1. Der Verkäufer eines Gebrauchtwagens muss den Käufer auch dann ungefragt darüber aufklären, dass das Fahrzeug in der Vergangenheit als Mietwagen genutzt wurde, wenn das Fahrzeug nur eine verhältnismäßig geringe Laufleistung (hier: 15.000 km) aufweist und die Erstzulassung noch nicht lange (hier: circa acht Monate) zurückliegt. Erst recht besteht eine Aufklärungspflicht in den Fällen, in denen es dem Käufer erkennbar darauf ankommt, wie das Fahrzeug zuvor genutzt wurde.
  2. Unterlässt der Verkäufer den Hinweis auf die Vornutzung des Fahrzeugs als Mietwagen, kann der Käufer wegen der Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht (§ 241 II BGB) zum Rücktritt vom Kaufvertrag und zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 123 I BGB) berechtigt sein.

LG Hamburg, Urteil vom 28.10.2016 – 326 O 31/16

Sachverhalt: Die Klägerin verkaufte dem Beklagten am 17.12.2015 einen gebrauchten Pkw, der am 22.04.2015 erstzugelassen worden war und eine Laufleistung von 15.000 km aufwies. Der Kaufpreis für das Fahrzeug, den der Beklagte durch die Aufnahme eines Darlehens finanzierte, betrug 19.750 €. Außerdem erwarb der Beklagte von der Klägerin für 1.578,58 € Kfz-Zubehör, das die Klägerin vor der Übergabe des Fahrzeugs an den Beklagten in den Pkw einbauen sollte.

Da nicht die Klägerin das Fahrzeug anmelden sollte, sondern der Beklagte dies selbst erledigen wollte, besorgte er sich für den 28.01.2016 einen Termin bei der Zulassungsstelle. Am 15.01.2016 erhielt der Beklagte von der Klägerin gegen eine Anzahlung von 5.000 € die Zulassungsbescheinigung Teil I und die Zulassungsbescheinigung Teil II zu treuen Händen. Er sollte sie nach der Anmeldung des Pkw dem Darlehensgeber überlassen. In der Zulassungsbescheinigung Teil II war als Vorbesitzer des Pkw die Firma F eingetragen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 01.02.16 ließ der Beklagte den Kaufvertrag anfechten und vorsorglich auch den Rücktritt von diesem Vertrag erklären. Dies wurde damit begründet, dass der Beklagte während des Verkaufsgesprächs ausdrücklich erklärt habe, er habe kein Interesse an einem Fahrzeug, das zuvor als Mietwagen genutzt worden sei. Die Klägerin wurde aufgefordert, dem Beklagten die Anzahlung von 5.000 € Zug um Zug gegen Herausgabe der Fahrzeugpapiere bis zum 16.02.2016 zurückzuzahlen.

Nachdem die Klägerin den Beklagten mit Schreiben vom 05.02.2016 erfolglos aufgefordert hatte, das gekaufte Fahrzeug bis zum 10.02.2016 abzunehmen, erhob sie am 25.02.2016 Klage.

Die Klägerin hat zunächst vorgetragen, ihr Verkäufer, der Zeuge S, habe den Beklagten während der Vertragsverhandlungen ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Gebrauchtwagen um einen ehemaligen Mietwagen handele. Dies sei ja aus den Fahrzeugpapieren ersichtlich; es sei daher sinnlos, diesen Umstand zu verschweigen. Später hat die Klägerin ihren Vortrag dahin geändert, dass über die Mietwageneigenschaft vor Abschluss des Kaufvertrages gar nicht gesprochen worden sei. Sie meint, es stelle keinen Sachmangel dar, dass ein Gebrauchtwagen zuvor als Mietwagen genutzt worden sei; denn diese Art der Nutzung eines Fahrzeugs sei gerade bei einem Jahreswagen nicht atypisch. Dies gelte umso mehr, wenn – wie hier – das Fahrzeug lediglich eine Laufleistung von 15.000 km habe und seit seiner Erstzulassung nur acht Monate vergangen seien. Ein übermäßiger Verschleiß sei in diesem Fall nicht zu erwarten. Es gebe daher auch keine Pflicht, die Mietwageneigenschaft ungefragt zu offenbaren. Der Beklagte – so behauptet die Klägerin – habe nicht erklärt, keinen ehemaligen Mietwagen kaufen zu wollen.

