1. Ein be­heb­ba­rer Man­gel ist nicht nur dann er­heb­lich, wenn die für die Man­gel­be­sei­ti­gung auf­zu­wen­den­den Kos­ten ei­nen be­stimm­ten Be­trag über­stei­gen. Viel­mehr liegt un­ab­hän­gig von den Män­gel­be­sei­ti­gungs­kos­ten auch dann ein er­heb­li­cher Man­gel vor, wenn im Zeit­punkt der Rück­tritts­er­klä­rung des Käu­fers die Man­gel­ur­sa­che un­ge­wiss ist, et­wa weil auch der Ver­käu­fer sie nicht fest­stel­len konn­te.
  2. Ein zum Zeit­punkt der Rück­tritts­er­klä­rung er­heb­li­cher Man­gel kann nicht da­durch un­er­heb­lich wer­den, dass es dem Ver­käu­fer bei wei­te­ren Re­pa­ra­tur­ver­su­chen oder et­wa auf Hin­weis ei­nes Sach­ver­stän­di­gen spä­ter doch noch ge­lingt, die Man­gel­ur­sa­che zu er­mit­teln und den Man­gel mit ge­rin­gem Auf­wand zu be­he­ben.
  3. Ein Nach­bes­se­rungs­ver­such ist un­ab­hän­gig da­von, was der Ver­käu­fer un­ter­nom­men hat, er­folg­los ge­blie­ben, wenn es nicht ge­lun­gen ist, den Zu­stand der Kauf­sa­che her­zu­stel­len, den sie bei Über­ga­be an den Käu­fer hät­te ha­ben müs­sen.

LG Ha­gen, Ur­teil vom 26.08.2015 – 2 O 149/14

Sach­ver­halt: Die Klä­ge­rin be­gehrt die Rück­ab­wick­lung ei­nes mit der Be­klag­ten ge­schlos­se­nen Kfz-Kauf­ver­tra­ges.

Mit Ver­trag vom 10.12.2012 ver­kauf­te die Be­klag­te der Klä­ge­rin ei­nen für 29.900 € ei­nen am 13.06.2012 erst­zu­ge­las­se­nen Pkw Mer­ce­des-Benz B 180 CDI. Das Fahr­zeug, das als ge­brauch­ter Vor­führ­wa­gen ver­kauft wur­de, wies da­mals ei­nen Ki­lo­me­ter­stand von 4.900 auf.

Zur Fi­nan­zie­rung des Kauf­prei­ses schloss die Klä­ge­rin am 10.12.2012 mit der N-AG ei­nen durch die Be­klag­te ver­mit­tel­ten Dar­lehns­ver­trag über 23.400 € nebst Zin­sen in Hö­he von 1.312,92 €, ins­ge­samt al­so 24.712,92 €. Die Rück­zah­lung soll­te in 36 Ra­ten zu je 237,97 € er­fol­gen; au­ßer­dem soll­te die Klä­ge­rin – die an die Be­klag­te 6.500 € zahl­te – im No­vem­ber 2015 ei­ne Schluss­ra­te von 16.146 € zah­len. Der Pkw wur­de an die N-AG si­che­rungs­über­eig­net.

Am 20.08.2013 be­an­stan­de­te die Klä­ge­rin ge­gen­über der Be­klag­ten, dass beim Ab­brem­sen und Ran­gie­ren des Fahr­zeugs ein Kna­cken aus dem vor­de­ren Achs­be­reich zu hö­ren sei und das Fahr­zeug im Üb­ri­gen un­ru­hig fah­re. Am 22.08.2013 er­neu­er­te die Be­klag­te dar­auf­hin bei­de Quer­len­ker der Vor­der­ach­se un­ten links und un­ten rechts. Am 31.08.2013 be­an­stan­de­te die Klä­ge­rin, dass das Fahr­zeug nach der Er­neue­rung der Quer­len­ker ab ei­ner Ge­schwin­dig­keit von 110 km/h vi­brie­re bzw. ein „schwim­me“. Dar­auf­hin mon­tier­te die Be­klag­te an­de­re Rä­der an den Wa­gen und ließ die zu­vor an­ge­brach­ten Som­mer­rei­fen aus­wuch­ten. Am 11.09.2013 stell­te die Klä­ge­rin das Fahr­zeug er­neut in der Werk­statt der Be­klag­ten vor, weil al­le vier Rei­fen ei­nen Hö­hen­schlag auf­wie­sen. Dar­auf­hin ließ die Be­klag­te an dem Fahr­zeug der Klä­ge­rin Win­ter­rei­fen auf­zie­hen.

