dass der Schuldner Gelegenheit hat, innerhalb der Frist seine Leistung vorzubereiten. Vielmehr ist vorauszusetzen, dass die Leistung weitgehend fertiggestellt ist und dass der Schuldner lediglich Gelegenheit erhalten soll, seine im Wesentlichen abgeschlossene Leistung vollends zu erbringen“ (BGH, Urt. v. 10.02.1982 – VIII ZR 27/81; vgl. auch OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.11.2011 – 9 U 83/11).

Daraus folgt aber auch, dass die Nachbesserungsfrist „regelmäßig wesentlich kürzer […] als die vereinbarte Herstellungsfrist“ sein kann (BGH, Urt. v. 18.01.1973 – VII ZR 183/70; vgl. auch MünchKomm-BGB/Ernst, 7. Aufl. [2016], § 323 Rn. 74).

Im Gegensatz dazu würde eine Nachbesserung hier genutzt werden, um das betroffene Fahrzeug neu zu entwickeln. Dies zeigt sich schon daran, dass die Nachbesserung einer behördlichen Genehmigung bedarf. Eine Betriebsgenehmigung ist vor dem Verkauf eines Fahrzeugs einzuholen.

cc) Auch aus sonstigen Wertungsgesichtspunkten kann der klagenden Partei eine Nachbesserung mit ungewisser Dauer nicht zugemutet werden. Die Nachbesserung muss „ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher erfolgen“ (Art. 3 III der Richtlinie 1999/44/EG – Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie). Das ist hier nicht der Fall. Die mit einem Zuwarten verbundenen Risiken sind zu hoch, als dass sie dem Käufer aufgebürdet werden könnten:

(1) Zum Erklärungszeitpunkt war letztlich offen, ob eine – für den weiteren Betrieb des Fahrzeugs vorausgesetzte – Nachbesserung überhaupt möglich sein wird. Die Einzelgenehmigung des Kraftfahrt-Bundesamtes lag nicht vor. Zweifel an einem Nachbesserungserfolg sind jedenfalls unter Berücksichtigung der öffentlichen Diskussion nachvollziehbar. So heißt es auch in dem vorgenannten Schreiben der Beklagten vom 25.01.2016: „Die durch die öffentliche Diskussion hervorgerufene Unsicherheit können wir sehr gut nachvollziehen.“

Zweifel an einem Nachbesserungserfolg sind insbesondere auch vor dem Hintergrund verständlich, dass die von der Volkswagen AG dem Kraftfahrt-Bundesamt vorgeschlagenen technischen Maßnahmen innerhalb kurzer Zeit für eine Vielzahl von betroffenen Fahrzeugen entwickelt worden sind und ausweislich des vorgenannten Schreibens mit kurzer Werkstattzeit umsetzbar sein sollen. Dann aber stellt sich die Zweifel begünstigende Frage, warum die technischen Lösungen nicht von vornherein implementiert worden sind.

Erschwerend kommt hinzu, dass nach dem gesetzlichen Grundsatz eine Nachbesserung erst nach dem erfolglosen zweiten Versuch als fehlgeschlagen gilt (§ 440 Satz 2 BGB). Der Käufer müsste also befürchten, dass sich weitere behördliche Verfahren mit ungewisser Dauer anschließen können.

(2) Zum Erklärungszeitpunkt war auch offen, ob die Nachbesserung Auswirkungen auf Verbrauch und Fahrleistung haben wird. Dazu heißt es auch in dem vorgenannten Schreiben der Beklagten lediglich: „Es ist unser Ziel, dass die Maßnahmen keinen nachhaltigen Einfluss auf Verbrauch und Fahrleistung haben werden.“

(3) Unter Berücksichtigung der öffentlichen Diskussion war auch unklar, ob sich der Marktwert der betroffenen Fahrzeuge nachteilig entwickelt. Gerade der Wert eines Kraftwagens kann von subjektiven Vorstellungen beeinflusst sein

(vgl. BGH, Urt. v. 04.03.1976 – VI ZR 14/75: „Mittelbar aber können auch ästhetische Urteile und selbst irrationale Vorurteile schadensrechtlich erheblich werden, wenn sie sich wegen ihrer allgemeinen Verbreitung zwangsläufig auf den Verkehrswert der Sache, auf die sie sich beziehen, auswirken. Das ist aber bei der allgemeinen besonderen Wertschätzung eines fabrikneuen unfallfreien Kraftwagens der Fall; […]“).