Ihre im Wesentlichen auf Zahlung von 16.328,58 € nebst Zinsen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Demgegenüber war die Widerklage des Beklagten ganz überwiegend erfolgreich: Die Klägerin wurde verurteilt, dem Beklagten – Zug um Zug gegen Rückgabe der Zulassungsbescheinigung Teil I und der Zulassungsbescheinigung Teil II – die Anzahlung von 5.000 € nebst Zinsen zurückzuzahlen.

Aus den Gründen: 1. Zwar wurde durch Unterzeichnung des Vertrages am 17.12.2015 zwischen den Parteien wirksam ein Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug geschlossen, der den Beklagten zur Abnahme des Fahrzeugs und zur Zahlung des Kaufpreises … verpflichtete. Von diesem Vertrag ist der Beklagte jedoch wirksam gemäß §§ 437 Nr. 2 Fall 1, 440, 323, 326 V BGB wegen Vorliegens eines Sachmangels bzw. wegen Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht nach §§ 324, 241 II BGB zurückgetreten. Er kann daher die Rückabwicklung des Vertrages von der Klägerin verlangen.

a) Ein Sachmangel ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Sache eine Beschaffenheit aufweist, die unüblich (atypisch) ist und die der Käufer nicht erwarten muss (Umkehrschluss aus § 434 I 2 Nr. 2 BGB).

b) In der Rechtsprechung ist zwar umstritten, ob der Umstand, dass ein Gebrauchtfahrzeug vom Vorbesitzer als Mietwagen genutzt wurde, ein wertmindernder Faktor ist. Während einige Gericht den Standpunkt vertreten, die Mietwagennutzung sei heutzutage keine atypische Nutzung mehr, insbesondere wenn es um sogenannte Jahreswagen gehe, die häufig zuvor als Mietwagen genutzt würden (LG Kaiserslautern, Beschl. v. 25.03.2009 – 2 O 498/08, NJW-RR 2010, 634; AG Kiel, Urt. v. 03.10.2014 – 107 C 135/13; vgl. auch OLG Köln, Urt. v. 29.05.1996 – 13 U 161/95, VersR 1997, 1368, das auf den jeweiligen Einzelfall abstellt), vertreten andere die Auffassung, eine gewerbliche Nutzung stelle in der Regel einen wertmindernden Faktor dar (wegen Abnutzung, Verschleiß, Auslastung, Fahrerzahl), der generell aufklärungsbedürftig sei (LG Bonn, Urt. v. 20.11.2012 – 18 O 169/12; LG Mannheim, Urt. v. 29.12.2011 – 1 O 122/10).

c) Das erkennende Gericht schließt sich der letzteren Auffassung an.

Es kann dabei dahinstehen, ob heutzutage ein rücksichtsvolles Einfahren eines Neufahrzeugs aufgrund der fortgeschrittenen technischen Möglichkeiten für die Lebensdauer eines Motors noch erforderlich ist oder nicht. Jedenfalls entspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Autofahrer mit einem Mietfahrzeug nicht entsprechend sorgsam und vorsichtig umgehen wie mit einem selbst erworbenen Neufahrzeug. Die Annahme, dass durch eine ungewöhnlich sorglose Fahrweise und eine gesteigerte gewerbliche Nutzung versteckte Schäden und ein höherer Verschleiß als erwartet bei dem Fahrzeug vorliegen können, ist nicht unplausibel. So hat auch in dem Verfahren vor dem LG Mannheim (Urt. v. 29.12.2011 – 1 O 122/10) der dort angehörte Sachverständige bestätigt, dass es eine nachweisbare Käuferpsychologie dahin gehend gebe, dass sich die Vornutzung eines Fahrzeugs als Mietfahrzeug auf die Kaufpreisbestimmung erkennbar mindernd auswirke. Es handelt sich bei dieser Fahrzeugeigenschaft aus Käufersicht somit üblicherweise um einen maßgeblichen, wertbestimmenden Faktor, der von der üblichen, zu erwartenden Beschaffenheit abweicht, und der für den Vertragsabschlusswillen von Bedeutung ist.

Derartige Beschaffenheitseigenschaften sind daher generell aufklärungsbedürftig und damit auch ohne ausdrückliche Nachfrage des Käufers hinweispflichtig. Diese Pflicht ergibt sich auch als vertragliche Nebenpflicht aus § 241 II BGB, was auch über § 324 BGB zum Rücktritt berechtigt.