Mit an die Be­klag­te ge­rich­te­tem Schrei­ben vom 11.10.2013 er­klär­te die Klä­ge­rin, die Wand­lung vor­neh­men zu wol­len, weil im­mer noch ein „Dau­er­pro­blem“ be­ste­he: Bei ei­ner Ge­schwin­dig­keit von 140 km/h sei das Au­to im be­la­de­nen Zu­stand nicht leicht in der Spur zu hal­ten; es „schwim­me“.

Am 05.11.2013 mo­nier­te die Klä­ge­rin er­neut ein un­ru­hi­ges Fahr­ver­hal­ten des Fahr­zeugs. Die Be­klag­te führ­te ei­ne Spur­ver­mes­sung durch, und ihr Mit­ar­bei­ter M un­ter­nahm ei­ne Pro­be­fahrt auf der Au­to­bahn. Da­bei stell­te er das von der Klä­ge­rin mo­nier­te Vi­brie­ren und Zit­tern des Fahr­zeugs bzw. das un­ru­hi­ge Fahr­ver­hal­ten nicht fest.

Mit Schrei­ben vom 25.03.2014 lehn­te die Be­klag­te ei­ne Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­tra­ges ab, weil ein zum Rück­tritt be­rech­ti­gen­der Man­gel nicht vor­lie­ge und die Fahr­zeug­her­stel­le­rin die Be­an­stan­dun­gen der Klä­ge­rin nicht nach­voll­zie­hen kön­ne.

Dar­auf­hin ließ die Klä­ge­rin die Be­klag­te mit An­walts­schrei­ben vom 27.03.2014 er­neut zur Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags auf­for­dern.

Ih­re Kla­ge hat­te größ­ten­teils Er­folg.

Aus den Grün­den: Der Klä­ge­rin steht ge­gen die Be­klag­te ein An­spruch auf Rück­zah­lung ei­nes Teils des Kauf­prei­ses in Hö­he von 24.671,39 € aus §§ 434 I 2 Nr. 1 und 2, 437 Nr. 2, 323, 346 I BGB zu.

Die Klä­ge­rin ist von dem zwi­schen den Par­tei­en ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trag vom 10.12.2012 rechts­wirk­sam zu­rück­ge­tre­ten. Das ge­kauf­te Fahr­zeug wies zum Zeit­punkt des Ge­fahr­über­gangs Sach­män­gel auf. Der Sach­ver­stän­di­ge S hat durch aus­ge­dehn­te Fahr­ver­su­che fest­ge­stellt, dass das Fahr­zeug so­wohl bei nied­ri­ge­ren als auch bei hö­he­ren Ge­schwin­dig­kei­ten ober­halb von 140 km/h un­ab­hän­gig vom Be­la­dungs­zu­stand ei­nen man­gel­haf­ten Ge­ra­de­aus­lauf mit ei­nem Ei­gen­lenk­ver­hal­ten nach rechts zeigt, das für den Fahr­zeug­typ aty­pisch ist und nicht dem Stand der Se­rie ent­spricht. Bei der Achs­ver­mes­sung hat der Sach­ver­stän­di­ge fest­ge­stellt, dass die Ein­stell­grö­ßen für Spur, Nach­lauf und Sturz an der Vor­der­ach­se so­wie für Spur und Sturz an der Hin­ter­ach­se au­ßer­halb der her­stel­ler­sei­tig vor­ge­ge­be­nen To­le­ranz lie­gen. Die­se sind ur­säch­lich für den man­gel­haf­ten Ge­ra­de­aus­lauf des Fahr­zeugs und da­für, dass bei den Rei­fen, wie der Sach­ver­stän­di­ge eben­falls fest­ge­stellt hat, ei­ne leicht über­pro­por­tio­na­le Be­las­tung der Rei­fen­in­nen­flan­ken auf­ge­tre­ten ist. Die Ur­sa­che für den Man­gel sieht der Sach­ver­stän­di­ge dar­in, dass die nach Aus­tausch der un­te­ren Quer­len­ker zwin­gend er­for­der­li­che Achs­ver­mes­sung und -ein­stel­lung nicht durch­ge­führt wor­den ist. Aus den von der Be­klag­ten vor­ge­leg­ten Auf­trags­blät­tern er­schließt sich nicht, dass dies er­folgt ist. Auf­grund die­ser von dem Sach­ver­stän­di­gen T … fest­ge­stell­ten, im Gut­ach­ten über­zeu­gend dar­ge­leg­ten und in der münd­li­chen Ver­hand­lung er­neut be­stä­tig­ten Fahr­ei­gen­schaf­ten hat das Ge­richt kei­nen Zwei­fel, dass das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug ak­tu­ell man­gel­haft ist.

Der Man­gel hat auch be­reits bei Ge­fahr­über­gang vor­ge­le­gen.