Auch im Zusammenhang mit der „130-%-Rechtsprechung“, wonach in Abweichung von dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 249 II 1 BGB Ersatz des Reparaturaufwands bis zu 30  % über dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs verlangt werden kann (vgl. etwa BGH, Urt. v. 02.06.2015 – VI ZR 387/14), ist anerkannt, dass der Vertrautheit mit einem Fahrzeug (vgl. BGH, Urt. v. 15.10.1991 – VI ZR 314/90) und dem Wissen um den Zustand des Fahrzeugs, insbesondere auch dem Wissen darum, „ob und welche Mängel dabei aufgetreten und auf welche Weise sie behoben worden sind“, „ein wirtschaftlicher Wert zukommt“ (BGH, Urt. v. 15.02.2005 – VI ZR 70/04). Dies begründet die naheliegende Möglichkeit, dass jedenfalls vor der Freigabeerklärung des Kraftfahrt-Bundesamtes ein Wertverlust zu besorgen ist. Zuvor ist gerade nicht bekannt, ob und wie der Mangel behoben werden kann. Dabei handelt es sich auch nicht um eine Bagatelle – die Zulassung ist an die Mangelbeseitigung gebunden. Ist aber jedenfalls während der Nachbesserungszeit ein Wertverlust möglich, ist die klagende Partei in ihrer Dispositionsmöglichkeit erheblich eingeschränkt: Will sie keinen mangelbedingten Verlust erleiden, muss sie mit einem Verkauf des Fahrzeugs warten. Dies gilt erst Recht mit Blick auf den europäischen Markt. So heißt es bezeichnend in dem vorgenannten Schreiben der Beklagten vom 25.01.2016:

„Volkswagen steht bereits in Kontakt mit zahlreichen zuständigen ausländischen Behörden mit dem Ziel, dass auch diese sich an den vom Kraftfahrt-Bundesamt bestätigten Maßnahmen orientieren.“

Ein Kraftwagen ist aber ein zentrales Verkehrsgut. Einschränkungen in der Fungibilität mit unbestimmter Dauer sind nicht hinnehmbar.

(4) Die naheliegende Möglichkeit eines mangelbedingten Wertverlusts jedenfalls während der Nachbesserungszeit führt im Übrigen auch dazu, dass die klagende Partei das Risiko seiner unfallbedingten Verwirklichung trägt: Erleidet das Fahrzeug etwa einen technischen Totalschaden und kann der Geschädigte nur Ersatz des Wiederbeschaffungswerts verlangen, ist der (mangelbedingt gegebenenfalls geminderte) Wert zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses maßgeblich.

(5) Das vorgenannte Schreiben der Beklagten vom 25.01.2016 begründet im Übrigen auch den Verdacht, dass ein Betrieb des streitgegenständlichen Fahrzeugs im Ausland mit rechtlichen Schwierigkeiten verbunden ist.

(6) Es besteht aber auch der Verdacht, dass das Fahrzeug innerhalb von Deutschland nicht rechtlich gesichert betrieben werden kann bzw. kein Haftpflichtversicherungsschutz besteht. Entsprechende rechtliche Erwägungen sind jedenfalls nicht unvertretbar. So heißt es etwa in dem Urteil des LG München II vom 15.11.2016 – 12 O 1482/16:

„Zu berücksichtigen ist auch, dass die Betriebserlaubnis für den Pkw kraft Gesetzes gemäß § 19 II 2 Nr. 3 StVZO erloschen ist. Dass die Behörden an diesen Umstand momentan für Hunderttausende Kraftfahrzeugführer keine Folgen knüpfen, ist für sich genommen für § 19 II 2 Nr. 3 StVZO unerheblich, da die Rechtsfolge kraft Gesetzes eintritt – unabhängig von behördlichen Maßnahmen.“

Dieses rechtliche Risiko kann nicht dem Käufer aufgebürdet werden, zumal ausländische Behörden von der hiesigen Verwaltungspraxis abweichen können.

d) Der Neulieferung steht auch nicht § 275 I BGB entgegen; sie ist möglich. Soweit die Beklagte einwendet, die Fahrzeuge derselben Serie seien alle mit der monierten Software ausgestattet und würden nicht mehr hergestellt und Fahrzeuge der aktuellen Serie seien ein aliud, dringt sie nicht durch.

