Ein gewerblicher Kfz-Händler, der einen Gebrauchtwagen im Internet – hier: bei „mobile.de“ – zum Kauf anbietet, muss darauf hinweisen, dass das Fahrzeug in der Vergangenheit gewerblich als Mietwagen genutzt wurde. Unterlässt der Händler diesen Hinweis, handelt er unlauter, weil er dem Verbraucher eine wesentliche Information i. S. von § 5a II 1 UWG vorenthält.

OLG Oldenburg, Urteil vom 15.03.2019 – 6 U 170/18

Sachverhalt: Der Kläger, ein großer Wettbewerbsverband, macht gegen die beklagte Inhaberin eines Autohauses einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch geltend.

Die Beklagte bot im November 2017 auf der Internetseite „mobile.de“ einen Pkw Opel Mokka X zum Kauf an. In dem Internetinserat hieß es unter anderem: „Erstzulassung 03/2017, 11.400 km“ und „Anzahl der Fahrzeughalter: 1“. Ein Hinweis darauf, dass das Fahrzeug zuvor von einem spanischen Mietwagenunternehmen in Spanien als „Selbstfahrervermietfahrzeug“ (Mietwagen) eingesetzt worden war, fehlte. Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte dadurch Verbrauchern eine wesentliche Information vorenthalten hat.

Der Kläger meint, die Beklagte habe gegen § 5a II 1, III Nr. 1 UWG verstoßen. Er wollte erreichen, dass die Beklagte es unterlassen muss, Gebrauchtfahrzeuge, bei denen es sich um sogenannte Mietrückläufer handelt, ohne einen entsprechenden Hinweis anzubieten.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Beklagte habe dadurch, dass sie nicht auf die vormalige Nutzung des Fahrzeugs als Mietwagen hingewiesen habe, einem Verbraucher keine wesentliche Information i. S. des § 5a II 1 UWG vorenthalten, die der Verbraucher benötige, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen. Der Unternehmer habe keine allgemeine Aufklärungspflicht; vielmehr bestehe eine Informationspflicht nur, soweit der Marktteilnehmer nach Treu und Glauben bzw. nach den gängigen Marktgepflogenheiten erwarten dürfe, dass ihm die betreffende Tatsache mitgeteilt werde. Danach sei ein Hinweis auf die Vornutzung des Opel Mokka X als Mietwagen nicht erforderlich gewesen.

Zunächst sei zu berücksichtigen, dass das Fahrzeug gerade nicht als Jahreswagen angeboten worden sei. Entgegen Entscheidungen der Oberlandesgerichte Oldenburg (1.&nbsp:Zivilsenat; Urt. v. 16.09.2010 – 1 U 75/10, MDR 2011, 250) und München (Urt. v. 30.06.2011 – 29 U 1455/11, BeckRS 2011, 19701) sei die Kammer auch nicht der Auffassung, die Angabe „Anzahl der Fahrzeughalter: 1“ bringe zum Ausdruck, dass das Fahrzeug nicht von einem Autovermieter gehalten worden sei, sondern von einer privat agierenden Einzelperson. Zudem sei die Annahme des OLG Oldenburg, der Rechtsverkehr sehe in der vormaligen ins Gewicht fallenden Nutzung eines Gebrauchtfahrzeugs als Mietwagen eine negative Eigenschaft, heute nicht mehr gerechtfertigt. Gerade wegen geänderter Gewährleistungsvorschriften werde der Gebrauchtwagenmarkt von Fahrzeugen mit relativ kurzer Nutzungsdauer dominiert. In der Praxis würden neben den Fahrzeugen von Werksangehörigen in beträchtlicher Anzahl sowohl Leasingrückläufer als auch Fahrzeuge aus den Flotten von Mietwagenunternehmen angeboten. Deren Geschäft sei dadurch gekennzeichnet, dass den Mietern relativ neue Fahrzeuge zur Verfügung gestellt würden, die zuvor mit erheblichen Rabatten von den Fahrzeugherstellern gekauft worden seien. Diese Fahrzeuge würden bereits nach wenigen Monaten wieder in den allgemeinen Markt gebracht. Die Vermieter seien deshalb gerade darauf angewiesen, dass sich die Fahrzeuge technisch und optisch in einem guten Zustand befänden. Auch ein Mieter, der wisse, dass er für Schäden an dem Mietfahrzeug einzustehen habe, werde – entgegen der Annahme des Klägers – bemüht sein, Verschlechterungen des Fahrzeugs zu vermeiden.