Zwar hat der Sach­ver­stän­de das zu­nächst von der Klä­ge­rin bei der Be­klag­ten be­an­stan­de­te Kna­cken, Zit­tern und Vi­brie­ren so­wie den un­ru­hi­gen Lauf nicht fest­ge­stellt. Die­se Er­schei­nun­gen sind durch die in der Werk­statt der Be­klag­ten vor­ge­nom­me­nen Ar­bei­ten of­fen­sicht­lich be­sei­tigt wor­den. Zu­gleich ist aber, wie der Sach­ver­stän­di­ge bei der münd­li­chen Er­läu­te­rung sei­nes Gut­ach­tens über­zeu­gend dar­ge­stellt hat, durch die­sel­ben Ar­bei­ten der Be­klag­ten ein neu­es Sym­ptom im Achs- und Lenk­be­reich auf­ge­tre­ten, näm­lich der man­gel­haf­te Ge­ra­de­aus­lauf. Die­ser ist auf die un­zu­läng­li­che Durch­füh­rung der Ar­bei­ten im Zu­sam­men­hang mit dem Aus­tausch der Quer­len­ker zu­rück­zu­füh­ren, weil die er­for­der­li­che Achs­ver­mes­sung und -ein­stel­lung nicht er­folgt ist, wes­halb die Rad- und Achs­geo­me­trie feh­ler­haft ein­ge­stellt blieb und zu dem Ei­gen­lenk­ver­hal­ten des Fahr­zeugs führ­te.

Der Sach­ver­stän­di­ge hat fer­ner aus­ge­führt, dass das zu­nächst im Achs­be­reich auf­ge­tre­te­ne Kna­cken und un­ru­hi­ge Lauf­ver­hal­ten auf ei­nen De­fekt der La­ge­rung der Quer­len­ker zu­rück­zu­füh­ren war. Ein sol­cher Achs­la­ger­scha­den ent­steht, wie der Sach­ver­stän­di­ge eben­falls schlüs­sig und nach­voll­zieh­bar er­läu­tert hat, nicht nach so ge­rin­ger Lauf­leis­tung und muss da­her schon bei Über­ga­be im De­zem­ber 2012 vor­ge­le­gen ha­ben. Die dann von der Be­klag­ten er­grif­fe­ne Maß­nah­me, näm­lich der Aus­tausch der vor­de­ren Quer­len­ker, war zwar die rich­ti­ge Re­ak­ti­on, wie der Sach­ver­stän­di­ge eben­falls aus­ge­führt hat. Hier­bei ist der Be­klag­ten je­doch ein Feh­ler un­ter­lau­fen, in­dem sie ei­ne ord­nungs­ge­mä­ße Ver­mes­sung und Ein­stel­lung der Ach­se un­ter­las­sen hat, was wie­der­um zu dem fest­ge­stell­ten un­be­frie­di­gen­den Fahr­ver­hal­ten des Fahr­zeugs ge­führt hat.

Die Be­klag­te ist da­mit ent­ge­gen ih­rer Auf­fas­sung ih­rer Ver­pflich­tung zur Be­sei­ti­gung der be­reits bei Über­ga­be des Fahr­zeugs an die Klä­ge­rin vor­han­de­nen Achs­la­ger­de­fek­te nicht nach­ge­kom­men. Es han­delt sich bei dem Achs­la­ger­scha­den, der zum Kna­cken und un­ru­hi­gen Fahr­ver­hal­ten ge­führt hat, ei­ner­seits und der nun­mehr vor­lie­gen­den un­zu­rei­chen­den Achs­ein­stel­lung an­de­rer­seits nicht et­wa um zwei gänz­lich ver­schie­de­ne Män­gel, son­dern um zwei ver­schie­de­ne Sym­pto­me ei­nes ein­heit­li­chen Man­gels, näm­lich ei­nes De­fekts im Achs- und Lenk­funk­ti­ons­be­reich. Die­ser ist im Er­geb­nis nicht be­ho­ben wor­den.