Es ist unerheblich, dass die Fahrzeuge derselben Serie alle mit der monierten Software ausgestattet sind, da die Beklagte das Nachlieferungsverlangen mit der Lieferung eines Fahrzeugs aus der aktuellen Serie erfüllen kann. Es handelt sich hierbei nicht um ein aliud, auch wenn die Fahrzeuge der aktuellen Serie auf dem neuen modularen Querbaukasten basieren und sich von der Vorgängergeneration hinsichtlich Baureihe, Typ, Karosserie und Motor unterschieden und mit der Euro-6-Typgenehmigung ausgestattet sind.

Wegen Abschnitt IV Nr. 6 der Neuwagenverkaufsbedingungen sind auch Fahrzeuge mit solchen Änderungen noch von der vertraglich geschuldeten Gattungsschuld umfasst.

Soweit Bedenken gegen die Klausel bestehen könnten, da diese den Anlass für die vorbehaltenen Änderungen nicht nennt (vgl. KG, Urt. v. 27.10.2011 – 23 U 15/11 m. w. Nachw.), kann dies hier dahinstehen. Die Beklagte könnte sich als Verwenderin der Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß § 242 BGB ohnehin nicht auf eine Unwirksamkeit berufen (BGH, Urt. v. 25.02.2016 – VII ZR 49/15 Rn. 51 ff.).

Die Klausel bezieht sich entgegen der Auffassung der Beklagten auch auf die Leistung im Rahmen der Nacherfüllung. Nach ihrem Wortlaut sind von der Klausel Änderungen „während der Lieferzeit“ umfasst. „Lieferzeit“ beschreibt den Zeitraum zwischen der Anforderung einer Sache und ihrem Empfang. Dabei ist auch eine Auslegung dahin gehend möglich, dass die Lieferzeit erst endet, wenn eine vertragsgemäße, also mangelfreie Sache empfangen wird. Denn erst dann ist die ursprünglich angeforderte Sache auch empfangen.

Dazu erweitert die Klausel den Gattungsbegriff. Ob eine Ersatzlieferung durch ein Fahrzeug aus einer anderen Serienproduktion in Betracht kommt, ist nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Willen der Vertragsparteien zu beurteilen (§§ 133, 157 BGB; vgl. BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 209/05 Rn. 23). Eine Ersatzlieferung durch ein „aktualisiertes“ Fahrzeug ist möglich, wenn ein solches „aktualisiertes“ Fahrzeug von der Vorstellung des Käufers bei seiner Kaufentscheidung umfasst war. Ob der Käufer in dem jeweils konkreten Fall auf ein Fahrzeug aus einer bestimmten Serienproduktion Wert gelegt hat oder ob es ihm nur um einen bestimmten Typ mit einer bestimmten Ausstattung und bestimmten Merkmalen ging, ist anhand konkreter und objektiver Kriterien zu ermitteln. In der vorliegenden Konstellation ergibt sich nach Würdigung der Gesamtumstände, dass der Kläger nur darauf Wert legte, das bestellte Modell aus der aktuellen Serienproduktion zu erhalten, das von seiner Ausstattung und seinen Merkmalen mit dem konkret bestellten Fahrzeug mindestens gleichwertig ist. Abschnitt IV Nr. 6 der Neuwagen-Verkaufsbedingungen gestattet es dem Verkäufer, den bestellten Wagen durch einen anderen zu ersetzen, soweit dies für den Käufer zumutbar ist.

Die hier vorgenommenen Änderungen sind durch Abschnitt IV Nr. 6 der Neuwagen-Verkaufsbedingungen gedeckt. Die Fahrzeuge der aktuellen Serienproduktion sind eine „aktualisierte“ Version des ursprünglich bestellten Fahrzeugs, und der Austausch der Fahrzeuge ist für den Kläger zumutbar. Bei den in Betracht kommenden Fahrzeugen handelt es sich um eine Weiterentwicklung des ursprünglich bestellten Fahrzeugs, nicht um gänzlich andere Fahrzeuge. Die Unterschiede durch die Konstruktionsänderungen halten sich im Rahmen der Modellpflege. Insbesondere geht auch die Beklagte davon aus, dass es sich bei den Fahrzeugen der aktuellen Serie um Nachfolgemodelle des streitgegenständlichen Fahrzeugs handelt. Die Änderungen sind dem Kläger auch zumutbar. Hierbei ist zu vermuten, dass der Käufer ein möglichst aktuelles Fahrzeug möchte und Änderungen im Rahmen der Modellpflege vorbehaltlich einer abweichenden Regelung im Kaufvertrag daher grundsätzlich zumutbar sind, wenn sich die Fahrzeugdaten nicht verschlechtern. Hier ist nicht vorgetragen, dass sich die Fahrzeugdaten verschlechtert haben.

e) Ein Verweigerungsrecht nach § 275 II BGB liegt ebenfalls nicht vor. Der Aufwand der Beklagten bei der Neulieferung des Fahrzeugs steht in keinem groben Missverhältnis zu dem Interesse des Klägers an der Erfüllung des Kaufvertrags.