Der – zutreffende – Hinweis der Beklagten darauf, dass das angebotene Fahrzeug lediglich einen Vorbesitzer gehabt habe, habe keiner Ergänzung im Hinblick auf die Vornutzung des Fahrzeugs als Mietwagen bedurft. Der Begriff „Vorbesitzer“ bezeichne bei Kraftfahrzeugen nicht die Nutzer, sondern lediglich die Halter. Dementsprechend werde sich ein Durchschnittsverbraucher, der ein Fahrzeug wie das hier angebotene kaufe, von dem Hinweis auf (nur) einen Vorbesitzer nicht deshalb getäuscht fühlen, weil das Fahrzeug als Mietwagen genutzt wurde. Ein durchschnittlicher Verbraucher, der einen jungen Gebrauchtwagen erwerben wolle, habe sich in der Regel vorher informiert und wisse deshalb, dass es verschiedene Quellen gebe, aus denen heraus Fahrzeuge mit kurzen Zulassungszeiten „in den Markt gedrückt würden“; darauf könne er sich einstellen. Auf der anderen Seite „würde es die Anforderungen an einen Unternehmer überfordern“ und einen erheblichen Mehraufwand bedeuten, wenn er in jedem Fall darauf hinweisen müsse, ob es sich bei dem jeweils angebotenen Fahrzeug beispielsweise um einen Leasingrückläufer, ein ehemaliges Firmenfahrzeug, ein Fahrzeug mit Kurzzulassung, ein in der Vergangenheit von einem Werksangehörigen genutzte Fahrzeug oder um einen ehemaligen Mietwagen handele.

Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hatte Erfolg.

Aus den Gründen: II. … 1. Der Kläger hat den tenorierten Unterlassungsanspruch gemäß § 8 UWG i. V. mit §§ 3, 5 a II UWG, weil die Beklagte durch den unterbliebenen Hinweis auf die Vornutzung des angebotenen Fahrzeugs als Mietwagen im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthalten hat, die der Verbraucher nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

Dabei kommt es auf das teilweise streitige Verhältnis zwischen § 5a I UWG und § 5a II UWG nicht an (vgl. dazu Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl. [2019], § 5a Rn. 2.1 f. m. w. Nachw.). Denn zum einen ist § 5a II UWG für Verbraucher die speziellere Vorschrift, zum anderen ist die vom Landgericht zu Recht vorgenommene Interessenabwägung in jedem Fall auch bei der Prüfung der Voraussetzungen eines Verstoßes gegen § 5a II UWG erforderlich.

Maßgebliche Tatbestandsvoraussetzung des § 5a II UWG ist die Wesentlichkeit der vorenthaltenen Information. Nach der Rechtsprechung des BGH ist eine Information nicht schon dann wesentlich, wenn sie für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers von Bedeutung sein kann, sondern nur dann, wenn ihre Angabe unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen vom Unternehmer erwartet werden kann und ihr für die vom Verbraucher zu treffende geschäftliche Entscheidung erhebliches Gewicht zukommt; die Information muss einerseits ein solches Gewicht haben, dass sie für die Entscheidung des durchschnittlichen Verbrauchers voraussichtlich und für den Unternehmer erkennbar von besonderer Bedeutung ist, andererseits soll der Unternehmer nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht unzumutbar belastet werden (vgl. BGH, Urt. v. 21.07.2016 – I ZR 26/15, WRP 2016, 1221 Rn. 31 – LGA tested; Beschl. v. 15.12.2016 – I ZR 241/15, WRP 2017, 303 Rn. 17 – Entertain; Urt. v. 27.04.2017 – I ZR 55/16, GRUR 2017, 1265 Rn. 19 – Preisportal; Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, a. a. O., § 5a Rn. 3.13 m. w. Nachw.). Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung besteht insofern eine gewisse Wechselwirkung, als dem Unternehmer desto eher die Bereitstellung der Information zumutbar, je wichtiger die betreffende Information für eine informierte Entscheidung des Verbrauchers ist (vgl. Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, a. a. O., § 5a Rn. 3.13 m. w. Nachw.).