Ob ein Nach­bes­se­rungs­ver­such er­folg­los ist oder nicht, ist am Ge­gen­stand und am In­halt der Nach­bes­se­rungs­pflicht zu mes­sen. Was zählt, ist das Er­geb­nis der Be­mü­hun­gen. Wenn das Ziel der Her­stel­lung ei­nes un­ein­ge­schränkt funk­ti­ons­tüch­ti­gen Fahr­zeugs ver­fehlt wird, ist der Ver­such er­folg­los ge­blie­ben, gleich­viel, was der Ver­käu­fer un­ter­nom­men hat. Denn In­halt der Nach­bes­se­rungs­pflicht ist es, dass der Ver­käu­fer den Zu­stand des Fahr­zeugs her­zu­stel­len hat, der bei Aus­lie­fe­rung des Fahr­zeugs, al­so bei Ge­fahr­über­gang, ge­schul­det war. Hät­te der Ver­käu­fer von An­fang an man­gel­frei ge­lie­fert, wä­ren die dann ein­ge­tre­te­nen Fol­ge­wir­kun­gen des Man­gels aus­ge­blie­ben (Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 12. Aufl., Rn. 694, 973). Be­steht schon bei Über­ga­be des Fahr­zeugs ein Zu­stand, der sich an­schlie­ßend zu ei­ner Funk­ti­ons­stö­rung aus­wei­tet, ist schon der Aus­gangs­zu­stand bei Über­ga­be der Sach­man­gel, ist al­so be­reits bei Über­ga­be im Keim an­ge­legt, und hat sich dann durch den wei­te­ren Feh­ler beim Re­pa­ra­tur­ver­such in­ten­si­viert.

In­so­fern ist der vor­lie­gen­de Fall mit ei­nem in der Recht­spre­chung ent­schie­de­nen Fall zu ver­glei­chen, bei dem ein ver­kauf­tes Fahr­zeug bei Über­ga­be ei­nen be­schä­dig­ten Öl­schlauch auf­wies, der vom Ver­trags­händ­ler re­pa­riert wur­de, wo­bei der da­durch ver­ur­sach­te Öl­ver­lust dann al­ler­dings in der Fol­ge­zeit zu ei­nem Mo­tor­scha­den führ­te. Die durch den Öl­ver­lust an­ge­leg­ten Mo­tor­schä­den bil­den mit dem De­fekt des Öl­schlauchs ei­nen Ge­samt­man­gel (OLG Ko­blenz, Urt. v. 21.11.2012 – 2 U 460/12, MDR 2013, 402; Rein­king/Eg­gert, a. a. O., Rn. 3285). Eben­so ist es vor­lie­gend. Der bei Über­ga­be im Keim an­ge­leg­te Achs­la­ger­scha­den führ­te durch die un­zu­rei­chen­de Re­pa­ra­tur der Be­klag­ten zu ei­nem Fort­be­stand des Man­gels im Achs­be­reich in Form des feh­ler­haf­ten Ge­ra­de­aus­laufs. Da­mit hat die Be­klag­te nicht, wo­zu sie ver­pflich­tet war, den Zu­stand des Fahr­zeugs her­ge­stellt, den sie bei Aus­lie­fe­rung be­reits ge­schul­det hat, näm­lich ein Au­to, das im Lauf- und Spur­ver­hal­ten kei­ne Pro­ble­me zeigt.

Die vor­ste­hend be­schrie­be­ne Ein­heit­lich­keit des Man­gels und der von der Über­ga­be an be­ste­hen­de in­ne­re Zu­sam­men­hang bis zum heu­ti­gen Zu­stand des Fahr­zeugs wird auch nicht da­durch in­fra­ge ge­stellt, dass der Mit­ar­bei­ter M der Be­klag­ten an­läss­lich ei­ner durch­ge­führ­ten Ver­mes­sung und ei­ner Pro­be­fahrt am 05.11.2013 kei­nen Feh­ler fest­ge­stellt hat. Ei­ner Be­weis­auf­nah­me hier­zu durch Ver­neh­mung des von der Be­klag­ten be­nann­ten Zeu­gen M be­durf­te es nicht, da die­ser Um­stand als wahr un­ter­stellt wer­den kann. Er än­dert nichts an den über­zeu­gen­den Aus­füh­run­gen des Sach­ver­stän­di­gen zu den Fest­stel­lun­gen zum heu­ti­gen Zu­stand des Fahr­zeugs und dem tech­ni­schen Zu­sam­men­hang mit den achs­la­ger­be­ding­ten und bei Über­ga­be be­reits vor­han­de­nen Feh­lern, die die Be­klag­te durch ei­ne un­zu­rei­chen­de Re­pa­ra­tur nicht be­sei­tigt hat. Es ist näm­lich nicht be­kannt und auch nicht vor­ge­tra­gen, wie ge­nau die Ver­mes­sung am 05.11.2013 durch­ge­führt wor­den ist und wel­che Be­din­gun­gen bei der Pro­be­fahrt, die der Zeu­ge M am 05.11.2013 auf der Au­to­bahn vor­ge­nom­men hat, be­stan­den. Es ist nichts da­für vor­ge­tra­gen, mit wel­cher Ge­schwin­dig­keit und wel­chem Be­la­dungs­zu­stand des Fahr­zeugs die Pro­be­fahrt durch­ge­führt wur­de. Fer­ner wird nicht aus­ge­führt, ob der Zeu­ge M das Lenk­rad stän­dig fest­ge­hal­ten oder wie der Sach­ver­stän­di­ge über­prüft hat, wie sich das Fahr­zeug ver­hält, wenn das Lenk­rad los­ge­las­sen oder nur leicht fest­ge­hal­ten wird. Wenn ein er­fah­re­ner Kraft­fah­rer das Lenk­rad ei­nes Fahr­zeugs, das ei­nen ge­stör­ten Ge­ra­de­aus­lauf hat, fest in der Hand hält, steu­ert er au­to­ma­tisch ge­gen, so­dass ihm da­durch sub­jek­tiv ei­ne Auf­fäl­lig­keit ver­bor­gen blei­ben kann.