Allerdings ist hier beachtlich, dass der Beklagten im Falle der Nachlieferung gemäß § 474 V BGB ein Anspruch auf Nutzungsersatz nicht zusteht. Die Tatsache, dass unter Umständen die mangelhafte Sache intensiv genutzt wurde und der Verbraucher für diese Nutzung im Falle der Nachlieferung keinen Ersatz schuldet, kann im Rahmen des Verweigerungsrechtes des Verkäufers nach § 439 III BGB Berücksichtigung finden (MünchKomm-BGB/Lorenz, 6. Aufl., § 474 Rn. 32). Dieser kann in diesem Fall berechtigt sein, im Hinblick auf die Abnutzung des Gegenstandes, eine Nacherfüllung durch Neulieferung zu verweigern (MünchKomm-BGB/Lorenz, a. a. O., § 474 Rn. 32).

Nach Auffassung der Kammer ist dieser Fall hier nach einer Nutzung des Pkw von circa sechs Jahren und einer Fahrleistung von circa 140.000 km, die mehr als die Hälfte der in der Regel zu erwartenden Fahrleistung von 250.000 km ausmacht, gegeben. Nach Auffassung der Kammer kann sich der Käufer in dieser besonderen Situation das Recht auf Neulieferung aber erhalten, wenn er sich seinerseits zum Nutzungsersatz bereit erklärt, den er im Falle des Rücktritts zu gewähren hätte. Hier hat der Kläger sich zwar auf den Standpunkt gestellt, dass er aufgrund der Regelung des § 474 V BGB nicht zum Nutzungsersatz verpflichtet sei. Der Kläger hat aber hilfsweise Ausführungen zur Höhe des Nutzungsersatzes gemacht und im Termin die Fahrleistung des Pkw angegeben. Die Kammer schließt daraus, dass sich der Kläger nicht grundsätzlich der Zahlung eines Nutzungsersatzes verschließt und bereit ist, einen solchen zu gewähren, den er ansonsten im Falle des dann erforderlichen Rücktritts leisten müsste.

Den Nutzungsersatz hat die Kammer unter Berücksichtigung einer gemäß § 287 ZPO angenommenen Gesamtfahrleistung von 250.000 km und dem im Termin angegebenen Kilometerstand von 141.926 km berechnet. Für eine höhere Fahrleistung wäre die Beklagte vortrags- und beweispflichtig.

2. An der Zulässigkeit des Feststellungsantrags bestehen ebenfalls keine Zweifel. Insbesondere folgt das Feststellungsinteresse des Klägers aus §§ 756, 765 Nr. 1 ZPO.

3. Der Klageantrag zu 3 ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Freistellung von den durch die Beauftragung des Prozessbevollmächtigten entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

Ein Anspruch hierauf gemäß §§ 280 I, II, 286 BGB scheitert daran, dass die Beklagte sich mit der Neulieferung nicht in Verzug befand.

Ansprüche gemäß §§ 280 I, III, 281 BGB bzw. § 280 I BGB – gegebenenfalls in Verbindung mit §§ 311 II, 241 II BGB – wegen der ursprünglichen sachmangelbehafteten Lieferung bzw. einer etwaigen falschen Beratung greifen mangels Verschulden nicht. Die Vermutung des § 280 I 2 BGB ist widerlegt; es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte den Mangel kannte. Sie muss sich auch etwaige Kenntnisse der Volkswagen AG nicht zurechnen lassen. Die Zurechnung fremden Wissens ist gemäß § 278 Satz 1 BGB dann gerechtfertigt, wenn sich der Schuldner bei der Erfüllung einer ihm obliegenden Verbindlichkeit der Hilfe eines Dritten bedient. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Der Verkäufer schuldet im Rahmen eines Kaufvertrags nicht die Herstellung, sondern die Lieferung einer mangelfreien Sache (§ 433 I 2 BGB). Die Volkswagen AG wird daher im Rahmen der Herstellung der Fahrzeuge nicht im Pflichtenkreis der Beklagten tätig. …

Hinweis: Dieses Urteil hat mir freundlicherweise der Kollege Dr. Ralf StollDr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH – zukommen lassen, der es für den Kläge erstritten hat.

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