Nach diesen Maßstäben ist die Mietwageneigenschaft für die informierte Entscheidung des Verbrauchers wesentlich. Wie das OLG München zutreffend ausgeführt hat, ist für einen Kaufinteressenten von Bedeutung, ob das Fahrzeug durch mehrere Hände gegangen und dabei in besonderem Maße abgenutzt worden ist:

„Selbst wenn es auch bei der privaten Verwendung als dem typischen Fall des Verkaufs aus erster Hand nahe liegt, dass das Fahrzeug nicht nur vom Halter, sondern daneben von dessen Familienmitgliedern oder Bekannten genutzt worden ist, so geht der Verkehr doch davon aus, dass ein solches Fahrzeug schon wegen der Verbundenheit dieser Nutzer mit dem Halter sorgsamer behandelt worden ist als ein Mietwagen. Dagegen wird die Verwendung als Mietwagen vom Verkehr wegen der zahlreichen tatsächlichen Nutzer, die keine Veranlassung haben, das Fahrzeug in einer auf längeren Werterhalt angelegten Weise sorgsam zu behandeln, als abträglich angesehen.“ (OLG München, Urt. v. 30.06.2011 – 29 U 1455/11, BeckRS 2011, 19701 m. w. Nachw.);

ähnlich hat es der 1. Senat des OLG Oldenburg in seinem von dem Landgericht zitierten Urteil zu Recht gesehen (vgl. OLG Oldenburg, Urt. v. 16.09.2010 – 1 U 75/10, MDR 2011, 250 f.). Denn Fahrzeuge, die von Vermietungsunternehmen eingesetzt werden, werden häufig von Fahrern mit wechselndem Temperament, wechselnden Fahrfähigkeiten und Sorgfaltseinstellungen benutzt; unterschiedliches Fahrtemperament bleibt auch nicht ohne jeden Einfluss auf die Verschleißteile eines Fahrzeugs und dessen Pflegezustand (OLG Hamm, Urt. v. 20.07.2010 – I-4 U 101/10, GRUR-RR 2011, 189, 190). Etwas Gegenteiliges ergibt sich letztlich nicht einmal aus der von der Beklagten herangezogenen Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 28.10.2010 – 4 U 133/10 –, denn in dem dort entschiedenen Fall konnte ein verständiger Verbraucher „ohne Weiteres erkennen, dass es sich bei dem Angebot um ein solches eines Mietwagenunternehmens handelt“. Das ist hier gerade nicht der Fall; Anbieterin ist ein Autohaus.

Ob die Bedenken, die unter Verbrauchern gegen Mietfahrzeuge bestehen, angesichts der vom Landgericht angestellten Überlegungen tatsächlich berechtigt sind, ist letztlich nicht von entscheidender Bedeutung. Maßgeblich ist vielmehr, dass der durchschnittliche Verbraucher der Mietwageneigenschaft eine wesentliche Bedeutung für seine Kaufentscheidung beimisst. Die Abwägung des daraus herrührenden Informationsinteresses des Verbrauchers mit den Interessen des Unternehmers unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes fällt zugunsten der vollständigen Information des Verbrauchers aus. Denn für den Kraftfahrzeughändler, der – wie hier – ohnehin eine größere Anzahl von Informationen über das angebotene Fahrzeug in seine Internetanzeige aufnimmt, stellt es eine äußerst geringe Mühe dar, auch auf die Vornutzung des Fahrzeugs als Mietwagen hinzuweisen. Es ist schlechterdings kein Hinderungsgrund zu erkennen, der die Vorenthaltung gerade dieser Information rechtfertigen könnte. Zu Recht weist der Kläger in diesem Zusammenhang darauf hin, dass gerade angesichts der Vielzahl eher nebensächlicher Informationen, die in der streitgegenständlichen Anzeige enthalten sind (bis hin zur Chromeinlage des Türgriffs), die berechtigte Erwartung des Verbrauchers besteht, über wesentliche Eigenschaften des Fahrzeugs vollständig unterrichtet zu werden. Das Interesse des Kraftfahrzeughändlers, eine Information zu verschweigen, weil er weiß, dass der Verbraucher sie als wertmindernd ansieht, ist auch dann nicht von Gewicht, wenn der Händler der Auffassung sein sollte, die betreffende Eigenschaft sei in Wahrheit gar nicht nachteilig, denn maßgeblich für die Wesentlichkeit ist die Perspektive des Verbrauchers, um dessen geschäftliche Entscheidung es geht.

2. Da die Beklagte zur Unterlassung verpflichtet ist, kann der Kläger auch die Erstattung der geltend gemachten Abmahnkosten nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit gemäß §§ 291, 288 I 2 BGB beanspruchen. …

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