Ei­ne an­de­re Be­ur­tei­lung er­gibt sich auch nicht aus dem Vor­trag der Be­klag­ten, zwi­schen den am 05.11.2013 vor­ge­nom­me­nen Maß­nah­men und dem Un­ter­su­chungs­zeit­punkt des Sach­ver­stän­di­gen am 06.05.2015 sei die feh­ler­haf­te Achs­ein­stel­lung von der Klä­ge­rin selbst durch ihr Fahr­ver­hal­ten ver­ur­sacht wor­den und da­mit auf ei­nen fahr­ver­hal­tens­be­ding­ten Ver­schleiß zu­rück­zu­füh­ren. Hier­zu hat der Sach­ver­stän­di­ge in der münd­li­chen Ver­hand­lung über­zeu­gend dar­ge­legt, dass die von ihm fest­ge­stell­te feh­ler­haf­te Ein­stel­lung der Rad-/Achs­geo­me­trie nicht auf ein Fehl­ver­hal­ten des Fah­rers zu­rück­zu­füh­ren sein kann. Da­ge­gen spricht näm­lich die Tat­sa­che, dass die fest­ge­stell­ten Ab­wei­chun­gen der Ein­stel­lung auf bei­den Sei­ten na­he­zu gleich­mä­ßig wa­ren. Wird da­ge­gen die Achs­geo­me­trie durch Fahr­feh­ler, et­wa durch un­sach­ge­mä­ßes Über­fah­ren von Bord­stei­nen, ver­ur­sacht, führt dies nach den Er­fah­run­gen des Sach­ver­stän­di­gen re­gel­mä­ßig zu ein­sei­ti­gen Ab­wei­chun­gen auf ei­ner Sei­te.

Die Klä­ge­rin hat der Be­klag­ten zwar kei­ne Frist zur Nach­er­fül­lung ge­mäß § 323 I BGB ge­setzt. Dies war je­doch ge­mäß § 440 BGB ent­behr­lich, da die von der Be­klag­ten ver­such­te Nach­er­fül­lung fehl­ge­schla­gen war. Nach der ers­ten Be­an­stan­dung der Klä­ge­rin am 20.08.2013 hat die Be­klag­te am 22.08.2013 die Quer­len­ker aus­ge­tauscht, am 31.08.2013 die Som­mer­rei­fen aus­ge­wuch­tet und am 11.09.2013 noch ein­mal die Rä­der ge­wech­selt und aus­ge­wuch­tet, oh­ne dass dies zu ei­nem nach­hal­ti­gen Er­folg ge­führt hat. Dar­über hin­aus war ei­ne Frist­set­zung zur Nach­er­fül­lung auch ge­mäß § 323 II Nr. 1 BGB ent­behr­lich, da die Be­klag­te mit Schrei­ben vom 25.03.2014 das Vor­lie­gen ei­nes Man­gels von sich ge­wie­sen und jeg­li­che Leis­tung ab­ge­lehnt hat.

Die Klä­ge­rin war da­her ge­mäß § 323 I BGB zum Rück­tritt vom Ver­trag be­rech­tigt. Dem steht nicht § 323 V 2 BGB ent­ge­gen. Die Pflicht­ver­let­zung der Be­klag­ten war nicht un­er­heb­lich.