Den somit eigeninitiativ erforderlichen Hinweis auf die Mietwagennutzung des Fahrzeugs durch den Vorbesitzer hat die Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag unterlassen. Ferner hat der Zeuge S auf Befragen des Gerichts bestätigt, im Verkaufsgespräch nicht erwähnt zu haben, dass der Vorbesitzer die Mietwagenfirma F gewesen sei.

d) Bei dem vorliegenden Gebrauchtwagenkauf handelt es sich um einen Vertrag über eine unvertretbare Sache. Eine Nachbesserungsfrist für die Ausübung des Rücktrittsrechts war ausnahmsweise entbehrlich, da der Umstand, dass das Fahrzeug zuvor als Mietwagen genutzt wurde, nicht beseitigt werden kann.

Der Kaufvertrag hat sich durch die Rücktrittserklärung des Beklagten somit in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt. Der ursprüngliche Vertragserfüllungsanspruch der Klägerin ist erloschen. Der Beklagte kann die Rückgewähr seiner Anzahlung verlangen gegen Herausgabe der Fahrzeugpapiere.

2. Selbst wenn man jedoch den Standpunkt vertreten würde, ein Gebrauchtwagenverkäufer müsse auf die Mietwageneigenschaft nicht ungefragt hinweisen, weil dies keine wesentliche Eigenschaft der Kaufsache sei, würde hier dem Beklagten jedoch ein Anspruch auf Verweigerung der Kaufpreiszahlung und Rückgewähr der Anzahlung nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen (§ 812 I 1 Fall 1 BGB) zur Seite stehen. Denn insoweit stünde dem Beklagten ein Anfechtungsrecht seiner Kaufvertragserklärung zu, das er durch anwaltliches Schreiben vom 01.02.2016 wirksam ausgeübt hat.

Der Zeuge Z hat ausdrücklich bestätigt, der Beklagte habe im Verkaufsgespräch erklärt, er wolle keinen Mietwagen kaufen. Der Zeuge S hat dies zwar nicht bestätigt, sondern von sich gewiesen. Er konnte insoweit jedoch nicht ausschließen, dass der Beklagte zumindest geäußert haben könnte, einen Firmenwagen nur haben zu wollen, wenn dieser nur von wenigen Personen gefahren worden sei. Der Zeuge S ist bei dieser Frage auffallend vager und ausweichender in seinem Antwortverhalten gewesen als bei seiner vorhergehenden Aussage. Es ist somit nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts davon auszugehen, dass der Beklagte im Verkaufsgespräch zumindest deutlich gemacht hat, dass ihm die Art und Intensität der Vorbenutzung des Fahrzeugs nicht egal ist und es ihm auf diese Umstände für seine Kaufentscheidung ankommt.

Zumindest in einem solchen Fall, in dem es dem Käufer erkennbar auf die Vorbenutzung des Fahrzeuges ankommt, ist von Verkäuferseite auf die Mietfahrzeugeigenschaft des Wagens ausdrücklich hinzuweisen und der Käufer über die Vorbenutzung des Fahrzeugs nicht im Unklaren zu lassen. Der Zeuge S hat den erforderlichen Hinweis unterlassen. Er hat damit eine etwaige Fehlvorstellung des Beklagten über die für ihn erkennbar wesentliche Vorbenutzung des Kaufgegenstandes aufrechterhalten. Er hat damit den Tatbestand der arglistigen Täuschung durch Unterlassen i. S. des § 123 I BGB erfüllt (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 75. Aufl., § 123 Rn. 5). Dies gilt selbst dann, wenn der Zeuge S dabei keine Schädigungsabsicht gehabt haben sollte, weil er davon überzeugt gewesen wäre, dass das Fahrzeug durch die Nutzung als Mietwagen keinen Minderwert aufwies (vgl. Palandt/Ellenberger, a. a. O., § 123 Rn. 2).

Durch die form- und fristgerecht ausgeübte Anfechtungserklärung seitens des Beklagten ist der Abnahme- und Kaufpreisanspruch der Klägerin durch Wegfall des angefochtenen Vertrages erloschen. Dem Beklagten steht ein Anspruch auf Rückgewähr der bereits geleisteten Anzahlung von 5.000 € aus § 812 I 1 Fall 1 BGB (rechtsgrundlose Leistung) zu. Die Klägerin kann die Herausgabe der Fahrzeugpapiere aus § 985 BGB und § 812 I 1 Fall 1 BGB verlangen.

3. Die Klage war daher abzuweisen, der Widerklage war stattzugeben.

Der Zinsanspruch besteht ab Verzug. Mit Schreiben vom 01.02.2016 hatte der Beklagte der Klägerin einen Termin zur Rückzahlung der 5.000 € bis zum 16.02.2016 gesetzt. Erst ab diesem Zeitpunkt kann Verzugszins verlangt werden. …

PDF erstellen