Zwar hat der Sach­ver­stän­di­ge auf Nach­fra­ge er­klärt, die Achs­ver­mes­sung und Ein­stel­lung wür­de Kos­ten von ca. 200 € und die Er­neue­rung der Rei­fen sol­che von 500 € ver­ur­sa­chen. Da­mit lie­gen die Re­pa­ra­tur­kos­ten un­ter­halb von 5 % des Kauf­prei­ses, was in Li­te­ra­tur und Recht­spre­chung häu­fig als Grenz­wert für die Er­heb­lich­keits­schwel­le an­ge­se­hen wird (Rein­king/Eg­gert, a. a. O., Rn. 1042). Vor­lie­gend ist al­ler­dings für die Be­ur­tei­lung, ob die Pflicht­ver­let­zung der Be­klag­ten er­heb­lich war, nicht al­lein auf das Ver­hält­nis der Re­pa­ra­tur­kos­ten zum ver­ein­bar­ten Kauf­preis ab­zu­stel­len. Ein be­heb­ba­rer Man­gel wird in der Recht­spre­chung nicht nur dann als er­heb­lich an­ge­se­hen, wenn die Re­pa­ra­tur­kos­ten ei­ne be­stimm­te Hö­he er­rei­chen, son­dern un­ab­hän­gig von den Kos­ten der Män­gel­be­sei­ti­gung auch dann, wenn im Zeit­punkt der Rück­tritts­er­klä­rung un­ge­wiss ist, wel­ches die Män­gel­ur­sa­che ist, und auch der Ver­käu­fer sie nicht fest­stel­len konn­te. Denn für die Be­ur­tei­lung der Fra­ge der Er­heb­lich­keit der Pflicht­ver­let­zung ist auf den Zeit­punkt der Rück­tritts­er­klä­rung ab­zu­stel­len. Ist zu die­sem Zeit­punkt die Ur­sa­che der Fehl­funk­ti­on trotz meh­re­rer vor­an­ge­gan­ge­ner Re­pa­ra­tur­ver­su­che nicht er­mit­telt und ist ins­be­son­de­re der Ver­käu­fer nicht in der La­ge, die Ur­sa­che zu fin­den, dann ist schon die­ser Be­fund als er­heb­li­cher Man­gel ein­zu­stu­fen. An­dern­falls müss­te der Käu­fer das Fahr­zeug be­hal­ten, be­las­tet mit der Un­ge­wiss­heit, wor­auf die Fehl­funk­ti­on denn nun be­ruht und wel­che Aus­wir­kun­gen sie mög­li­cher­wei­se künf­tig noch ha­ben wird. Ein so­mit zum Zeit­punkt der Rück­tritts­er­klä­rung er­heb­li­cher Man­gel kann auch nicht da­durch im Nach­hin­ein un­er­heb­lich wer­den, dass es bei wei­te­ren Re­pa­ra­tur­ver­su­chen oder et­wa auf Hin­weis des Sach­ver­stän­di­gen spä­ter doch noch ge­lingt, die Man­gel­ur­sa­che zu er­mit­teln und den Man­gel mit ge­rin­gem Auf­wand zu be­he­ben (BGH, Urt. v. 05.11.2008 – VI­II ZR 166/07, NJW 2009, 508; Urt. v. 09.03.2011 – VI­II ZR 266/09, NJW 2011, 1664; Urt. v. 29.06.2011 – VI­II ZR 202/10, NJW 2011, 2872; Urt. v. 06.02.2013 – VI­II ZR 374/11, NJW 2013, 1365; Rein­king/Eg­gert, a. a. O., Rn. 1037, 1040).

So ver­hält es sich auch im vor­lie­gen­den Fall. Der Be­klag­ten war es bis zum Zeit­punkt der Rück­tritts­er­klä­rung am 11.10.2013 bei drei Re­pa­ra­tur­ver­su­chen nicht ge­lun­gen, den Man­gel zu be­sei­ti­gen und die Ur­sa­che für die Fehl­funk­tio­nen zu fin­den. Sie stand dem Pro­blem of­fen­bar rat­los ge­gen­über. Nach dem Aus­tausch der Quer­len­ker am 22.08.2013 hat sie sich noch zwei­mal er­folg­los mit der Mon­ta­ge und dem Aus­wuch­ten von Rei­fen be­fasst, an­statt den von ihr durch die un­ter­blie­be­ne Achs­ver­mes­sung und -ein­stel­lung ver­ur­sach­ten Feh­ler zu fin­den.

Die Rechts­fol­ge des er­klär­ten Rück­tritts ist, dass die Klä­ge­rin von der Be­klag­ten ge­mäß § 346 I BGB die Rück­zah­lung des ge­zahl­ten Kauf­prei­ses ab­züg­lich ei­nes Aus­gleichs für den er­ziel­ten Nut­zungs­vor­teil er­lan­gen kann.

Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten be­schränkt sich der An­spruch der Klä­ge­rin nicht auf die Rück­zah­lung der auf den Kauf­preis ge­leis­te­ten An­zah­lung und der bis­her be­reits an die Bank be­zahl­ten Net­to­kre­dit­ra­ten. Der ge­gen­tei­li­gen Auf­fas­sung, auf die sich die Be­klag­te be­ruft (OLG Hamm, Urt. v. 08.09.2005 – 28 U 60/05; Urt. v. 05.08.2010 – 28 U 22/10), folgt die Kam­mer nicht. Die Tat­sa­che, dass die Klä­ge­rin den der Be­klag­ten ge­schul­de­ten Kauf­preis teil­wei­se fi­nan­ziert hat und dass es sich bei dem Kauf­ver­trag und dem Dar­le­hens­ver­trag mit der N-AG wohl um ver­bun­de­ne Ver­trä­ge ge­mäß § 358 BGB ge­han­delt ha­ben dürf­te, weil das Dar­le­hen durch die Be­klag­te ver­mit­telt wor­den ist, än­dert an den sich aus dem Rück­tritts­recht er­ge­ben­den Rechts­fol­gen nichts. Der Um­stand, wie sich ein Käu­fer die Mit­tel für die Zah­lung des Kauf­prei­ses ver­schafft, hat auf das zwi­schen Käu­fer und Ver­käu­fer be­ste­hen­de Rechts­ver­hält­nis und die dar­aus er­wach­sen­den Rech­te und Pflich­ten kei­nen Ein­fluss. Der Rück­tritt wan­delt das ur­sprüng­li­che Ver­trags­ver­hält­nis in ein Ab­wick­lungs­ver­hält­nis um. Die Iden­ti­tät der Par­tei­en bleibt da­bei be­ste­hen. Be­reits er­brach­te Leis­tun­gen sind stets an den Ver­trags­part­ner zu­rück­zu­ge­wäh­ren und nicht an Drit­te. Dar­an än­dert sich nichts da­durch, dass ein Teil des Kauf­prei­ses von der Bank fi­nan­ziert und mög­li­cher­wei­se di­rekt von die­ser an die Be­klag­te als Ver­käu­fe­rin ge­zahlt wor­den ist. Denn aus Sicht der Par­tei­en wür­de sich dann die Leis­tung der Bank als auf An­wei­sung der Klä­ge­rin er­folgt und da­mit als Leis­tung für die­se dar­stel­len (Höpf­ner, NJW 2010, 127).

Im Üb­ri­gen fin­den sich die Vor­schrif­ten der §§ 358, 359 BGB in dem Un­ter­ti­tel über Wi­der­rufs- und Rück­ga­be­recht bei Ver­brau­cher­ver­trä­gen. Die­se Be­stim­mun­gen gel­ten da­her nur für den Fall des Wi­der­rufs ei­nes Ver­tra­ges nach § 355 BGB und sind auf den ge­setz­li­chen Rück­tritt nicht über­trag­bar (OLG Ko­blenz, Urt. v. 18.12.2008 – 6 U 564/08). Hier­aus er­gibt sich auch kei­ne un­an­ge­mes­se­ne Be­güns­ti­gung des Käu­fers. Die­sem steht zwar bei ver­bun­de­nen Ver­trä­gen ge­mäß § 359 BGB ge­gen­über der Bank das Recht zu, die Rück­zah­lung der wei­te­ren Dar­le­hens­ra­ten zu ver­wei­gern, so­weit Ein­wen­dun­gen aus dem ver­bun­de­nen Ver­trag ge­gen­über dem Un­ter­neh­mer, al­so aus dem Kauf­ver­trag, die­sem ge­gen­über zur Ver­wei­ge­rung der Leis­tung be­rech­ti­gen wür­den. Bei die­ser Ein­re­de han­delt es sich je­doch um ein Leis­tungs­ver­wei­ge­rungs­recht des Kun­den ge­gen­über der Bank, nicht je­doch um ei­ne Pflicht. Er darf, muss aber nicht die Leis­tun­gen ge­gen­über der Bank ver­wei­gern. Wür­de dem Käu­fer und Dar­le­hens­neh­mer dies zu­ge­mu­tet mit der Fol­ge, nicht den ge­sam­ten Kauf­preis vom Händ­ler zu­rück­er­stat­tet zu be­kom­men, wür­de dar­aus ei­ne zu­sätz­li­che Be­las­tung des Käu­fers er­wach­sen kön­nen. Wür­de bei­spiels­wei­se die Bank das Leis­tungs­ver­wei­ge­rungs­recht des Käu­fers nicht ak­zep­tie­ren, dann müss­te die­ser ge­ge­be­nen­falls zwei Rechts­strei­te füh­ren, näm­lich ei­nen ge­gen den Händ­ler auf Rück­zah­lung der be­reits ge­zahl­ten Be­trä­ge und ei­nen ge­gen die Bank we­gen der noch aus­ste­hen­den wei­te­ren Ra­ten. Die Bank wä­re auch nicht ge­hin­dert, in dem ge­gen sie ge­führ­ten Pro­zess sämt­li­che Ver­tei­di­gungs­rech­te gel­tend zu ma­chen, al­so bei­spiels­wei­se die Män­gel, die schon im Pro­zess ge­gen den Ver­käu­fer fest­ge­stellt sind, er­neut zu be­strei­ten. Dem könn­te der Käu­fer zwar durch ei­ne Streit­ver­kün­dung ge­gen die Bank im Pro­zess ge­gen den Händ­ler mit der Fol­ge ei­ner Bin­dungs­wir­kung ent­ge­hen. Dies bräch­te für ihn aber ver­schie­de­ne Nach­tei­le. So wür­den ihm im Pro­zess ge­gen den Händ­ler im Fal­le des Bei­tritts der Bank zwei Pro­zess­geg­ner ge­gen­über­ste­hen, mit de­nen er sich aus­ein­an­der set­zen müss­te. Zu­dem birgt die Streit­ver­kün­dung ein zu­sätz­li­ches Kos­ten­ri­si­ko. Im Fal­le des Pro­zess­ver­lus­tes müss­te er auch die Kos­ten des Streit­hel­fers über­neh­men.

Die Klä­ge­rin muss sich die durch die Wei­ter­nut­zung des ge­kauf­ten Fahr­zeugs er­wach­se­nen Nut­zungs­vor­tei­le in Ab­zug brin­gen las­sen. Nach den An­ga­ben im Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten wies das Fahr­zeug zum Be­sich­ti­gungs­zeit­punkt am 06.05.2015 ei­nen Ki­lo­me­ter­stand von 30.811 auf. Die Klä­ge­rin hat so­mit mit dem Wa­gen, der bei Über­ga­be ei­nen Ki­lo­me­ter­stand von 4.900 hat­te und jetzt rund 31.000 Ki­lo­me­ter Lauf­leis­tung hat, rund 26.100 Ki­lo­me­ter zu­rück­ge­legt. Nach der von der Kam­mer in stän­di­ger Pra­xis an­ge­wen­de­ten For­mel be­misst sich der Nut­zungs­aus­fall nach 0,67 %  des Kauf­prei­ses, vor­lie­gend al­so 200,33 € pro 1.000 ge­fah­re­ne Ki­lo­me­ter. Dies er­gibt ei­nen für den Nut­zungs­aus­fall ab­zu­zie­hen­den Be­trag von 5.228,61 €. So­mit bleibt … ein von der Be­klag­ten zu er­stat­ten­der Be­trag von 24.671,39 €.

Der An­spruch der Klä­ge­rin be­steht ge­mäß §§ 348, 320, 322 BGB Zug um Zug ge­gen Rück­über­eig­nung des Fahr­zeugs an die Be­klag­te, was die Klä­ge­rin in ih­rem Kla­ge­an­trag be­reits be­rück­sich­tigt hat.

Ei­ne Ver­zin­sung des zu zah­len­den Be­tra­ges kann die Klä­ge­rin von der Be­klag­ten … nicht ver­lan­gen, da die For­de­rung ein­re­de­be­haf­tet und die Ein­re­de noch nicht weg­ge­fal­len ist. Ver­zug ge­mäß § 286 I BGB ist durch das Schrei­ben vom 11.10.2013 nicht ein­ge­tre­ten, da der An­spruch der Klä­ge­rin nicht ein­re­de­frei und da­mit der­zeit nicht durch­setz­bar ist. Der Be­klag­ten steht die Ein­re­de ge­mäß §§ 348, 320, 322 BGB zu.

Der Kla­ge­an­trag zu 2 … war zu­rück­zu­wei­sen. Die Be­klag­te be­fin­det sich mit der Rück­nah­me des Pkw nicht in An­nah­me­ver­zug. Die Klä­ge­rin ist ver­pflich­tet, der Be­klag­ten das Ei­gen­tum an dem Pkw zu ver­schaf­fen. Da­zu ist sie der­zeit nicht in der La­ge, da sich das Fahr­zeug nicht in ih­rem Ei­gen­tum, son­dern im Si­che­rungs­ei­gen­tum der N-AG be­fin­det. Dass die­se die Klä­ge­rin er­mäch­tigt hät­te, das Ei­gen­tum be­reits jetzt an die Be­klag­te zu über­tra­gen, ist nicht vor­ge­tra­gen.

Der Klä­ge­rin steht ge­gen die Be­klag­te … auch ein An­spruch auf Er­satz der zur zweck­ent­spre­chen­den Rechts­ver­fol­gung er­for­der­li­chen au­ßer­ge­richt­li­chen An­walts­kos­ten zu. Da die Klä­ge­rin die­se bis­lang selbst nicht be­gli­chen hat, be­steht le­dig­lich ein Frei­stel­lungs­an­spruch. Dem hat die Klä­ge­rin durch Än­de­rung ih­res An­tra­ges Rech­nung ge­tra­gen. Ge­mes­sen an dem Wert der Haupt­for­de­rung, so­weit sie Er­folg hat, be­läuft sich der zu be­glei­chen­de Be­trag auf 1.242,84 € …

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